34. Aftermath

Am nächsten Tag erwachten wir beide erst gegen elf Uhr aber unsere Körper hatten diesen Schlaf dringend benötigt. Niall bereitete in der Küche das Frühstück zu, während ich das Bad aufsuchte. Insgeheim freute ich mich schon auf die Rühreier, denn niemand konnte so gute Rühreier wie Niall Horan fabrizieren.

„Ich habe deine Eier so vermisst", sagte ich mit einem Lächeln im Gesicht, nachdem ich den ersten Bissen gekostet hatte.

„Welche denn?"

Als er diese Frage stellte, kam zum ersten Mal seit längerer Zeit ein befreites Lachen aus meinem Mund. Seine zweideutigen Anspielungen hatte er wohl nicht aus seinem Repertoire gestrichen. Niall stimmte prompt in mein Lachen mit ein, wurde dann aber sogleich wieder ernst.

„Ich möchte, dass du zu einem Arzt gehst, Bel. Dein Auge sieht nicht gut aus und die Lippe ebenfalls nicht", meinte er besorgt.

„Aber nur, wenn du dein Auge auch unter die Lupe nehmen lässt, es sieht nämlich genauso aus wie meins", erwiderte ich.

Eine Stunde später befanden wir uns in der Privatsprechstunde von Dr. Fletcher, der Arzt, der die Jungs von One Direction fast ständig betreute. Zuerst kam Niall an die Reihe, der sich anhören musste, warum er nicht sofort vorbeigeschaut hätte. Dann machte der Arzt einen Scherz, indem er fragte, wer von uns beiden mit dem Streit begonnen hätte.

Er konnte ja nicht wissen, was wirklich geschehen war und weder Niall noch ich wären bereit dazu gewesen, dies jemandem anzuvertrauen. Zum Glück stellte Dr. Fletcher keine weiteren Fragen, sondern verschrieb Niall ein Mittel, das sein Auge zum abschwellen bringen sollte. In meinem Fall verhielt sich die medikamentöse Gabe ähnlich, nur dass ich zusätzlich eine Salbe für meine Lippe verschrieben bekam. Der Vorteil war, dass wir die Medizin sofort an Ort und Stelle erhielten und nicht erst eine der Apotheken aufsuchen mussten, was sicher nicht besonders lustig gewesen wäre, da man uns ohne Problem erkannte.

Als wir uns wieder auf dem Heimweg befanden, meldete sich Liam telefonisch, um sich zu erkundigen, wann Niall seinen Wagen bei ihm abholen würde.

„Wenn du möchtest, kann ich dem Taxifahrer deine Adresse geben und wir kommen sofort zu dir", meinte Niall, worauf Liam sofort zustimmte.

So setzte uns das Taxi direkt vor Liams Heim ab, der uns kurze Zeit später freudig begrüßte. Auch Sophia war anwesend und kam auf mich zugestürmt, um mich in eine Umarmung zu schließen. Es tat gut, meine Freunde zu sehen und zu wissen, dass sie sich um mich sorgten, doch Nialls Fürsorge war mir natürlich am Wichtigsten.

Weder Liam, noch Sophia verloren ein Wort darüber, was sich gestern abgespielt hatte, denn dass Liam seiner Freundin alles erzählte, lag klar auf der Hand. Niall informierte mich nämlich ebenso über wichtige Dinge oder Ereignisse.

Sophia bot uns sogleich einen Tee an und als wir auf dem gemütlichen Sofa saßen, um ganz unverfänglich zu plaudern, fühlte ich, wie sehr mir die beiden eigentlich gefehlt hatten. Ich lenkte meine gesamte Aufmerksamkeit auf dieses Gespräch, zum einen, um nicht über jene Dinge nachdenken zu müssen, die mir vor kurzem widerfahren war und zum anderen, weil es um den Start der bevorstehenden Tournee ging. Noch etwas mehr als zwei Wochen, und ich würde erneut von Niall getrennt sein, eine Vorstellung, die mehr nicht allzu sehr behagte.

Gerade jetzt brauchte ich ihn mehr als jeden anderen Menschen in meinem Leben. Er gab mir so viel Kraft aber auch Sicherheit. Hinzu kam noch, dass die Tournee in Australien startete, ein Land, welches nur schöne Erinnerungen in mir weckte. Dennoch musste ich mich mit dem Gedanken anfreunden, bald wieder alleine in London zu sein.

