36. Neverending Story

Im Grunde genommen ging alles viel einfacher als gedacht. Nach dem Besuch bei Dr. Halls fuhren Niall und ich auf direktem Weg zum Headquarter, um bei Simon vorzusprechen. Normalerweise benötigte man immer einen Termin, doch wenn einer der Jungs ihn sprechen wollte, machte Simon stets eine Ausnahme.

Nach wie vor gehörten sie zu seinen Schützlingen, deren Problemen er sich ohne zu zögern annahm. So dauerte es auch gar nicht lange, bis seine Assistentin uns in sein Büro geleitete, wo er uns sogleich freudig begrüßte.

„Hallo Bel, hallo Niall, was kann ich für euch tun?"

Er wies uns an Platz zu nehmen und bat seine Assistentin, nicht nur Getränke, sondern auch Kekse zu servieren, denn Niall war schließlich immer hungrig.

„Ich habe ein Anliegen", begann Niall zögernd.

„Das dachte ich mit bereits, denn ansonsten wärst du nicht hier vorbeigekommen", schmunzelte Simon, der Niall ohne zu zögern die Kekspackung zuschob, welche Peggy gerade auf dem Tisch platziert hatte.

Niall griff nach einem Keks, schaute dann zu Simon und sagte: „Ich möchte, dass Belita mich nach Australien begleitet."

„Das fällt dir aber früh ein", meinte Simon seufzend, lächelte jedoch sogleich wieder.

„Belita, möchtest du auch mit Niall nach Australien reisen?", stellte er dann seine Frage, die mir bewies, dass er mal wieder seinen Humor auspackte, mich aber gleichzeitig wissen ließ, dass er nichts dagegen einzuwenden hatte.

So beschloss ich, die ganze Angelegenheit etwas aufzulockern, indem ich sagte: „Also eigentlich wollte ich mit Liam nach Australien reisen, immerhin ist er mein bester Freund."

Simon begann daraufhin schallend zu lachen, während Niall mich im ersten Moment ziemlich perplex anschaute. Dann breitete sich jedoch ein schelmisches Grinsen über seinem hübschen Gesicht aus.

„Gut, dass ich das weiß", meinte er neckend und drückte mir dann einen Kuss auf die Wange.

„Ich sage Peggy Bescheid, dass sie sich um das Flugticket kümmern soll", versprach Simon sofort. „Möchtest du nur nach Australien oder auch nach Japan?", fragte er noch.

„Nur nach Australien, denn mein Studium beginnt am ersten März", klärte ich Nialls Boss auf.

„Das freut mich sehr. Was studierst du denn?"

„Meeresbiologie."

Ich konnte es selbst kaum glauben, denn als ich es aussprach, kam es mir so unwirklich vor. Aber ich würde tatsächlich Meeresbiologe studieren und dort hoffentlich meine Erfahrungen mit Walen einbringen können. Nicht jedem wurde dieses Glück zuteil, diese großartigen Tiere in freier Natur sehen, anfassen und in meinem Fall sogar aufziehen zu dürfen.

Wie so oft musste ich an Joe denken und in diesem Zusammenhang an die Worte von Keith. Er sagte mir damals, dass ich ein Wunder vollbracht hätte, denn es sei sehr schwierig, solch ein kleines Jungtier, wie Joe es gewesen war, aufzuziehen.

„Er hat dir blind vertraut, Bel, deswegen konntest du es tun."

Dieser Satz von Keith haftete noch immer in meinem Gedächtnis, ich würde ihn wohl niemals vergessen und in jenem Moment übertrug ich diesen Satz auf meine eigene Situation. Ich vertraute Niall blind und genau deswegen würde er mich retten können, mich irgendwann von diesen Albträumen erlösen. Ich wusste nicht, wie und wann es passieren würde, nur das es eines Tages so sein würde.

Langsam tastete meine Hand nach seiner, wurde sofort von seinen Fingern umschlossen und zärtlich gedrückt. Er wusste immer sehr genau, was ich brauchte und ließ mich spüren, dass er immer für mich da war. Vorsichtig lehnte ich meinen Kopf an seine Schulter, während wir darauf warteten, dass Peggy das Flugticket orderte.

