Die Flucht
Die Fahrt endet abrupt. Der Motor verstummt, und das einzige Geräusch, das bleibt, ist das Flattern ihres eigenen Atems unter der Augenbinde. Tarek zieht Rosalin grob aus dem Auto. Der kalte Asphalt unter ihren Knien brennt auf der Haut, und sie spürt, wie Steinchen in ihre Beine drücken, während sie sich geduckt auf allen Vieren hinter ihm herbewegt. Die Kette ihres Halsbands klirrt leise. Ihre Hände gleiten über raue und glatte Oberflächen, zuerst Beton, dann etwas Weicheres, Gras? Schließlich spürt sie Holzplanken unter den Fingern, bevor ein unangenehmer Metallboden das Kriechen erschwert. Sie ist in einem Raum, das spürt sie. Doch wie groß er ist, kann sie nur erahnen. Plötzlich hört sie Musik. Gedämpft und träge wummern die tiefen Bässe durch den Boden und ihre Hände. Es wird wärmer, stickiger, und der Geruch von Schweiß und Parfum dringt durch die Luft. Dann kommen die Geräusche: Stöhnen, Schreie und das scharfe Klatschen von Schlägen. Rosalin hält inne, ihr Atem stockt. Die Geräusche kommen von allen Seiten. Was passiert hier? "Bleib stehen", faucht Tarek kalt und nimmt ihr die Augenbinde ab. Das grelle Licht blendet sie. Ihre Augen blinzeln, versuchen sich anzupassen. Langsam schälen sich die Umrisse von zwanzig Männern aus der blendenden Helligkeit. Nackt, alle. Ihre Blicke durchbohren sie, hungrig, als wären sie Raubtiere und sie das hilflose Lamm. "Setz dich", befiehlt Tarek und zieht sie zu einem niedrigen, harten Stuhl. Rosalin setzt sich zögernd, während die Blicke der Männer sie weiterhin verfolgen. Die stickige Luft macht es schwer zu atmen, der Druck auf ihrer Brust wächst, und ihr Herz rast. „Ich muss ... auf die Toilette", stammelt sie. Tarek zuckt nur mit den Schultern und schaut einen der Männer an. Ein leises Pfeifen von ihm lässt den Mann auf die Knie fallen. "Leg dich hin und mach den Mund auf", befiehlt Tarek ruhig. Ohne Zögern folgt der Mann dem Befehl und breitet sich vor Rosalin auf dem Boden aus. "Benutz ihn", grinst Tarek mit einem abwertenden Blick. Ihre Augen weiten sich vor Entsetzen, und sie schüttelt verzweifelt den Kopf. „Ich kann das nicht ... bitte ... ich kann das nicht!" Tränen brennen in ihren Augen, ihre Stimme bricht. Tarek packt sie grob am Kinn, zwingt sie, ihm in die Augen zu sehen. „Er will das aber", zischt er und schubst sie grob nach vorn. Seine Hand gleitet über ihren Unterleib, und mit einer schnellen Bewegung zieht er ihr das Höschen zur Seite. Sie steht über dem Mann, der mit offenen Armen und leeren Augen auf sie wartet, doch sie kann es nicht. Der Druck in ihrem Bauch wird unerträglich, aber der Ekel und die Panik sind stärker. Ihre Beine zittern, und dann bricht sie in Tränen aus. Der bittere Geschmack der Angst legt sich auf ihre Zunge. Tarek seufzt genervt, rollt mit den Augen und zieht sie unsanft hoch. „Okay, Toilette", sagt er kalt, packt sie am Arm und zerrt sie aus dem Raum. Er zieht sie durch enge, dunkle Korridore. Ihr Herz klopft wild, und sie kann kaum noch einen klaren Gedanken fassen. Schließlich landen sie in einer kleinen Kammer. Der Gestank von altem Urin hängt in der Luft, und die einzige Lichtquelle ist eine flackernde Neonröhre an der Decke. Eine einfache, schmutzige Toilette steht in der Ecke. Ein Vorhang trennt sie von der Tür ab. Tarek stellt sich vor den Vorhang, seine Silhouette ist nur schwach durch den Stoff zu sehen. „Los jetzt, mach endlich", befiehlt er. Seine Stimme klingt ungeduldig, doch Rosalin bemerkt, dass er sich abwendet. Sie blickt nervös zu dem kleinen Fenster hinter sich. Es ist schmal, aber vielleicht nur so schmal, dass sie hindurchpassen könnte. Ihr Atem wird flacher und ihre Pupille weiten sich wie diese eines Raubtieres. Langsam schleicht sie sich zum Fenster. Ihre Hände zittern, als sie