Seufzend griff ich nach meiner Teetasse, um diese dann zu leeren.
„Möchtest du noch etwas trinken, Bel?", erkundigte sich Sophia liebenswürdig, worauf ich meinen Kopf schüttelte.

„Nein, danke", erwiderte ich lächelnd.

„Ich glaube, wir machen uns dann mal wieder auf den Heimweg", meinte Niall, während er nach seinem Autoschlüssel griff, den Liam auf dem Tisch platziert hatte.

Nachdem wir uns beiden herzlich verabschiedet hatten, fuhren wir auf direktem Weg zu Nialls Apartment. Dort angekommen, marschierte ich zunächst ins Bad, um mein Auge, sowie die Lippe zu betrachten. Ich sah wirklich übel aus und würde mich in den nächsten Tagen wohl kaum aus dem Haus trauen. Niall trat nun auch ins Badezimmer und warf einen Blick in den Spiegel, als er neben mir stand.

„Wir sind schon ein tolles Paar, Bel, oder?", flüsterte er mir ins Ohr.

„Ja, das sind wir aber wir haben schon besser ausgesehen", erwiderte ich seufzend.

Als ich spürte, dass er seine Arme von hinten um mich legte, wurden meine Lippen von einem Lächeln umspielt.

„Geht es dir gut, mein kleiner Rotschopf?"

Mein Herz machte einen Satz, als er diese Worte aussprach. „Mein kleiner Rotschopf". Ich liebte es so sehr, wenn er mich so nannte, außerdem erinnerte es mich immer an Irland, wo alles zwischen uns begonnen hatte. Wenn es möglich gewesen wäre, hätte ich die Zeit gerne zurückgedreht, doch leider ließ sich das nicht einrichten.

Meine Hände griffen nun nach seinen, streichelten über seine Finger und als ich meine Augen schloss, hörte ich ihn fragen: „Möchtest du dir einen Film mit mir anschauen?"

„Klar, welchen denn?", murmelte ich noch immer mit geschlossenen Augenliedern.

„Du darfst ihn aussuchen", erklärte Niall, bevor er mir einen Kuss auf die Wange hauchte.

„Ok, dann möchte ich gerne etwas Lustiges sehen."

„Dann lass uns schauen, was wir zur Auswahl haben."

Niall besaß Unmengen von DVDs, wie die anderen Jungs auch, denn sie kamen leider selten dazu, ein Kino zu besuchen. Gemeinsam durchforsteten wir nun den großen Stapel an DVDs, denn Niall war mir bei der Auswahl behilflich, indem er die nicht so lustigen Filme, wie er sich ausdrückte, gleich zur Seite legte. Schließlich hielt ich meinen Lieblingsfilm von Disney, Frozen, in den Händen. Niall und ich liebten diesen Film über alles und so begann er zu grinsen, als ich sagte: „Ich möchte diesen hier schauen."

„Super!"

Kaum hatte er die DVD eingelegt, machten wir es uns auf dem großen Sofa, unter der flauschigen Decke gemütlich. Glücklich kuschelte ich mich ganz nah an Niall heran, der sofort einen Arm um mich legte, nachdem er mir ganz vorsichtig den letzten Keks aus der angebrochenen Packung zwischen meine Lippen gesteckt hatte. Eine frische Packung Kekse lag bereits neben ihm auf dem Sofa und unsere Getränkevorräte in Form von einer Kanne Tee, befanden sich auf dem Tisch. Somit stand dem Film anschauen nichts mehr im Wege.

Gemeinsam lachten wir über Olaf, den Schneemann und Sven, das Rentier, bis der Film sich dem Ende zuneigte. Als der Abspann auf dem großen Bildschirm zu sehen war, schloss ich meine Augen und ließ mich vollends in Nialls Arme sinken. Ich spürte, dass er meine Wange streichelte und mir ins Ohr wisperte: „Das war schön und es ist lange her, dass du so gelacht hast. Ab jetzt werde ich versuchen, dich jeden Tag mindestens einmal zum Lachen zu bringen."

Ich wusste, dass er das schaffen würde. Niall war der Balsam für meine Seele, das Licht, das mir den Weg wies, wenn ich mich in der Dunkelheit verlaufen hatte und der beste Freund, den man sich wünschen konnte. Langsam wurde ich müde, denn die letzten Tage hatten mich total aufgezehrt. Meine Seele musste ein wenig zur Ruhe kommen und was eignete sich besser dazu als Schlaf?

