38. One Mistake

Die Tage in Melbourne vergingen wie im Flug und schon bald hieß es Abschied nehmen, um nach Adelaide zu fliegen, wo das vorletzte der Australien-Konzerte stattfand. Dort erwarteten mich jedoch gleich zwei Überraschungen.

Die erste bekam ich sofort mitgeteilt, nachdem wir unser Hotelzimmer bezogen hatten. Pauly trommelte nämlich alle zusammen, um zu verkünden, dass für den morgigen Tag eine Whale-Watching-Tour geplant sei und erkundigte sich in diesem Zusammenhang, wer alles daran teilnehmen wollte.

Ich wusste, dass die Jungs das nur für mich taten und war ihnen unglaublich dankbar dafür. Natürlich war es etwas Anderes, einen Wal am Strand zu retten oder gar ein Jungtier wie Joe aufzuziehen, als die Tiere von einem Boot aus zu beobachten, aber ich freute mich trotzdem riesig, diesen beeindruckenden Meeressäugern so nahe kommen zu dürfen. Es meldeten sich tatsächlich alle, auch Zayn, der noch immer nicht schwimmen konnte.

„Nächstes Jahr schenken wir ihm einen Schwimmkurs zum Geburtstag", scherzte Harry.

„Oder noch besser, dieses Jahr zu Weihnachten", warf Liam ein, während er seinen zerknirschten Bandkollegen mit einem Augenzwinkern bedachte.

„Ihr braucht ihm keinen Schwimmkurs zu schenken, ich bringe es ihm freiwillig und unentgeltlich bei", warf ich ein, worauf Zayn mich erfreut angrinste.

„Das ist mal ein Wort", meinte er. „Und ich komme gerne darauf zurück, wenn wir beide die Zeit dafür finden sollten."

„Das wäre doch gelacht! Du wirst dich nach meinem persönlichen Schwimmkurs schneller im Wasser fortbewegen können, als ein Killerhai auf Beutejagd", erklärte ich und hatte somit alle Lacher auf meiner Seite.

Die zweite Überraschung erwartete mich, als wir am Stadium eintrafen, in welchem das heutige Konzert stattfand. Dort warteten nämlich besondere Gäste, die durch ihre Backstage Pässe Zugang zum hinteren Bereich erhielten. Ich fragte mich, wer das wohl sein konnte, vielleicht irgendwelche Promis, mit ihren Kindern, die gerne One Direction hörten, doch ich lag mit meiner Vermutung komplett daneben.

Als die Tür sich öffnete und einer der Security Leuten eine vierköpfige Familie in den Raum führte, in welchem El und ich uns gerade die Zeit vertrieben, geriet ich vor Freude aus dem Häuschen. Vor uns standen Keith, seine Frau, sowie die beiden Töchter Julie und Kim. Ich sprang sofort auf, als ich sie bemerkte und rannte auf alle zu, was in einer heftigen Gruppenumarmung endete. Die beiden Mädchen wollten mich gar nicht mehr loslassen, so sehr freuten sie sich, mich zu sehen. Aber auch Keith und seine Frau Chrissie drückten mich freudig zur Begrüßung.

„Wie kommt ihr denn hierher?", sprudelte es aus mir hervor, nachdem ich wieder fähig war, zu sprechen.

„Das solltest du Niall fragen, er hat das alles arrangiert", bemerkte Keith lächelnd.

Mein Freund war wirklich unberechenbar, wie ich mal wieder feststellte.

„Wo sind die Jungs eigentlich?", hörte ich Julie nun fragen, worauf El zur Antwort gab: „Nebenan, bei Lou. Sie bekommen gerade ihr Haare gestylt. Aber sie werden sicher gleich kommen."

Julie und auch Kim waren wahnsinnig aufgeregt, das konnte ich deutlich spüren, doch auch Chrissie schien sich zu freuen, die Jungs persönlich kennenlernen zu dürfen. Nur Keith strahlte eine unglaubliche Ruhe aus, wie so oft. So hatte ich ihn in Erinnerung und er würde sich niemals ändern.

„Niall hat mir erzählt, dass du ein Meeresbiologie Studium beginnen wirst", berichtete Keith grinsend.

„Das stimmt! Ich fange im März an zu studieren", antwortet ich freudig erregt. „Ich kann es kaum erwarten", setzte ich noch hinzu.

