Vogelkäfig
Tarek wirft ihr den Sonnenhut ins Gesicht, was sie abrupt aus dem Schlaf reißt. Verwirrt und ein wenig ängstlich schaut Rosi ihn an, als er grinsend vor ihr steht. „Auf geht’s! Die Sonne scheint, und der Garten braucht Pflege“, sagt er mit einem aufmunternden Tonfall, als wäre dies das Normalste auf der Welt. „Darf ich?“, fragt er und setzt sich neben sie auf das Bett. In seiner Hand hält er eine Tube Sonnencreme, die er sich großzügig auf die Handfläche drückt. Das Mädchen ist verwirrt, unsicher, ob sie das wirklich möchte, aber die Aussicht, endlich wieder nach draußen zu gehen, lässt sie innerlich aufatmen. Die Wärme der Sonne auf ihrer Haut, der Duft von frischer Luft, das alles hat sie so lange vermisst. Ihre Gedanken kreisen (Er will wirklich, dass ich mit ihm rausgehe? Ist das meine Chance?) Vorsichtig hebt sie ihr T-Shirt hoch und dreht ihm den Rücken zu, während sie die Augen zusammenkneift, die Unsicherheit in ihr wächst. „Ich hab dich eh schon nackt gesehen, also entspann dich“, bemerkt Tarek und beginnt, die kühle Creme auf ihrem Rücken und Nacken zu verteilen. Seine Hände sind fest, und die Berührung ist seltsam intim, fast so, als würde er sie nicht nur eincremen, sondern jeden Moment bewusst genießen. Rosi's Gedanken rasen zwischen dem Wunsch, seine Nähe zu spüren, und dem Drang, einfach wegzulaufen. Er reicht ihr eine Augenbinde. „Hier, für deine Augen. Neugierde ist gut, aber Kontrolle ist besser", sagt er mit einem leichten Lachen, das Rosi zurück auf den Boden der Tatsachen holt. Ihre Chance zu entkommen, kann Sie sie nutzen? Oder wird das alles in einer neuen Erniedrigung enden? Mit zitternden Händen bindet sie sich die Augen zu. Sie spürt, wie er ihre Hand nimmt und sie vorsichtig aus dem Zimmer führt. Der Boden unter ihren Füßen verändert sich erst kühl, dann weich und warm, wie ein Teppich. Sie stößt sich leicht an einen Tisch, „Aua!“, entweicht ihr, woraufhin Tarek nur genervt die Augen verdreht. „Gut, ich trage dich“, sagt er bestimmt, bevor er sie elegant auf seinen Rücken wirft, als wäre sie eine Feder. Rosi klammert sich an ihn wie ein Äffchen, während er langsam die knirschenden Stufen nach oben geht. Jeder Schritt lässt ihr Herz schneller schlagen, nicht nur aus Angst, sondern auch aus einer seltsamen Vorfreude. Endlich wieder draußen sein, endlich Sonne. Tarek redet unentwegt, wie schön sie es finden wird, sie hört den Hall seiner Stimme, wie er neben ihr abprallt und sie streckt die Finger zur Seite aus, kühle Mauersteine, streifen sanft durch ihre Fingerspitzen. Sie gehen durch ein paar Räume und jeder von ihnen riecht anders. Rosi kann die Küche riechen und den Wäscheraum, voller Freude hüpft ihr Herz, endlich mal was anderes zu erleben. Als Tarek sie absetzt, spürt sie Grashalme, die zwischen ihren Zehen kitzeln. Sie freut sich so sehr, die Freiheit zu sehen, doch als er ihr die Augenbinde abnimmt, ist die Realität anders als erhofft. Sie blinzelte der Helligkeit entgegen und sieht sich um. Ein großer Garten umgeben von hohen Mauern. Blumen in allen Farben, Rosen, Tulpen und Sonnenblumen umrahmen das grüne Paradies. Sie atmet tief ein, spürt den Wind in ihren Haaren und den Duft der Blumen. Aber etwas stimmt nicht. Als sie nach oben zum Himmel schauen will, erkennt sie, dass über ihnen kein Himmel ist, sondern ein Dach. Das Sonnenlicht, das sie so sehr vermisst hat, scheint durch eine künstliche Konstruktion. Ventilatoren lüften den Raum und die Hitze ist intensiver als normal. Tropische Pflanzen, die zwischen den Blumen stehen, machen ihr klar, Sie ist nicht draußen. Nicht wirklich. Tarek hat sie in eine Illusion geführt, ein weiteres Gefängnis, nur anders verpackt. „Wie gefällt es dir?