Auch am heutigen Abend wurde ich von Niall ins Bett getragen, der mir kurze Zeit später Gesellschaft leistete. Entspannt schlief ich in seinen Armen ein, doch die Ruhe währte nicht lange, denn meine Albträume begannen erneut meinen Schlaf zu unterbrechen.

„Bel! Wach auf! Es ist alles gut, ich bin doch bei dir!"

Nialls Stimme drang in mein Bewusstsein und entließ mich aus der grässlichen Szene, in welcher Max sich auf mich stürzte, um mich brutal zu schlagen.

Tränen flossen über meine Wangen, ich hatte im Traum begonnen zu weinen und konnte nun ein lautes Schluchzen nicht unterdrücken. Erst als Niall mich fest in seine Arme nahm, beruhigte ich mich ein wenig. Die Wärme seines durchtrainierten Körpers, sowie seine sanfte Stimme, machten mir bewusst, dass ich nichts zu befürchten hatte, dass es nur ein Traum gewesen war.

„Es tut mir so leid, dass ich dich geweckt habe", flüsterte ich leise und gleichzeitig ein wenig beschämt. Das war jetzt schon die zweite Nacht, in welcher sich meine Albträume breit machten. Aber Niall schien es nicht im Geringsten zu interessieren, dass ihm der Schlaf gestohlen wurde, im Gegenteil, er machte sich große Sorgen um mich.

„Bel, bitte sag mir, wie ich dir helfen kann, damit diese Träume nicht mehr kommen", murmelte er leise, seinen Kopf in meinen Haaren vergraben.

Was sollte ich darauf antworten? Ich wusste, dass er es nicht wirklich verhindern konnte, denn die Sache verhielt sich genauso wie damals bei meiner beinahe Vergewaltigung. Nachts bekam ich Albträume, die mich aus dem Schlaf rissen, mein Herz zum Rasen brachten und bewirkten, dass ich mich am nächsten Tag wie durch einen Fleischwolf gedreht fühlte. Es hatte Monate gedauert, bis diese nachgelassen hatten, und ein ganzes Jahr, bis sie schließlich komplett verschwanden. Doch ich wollte nicht schon wieder ein Jahr durch diese Hölle gehen, ich würde versuchen, dagegen anzukämpfen, so gut es ging.

„Halt mich einfach fest", flüsterte ich leise, als ich das zärtliche Streicheln seiner Hände spürte, die meinen Rücken auf und ab glitten.

Er war alles, was ich brauchte, das spürte ich mit jedem Tag mehr.

Schließlich legten wir uns wieder hin und versuchten zu schlafen, was auch recht gut gelang. Trotzdem fühlte ich mich am nächsten Morgen nicht hundertprozentig fit und vor allem schuldig, da ich Niall mitten in der Nacht aufgeweckt hatte. Dies schien seine Aktivitäten jedoch nicht zu beeinflussen.

Während ich mich im Bett streckte, hörte ich, wie er in der Küche herumwuselte und ich wusste genau, dass ich nun gleich das Frühstück ans Bett serviert bekommen würde. Keine zwei Minuten später tauchte Niall mit einem Tablett in seinen Händen auf, das alles enthielt, was es brauchte, um unsere hungrigen Mägen zu füllen. Dies taten wir mit Genuss und als ich mich satt und zufrieden zurücklehnte, konnte ich nicht glauben, wie schnell ich mich hier wieder zuhause fühlte. Es war so, als sei ich nie ausgezogen.

Im Geiste ging ich nun meine Liste für jene Dinge durch, die ich am heutigen Tag unbedingt erledigen wollte. Dazu gehörte es auf jeden Fall Jonathan und Kathy anzurufen. Ich wusste nämlich nicht, inwieweit die beiden über das informiert waren, was sich in den letzten zwei Tagen zugetragen hatte.

Als ich die Frage an Niall richtete, ob er zwischendurch mit Jonathan in Kontakt getreten sei, verneinte er dies. Somit lag es an mir, meinem guten Freund alles mitzuteilen. Ich holte tief Luft, als ich nach meinem Handy griff, um kurz darauf Jonathans Nummer zu wählen. Glücklicherweise meldete er sich auch sofort.

„Hey, Bel, na wie geht es dir?" fragte er sofort.

„Wieder gut und dir?"

„Meine Erkältung ist wesentlich besser geworden. Sag nur, dich hat es auch erwischt?"

„Nein aber..." Ich druckste kurz herum, bevor ich die richtigen Worte fand, um zu einer Erklärung anzusetzen.

Obwohl ich sein Gesicht nicht sehen konnte, spürte ich, dass Jonathan total schockiert über die Ereignisse war.

