Illusionen
Rosalin läuft wie ein gefangenes Tier in ihrem Zimmer auf und ab. Ihr Herz schlägt wild in ihrer Brust, während die Erinnerung an die letzte Nacht sie unerbittlich verfolgt. Sie kann nicht fassen, was geschehen ist, sie hatte Sex mit Tarek, ihrem Entführer. Ihr Magen dreht sich um, als die Schuld und Scham sie überwältigen. Wie konnte sie sich so gehen lassen? Wie konnte sie zulassen, dass er sie in seinen Bann zieht? Sie fühlt sich beschmutzt, verraten von ihren eigenen Gefühlen. Ihre Hände zittern, als sie sich an den Rand des Bettes setzt, unfähig, einen klaren Gedanken zu fassen. Dann das Knacken des Lautsprechers, das ihren Körper erstarren lässt. Tareks Stimme hallt durch den Raum, ruhig, fast beiläufig. „Ich fahre für drei Tage weg. Ich denke, du kommst alleine zurecht.“ Man hört sein Schmunzeln, dann ist es wieder still. Rosalin spürt, wie ihre Panik sich wie ein kalter Schleier über sie legt. Sie weiß nicht, wie sie auf diese Worte reagieren soll. Drei Tage? Was bedeutet das? Sie blickt sich hektisch im Raum um. Ihr Blick bleibt auf dem leeren Tisch hängen. Keine Flasche Wasser. Kein Essen. Die Erkenntnis trifft sie wie ein Schlag in den Magen. Er hat ihr nichts dagelassen. Ihre Kehle schnürt sich zu, als die Panik in ihr aufsteigt. "Nein, das kann er nicht tun. Er kann mich nicht hier ohne Essen und Trinken zurücklassen!" Ihre Stimme ist heiser, und die Worte kommen in abgehackten Stößen. Sie springt auf, rennt zur Tür und hämmert verzweifelt gegen das kalte Metall. „Hey, du Arschloch! Lass mich nicht verdursten! Was soll das heißen, du gehst? Ich brauche Wasser! Essen!“ Ihre Fäuste prallen wirkungslos gegen die Tür. Keine Antwort. Keine Reaktion. Es ist, als ob die Welt außerhalb dieses Zimmers aufgehört hat zu existieren. Sie presst ihr Ohr gegen die Tür, lauscht in die Stille, doch nichts. Nur die leere, erdrückende Stille, die wie ein lebendiges Wesen um sie herumkriecht. Die Wände scheinen sich zu schließen, der Raum wird enger, dunkler. Sie spürt, wie ihr Atem schneller geht, wie ihr Herz immer schneller schlägt, als die Verzweiflung sie übermannt. „Bitte …“, flüstert sie, während die Tränen ihre Wangen hinunterlaufen. „Bitte, lass mich nicht sterben.“ Ihre Stimme bricht, und sie sinkt auf die Knie, lehnt sich mit dem Rücken gegen die Tür. Ihre Tränen tropfen auf den kalten Boden, und die Realität ihrer Lage trifft sie mit voller Wucht. Sie ist alleine. Eingesperrt. Ohne Wasser, ohne Essen, ohne Hoffnung. Plötzlich geht das Licht aus. Die Dunkelheit schwappt über sie wie ein kalter, schwarzer Ozean. Sie kann die Panik nicht mehr unterdrücken, springt auf und tastet verzweifelt nach der Fernbedienung. Ihre Finger drücken wahllos die Knöpfe, doch der Fernseher bleibt dunkel. Kein Bild, kein Ton, nichts. „Nein … nein … nein!“ Ihre Stimme wird schriller, die Verzweiflung in ihrem Inneren wächst und wächst, bis sie fast explodiert. Sie wirft die Fernbedienung mit aller Kraft gegen die Wand. Das Geräusch des Aufpralls hallt durch den Raum, doch es ist nicht genug, um die Leere zu füllen, die in ihr aufklafft. „Beruhige dich, Rosalin“, versucht sie sich selbst zu beruhigen, doch ihre Worte sind leer, bedeutungslos. Sie klingt wie ein Fremder in ihren eigenen Ohren. Ihre Gedanken drehen sich im Kreis, suchen nach einem Ausweg, doch es gibt keinen. Nur diese leere, hoffnungslose Dunkelheit. Sie setzt sich im Schneidersitz vor die Tür, ihre Hände zittern unkontrolliert. Sie wartet auf das vertraute Klopfen, auf ein Zeichen, dass Tarek wiederkommen würde. Doch nichts. Nur das bedrohliche Schweigen, das ihren Verstand zu brechen droht. Die Stunden ziehen sich endlos hin. Rosalin zählt jede Sekunde, doch sie weiß nicht, wie lange sie schon so sitzt, starr und unbeweglich. Ihr Magen knurrt laut, doch der Hunger ist nicht das Schlimmste. Es ist der Durst, der sie quält. Sie weiß, dass sie nicht lange durchhalten kann. Ohne Wasser … der Gedanke daran lässt ihre Panik erneut aufflammen. Am nächsten Tag beginnt sie, mit sich selbst zu sprechen, um die Stille zu vertreiben. Der Durst, der sie quält, der ihren Mund trocken und ihre Kehle brennen lässt, lässt ihren Kopf pochen vor Dehydration, und ihre Gedanken werden träge, verschwommen Sie versucht, sich abzulenken, sich in eine andere Welt zu flüchten. Ihre Augen wandern durch den Raum, und sie beginnt, sich vorzustellen, dass die Objekte um sie herum lebendig wären. „Hallo, kleiner Tisch“, flüstert sie, ihre Stimme zittert, während sie die Kanten des Möbelstücks streichelt. „Wie geht es dir heute?