„Die Professoren werden sich wundern, wie viel du schon über Meeresgetier weißt", meinte er und klopfte mir freundschaftlich auf die Schulter.

„Hoffentlich kann ich mich an alles erinnern", scherzte ich lachend, wurde dann jedoch wieder ernst.

„Ich muss im nächsten Jahr ein Praktikum machen und ich habe keine Ahnung, wo ich das tun soll", seufzte ich.

„Gibt es in England keine Möglichkeit?", erkundigte sich Keith nun erstaunt.

„Na ja, die Uni sieht es gerne, wenn man ein Praktikum im Ausland absolviert", erklärte ich, mich auf die Aussage von Professor Smith berufend, worauf Keith prompt sagte: „Wie wäre es denn mit Neuseeland?

„Es dauert ein halbes Jahr und eigentlich wollte ich nicht mehr so lange und so weit fort gehen. Ich möchte in Nialls Nähe bleiben", erklärte ich ein wenig geknickt.

So sehr ich Neuseeland auch liebte, ich würde es nicht noch einmal verkraften, für sechs Monate am anderen Ende der Welt zu leben und Niall nicht sehen zu können. Dafür war ich nicht geschaffen, ich musste ihn zwischendurch besuchen können, oder er mich, wie es sich eben ergeben würde. Keith verstand das durchaus, machte mich jedoch darauf aufmerksam, dass ich frühzeitig beginnen sollte, mich nach einem Praktikumsplatz umzuschauen, was ich mir zu Herzen nahm. Ich nahm mir fest vor, das sofort anzugehen, sobald ich mit meinem Studium begonnen hatte.

Unsere Unterhaltung wurde plötzlich unterbrochen, als sich die Tür öffnete und die fünf Jungs hineingestürmt kamen. Alle sahen umwerfend aus, Lou hatte wieder ganze Arbeit geleistet, das musste man schon sagen. Aus den Augenwinkeln beobachtete ich, wie Julie und Kim schüchtern zu den Jungs schauten, besonders zu Harry und Zayn, ihren Lieblingen.

Da ich keine Gelegenheit dazu hatte, die Jungs vorzuwarnen, wer von den Mädchen nun auf wen stand, musste ich das jetzt irgendwie heimlich machen, sodass es Julie und Kim nicht mitbekamen. Ich wusste, dass sie viel zu schüchtern sein würden, um ihren Schwarm um ein Foto zu bitten, also sollte ich das besser in die Hand nehmen. Einstweilen wurden alle jedoch von den Jungs begrüßt und die beiden Mädchen bekamen das neueste Album mit den Unterschriften der fünf ausgehändigt, worüber sie sich wahnsinnig freuten.

„Das ist unfair", hörte ich Chrissie sagen, „ich höre eure Musik auch, und ich bekomme kein handsigniertes Album", beschwerte sie sich lachend.

„Da können wir aber Abhilfe schaffen!", meinte Liam und ging nach nebenan, um kurze Zeit später mit einer CD in seinen Händen zurückzukehren.

Nachdem die Jungs auch hier ihre Unterschriften drauf gesetzt hatten, bekam Chrissie das Album überreicht.

„Wir hätten dann aber auch gerne ein Foto mit dir", meinte Harry lässig.

Ich musste mir das Lachen verbeißen, als ich Julies Gesicht erblickte, die wohl gerne ein Foto mit Harry und sich alleine gehabt hätte. Doch das würde sich auf jeden Fall noch machen lassen. Nachdem die fünf das Selfie mit Chrissie abgelichtet hatten (Niall war wie fast immer derjenige, der dafür verantwortlich war), zog ich Harry und Zayn an die Seite, während Liam, Louis und Niall sich mit den Mädchen und ihren Eltern unterhielten.

„Hört mal ihr beiden, Julie steht auf Harry und Kim, das ist die Kleine, steht auf Zayn. Ihr solltet die Mädels fragen, ob sie ein Foto mit euch haben wollen", klärte ich die Jungs auf, worauf beide nickten.

„Das geht klar, Bel", versprachen sie und zwinkerten mir verschwörerisch zu.
Ich beobachtete nun, wie Zayn und Harry auf die beiden Mädchen zu schlenderten und einfach deren Hände ergriffen.