Zehn Minuten später war es dann soweit, ich hielt die Bestätigung in meinen Händen, was mich unbeschreiblich glücklich machte. Dankbar fiel ich Niall um den Hals und küsste ihn zärtlich auf die Lippen. Es war mir relativ egal, dass Simon und Peggy uns beobachteten, denn schließlich waren wir ein Paar. Nachdem wir uns bei Simon bedankt und verabschiedet hatten, fuhren wir direkt nach Hause.

„Ich bin so froh, dass das klappt", hörte ich Niall sagen, der ziemlich erleichtert klang.
„Und ich erst", erwiderte ich strahlend.

Unsere Zeit, die wir gemeinsam verbringen konnten, würde sich nun um einige Wochen verlängern. Hinzu kam, dass wir die nächsten Wochen nicht im kalten, nebeligen London, sondern im warmen Australien absolvieren durften. Der Gedanke daran glich einem Traum, doch es entsprach durchaus der Realität.

In Nialls Apartment angekommen, kramte ich zunächst meinen Reisepass hervor, bevor ich meinen Teil des Kleiderschranks durchforstete. Gott sei Dank befanden sich die Sommerklamotten, welche ich von meinem Neuseeland-Aufenthalt mitgebracht hatte, noch immer dort.

Niall, der spürte, wie aufgeregt ich nun war, konnte nicht aufhören zu grinsen. Bevor er es sich jedoch antat, mit mir die Kleidung durchzuschauen, griff er lieber nach seinem Telefon, um Liam anzurufen und ihm mitzuteilen, dass ich mit nach Australien reisen würde. Wie zu erwarten freute mein bester Freund sich über alle Maßen und versprach sogleich, die anderen Jungs zu informieren. Wir würden mit Sicherheit eine schöne Zeit in Australien haben, mit viel Gelächter, super Konzerten und hoffentlich einigen schönen Tagen am Strand.

Ich blühte innerlich total auf, als ich daran dachte, was ich während der Tournee mit Jungs vor mehr als einem Jahr erlebt hatte. Vor allem die Sache mit dem Campen im Wald, bei welcher die Crew die Klamotten von Louis und Harry versteckt hatte, war mir in Erinnerung geblieben. Doch meine wichtigste Erinnerung, die mich als Mensch und als Frau vollkommen machte, befand sich in einem Hotelzimmer in Melbourne. Auch dieses Mal würde uns der Tourplan der Jungs in diese Stadt führen, doch ob wir im gleichen Hotel untergebracht sein würden, entzog sich meiner Kenntnis.

Nach einiger Zeit schloss ich den Kleiderschrank und gesellte mich zu Niall, der auf dem Sofa im Wohnzimmer lag, um Fußball zu schauen. Ich kuschelte mich in seinen Arm und spürte, wie er seine Lippen auf meine Stirn legte.

„Na, alles klar, mein kleiner Rotschopf?", wisperte er.

„Ja, alles ok, ich hab noch genügend Sommerklamotten für Australien gefunden", erklärte ich zufrieden, was er mit einem Augenzwinkern beantwortete.

„Und wenn nicht, wir können dort auch shoppen gehen", bemerkte er dann.

„Aber dieses Mal hoffentlich ohne Prügelei", setzte ich hinzu und dachte schuldbewusst an Liams blaues Auge, welches er sich dort meinetwegen bei unserem gemeinsamen Shopping Trip eingehandelt hatte.

„Dieses Mal werde ich dich begleiten, wenn du shoppen gehst, denn du musst dich ja nicht mehr als Liams Cousine ausgeben", kam es schmunzelnd von Niall.

Die nächsten Tage flogen nur so dahin und gestatteten es mir gar nicht, über das nachzudenken, was mir vor kurzem widerfahren war. Doch meine angegriffene Seele holte dies nach wie vor im Schlaf nach. Die Albträume kamen jede Nacht, wurden dann von Niall unterbrochen, der mich immer weckte, sobald ich anfing zu schreien.