“, fragt er mit einem Anflug von Stolz in der Stimme. Sie versucht, den Schmerz in ihrer Brust zu unterdrücken, während sie sich weiter umschaut. Die Mauern, die sie umgeben, sind hoch, und hinter den Blumen und Pflanzen verbirgt sich keine Freiheit, sondern nur noch mehr Gefangenschaft. „Es ist … schön“, antwortet sie zögerlich, nicht sicher, was er hören will. Aber ihre Stimme zittert, und Tarek bemerkt es. „Du kannst hier so viel Zeit verbringen, wie du willst. Es gibt viel zu tun, Gärtnern, sich entspannen … Du bist doch gern draußen, nicht wahr?“, fragt er, seine Stimme sanft, aber mit einem gefährlichen Unterton. „Ja … ich mag es draußen“, murmelt sie, während ihre Gedanken rasen. Wie kann sie hier entkommen? Ist das überhaupt möglich? Tarek mustert sie für einen Moment, dann legt er eine Hand auf ihren Arm, zieht sie sanft zu sich. „Rosalin“, beginnt er, seine Stimme plötzlich weicher, „ich möchte, dass du glücklich bist.“ Seine Worte sind wie ein Messer, das sich in ihr Herz bohrt. (Glücklich? Hier? Wie könnte ich das sein?) doch sie sagt nichts, nickt nur leicht. (du musst vorsichtig sein,) ermahnt sie sich selbst, (du musst überleben.) Tarek führt sie zu einem Tisch in der Mitte des Gartens, wo bereits eine Gießkanne und einige Gartengeräte stehen. „Du kannst die Blumen gießen und pflegen, wenn du möchtest. Es wird dir guttun, beschäftigt zu sein“, schlägt er vor, als wäre dies das Normalste der Welt. Rosi nimmt die Gießkanne in die Hand, spürt das kühle Metall unter ihren Fingern. (Vielleicht kann ich hier etwas finden, das mir hilft, zu fliehen,) denkt sie, während sie den Wasserstrahl über die Blumen gießt. Ihre Gedanken schweifen ab zu einem Leben außerhalb dieser Mauern, einem Leben in Freiheit. Aber dann kehrt sie in die Realität zurück, die Blumen vor ihr, das Dach über ihr und Tarek, der sie unentwegt beobachtet. „Ich lasse dich jetzt ein wenig allein,“ sagt er schließlich, bevor er sich umdreht und den Garten verlässt. Doch bevor er die Tür hinter sich schließt, fügt er hinzu „Ach ja und Rosi, vergiss nicht, ich bin immer in deiner Nähe.“ Seine Worte sind eine Warnung, eine Erinnerung an die Ketten, die sie unsichtbar fesseln. Als die Tür ins Schloss fällt, lässt Rosi die Gießkanne fallen und sinkt auf die Knie. Tränen steigen ihr in die Augen, und die Verzweiflung überkommt sie erneut. (Was soll ich nur tun? Wie soll ich hier jemals rauskommen?) Sie starrt auf die Blumen vor ihr, die in voller Pracht blühen, während ihr eigenes Leben in Dunkelheit versinkt. Sie weiß, dass sie stark bleiben muss, dass sie einen Weg finden muss, zu entkommen. Aber die Hoffnung schwindet mit jedem Tag, der vergeht. Und während die Blumen um sie herum blühen, fühlt sie sich wie eine verwelkte Blüte, die in diesem Garten der Illusionen gefangen ist, ohne Aussicht auf Rettung. (Ich werde hier nicht bleiben,) schwört sie sich selbst, (ich werde einen Weg finden, freizukommen.) Doch in ihrem Herzen weiß sie, dass es einfacher gesagt als getan ist. Die Mauern sind hoch, Tarek ist unberechenbar und die Zeit scheint gegen sie zu arbeiten.
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