“ Sie wartet, als ob der Tisch ihr antworten könnte. Doch wieder nur Stille. Sie lacht bitter, ein schmerzliches Geräusch, das durch den Raum hallt. „Ich werde verrückt …“, murmelt sie. „Ich verliere den Verstand.“ Sie legt sich auf das Bett, starrt an die Decke, doch die Dunkelheit erlaubt es ihr nicht, etwas zu sehen. Sie beginnt, Reime zu murmeln, kleine Lieder, die sie früher gekannt hat, als sie noch ein Kind war. Doch selbst diese unschuldigen Worte können sie nicht mehr trösten. Ihre Augen sind schwer, und ihre Glieder fühlen sich an wie Blei, doch der Schlaf kommt nicht. Nur die dröhnende Leere, die immer schwerer auf ihr lastet. Am zweiten Tag beginnt der Durst unerträglich zu werden. Ihr Mund ist so trocken, dass ihre Zunge sich anfühlt wie Sandpapier. Sie kann kaum noch schlucken. Ihr Kopf schmerzt, und ihr Körper fühlt sich schwach an. Sie weiß, dass sie nicht mehr lange durchhalten kann. Verzweifelt starrt sie intuitiv in die Richtung des Eimers, der in der Ecke des Zimmers steht. Der Eimer, den sie bisher nur benutzt hat, um ihre Notdurft zu verrichten. Sie steckt ihren Finger in den flüssigen Inhalt und fühlt, wie sich ihr Magen umdreht. Doch der Durst ist so stark, dass sie sich fragt, ob sie es wirklich tun könnte, wenn Tarek nicht zurückkommen sollte. Ob ein Mensch seinen eigenen Urin trinken könnte, um zu überleben. Der Gedanke ist widerlich, doch er schleicht sich immer wieder in ihren Kopf. „Ich darf nicht … Ich darf nicht so enden …“, murmelt sie, ihre Stimme kaum mehr als ein Flüstern. Sie weiß, dass sie den Verstand verliert. Der Hunger und Durst treiben sie in den Wahnsinn, ihr Verstand spielt ihr Streiche, zeigt ihr Bilder, die nicht da sind. Sie sieht Tarek, wie er vor ihr steht, mit einem Glas Wasser in der Hand, doch als sie danach greift, verschwindet er. Sie sieht ihre Familie, ihre Freunde, die ihr zulächeln, doch ihre Gesichter lösen sich in Rauch auf, wenn sie ihnen zu nahe kommt. Sie liegt auf dem Bett, zu schwach, um sich noch zu bewegen. Ihr Körper ist schweißnass, und der Geruch ihres eigenen Schweißes erfüllt die Luft. Sie fühlt sich wie ein Tier, eingesperrt in einem Käfig, verdammt, langsam zu verrotten. Ihre Gedanken sind ein chaotisches Durcheinander und Wirrwarr. Sie weiß nicht, wie viel Zeit vergangen ist. Stunden? Tage? Alles verschwimmt in einem Meer aus Schmerz und Verzweiflung und erlittenen Traumata. Die Dunkelheit um sie herum wird immer dichter, schwerer, wie eine schwarze, zähflüssige Masse. Es gibt keinen Tag und keine Nacht mehr, nur eine endlose Abfolge von Momenten, die sich in ihr verfangen wie Dornen in einem Netz. Ihre Augenlider sind schwer, doch der Schlaf kommt immer noch nicht. Nur die Stimmen in ihrem Kopf, die lauter werden, bis sie kaum noch unterscheiden kann, was real ist und was nicht. Plötzlich hört sie ein Geräusch. Ein leises Klicken, das durch den Raum hallt. Ihr Herz schlägt schneller, während sie sich aufrichtet, ihre Augen sind geweitet vor Angst und Hoffnung. Die Tür öffnet sich einen Spalt und Licht dringt in das Zimmer. Doch niemand tritt ein. Die Dunkelheit ist zu dicht, als dass sie etwas erkennen könnte. Ihre Atmung beschleunigt sich, ihr Herz pocht in ihrer Brust, als sie langsam vom Bett aufsteht und zur Tür wankt. Ihre Beine sind schwach, zittern unter ihrem Gewicht, doch sie zwingt sich, weiterzugehen. Sie erreicht die Tür und schaut hinaus in den hellen Korridor. Nichts. Keine Bewegung, kein Geräusch. Doch dann sieht sie es. Eine kleine Flasche Wasser, die vor der Tür steht. Ihr Herz macht einen Sprung. Sie nimmt die Flasche und dreht vorsichtig den Verschluss auf. Ihre Hände zittern so stark, dass sie kaum die Kraft hat, die Flasche zu öffnen. Das leise Klicken des Deckels klingt in der Stille des Raumes wie eine Explosion. Sie hebt die Flasche an ihre Lippen, zögert einen Moment, bevor sie das Wasser in ihren Mund fließen lässt. Der erste Schluck ist wie ein Schlag ins Gesicht, kühl, erfrischend, überwältigend. Sie schüttet den Rest in sich hinein, ohne einen Tropfen zu verschwenden. Das Wasser rinnt ihre Kehle hinab und stillt den brennenden Durst, der sie so lange gequält hat. Doch kaum ist die Flasche leer, kehrt die Realität zurück, ihre Augenlider springen auf und sie sitzt im Schneidersitz auf ihrem Bett, starrt an die verschlossene Tür, es war nur ein Traum.
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