„Wir wollten gerne Fotos mit euch machen", erklärte Zayn verschmitzt grinsend, während er Kim näher zu sich zog. Es war so süß mitanzuschauen, wie die Mädels sich freuten und versuchten, ihre große Aufregung zu verbergen, was ihnen jedoch nicht so ganz gelingen wollte. Da die Jungs das aber gewöhnt waren, übersahen sie das einfach und versuchten, ganz normal mit den beiden zu reden.

Die Zeit bis zum Konzert verging rasend schnell und ehe wir uns versahen, mussten wir uns von Keith und seiner Familie verabschieden, die nun ihre Plätze im Stadium aufsuchten. El und ich stellten uns gemütlich an die Seite der Bühne, von diesem Platz aus konnten wir alles genauestens verfolgen, sogar, wenn die Jungs mal zwischendurch die Toilette aufsuchten, was alle, außer Liam, bei jedem Konzert taten. Die gute Stimmung steckte uns total an und als der letzte Song gespielt wurde, drängte sich die Realität in meine Gedanken. Noch ein Konzert in Australien und es war für mich vorbei. Ich musste zurück nach London fliegen und würde Niall für erst Anfang April wieder in meine Arme schließen können. Bis zu unserem Abschied waren es noch genau fünf Tage, wovon ich jeden einzelnen genießen wollte.

Dazu zählte auch der drauffolgende Tag besonders, denn wir widmeten uns der Whale-Watching-Tour. Zayn trug wie üblich seine Schwimmweste fest an seinem Körper, als er im hinteren Bereich des Bootes seinen Platz einnahm. Niall und ich saßen hingehen ganz vorne, damit ich auch alles genau beobachten konnte. Als ich unserem Guide erzählte, dass ich acht Monate für die Whale Rescue Organisation in Neuseeland tätig gewesen sei, kam dieser aus dem Staunen nicht mehr heraus. Er ließ mich sogar einiges über die Tiere erklären, als wir sie endlich zu Gesicht bekamen.

Die riesigen Flossen, welche aus dem Wasser herausragten, beeindruckten mich immer wieder aufs Neue. Insgeheim fragte ich mich, wie es Joe wohl gehen würde, ich hätte ihn gerne noch einmal gesehen. Er musste jetzt ein mächtiger Walfisch sein, der sicher mit Anmut und Stolz die großen Ozeane durchquerte. Vielleicht würde er sich ja manchmal an seine Ziehmutter erinnern. Ich hatte ihn mit gutem Gewissen gehen lassen, als er bereit dazu war, die große Welt zu erkunden, trotzdem war er in Gedanken noch immer mein Baby.

Nachdem die Whale-Watching-Tour beendet war, fuhren wir wieder zu unserem Hotel zurück, in welchem wir bis zum Abendessen am Pool herumlungerten. Niall sah in seiner Badeshort mal wieder umwerfend aus, wie ich feststellen musste. Jedenfalls zog er oft genug die Blicke der anderen weiblichen Hotelgäste auf sich, was mich jedoch nicht sonderlich störte. Ich war erhaben über solche Eifersüchteleien, denn ich hatte inzwischen begriffen, dass Vertrauen das Wichtigste in einer Beziehung war und, dass ich dieses zwischen Niall und mir nicht mehr in Frage stellen würde.

Nach dem Essen besuchten wir noch einen Club, um zu tanzen, ein bisschen zu trinken und einfach Spaß zu haben. All das erinnerte mich so sehr an die letzte Tour und doch fühlte es sich ein klein wenig anders an. Ich war nicht mehr die gleiche Bel, ich hatte schlimme Erfahrungen machen müssen, die mich nun hatten heranreifen lassen. Zu einem Menschen, der andere zunächst kritisch beäugte, bevor er jemanden sein Vertrauen schenkte. Dies bewirkte, dass ich ein wenig in mich gekehrt wurde, was auch Niall nicht verborgen blieb.

„Was ist los, Süße?", fragte er, als wir in dieser Nacht unser Zimmer betraten.

Langsam legten sich meine Arme um seinen Nacken und während meine Finger durch seinen Haaransatz glitten, antwortete ich: „Sagen wir es so. Ich bin gerade dabei, alles zu verarbeiten und mich ein wenig umzustellen, was die Sache angeht, Fremden zu vertrauen."