Es tat so weh, mitansehen zu müssen, dass er fast genauso litt wie ich, ändern konnte ich es jedoch nicht. Dafür gab er sich alle Mühe, unsere verbleibenden Tage in London so schön wie nur möglich zu gestalten. Dazu gehörte auch ein Besuch bei Jonathan und Kyle, die uns unbedingt sehen wollten, bevor wir nach Australien aufbrachen.

Froh darüber, dass unsere beiden blauen Augen gut abgeheilt waren, machten wir uns zwei Tage vor unserem Abflug auf den Weg zum Apartment unserer Freunde, da die beiden uns zum Abendessen eingeladen hatten. Eigentlich hatten sie ja bei uns vorbeischauen wollen, doch in Anbetracht der Tatsache, dass Niall und ich nun bald gemeinsam nach Australien aufbrechen würden und wir die Wohnung der beiden noch nicht zu Gesicht bekommen hatten, verlegten wir unsere Zusammenkunft einfach dorthin.

Meine Vorfreude, die beiden endlich wieder zu sehen, wuchs von Minute zu Minute, je näher wir dem Ziel kamen. Nachdem Niall seinen Wagen geparkt hatte, liefen wir mit schnellen Schritten auf das Haus zu, in welchem Jonathan und Kyle wohnten. Da das Apartment im Erdgeschoß lag, brauchten wir nur drei Stufen hinaufzugehen und standen dann direkt vor der Eingangstür zur Wohnung. Ich hörte Schritte, dann wurde die Tür aufgerissen und Sekunden später wurde ich heftig von Jonathan umarmt.

„Bel! Lass dich anschauen! Ich habe mir solche Sorgen um dich gemacht!", brachte er hervor, während seine Augen aufmerksam über mein Gesicht glitten.

„Es geht mir schon viel besser", sagte ich lächelnd.

„Stimmt das?" Jonathan blickte jetzt zu Niall, der ein leichtes Nicken von sich gab aber gleichzeitig mit den Schultern zuckte. Das bezog sich dann wohl auf meine Albträume.

Bevor Jonathan noch weitere Fragen stellen konnte, eilte Kyle herbei, um uns zu begrüßen. Anschließend nahmen wir an dem großen Esstisch, der im Wohnzimmer stand, unsere Plätze ein. Die beiden entpuppten sich als hervorragende Gastgeber und nach wie vor fand ich sie als Paar unglaublich süß. Auch Niall verstand sich mit den beiden wirklich gut, sie rissen Witze am laufenden Band, manchmal war es so schlimm, dass mir die Tränen die Wangen hinab liefen und ich vor Lachen Bauchschmerzen bekam.

Nachdem wir den Nachtisch, es gab Erdbeer-Tiramisu, vertilgt hatten, wandten wir uns jedoch den ernsteren Themen zu. Jonathan wollte nun ziemlich genau wissen, wie es mir wirklich ging. Ein wenig zögerlich berichtete ich nun über meine Albträume, die mich Nacht für Nacht heimsuchten und vor denen es kein Entrinnen gab, jedenfalls nicht so bald. Jonathan und Kyle hörten aufmerksam und gleichzeitig schockiert zu, als ich erzählte, dass Niall und ich seitdem nicht eine Nacht hatten durchschlafen können.

„Das muss furchtbar sein, für euch beide", sagte Kyle mitfühlend, während Jonathan seine Hand auf mein legte.

„Tust du denn etwas dagegen, Bel?", lautete seine interessierte Frage. „Also ich denke, psychologische Hilfe wäre da vielleicht nicht schlecht."

Niall klärte die beiden nun darüber auf, dass wir bereits einige Sitzungen gemeinsam hinter uns gebracht hatten und ich die Behandlung alleine fortsetzen würde, sobald ich aus Australien zurückgekehrt war.

„Das finde ich echt klasse von dir, Niall, dass du Bel so unterstützt", lautete Jonathans freudige Aussage.

