Fütter mich
"Versuche nicht zu fliehen." Die Worte gleiten wie ein eisiger Hauch durch den Raum, und Rosalin spürt, wie sich eine Kälte über ihre Schulter schleicht, die bis tief in ihre Knochen dringt. Ihre Haut kribbelt, als ob unsichtbare Finger über sie fahren würden. „Was?“, murmelt sie, ihre Stimme kaum mehr als ein Piepen. Sie hält inne, lauscht. Da ist wieder diese Stimme „Niemand entkommt“, zischt es, bedrohlich und unheilvoll. „Niemand.“ Rosalins Herz rast. Ihre Augen durchforsten hektisch den Raum, doch nichts bewegt sich. Angst kriecht in ihr hoch, unerbittlich und lähmend. Dann ein Kichern. Es schleicht sich in ihre Ohren, so nah, dass es unmöglich vom Lautsprecher kommen kann. Kein elektronisches Knistern, keine Entfernung. Es ist hier. Bei ihr. Unfassbar real. „Wer ist da?“, flüstert sie zitternd, ihr Atem schwer und unregelmäßig. Aber die Stimme lacht nur weiter, spielt mit ihr. „Niemand entkommt, hahaha.“ Rosalins Augen weiten sich panisch. Sie schaut hektisch umher, sucht nach einer Quelle. Sie weiß, dass das Lachen nicht aus der Decke oder den Wänden kommt. Es ist viel zu nah. Dann fällt ihr Blick auf das Bett unter ihr. Unter dem Bett. Die Geräusche scheinen von dort zu kommen. Sie beugt sich langsam vor, spitzt ihre Ohren neugierig. „Sag das nochmal“, flüstert sie unter das Bett, ihre Stimme nur ein Zittern. „Mäuschen, mach mal Piep!“, zischt es zurück, die Stimme verpasst ihr eine Gänsehaut. Rosalins Verstand schreit, sie soll weglaufen, doch wohin? Ihre Neugierde zieht ihren Kopf näher zum Spalt des Bettes. (Werde ich jetzt komplett verrückt?) fragt sie sich, während sie sich tiefer beugt, gegen jede innere Warnung, die in ihr aufschreit. Ihre Augen scannen den Boden unter dem Bett, aber da ist nichts. Kein Mensch, keine Gestalt. Nur Dunkelheit. Doch dann bemerkt sie es. Ein schwaches Licht, das durch die Ritzen eines Gitters schimmert. Ein Gitter? Es ist kaum sichtbar, doch da, unter ihrem Bett, hinter der Dunkelheit, leuchtet ein Abdruck. Ihr Atem stockt. (Was ist das?) fragt sie sich, während ihre Finger zitternd dem Gitter näher rücken, um einen besseren Blick zu bekommen. Doch bevor sie das Gitter inspizieren kann, dröhnt plötzlich eine Stimme durch den Raum. „Suchst du was Bestimmtes?“ Rosalins Körper zuckt zusammen und sie stößt sich ihren Kopf an das Bett an. Schnell wirbelt sie herum, und da steht er, Tarek, seine Gestalt in der Tür wie ein Dämon, der alles Licht aus ihrem Leben saugt. Ihre Augen weiten sich vor Schreck. Schmerz durchfährt ihren Schädel, als sie sich den Kopf reibt und schnell eine Ausrede murmelt. „Ja, meinen Zahn.“ Tarek lächelt. Ein kaltes, seelenloses Lächeln. Er geht in die Hocke, und seine Hand streicht sanft über ihren Kopf, doch in dieser Berührung liegt keine Zärtlichkeit, sondern nur Besitzanspruch. „Wenn du so weiter machst, tötest du dich noch selbst, bist wie ein Elefant im Porzellanladen. Entschuldige bitte“, sagt er in einer Stimme, die so falsch klingt, dass es Rosalins Magen umdreht. „Aber du bist ein böses Mäuschen.“ Er erhebt sich wieder, stellt einen Teller auf den Tisch und kichert. Dieses verdammte Kichern, das sie jedes Mal bis ins Mark trifft. „Böse Mädchen müssen bestraft werden“, zischt er und verlässt den Raum, als wäre nichts geschehen. „Lass es dir schmecken.“ Rosalin sieht auf den Teller. Ihr Magen zieht sich zusammen, als sie den Inhalt erkennt. Ein brauner, klebriger Brei, der widerlich nach altem Fleisch und faulen Eiern riecht. Hundefutter. Ein flüchtiger Gedanke schießt durch ihren Kopf. (Das kann ich nicht essen.) Aber was bleibt ihr übrig? Neben dem Teller steht ein Glas Wasser, als wäre das die Belohnung für ihre Gehorsamkeit. Sie zieht den Teller näher an sich heran, aber allein der Geruch lässt sie fast würgen. Tränen steigen ihr in die Augen. Sie ist hungrig, der Schmerz in ihrem Bauch unerträglich. Aber Hundefutter? Ihr Verstand rebelliert gegen diese Demütigung, doch ihre verzweifelte Lage drängt sie in die Ecke. Sie hat keine Wahl. Wenn sie nicht isst, wird es nur schlimmer. Sie steht starr, ihre Gedanken rasen. Der Anblick des Hundefutters ekelt sie an, und der metallische Nachgeschmack des frischen Blutes in ihrem Mund verschmilzt mit dem fauligen Geruch des Breis. Kurz hascht sie einen Blick in Richtung des Bettes, (ich darf nicht vergessen, dass er alles sehen kann,) erinnert sie sich selbst und blickt danach zur Kamera. (Scheiße,) doch dann formt sich eine Idee in ihrem Kopf, eine verzweifelte Hoffnung auf eine vorübergehende Flucht aus diesem Horror. Mit einem entschlossenen Blick hebt sie den Teller und geht zur Tür. „Ich habe ein Loch im Mund, das blutet!