Diese Aussage entlockte Niall ein zufriedenes Schmunzeln.
„Dann brauche ich mir also keine Sorgen zu machen, wenn du alleine in London bist", meinte er und küsste mich anschließend sanft auf die Nasenspitze.

„Nein, brauchst du nicht, Blondie. Ich kriege das schon geregelt", wisperte ich leise in sein Ohr.

Wir verbrachten eine wunderbare Nacht, über unserem Bett baumelte der Dreamcatcher, Liams Geschenk, welches ich in jedem Hotelzimmer über dem Bett aufhängte. Ich wusste nicht, ob es an diesem Utensil lag, oder an dem fantastischen Sex mit Niall, dass die Albträume fern blieben, aber letztendlich war das auch egal. Wir konnten beide wieder durchschlafen, einzig und alleine das zählte.

Leider verging die Zeit in Australien viel zu schnell und ehe ich mich versaß, wurde das letzte Konzert in Perth gegeben. Niall und ich verbrachten anschließend unsere vorerst letzte, gemeinsame Nacht, die ich so schnell nicht vergessen würde. Jede seiner Berührungen prägten sich in meinem Gedächtnis, wurden eine Teil meiner Seele, meiner Träume, dich mich immer begleiten würden, wenn ich alleine war. Er gab mir so viel Liebe und ich gab sie ihm zurück, weil er es verdiente.

Am nächsten Tag hieß es dann Abschied nehmen von Niall und den anderen. Da El die Jungs weiterhin auf ihrer Tour begleitete, musste ich meinen Rückweg nach London alleine antreten. Doch davor hatte ich keine Angst, im Gegenteil. Schließlich war ich bereits im letzten Jahr alleine von Neuseeland nach London geflogen. Lächelnd erinnerte ich mich daran, dass ich Jonathan in Sydney auf dem Flughafen kennengelernt hatte. Dieser gehörte nun zu meinen besten Freunden, in ihm hatte ich mich nicht getäuscht, im Gegensatz zu Carrie, die mir nichts als Ärger eingebrockt hatte.

„Bel?" Niall riss mich aus meinen Gedanken, als wir am Flughafen eintrafen, wo sich unsere Wege trennten.

„Ich habe hier etwas für dich", flüsterte er leise.

„Nicht schon wieder ein Abschiedsgeschenk", stöhnte ich, worauf er zu lachen begann.

„Nein, Süße, es ist eher etwas anderes."

Neugierig öffnete ich den Briefumschlag, der nicht beschriftet war, um Sekunden später laut aufzuschreien. Niall hatte mir ein Flugticket nach Dubai, für den dritten April, abends, ausstellen lassen. Am vierten April fand nämlich das letzte Konzert des asiatischen Teils der Tour statt, was ich sehr wohl wusste.

„Ich würde dich gerne dabei haben und da es ein Wochenende ist und du nicht zur Uni musst, dachte ich, es passt ganz gut", erklärte er lächelnd.

Nun fiel ich ihm um den Hals und überhäufte sein Gesicht mit unzähligen Küssen.

„Du bist der Beste! Ich liebe dich!"

Trotz allem konnte ich nicht verhindern, dass sich Tränen in meinen Augen bildeten, als wir uns endgültig verabschieden mussten. Es tat so weh, zu wissen, dass ich ihn erst Anfang April wieder sehen würde, doch ich versuchte mich mit dem Gedanken zu trösten, dass ich mit meinem Studium mehr als gut beschäftigt sein würde. Es würde mir nicht viel Platz lassen, um Trübsal zu blasen, außerdem wollte ich mich in London um meine wirklichen Freunde kümmern. Niall und ich konnten jeden Tag skypen, die Zeitverschiebung würde uns dabei relativ egal sein, denn wir beide kamen auch mit relativ wenig Schlaf aus, wenn es darum ging, den anderen über eine Webcam sehen zu können.

Als Niall zärtlich über mein Gesicht streichelte, wurde mir bewusst, dass ich nun zu meinem Gate laufen musste.

„Pass auf dich auf, Süße", hörte ich ihn wispern, bevor wir in einem langen, innigen Kuss versanken. „Ich liebe dich", flüsterte er, bevor er mich endgültig los ließ.

„Ich dich auch", brachte ich unter Tränen hervor.