„Das ist doch selbstverständlich, denn ich liebe sie", kam es von Niall, der kurz meine Hand drückte.

In jenem Augenblick fühlte ich mich so geborgen, nur durch diese kleine Berührung, die mich wissen ließ, dass wir zusammen gehörten und dass ich Niall vertrauen konnte.

„Es ist absolut toll, wie ihr beiden zusammen haltet", meldete sich Kyle, dessen Stimme sehr beeindruckt klang, zu Wort.

Schmunzelnd erklärte Jonathan daraufhin: „Sie sind eben ein perfektes Paar."

Waren wir das wirklich oder waren es vielleicht die vielen kleinen imperfekten Dinge, die uns zu etwas nahezu Perfektem hatten zusammenwachsen lassen? Niall und ich waren in den letzten Tagen und Wochen mit unseren Gefühlen durch die Hölle gegangen. Die Ereignisse hatten sich gewissermaßen überschlagen und tiefe Spuren in unseren Herzen hinterlassen. Spuren, die man immer finden würde, wenn man gründlich danach suchte, aber trotzdem hatten wir es irgendwie geschafft, über all den negativen Dingen zu stehen und das Positive daraus hervorzuholen.

Die Erkenntnis, dass wir gemeinsam viel stärker waren als einer alleine, setzte sich immer mehr in meinem Bewusstsein fest und die Tatsache, dass ich ihm total vertraute, machte all das vollkommen. Wir würden unseren Weg gehen und schauen, wohin dieser uns führen würde.

Der Abend mit Jonathan und Kyle ging so schnell vorüber, weil wir immer irgendwelche interessanten Themen zu besprechen hatten. Als wir uns gegen Mitternacht verabschiedeten, wünschten uns die beiden eine schöne Zeit und Jonathan nahm mir das Versprechen ab, seine Heimat zu grüßen. Manchmal vergaß ich, dass er aus Australien stammte, denn er sprach mittlerweile fast mit dem gleichen englischen Akzent wie Kyle, was stets zu meiner Erheiterung beitrug. Meine Ohren liebten einfach Nialls irischen Akzent, den ich noch immer ziemlich heiß fand.

Trotz des schönen Abends bei Jonathan und Kyle bescherte mir diese Nacht erneut einen Albtraum, der ziemlich heftig war. Ich träumte, dass Max mich so fest geschlagen hätte, dass das Blut nur so aus meiner Nase herausströmte. In Wirklichkeit handelte es sich jedoch nur um eine verstopfte Nase meinerseits, die gründlich geputzt werden musste. Es war einfach unglaublich, wie meine Seele jede noch so kleine, nicht alltägliche Begebenheit nutzte, um dies in meine Albträume zu integrieren. Für mich fühlte sich das einfach nur nervig an, abgesehen davon, dass Niall mal wieder nicht durchschlafen konnte, weil er sich um mich kümmern musste. Es war bereits nach drei Uhr, als wir uns wieder schlafen legten.

„Nur noch eine Nacht, dann sind wir in Australien", seufzte ich, als wir am nächsten Tag erwachten.

Niall zog mich in eine liebevolle Umarmung, küsste meine Nasenspitze und sagte: „Wir haben noch nicht mal mit packen angefangen und müssen nachher noch bei Dr. Halls vorbeischauen. Das wird ein stressiger Tag."

„Damit hast du allerdings Recht", bekräftigte ich, während ich mich gedanklich in meinen Kleiderschrank befand, um alles zu sortieren, was ich für Australien benötigen würde.

Doch zunächst hieß es Frühstück machen und dieses dann gemeinsam zu genießen. Wie immer sorgte Niall für die Rühreier, während ich den Tisch deckte. Der Gedanke daran, dass ich Ende Februar ohne ihn hierher zurückkehren würde, um dann einige Monate alleine in diesem Apartment zu verbringen, ließ mich ein wenig traurig werden. Ich war kein Mensch, der gerne alleine war, ich brauchte Gesellschaft.