den Riegel öffnet und das Fenster einen Spalt aufschiebt. Der kalte Luftzug trifft ihr Gesicht. Ein schneller Blick hinter den Vorhang zeigt, dass Tarek ungeduldig hin und her wippt. Er wartet, aber er hat sie nicht im Blick. (Jetzt oder nie) ermutigt sie sich, während sie beginnt, durch das Fenster zu klettern. Die kalte Metallkante schabt an ihrer Hüfte, und sie kämpft darum, leise zu bleiben. Ihre Beine baumeln in die Dunkelheit hinaus, und als sie sich nach vorne beugt, um den Oberkörper nach draußen zu bekommen, hört sie plötzlich ein Geräusch. „Rosalin!" Tareks Stimme ist wie ein Peitschenhieb. Ohne nachzudenken, lässt sie los. Ihr Körper fällt nach vorne, und für einen kurzen Moment schwebt sie in der Luft, bevor sie hart auf dem Boden aufschlägt. Der Schmerz explodiert in ihrem Bein, aber sie unterdrückt den Schrei. Sie darf keinen Laut von sich geben, er darf sie nicht finden. Sie liegt am Boden, kaum atmend, ihr Herz hämmert in ihrem Kopf. Dann hört sie, wie Tarek aus dem Fenster brüllt: „Rosi! Du kannst nicht entkommen!" Seine Stimme klingt zornig, bedrohlich. Sie weiß, dass er sie verfolgen wird. Trotz des stechenden Schmerzes in ihrem Bein zwingt sie sich hoch. Sie humpelt los, so schnell sie kann, und taucht in die Dunkelheit der Nacht ein. Der Garten ist dicht bewachsen, und die Äste kratzen an ihren Armen und Beinen, als sie sich hindurchzwängt. Hinter ihr hört sie Schritte, er kommt näher. Die Dunkelheit umschließt sie, und das hohe Gras verschluckt die Geräusche. Rosalin stolpert vorwärts, durch einen weiteren Garten, vorbei an hohen Hecken und baufälligen Zäunen. Jedes Rascheln lässt ihr Herz stillstehen. Sie hört Tareks Stimme, lauter, näher. „Mäuschen mach mal Piep!" Panisch blickt sie sich um und entdeckt eine heruntergekommene Brücke in der Ferne. Mit letzter Kraft rennt sie darauf zu, ihre Lungen brennen, ihre Beine geben fast nach. Unter der Brücke kauert sie sich in eine dunkle, feuchte Öffnung, kaum sichtbar vor den Schatten. Ein Loch, das gerade groß genug ist, um sich hineinzuquetschen. Sie quetscht sich hinein, zieht die Knie an die Brust und hält den Atem an. Das faulige Wasser tropft von oben auf ihre Haut, der Gestank nach Moder und Schmutz dringt in ihre Nase. Ihre Nerven sind zum Zerreißen gespannt. Sie hört Tareks Schritte, die über die Brücke hallen. Ihre Augen sind fest geschlossen, während sie sich noch tiefer in das Loch hineinzwängt. Plötzlich hält er inne. Direkt über ihr. „Komm raus", ruft er. Sein Atem ist schwer, als er sich bückt, und sie spürt förmlich, wie sein Blick die Dunkelheit absucht. „Du kannst dich nicht verstecken." Sein Schatten fällt auf den Eingang des Lochs, und sie presst sich noch enger gegen die feuchten Wände. Ihr Herz schlägt so laut, dass sie Angst hat, er könnte es hören. Sekunden vergehen wie Stunden, und dann, endlich, hört sie, wie seine Schritte sich entfernen. Sie wagt es nicht, sich zu bewegen, sie bleibt regungslos, obwohl jeder Muskel in ihrem Körper schmerzt. Die Nacht vergeht quälend langsam. Der Gedanke, dass Tarek jederzeit zurückkommen könnte, lässt sie keinen Moment zur Ruhe kommen. Jeder Laut lässt sie zusammenzucken, und der Schmerz in ihrem Bein wird immer schlimmer. Sie hat das Gefühl, ihr Körper würde unter der Anspannung zusammenbrechen. Erst als die ersten Sonnenstrahlen auf das Wasser unter der Brücke treffen, wagt sie es, den Kopf ein wenig zu heben. Doch noch bevor sie sich aus ihrem Versteck herausziehen kann, hört sie eine Stimme „Entschuldigung?" Die Stimme gehört einer Frau, rau und zittrig. „Ist da jemand?" Rosalin öffnet die Augen und sieht eine abgemagerte, alte Frau, die mit großen Augen auf das Loch starrt. Die Frau wendet sich hektisch um und ruft laut, „Hilfe! Hier ist jemand!" Rosalin bleibt