Dann drehte ich mich um und rannte förmlich in Richtung Gate, damit ich meinen Flug nicht verpasste.

Als ich am nächsten Tag in London eintraf, erwarteten mich Jonathan und Kyle am Flughafen, was mich immens freute. Wir fielen uns zur Begrüßung um den Hals und alles was ich sagen konnte war: „Ihr zwei seid total verrückt, mich hier abzuholen!"

„Ach Unsinn! Dafür sind gute Freunde da!", meinte Jonathan und Kyle nickte zur Bekräftigung.

Gemeinsam nahmen wir ein Taxi, welches uns vor Nialls Apartment absetzte. Dort angekommen, erreichte mich ein Anruf von Kathy, die wissen wollte, ob ich für den heutigen Abend schon etwas geplant hätte. Da das nicht der Fall war, beschlossen wir, zu viert etwas essen zu gehen. Jonathan, Kyle, Kathy und ich. Doch zunächst versuchte ich Niall über Skype zu erreichen, der sich auch sofort meldete.

„Hey, Süße, alles klar?", fragte er grinsend.

Seine wunderschönen blauen Augen zogen mich sofort in ihren Bann.
„Ja, Blondie, alles klar, aber ich vermisse dich", antwortete ich wahrheitsgetreu.
„Denkst du, mir geht es anders?", seufzte er jetzt, während seine Augen nicht von meinem Gesicht wichen.

„Du bist so wunderschön, ich muss dich einfach anschauen", vernahm ich seine Stimme, gepaart mit einem verträumten Gesichtsausdruck, der mir deutlich zeigte, wie sehr er noch immer in mich verliebt war, was durchaus auf Gegenseitigkeit beruhte.

Insgesamt skypten wir fast eine Stunde, bevor er sich dann verabschieden musste, weil die Arbeit rief. Ich selbst war so aufgedreht, dass ich begann, meinen Koffer auszupacken und die Post durchzuschauen, sowie die Waschmaschine anzustellen.

Während ich all das tat, rückten zwei Dinge in mein Blickfeld. Das Erste war natürlich das Studium aber das Zweite war ein sehr merkwürdiger Gedanke. Irgendwann wollte ich Carrie zur Rede stellen, warum sie mich in diese Situation gebracht hatte. Doch ich musste mir einen Plan überlegen, wo und wann ich das tun sollte, denn ich wollte mich nicht erneut in Gefahr begeben.

Vielleicht konnte Kathy mir bei dieser Sache helfen, schließlich hatte sie mir ihr auch noch ein Hühnchen zu rupften, wenn man es genau betrachtete. Der heutige Abend schien mir ein guter Zeitpunkt zu sein, um sie in einer ruhigen Minute darauf anzusprechen. Jonathan und Kyle konnten ruhig mithören, denn ich hatte keine Geheimnisse vor den beiden.

So kam es, dass ich während unseres gemeinsamen Essens beim Chinesen, irgendwann das Thema auf Carrie lenkte, worauf alle ihre Ohren spitzten. Sie hörten sich an, was ich zu sagen hatte und kurz darauf gab Jonathan einen Kommentar ab.

„Du solltest sie eventuell in diesem Café besuchen, in dem sie arbeitet", schlug er vor. „Dort ist es ungefährlich, es sind viele Leute dort und sie kann nicht so einfach abhauen."

„Das klingt gut", meinte ich, doch Kathy warf noch etwas ein.

„Du solltest warten, bis sie Feierabend hat, denn während ihrer Arbeitszeit wirst du sie wohl kaum zu Reden bringen können, ohne ihren Boss zu verärgern."

Das alles klang ziemlich plausibel aber auf die Frage meiner Freunde, wann ich sie zur Rede stellen wollte, konnte ich noch keine Antwort geben. Ich wollte erst richtig in London ankommen, denn mein Herz und mein Kopf waren noch immer bei Niall.

Heute Nacht würde ich zum ersten Mal alleine in seiner Wohnung schlafen. Ich würde feststellen, ob die Albträume nun endgültig aufhörten oder nicht. Meine Stimmung war gespalten, als wir das Restaurant verließen, vor welchem sich unsere Wege trennten. Nachdem ich mich mit einem Kuss und einer Umarmung von Jonathan und Kyle verabschiedet hatte, wandte ich mich Kathy zu.