Zuhause waren wir vier Geschwister, da kam man nie zur Ruhe, denn jeder hatte noch zusätzlich seine Freunde mit nach Hause gebracht. Doch es war mir tausend Mal lieber, alleine in Nialls Apartment zu leben, als in einer WG mit dubiosen Menschen, welche sich als der letzte Abschaum entpuppt hatten. So etwas würde mir nie wieder passieren, das hatte ich mir geschworen.

Um nicht weiter darüber nachdenken zu müssen, versuchte ich mich nach dem Frühstück endlich mit dem Kofferpacken zu beschäftigen, was auch recht gut gelang. In Australien erwarteten uns angenehme Temperaturen, je nach Region zwischen 25 und 30 Grad Celsius, was mir wirklich sehr entgegen kam. Auch Niall begann nun seine Habseligkeiten zusammen zu suchen, die er für die lange Tour benötigte. Zwischendurch teilte der seine Lieblingskekse gerecht unter uns beiden auf.

Gegen zwei Uhr machten wir uns schließlich auf den Weg zu Dr. Halls. Es war der letzte, gemeinsame Termin, welchen wir bei dem Psychologen hinter uns bringen würden und ich war schon sehr gespannt darauf. Manchmal bekam man von den Psychologen so eine Art Hausaufgaben zugeteilt, an welchen man arbeiten sollte. In meinem Fall würde das wirklich Sinn machen, da ich nun vier Wochen ohne die Behandlung auskommen musste. Aber ich hatte Niall an meiner Seite, was viel wichtiger und wertvoller war.

Dr. Halls schien das ebenso zu sehen, denn er sagte nach einer guten Stunde, in der wir über das Verarbeiten meiner Albträume gesprochen hatten: „Ich wünsche Ihnen eine schöne Zeit in Australien. Versuchen sie die Zeit dort zu genießen, versuchen sie, die schönen Dinge zu sehen und zu suchen, das wird Ihrer Seele gut tun. Und versuchen sie vor allem nicht, die Albträume zwanghaft abzustellen, das wird nämlich nicht klappen. Ihre Seele wird von ganz alleine loslassen, wenn sie bereit dazu ist."

Es waren tiefgreifende Worte, die ich mir zu Herzen nahm, nachdem wir uns voneinander verabschiedet hatten und die ich mit nach Australien nehmen wollte.

Der Rest des Tages verging rasend schnell, ebenso der Abend an welchem wir uns alle gemeinsam bei Zayn zuhause trafen. Harry, Liam und Zayn mussten Abschied von ihren Freundinnen nehmen, die nicht mit nach Australien fliegen würden, nur El und ich konnten dabei sein.

Für Kathy war das besonders hart, da ihre Beziehung zu Harry noch relativ frisch war und die beiden noch gar nicht wussten, wie sie mit solch einer langen Trennung fertig werden sollten. Immerhin bestand die Aussicht, dass Kathy am vierten April nach Dubai fliegen würde, um das dortige Konzert zu besuchen und danach gemeinsam mit den Jungs zurück nach London zu fliegen, da diese dann eine längere Pause bis zu den nächsten Konzerten einlegten. Sofort besserte sich mein Gemütszustand, als ich darüber nachdachte, dass es nach dem Australien Aufenthalt gar nicht so lange dauern würde, bis ich Niall zumindest für einige Zeit wieder sehen konnte.

Als ich an diesem Abend endlich im Bett lag, nahm Niall mich in fest in seine Arme, bevor wir einschliefen. Natürlich wurde ich nicht von meinen Albträumen verschont, warum hätte dies auch so sein sollen? Es tat mir so leid, dass Niall nun ebenso unausgeschlafen wie ich auf dem Flughafen London Heathrow aufkreuzen würde, aber es war nicht zu ändern.