„Oh mein Gott, Bel! Sag mir bitte, dass das nicht wahr ist!"

Seine Stimme klang total entsetzt, was ich durchaus verstehen konnte.

„Aber super, dass Niall und Liam diese Typen vermöbelt haben!", setzte er hinzu.

„Ich weiß, dass ich mich immer auf Niall verlassen kann", sagte ich mit fester Stimme.

Niall, der dies gehört hatte, lächelte mir zu, bevor er sich zu mir setzte und eine Hand besitzergreifend auf meinen Oberschenkel legte. Es fühlte sich gut an, wieder bei ihm zu sein und zu wissen, dass ich zu ihm gehörte.

„Dürfen Kyle und ich euch bald besuchen kommen?", erkundigte sich Jonathan dann, was ich mit einem klaren „Ja, natürlich", beantwortete.

Auch Jonathan und Kyle hatten mir sehr gefehlt und ich freute mich schon sehr darauf, beide wieder zu sehen. Wir vereinbarten, dass wir kurzfristig miteinander telefonieren würden, um einen Termin zu auszumachen. Ich war nun ein wenig entspannter, nachdem ich das Gespräch mit Jonathan hinter mich gebracht hatte. Doch das mit Kathy stand mir noch bevor. Wie oft hatte sie mir geraten, Niall anzuhören und mich mit ihm auszusprechen. Als ich ihren Rat schließlich annahm, wäre es beinahe zu spät gewesen.

„Weißt du, ob Harry schon mit Kathy über alles gesprochen hat?", fragte ich, nachdem Niall mir einen Kuss auf die Wange gedrückt hatte. Meine Lippen waren nach wie vor Sperrgebiet, die sie noch immer bei der kleinsten Berührung schmerzten, was mich natürlich aufregte. Ändern konnte ich es jedoch nicht.

„Keine Ahnung, aber ich könnte es mir vorstellen", antwortete er mit einem Schulterzucken. „Bel, Kathy wird dir schon nicht den Kopf abreißen, im Gegenteil, sie wird sich freuen, dass du wieder hier bist."

Trotzdem versuchte ich das Gespräch hinauszuzögern, denn ich fühlte mich irgendwie schuldig, weil ich nicht oder besser gesagt, viel zu spät auf sie gehört hatte. Zu unserer Überraschung rief Harry gerade in diesem Augenblick auf Nialls Handy an, um sich zu erkundigen, ob wir zuhause seien und ob ich in der Lage dazu war, Besuch zu empfangen.

„Wir sind daheim und ich denke, Bel würde sich über Besuch freuen", vernahm ich die Stimme meines Freundes, der mit zuzwinkerte.

Das bedeutete wohl, dass ich das Gespräch mit Kathy nicht länger hinauszögern konnte. Es kam so, wie Niall es prophezeit hatte. Sie freute sich unglaublich, dass ich nun wieder mit ihm zusammen war und reagierte natürlich schockiert, als sie meine Verletzungen erblickte. Schließlich nahm ich Kathy an die Hand und verschwand mit ihr im Schlafzimmer, während Niall und Harry im Wohnzimmer zurück blieben.

Wir setzten uns auf das Bett, als ich auch schon zu reden begann.

„Es tut mir so leid, dass ich nicht früher auf dich gehört habe", sagte ich voller Reue. „Aber wie du siehst, habe ich meine Quittung bekommen."

„Ach Bel, das alles tut mir so furchtbar leid", besänftigte Kathy mich.

Gleichzeitig legte sie einen Arm um meine Schulter.

„Ich bin so froh, dass die Jungs dich retten konnten", brachte sie hervor, was Tränen in meine Augen treten ließ.

Es war einfach unbeschreiblich gewesen, wie sie mich gefunden und nach Hause gebracht hatten.

„Es tut mir alles so leid", schluchzte ich leise.

Kathy nahm mich nun in ihre Arme und wisperte: „Was genau haben sie mit mir gemacht? Harry wollte es mir nicht sagen... Ich glaube, er hat Angst davor... Also muss es etwas Schreckliches sein. Und deinem lädierten Gesicht nach zu urteilen, bestätigt sich mein Verdacht."

Ihre Schlussfolgerung war durchaus richtig und ich besaß keinen Grund, etwas zu verschweigen. So berichtete ich, wie Carrie mich hineingelegt hatte und dass sie mit Jason und Max unter einer Decke steckte. Ich ließ nichts aus, auch nicht die Stelle, an der Max mich auf das Bett geworfen und mich geschlagen hatte.