„Möchtest du noch mit zu mir kommen?"

Sie strahlte über das ganze Gesicht, als sie antwortete: „Ja, natürlich! Ich bin schließlich auch auf Entzug!"

Ihre kecke Antwort reizte mich zum Lachen, ich hatte ihr so etwas gar nicht zugetraut, denn sie wirkte immer so brav auf mich. Aber vielleicht hing das damit zusammen, dass sie nun mit Harry liiert war, der, wie die anderen Jungs auch, immer einen lockeren Spruch parat hatte.

Wir nahmen uns ein Taxi und trafen lachend im Apartment ein, wo wir es uns auf dem großen Sofa im Wohnzimmer gemütlich machten. Ich fand noch eine Packung Chips im Küchenschrank, was an ein Wunder grenzte, holte Cola aus dem Kühlschrank und drehte die Musik leise auf, damit wir uns ohne Probleme unterhalten konnten. Wie sich herausstellte, hatte auch Kathy von Harry bereits ihr Flugticket nach Dubai per Email zugeschickt bekommen. Wir würden gemeinsam am dritten April dorthin fliegen, worauf ich mich total freute.

„Das wird richtig klasse!", meinte Kathy. „Ich freue mich schon so auf dieses Konzert!"

Als ich ihre Euphorie bemerkte, wurde mir bewusst, dass sie One Direction noch nie live gesehen hatte, wenn man von den Proben für die Tour absah, was man jedoch nicht wirklich werten durfte. Es war etwas vollkommen Anderes, die fünf auf einer Bühne, vor einem riesigen Publikum zu sehen, diese Stimmung mitzuerleben und zu spüren, wie viel Spaß alle hatten.

Als es auf Mitternacht zuging, wurden wir beide langsam müde, aber ich wollte nicht alleine bleiben, deshalb schlug ich Kathy vor, einfach hier zu übernachten, was sie dankend annahm. Immerhin konnte ich ihr einen Schlafanzug mit Olaf, dem Schneemann aus Frozen, zur Verfügung stellen.

Bevor wir uns gemeinsam ins Bett legten, brachte ich den Dreamcatcher über meinem Bett an. Als Kathy mich fragend anschaute, erklärte ich ihr, was es damit auf sich hatte und erwähnte in diesem Zusammenhang natürlich auch Nialls Dreamcatcher, worauf sie sich vor Lachen kaum noch halten konnte.

„Das ist genial", platzte sie heraus. „Niall ist echt der Brüller aber Harry würde so etwas auch bringen!"

Ich war froh, dass nicht nur mein Freund auf solche abartigen Gedanken kam.

Meine erste Nacht ohne Niall, aber mit Kathy an meiner Seite verlief etwas unruhig, da ich zwischendurch immer wieder erwachte. Ich vermisste Nialls Nähe, seine Hände, die zärtlich über meinen Körper glitten, seine sanften Küsse, seine Stimme, die so sexy klang, dass sich alles in meinem Bauch zusammen zog. Doch er war nicht hier, ich musste ohne ihn klar kommen und das für eine Zeitspanne von fast sechs Wochen. Aber was waren sechs Wochen gegen acht Monate?

Immer wieder sagte ich mir, dass diese schnell vorübergehen würden, weil ich so beschäftigt war. Ich würde mein Studium beginnen und ich würde versuchen, einen Praktikumsplatz zu finden, der nicht am anderen Ende der Welt lag. Außerdem musste ich einen Termin mit Dr. Halls vereinbaren, um ihn darüber aufzuklären, dass meine Albträume wohl ein Ende gefunden hatten. Aber das Wichtigste von allem, Carrie zur Rede zu stellen, wollte ich so schnell wie möglich hinter mich bringen.

Ich wusste, dass ich sonst keine Ruhe finden würde, wie ich in dieser Nacht feststellte. Immer wieder wanderten meine Gedanken zu ihr, erschwerten mir das Einschlafen und bewirkten, dass sich eine gewisse Wut in mir ausbreitete. Wie hatte sie mir nur so etwas antun können? Wieso wollte sie mich als Opfer haben?

Schließlich stand ich auf, weil ich nicht mehr schlafen konnte, und deckte bereits den Frühstückstisch. Anschließend sprang ich unter die Dusche, föhnte meine langen Haare und zog mich an.