Obwohl das erste Konzert erst am siebten Februar in Sydney stattfand, flogen wir bereits am fünften Februar dorthin. Durch die Zeitverschiebung würden wir erst am darauffolgenden Tag in Sydney landen, somit hatten die Jungs zumindest einen bisschen Zeit, um sich an die veränderten Zeiten zu gewöhnen. Der Weg zum Flughafen kam mir länger vor als sonst, vermutlich weil ich zu wenig geschlafen hatte und noch immer mit der aufsteigenden Müdigkeit kämpfte. Ich wollte auf keinen Fall im Auto einschlafen, wenn dann erst im Flugzeug.

Niall zog mich buchstäblich aus dem Wagen, nachdem Basil diesen auf dem Flughafengelände geparkt hatte. Immerhin bekamen wir Hilfe, was unser Gepäck anging, somit dauerte es nicht allzu lange, bis wir den VIP Bereich im Inneren des Flughafens aufsuchen durften, wo bereits die anderen auf uns warteten. Nach einer stürmischen Begrüßung ließ ich mich neben Niall auf den gepolsterten Sitz fallen, schloss meine Augen und murmelte: „Dieser Schlafmangel bringt mich noch um."

„Welcher Schlafmangel?", fragte Liam sogleich, der an meiner linken Seite Platz genommen hatte.

„Na ja, wegen meinen Albträumen", gab ich mit noch immer geschlossenen Augenlidern zur Antwort.

„Und da kann man nichts dagegen tun?", erkundigte er sich.

„Nicht wirklich", warf Niall ein. „Bel muss da leider alleine durch."

„Das stimmt nicht ganz, ich habe dich und du hilfst mir enorm", kam es über meine Lippen, während ich meine Augen öffnete, um kurz darauf Nialls Lächeln vor mir zu sehen. Dieses ließ mich wissen, dass eines Tages alles gut werden würde.

Da unser Flug nun aufgerufen wurde, ging es gleich zum Boarding in die erste Klasse. Wie so oft überließ Niall mir den Fensterplatz und als ich mich umdrehte, sah ich, dass El und Louis genau hinter uns saßen. Ein kurzer Blick von El genügte, um ein kleines Lächeln auf mein Gesicht zu zaubern. Ich wusste, dass wir beide mehr als nur gut miteinander auskamen, wir waren zu richtig guten Freundinnen geworden. Ich konnte mit El über all meine Probleme reden, was ich auch ohne zu zögern tun wollte.

Der Flug startete pünktlich und während ich aus dem Fenster schaute, spürte ich Nialls Hand, die nach der meinen griff. Seine Finger streichelten zärtlich über meine Haut und ließen mich in einer Traumwelt versinken. Wenn ich doch nur wieder ohne diese Albträume schlafen könnte! Der nächste, schreckliche Gedanke schoss jetzt durch meinen Kopf. Was würde passieren, wenn ich gleich im Flugzeug einschlafen sollte? Meinen Albträumen war es mit Sicherheit egal, wo ich meinen Schlaf absolvierte, sie krochen einfach hervor, ungeachtet der Tatsache, ob andere Menschen dadurch gestört wurden oder nicht.

„Niall", flüsterte ich leise.

„Was ist denn, Bel?"

Als ich in seine blauen Augen schaute, die ein wenig besorgt aber voller Liebe dreinblickten, schlug mein Herz automatisch schneller. Langsam streckte ich meine Hände aus, um sein Gesicht zu streicheln.

„Falls ich gleich einschlafen sollte, würdest du dann..."

„Auf dich aufpassen. Sicher."

Er wusste ganz genau, um was ich ihn bat. Er sollte über mich wachen, er sollte mich sofort aufwecken, falls ich unruhig werden sollte. Es würde mir peinlich sein, wenn alle meine Schreie hören sollten, obwohl ich nichts dafür konnte und jeder dies verstehen würde. Aber Niall war der einzige Mensch, der wirklich alles von mir wissen und sehen durfte.

Im Moment war jedoch an Schlaf nicht zu denken, da mein Magen zu knurren begann. Glücklicherweise ließ das Essen nicht mehr allzu lange auf sich warten, wir konnten wie immer zwischen mehreren Gerichten wählen. Ich bestellte das Nudelgericht, denn darauf hatte ich wirklich Appetit. Auch Getränke gab es in der ersten Klasse im Überfluss und so kam es, dass meine Blase sich irgendwann zu Wort meldete. Niall machte Platz, damit ich aufstehen konnte und als ich wieder durch den Gang zu unseren Sitzen laufen wollte, musste ich anfangen zu grinsen.