Nur bei dem Gedanken daran, wurden meine Schmerzen schon wieder schlimmer. Doch ich redete tapfer weiter, ich brauchte dies in jenem Moment, mir alles nochmal von der Seele zu reden. Es war eine Sache, Niall zu erzählen, wie ich misshandelt worden war, aber es war eine andere Sache, mit einer Freundin darüber zu sprechen.

Kathy reagierte geschockt aber auch verständnisvoll. Immer wieder streichelte sie über meine Hand und sagte, dass alles gut werden würde.

„Du hast uns, wir sind deine Freunde und vor allem hast du Niall an deiner Seite. Er wird dir helfen, diese schwere Zeit zu überstehen."

Natürlich hatten wir auch über meine Albträume gesprochen, denn das wollte ich nicht auslassen. Meine Freunde sollten wissen, wie ich mich zurzeit fühlte, damit es keine Missverständnisse geben würde, falls ich ihnen unausgeschlafen unter die Augen trat.

Harry und Kathy leisteten uns eine ganze Weile Gesellschaft und aßen später mit uns, da Niall seine Kochkünste gerne demonstrieren wollte. Am heutigen Tag übertraf er sich mal wieder selbst, wie ich gleich nach dem ersten Bissen feststellte. Da die Schwellung an meiner Lippe inzwischen ein bisschen abgeklungen war, konnte ich einigermaßen vernünftig, und ohne großartige Schmerzen, das leckere Essen genießen. Niall freute sich, als ich noch Nachschlag verlangte, den ich im Rekordtempo verputzte.

Nach dem Essen plauderten wir noch ein wenig, bevor sich Harry und Kathy sich von uns verabschiedeten. Da weder Niall noch ich Lust verspürten, nach draußen zu gehen, machten wir es uns wie am Abend zuvor, auf dem Sofa bei einer Tasse Tee gemütlich.

Als ich mich in seine Arme kuschelte, wünschte ich mir, dass diese Zeit nie vorübergehen sollte. Und doch würden wir uns im Februar trennen müssen, wenn er mit den Jungs mal wieder auf Tour ging. Es gab wohl nichts, was ich mir lieber wünschte, als ihn begleiten zu können. Doch mein Studium, welches im März begann, wartete bereits auf mich. So versuchte ich wirklich jede gemeinsame Minute zu genießen.

Zum Glück waren die Proben für die Tournee bereits abgeschlossen, die Jungs hatten noch einige Tage frei und konnten diese mit ihren Freundinnen verbringen. Zeit war wie so oft unser kostbarstes Gut, das wir beide sehr zu schätzen wussten. Ich konnte mich nicht nahe genug an Niall herankuscheln und als er mir einen ganz vorsichtigen Kuss auf die Lippen hauchte, schmerzte dies auch nicht mehr. Glücklich darüber, dass meine äußerlichen Wunden verheilten, schlief ich später im Bett in seinen Armen ein.

Doch so gut das blaue Auge und die Lippe verheilten, so differenziert verhielt es sich mit meinen inneren Wunden. Der Albtraum kam wieder, Nacht für Nacht weckte Niall mich auf und küsste meine Tränen weg, damit ich diesem entkommen konnte. Er versuchte mir zu helfen, so gut es ging, doch wie sollte er in der Lage sein, meine Träume zu verhindern? Niemand konnte dies tun, das wusste ich aus Erfahrung, denn es brauchte eine lange Zeit, bis eine zerschundene Seele ihren Frieden fand. Doch meine wurde von diesen schrecklichen Ereignissen fest umklammert.

Natürlich suchten wir gemeinsam nach einer Lösung, wie ich meine Albträume vielleicht loswerden könnte. Jeden Abend vor dem Einschlafen sagte ich mir, dass ich nun wieder bei Niall war und mir nichts Schlimmes geschehen könnte.

Jeden Abend nahm Niall mich in seine Arme, flüsterte mir beruhigende Worte ins Ohr, bevor ich meine Augen schloss; doch es half alles nichts. Es gab in der darauffolgenden Woche nicht eine Nacht, in der wir beide durchschlafen konnten, was auch an meinen Nerven zehrte. Schließlich wusste ich nur zu gut, dass meinem Freund bald eine anstrengende Tournee bevorstand, für welche er alle Kräfte brauchte. Sowohl die Körperlichen, als auch die Geistigen. Ich wollte nicht die Schuld daran tragen, dass Niall eventuell wie ein Wrack zurückkehren würde.