Nachdem ich Tee gekocht hatte, weckte ich Kathy auf, die noch selig vor sich hinschlummerte. Meine Pläne für den heutigen Tag standen fest und sie ließen es nicht zu, dass ich lange schlafen konnte.

Beim gemeinsamen Frühstück erklärte ich, was ich alles vorhatte.
„Ich werde gleich im Café anrufen, um nachzufragen, wann sie dort Dienst hat", erklärte ich ohne Umschweife.

„Du würdest sie heute noch zur Rede stellen?", erkundigte sich Kathy, während sie ihr Toastbrot mit Butter und Marmelade beschmierte.

„Wenn es klappt, ja", gab ich zur Antwort und biss anschließen in meinen Toast.

Ich hielt es kaum aus, noch länger zu warten und griff nun nach meinem Handy, das auf dem Tisch lag. Kaum hatte ich die Nummer des Cafés gewählt, meldete sich einer der Angestellten, ich glaubte die Stimme von Mary zu erkennen.

„Hallo, arbeitet Carrie zufällig heute?", erkundigte ich mich, ohne meinen Namen zu nennen.

„Ja, sie wird ab elf Uhr bis um sechzehn Uhr hier sein", bekam ich als Antwort.

„Dankeschön."

Mit einem zufriedenen Grinsen legte ich auf, um gleich darauf zu Kathy zu schauen, die mich erwartungsvoll anblickte.

„Und?"

„Heute, sechzehn Uhr."

„Kann ich mitkommen?"

„Das kommt nicht in Frage!" Ich wehrte mich energisch dagegen, dass eine andere Person mich begleiten durfte, denn ich wollte das alleine klären.

Kathy fragte zum Glück nicht mehr nach und so konnte ich mich voll und ganz auf dieses Vorhaben konzentrieren. Vorher erledigte ich jedoch noch einige andere Dinge. Ich rief in Dr. Halls Praxis an, um mir für den morgigen Nachmittag einen Termin geben zu lassen, und ich suchte im Internet nach Möglichkeiten für einen Praktikumsplatz für Studenten der Meeresbiologie, wurde jedoch nicht gerade fündig. Vermutlich war es besser zu warten, bis das neue Semester begonnen hatte, um in der Uni Hilfe zu erbitten.

Als ich mich schließlich um viertel nach drei auf den Weg in Richtung Oxford Street machte, spürte ich ein Gefühl der Genugtuung in mir. Carrie würde nicht damit rechnen, dass ich vor dem Café aufkreuzte, um sie abzupassen. Dieses Mal standen die Dinge gut für mich.

Ich wartete ungefähr zehn Minuten vor dem Café, da ich zu früh eingetroffen war, doch es machte mir nichts aus, im Gegenteil. So konnte ich mir die Worte noch einmal zurechtlegen, die sich seit Stunden in meinem Kopf formten. Und dann ganz plötzlich ging die Tür und das Mädchen, das mein Leben so auf den Kopf gestellt hatte, kam herausspaziert. Schnell vertrat ich ihr den Weg, worauf ihre erstaunten Augen mich musterten.

„Was machst du denn hier?", hörte ich sie fragen.

Ohne eine Antwort zu geben, packte ich Carrie an den Armen und drückte sie mit aller Kraft gegen sie nächste Hauswand. Mein spanisches Temperament gewann in jenem Augenblick klar die Oberhand.

„Du bist ein Miststück", keifte ich. „Und ich will wissen, warum du mir das angetan hast! Du hättest beinahe mein Leben zerstört! Ich hasse dich!"

Tränen stiegen in meinen Augen auf, als ich an die fürchterlichen Momente in der WG dachte und dann beging ich den entscheidenden Fehler meinen Griff zu lockern, was sich sogleich rächte.

Carrie befreite sich ohne zu zögern und stieß mich mit voller Wucht auf den Boden, um sich Sekunden später auf mich zu stürzen. Sie war viel stärker als ich, was ich ihr niemals zugetraut hätte und ich war ganz alleine.

Warum hatte ich Kathy nicht erlaubt mitzukommen? Sollte ich jetzt erneut für einen dummen Fehler bezahlen?

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Cliffhanger! Was wird nun passieren? Ich glaube, ich würde zu gerne eure Gesichter sehen.

Nächstes Update: Samstag!

LG, Ambi xxx

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