“, ruft sie mit einer Stimme, die lauter ist, als sie es selbst erwartet hat. „Wenn ich keine Blutvergiftung kriegen soll, dann wäre ich über Babybrei sehr dankbar!“ Triumphierend nickt sie, überzeugt, dass sie ihn überlistet hat. (Er will bestimmt nicht, dass ich jetzt schon sterbe.) Sie wartet, die Sekunden dehnen sich zu Minuten, jede tickende Sekunde verschlingt ihre Hoffnung Stück für Stück. Endlich, als sie fast die Hoffnung aufgeben will, stürmt Tarek in den Raum. Ohne ein Wort greift er grob nach ihrem Kinn, zwingt ihren Mund aufzureißen. „Mach's Maul auf“, zischt er, während er eine Spritze mit einer seltsamen Flüssigkeit hervorzieht. Panik steigt in ihr auf, als sie die Nadel spürt, die sich in ihre offene Wunde bohrt. Ein scharfer Schmerz explodiert in ihrem Gesicht; ein qualvoller Schrei bleibt in ihrer Kehle stecken, als die Flüssigkeit in ihre Wunde gepresst wird. „So, jetzt friss das Zeug gefälligst“, knurrt er, bevor er sich abrupt umdreht und den Raum verlässt, die Tür knallend hinter sich zuschlägt. Rosalins Tränen strömen unaufhaltsam über ihre Wangen. Der Schmerz pulsiert durch ihren Mund, dringt bis in ihre Schläfen. Der Teller mit dem Hundefutter zittert in ihren Händen, der widerliche Geruch steigt ihr erneut in die Nase. Der Lautsprecher an der Wand knistert, Tareks Stimme murmelt durch die Stille: „Iss, oder es wird schlimmer.“ Zitternd schleppt sie sich zum Tisch, ihre Schritte schwer und schleppend, als würde jede Bewegung mehr von ihrer Kraft verlangen, als sie eigentlich hat. Sie lässt sich auf den Stuhl sinken, ihre Finger umklammern den Löffel, als wäre es ihre letzte Rettung vor dem Wahnsinn. Aber der Teller vor ihr ist wie ein schwarzes Loch, das alle Hoffnung verschlingt. (Ich kann das nicht, ) denkt sie verzweifelt, als sie sich das erste Stück in den Mund schiebt. Der Geschmack ist widerlich, eine Mischung aus Fäulnis und etwas Undefinierbarem, das ihr sofort Übelkeit aufsteigen lässt. Tränen strömen, als sie versucht, den Bissen hinunterzuschlucken. Jeder Muskel in ihrem Körper sträubt sich dagegen, aber die Angst vor Tareks Strafe ist größer. Sie zwingt sich, es herunterzuwürgen, doch ihr Magen rebelliert, und sie würgt es wieder hoch. Der Lautsprecher knistert erneut, seine kalte Stimme dringt durch den Raum: „Du kriegst so lange nichts, bis das weg ist.“ Rosalin sitzt da, der Teller vor ihr. Die Dunkelheit des Raums scheint sie zu umschließen, als ob die Wände näher kommen und sie erdrücken wollen. Die Zeit scheint stillzustehen, während sie vor dem Teller kauert, die Augen starr auf den ekelhaften Brei gerichtet, der ihren einzigen Ausweg darstellt, während ihre Hände vor Zorn zittern. (Ich werde nicht aufgeben. Niemals.) Sie atmet tief ein, nimmt einen weiteren Löffel und versucht möglichst nicht zu kauen. Diesmal zwingt sie es hinunter, der Schmerz in ihrem Mund wird von einem wütenden Willen überlagert, nicht unterzugehen. (Ich werde nicht brechen, egal, was er mir antut.) „Gut, schön schlucken“ dröhnt es weiter aus dem Lautsprecher. Sie weiß, dass sie Tarek nicht direkt entgegentreten kann, aber solange dieser Funken in ihr brennt, hat sie noch eine Chance. Und sie wird diesen Funken schützen, egal, was kommt. Als der Teller leer ist, tritt er ein, nimmt ihn und tätschelt ihr sanft wie einen Hund auf dem Kopf. "Gut gemacht Mäuschen, du bist jetzt mein Kätzchen, morgen gibts was Feines" (Sein Kätzchen? Was meint er damit?)
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