regungslos, obwohl ihre Angst beinahe sie überwältigt. Der Gedanke, erneut entdeckt zu werden, lässt ihren Körper verkrampfen. Doch dann hört sie die sirenenartigen Geräusche von der Polizei in der Ferne, die sich rasch nähern. Panik breitet sich in ihr aus, während die Geräusche lauter werden und sie nur noch schwer atmen kann. Die Polizisten treffen ein, ihre Lichter blitzen durch den Dreck und Müll der Brücke bis hin zum Loch in dem Rosi ein gekauert hockt, rasch tauchen zwei Beamte auf. Einer von ihnen beugt sich vorsichtig zu ihr hinunter, während der andere bei der alten Dame steht, diese ist aufgeregt dabei, die ganze Geschichte zu erklären. Rosalin kneift die Augen zusammen und versucht, sich in den Schatten der feuchten Wand zurückzuziehen. "Hallo, wie geht es Ihnen?" streicht sanft die Polizistin über Ihren Arm. „Wir haben ein junges Mädchen gefunden, die lebt noch" grölt der Kollege in sein Funkgerät, während die Polizistin Rosalin aus dem Loch hilft. „Es wird alles gut", sagt sie mit sanfter Stimme. Rosi wird auf eine Decke gelegt und spürt, wie sie von den Polizisten ins warme Polizeiauto gebracht wird. Ihre Kleider sind zerrissen, ihre Haare zerzaust, und der Schmerz in ihrem Bein lässt sie vor Erschöpfung fast zusammenbrechen. Langsam wird es still in ihrem Kopf (war's das jetzt?) fragt sie sich während Tränen kullern. Im Polizeiauto wird sie mit einer warmen Decke zugedeckt. Der Polizist, der auf dem Beifahrersitz sitzt, fragt sanft: „Was ist passiert? Können Sie uns erzählen, was passiert ist?" Rosalin, in die Decke eingewickelt und erschöpft, starrt durch die Fenster des Autos auf die vorbeiziehenden Straßen. Ihre Stimme ist ein schwaches Flüstern, als sie beginnt, zu erzählen: „Ich wurde entführt ... Er wollte, dass ich ... dass ich Dinge tue." Die Polizisten hören aufmerksam zu, während der Wagen durch die Stadt fährt. Die Fragen sind behutsam und beruhigend: „Können Sie uns mehr über diesen Mann erzählen?" Rosalin kämpft darum, die Worte zu finden. Ihre Stimme bricht immer wieder, während sie von den schrecklichen Erlebnissen erzählt. Die Polizisten zeigen Mitgefühl, und ihre Augen sind voller Sorge, während sie das Mädchen trösten. Doch anstatt das Krankenhaus oder ein Polizeirevier anzusteuern, biegt das Auto plötzlich in eine andere Richtung ab. Rosalin schaut verwirrt aus dem Fenster. Die Straßen werden immer schmutziger, und die Höhe der Gebäude wird beeindruckend. Schließlich hält das Auto vor einem riesigen Hochhaus. „Aussteigen", sagt die Polizistin mit einem strengen Ton. Verwirrt und müde folgt Rosalin den Anweisungen und steigt aus. Das Gebäude vor ihr ist hoch und imposant, seine Glasscheiben reflektieren die Morgenstrahlen. Sie hebt den Kopf (endlich frei. Ich habe es geschafft) riecht die frische Luft, die ihr durchs Haar weht, schaut die fluffigen, wunderschönen Wolken über sich an und geht mit der Polizistin mit, Richtung Eingang. Glück, Freude und Freiheit überfluten sie wie eine Droge. Am Eingang angekommen sieht sie ihr Spiegelbild auf der Glasscheibe der Tür, abgemagert, kaputt, wie eine Puppe, die man in der Kanalisation vergessen hatte. Sie schaut ihr Gesicht an, zerrissen, ohne Leben. Plötzlich sieht sie in ihrem Gesicht Tareks Augen, die sich langsam nähern und immer größer werden. Sie denkt es sei eine Illusionen, nur eine weitere Halluzination die ihr, ihr Gehirn vorspielt und reibt sich die Augen, doch dann öffnet sich die Tür und beide stehen sich gegenüber. Seine stechenden, qualvollen, Dämonischen Augen, dringen in ihr Hirn wie ein schlechter Albtraum. Sie erstarrt, ihr Herz setzt einen Moment aus. Er beugt sich vor, gibt ihr einen kalten Kuss auf die Wange und haucht in ihr Ohr "Willkommen zurück".
Ende.
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