Harry blockierte mal wieder den Gang, indem er im oberen Fach in seinem Handgepäck herumwühlte. Vor eineinhalb Jahren hatte solch eine Aktion von ihm beinahe zu einer Prügelei im Flugzeug geführt, doch heute konnten meine Ängste von damals mir nichts mehr anhaben. Lächelnd schritt ich in Harrys Richtung, der sich mir zuwandte, als ich genau vor ihm stand. Ohne ein Wort zu sagen, wollte er zur Seite treten, damit ich an ihm vorbeigehen konnte, doch ich hielt ihn einfach am Arm fest.

„Das ist nicht nötig, so dick bin ich auch wieder nicht", erklärte ich grinsend und zwängte mich an ihm vorbei. Dass ich dabei unweigerlich seinen Körper berühren musste, interessierte mich herzlich wenig. Der Lockenkopf stand nun mit offenem Mund da, was mich richtig zum Lachen reizte.

„Nun mach nicht so ein Gesicht, Harry", sagte ich. „Es ist alles ok, ich bin doch mein Trauma schon lange los."

Seine grünen Augen strahlten, als er meine Hand nahm, um dann zu reden.
„Das finde ich echt toll. Ich hätte nicht gedacht, dass du dich einfach so an mir vorbeizwängst."

Es war eine tolle Erfahrung für mich, so selbstbewusst und furchtlos dazustehen, ich hätte mir nur gewünscht, dass ich meine Albträume sich auch in absehbarer Zeit vertreiben lassen würden. Doch meine Gebete wurden nicht erhört, denn als ich irgendwann auf dem Flug zwischen Singapur und Sydney einschlief, begann ich prompt zu träumen. Mein Glück war, dass Niall mich bewachte und mich sofort wachrüttelte, als ich unruhig wurde.

„Bel, wach auf, es ist alles ok", vernahm ich seine Stimme, die sich mit jener von Max in meinem Traum vermischte. Wie immer gewann Niall diesen Kampf mit Leichtigkeit, denn ich öffnete sofort meine Augen, als seine Stimme sich in meinen Kopf hineindrängte.

„Was ist los?", murmelte ich verstört.

„Du hast geträumt, oder? Ich habe es an deinen Augenlider gesehen, sie haben gezuckt", wisperte er so leise, dass nur ich es hören konnte.

Mein stummes Nicken, veranlasste ihn dazu, sich zu mir hinüber zu beugen und mir einen Kuss auf den Mund zu hauchen.

„Keine Angst, ich bin bei dir."

So tröstend seine Worte auch klangen, ich hatte trotzdem Angst, dass sich so schnell nichts ändern wurde, sondern dass ich verdammt dazu war, diese Träume einfach so lange zu überstehen, bis meine Seele sie freiwillig loslassen würde. Aber wenn nicht in Australien, wo sollte dies dann geschehen?

Hier würden so viele verschiedene Eindrücke auf mich niederprasseln, dass es eigentlich mit Leichtigkeit möglich sein sollte, von etwas anderem zu träumen. Doch ich wusste, dass dies nicht einfach werden würde, dass es eine sehr gewichtige Sache sein musste, die meine Albträume vielleicht verdrängen konnte. Es musste etwas sein, das sich so tief in meine Seele bohren würde, dass die Albträume keinen Platz mehr fanden und mein Gefühl sagte mir, dass es nur einen Menschen gab, der vermutlich so etwas bewirken konnte: Niall.

Aber was sollte es sein, das er mir geben konnte?
_____________________________________
Bel setzt alle ihre Hoffnung in Niall, was das Loswerden ihrer Albträume angeht. Ob er das wohl schafft? Was denkt ihr?

Nächstes Update: Dienstag!

LG, Ambi xxx

Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top