Als ich an diesem Morgen in seine Augen blickte, wusste ich, dass auch seine Kräfte so gut wie aufgezehrt waren, nur versuchte er, das vor mir zu verbergen. Doch ich konnte es in seinen Augen erkennen, die müde dreinschauten und von dicken schwarzen Rändern umgeben waren. Ganz abgesehen davon, spürte ich es auch, denn unsere Seelen waren so tief miteinander verknüpft, dass wir immer fühlen konnten, wenn es dem anderen schlecht ging.

Letztendlich entschloss ich mich einen Schritt zu gehen, welchen ich noch vor einem Jahr niemals in Betracht gezogen hätte. Aber ich war soweit einzusehen, dass ich professionelle Hilfe benötigte und nicht jeder war so verschroben wie meine Ex-Psychologin. Zumindest hoffte ich, in London auf einen kompetenten Psychologen zu treffen, der meine Probleme erkannte und mich auf den richtigen Weg führen würde. Als ich Niall diesen Vorschlag beim gemeinsamen Frühstück unterbreitete, reagierte er zunächst sehr erstaunt.

„Ich dachte, du würdest nie wieder eine Psychologin aufsuchen wollen", erklärte er, wobei seine blauen Augen mein Gesicht genauesten fixierten.

Er wollte feststellen, ob ich es auch ernst meinte, was ich durchaus nachvollziehen konnte.

„Niall, wir können nicht so weitermachen. Ich kann nicht so weitermachen", erklärte ich mit Nachdruck in meiner Stimme, die ein wenig traurig klang.

Er seufzte kurz auf und sagte dann leise: „Ich wünschte, ich könnte dir helfen, so wie damals, als wir uns kennengelernt haben."

Ein Lächeln glitt über mein Gesicht, als ich zu ihm schaute. Ich würde nie vergessen, was er für mich getan hatte, dass er praktisch mein Leben erst lebenswert gemacht hatte, dass er die Quelle war, aus der ich meine Kraft schöpfte, um weiter zu kommen.

„Du hilfst mir mehr, als du denkst", antwortete ich, worauf er jedoch den Kopf schüttelte.

„Es ist nicht genug, Bel. Und das macht mich ziemlich fertig, um ehrlich zu sein. Ich dachte... Ich dachte immer, ich würde immer für dich da sein können und nun muss ich dich sogar alleine lassen, in einem Zustand, der mir das Herz bricht."

Bevor ich etwas darauf antworten konnte, war Niall schon aufgestanden, um zu mir zu laufen. Seine Arme hielten meinen Körper fest umklammert und ich spürte, dass er weinte. Es brach mir fast das Herz, ihn so zu sehen, zu wissen, dass er sich Vorwürfe machte, obwohl ich eigentlich an allem die Schuld trug.

„Bitte hör auf zu weinen", wisperte ich, während meine Augen sich mit Tränen füllten. „Ich bin daran schuld, Niall, nicht du."

„Nein, Bel. Ich hätte dich niemals gehen lassen dürfen. Ich habe versagt."

Das konnte ich nicht auf ihm sitzen lassen, wenn einer die Verantwortung für all das trug, dann war ich das. Deshalb versuchte ich ihm dies mit einem einfachen Satz klar zu machen.

„Und ich hätte dir nie misstrauen dürfen."

Liebevoll umfassten seine Hände nun mein Gesicht, bevor seine Lippen meine Stirn berührten.

„Du bist meine große Liebe, Bel. Ich hoffe, du weißt das", wisperte er.

Ich weinte vor Glück, als ich diese Worte hörte und antwortete schluchzend darauf.

„Du bist auch meine große Liebe, Niall. Und ich hoffe, du weißt das auch."

Als er nickte und gleichzeitig zu lächeln begann, stellte ich ihm eine Frage.

„Hilfst du mir, eine gute Psychologin oder einen guten Psychologen in London zu finden?"

„Ja, aber nur unter einer Bedingung", lautete seine Antwort.

Ich wischte die Tränen aus meinem Gesicht und fragte: „Und die wäre?"

„Ich möchte gerne bei den Sitzungen dabei sein, die stattfinden, bevor ich mit den Jungs nach Australien fliege."

„Einverstanden."
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Bel will also freiwillig zu einem Psychologen gehen, könnt ihr euch das vorstellen? Wir findet ihr das?

Danke für die zahlreichen Kommentare und Votes!

Das nächste Update kommt am Freitag!

LG, Ambi xxx

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