29. Unreasonable

Die nächsten Tage vergingen nur sehr langsam, da es für mich nicht viel zu tun gab. Ich würde erst am Samstag wieder im Café arbeiten, denn ich hatte mich sofort freiwillig gemeldet, als Carrie erzählte, dass eine Arbeitskraft für das Wochenende wegen Krankheit ausfallen würde. Kein Wunder, dass die Leute sich bei diesem Wetter eine Erkältung holten. Ich konnte wirklich froh sein, dass es mich noch nicht erwischt hatte und würde alles dafür tun, um dies auch weiterhin zu vermeiden.

Inzwischen hatte ich mich ein bisschen in der WG eingewöhnt, mit Jason kam ich soweit klar, nur Max ging ich aus dem Weg. Seit dem Vorfall auf der Straße hatte ich ihn sowieso nur ein einziges Mal gesehen, als er Jason abholte. Ich ignorierte ihn einfach, denn das war meine Art, ihm zu zeigen, dass er mich besser in Ruhe lassen sollte und, dass ich ihn nicht ausstehen konnte. Ich hoffte, dass ich ihm nie wieder alleine irgendwo begegnen würde.

Im Moment hielt ich mich alleine in der Wohnung auf, was mir eine gewisse innerliche Ruhe verschaffte. Carrie musste im Café arbeiten und Jason war wie so oft mit Max unterwegs. Manchmal fragte ich mich, womit die beiden eigentlich ihr Geld verdienten.

Ich nutzte die Zeit des Alleinseins, um mir ein paar Spiegeleier zu machen und in aller Seelenruhe im Internet zu stöbern. Meinen Laptop hatte ich auf dem Küchentisch platziert und während ich einen Artikel über Seesterne las, aß ich meine Spiegeleier. Doch dann, ganz plötzlich, drängte sich Niall wieder in meine Gedanken. Ich wurde unweigerlich an den TV Auftritt erinnert, an welchem er das Armband getragen hatte.

Forever yours, es handelte sich dabei nicht um leere Worte. Als ich diese eingravieren ließ, war er mein Leben, alles was ich wollte und brauchte. Vielleicht trug er dieses Armband aus rein melancholischen Beweggründen, so wie ich die Kette mit den beiden ineinander verschlungenen Herzen noch immer trug, die Niall mir zum Abschied geschenkt hatte, als ich nach Neuseeland aufgebrochen war. Ich konnte mich nicht dazu durchringen, sie abzulegen und in meinem Schmuckkästchen verschwinden zu lassen.

Während ich gedankenverloren mit besagter Kette spielte, meldete sich mein Handy zu Wort. Es war Liam, der mit mir sprechen wollte.

„Hallo, Liam, wie geht es dir?" fragte ich sofort.

„Hallo, Bel, mir geht es gut und dir?"

„Ja, passt schon", erwiderte ich mit einem kleinen Seufzer.

„Das hört sich nicht ganz so berauschend an", bemerkte er mit leicht sorgenvoller Stimme.

„Na ja, ich versuche mich durchzuschlagen", erwiderte ich. „Ich habe jetzt einen Job in einem Café als Bedienung gefunden, außerdem beginnt mein Studium am ersten März."

„Das mit dem Studium hat Niall mir bereits erzählte", sagte Liam, was mich wissen ließ, dass Niall die anderen wohl auf dem Laufenden hielt, was meine Aktivitäten betraf. Dies störte mich nicht, denn immerhin waren es noch meine Freunde, auch wenn ich sie jetzt sehr viel seltener sah. Ehrlich gesagt fehlten sie mir sehr und Liam ganz besonders.

„Hör mal, Bel, wollen wir uns nicht mal treffen?", fragte mein bester Freund, der meine Gedanken zu erraten schien.

„Das fände ich super!", sprudelte es aus mir hervor.

„Fein, hast du heute Nachmittag Zeit?", erkundigte sich Liam in seiner liebenswerten Art.

„Ja, klar aber habt ihr denn keine Proben für die Tour?", wollte ich wissen.

„Wir haben heute und morgen Pause, da wir morgens Interviews geben müssen", beantwortete Liam meine Frage.

„Ok, um welche Uhrzeit wollen wir uns denn treffen und wo?"

„Ich würde vorschlagen um drei Uhr in unserem Café."

Ich wusste genau, welches er damit meinte. Dabei handelte es sich um jenes Café, das wir mehrmals vor meiner Abreise nach Neuseeland aufgesucht hatten, einfach nur um miteinander zu reden. Liam war es damals gelungen, mir meine Ängste teilweise zu nehmen. Die Angst, Niall doch an eine andere verlieren zu können, wenn wir uns acht Monate nicht sahen. Jetzt hatte ich ihn vermutlich an eine andere verloren, obwohl wir täglich zusammen gewesen waren, was wirklich an Ironie grenzte.

Zwei Stunden später machte ich mich auf den Weg zu dem vereinbarten Treffpunkt. Liam war wie immer pünktlich und wartete bereits am Eingang des Cafés auf mich. Er trug ein schwarzes Beanie auf seinem Kopf, außerdem eine Sonnenbrille, damit man ihn nicht gleich erkannte. Seine Füße steckten in warmen Boots und sein Mantel unterstrich seinen guten Geschmack für Mode. Er lächelte mir schon aus der Entfernung entgegen.

„Hey, Liam!"

Kaum standen wir voreinander, umarmten wir uns freudig und küssten uns auf die Wangen.
„Hey, Bel, gut siehst du aus."

Ich hakte mich bei ihm ein, bevor wir gemeinsam das Café, das ein bisschen versteckt lag und somit nicht von Paparazzi überfallen wurde, betraten. Unser Lieblingsplatz in der rechten, hinteren Ecke war noch frei, worauf wir diesen sogleich belegten. Sofort kam eine Bedienung an unseren Tisch und nahm die Bestellung auf. Wir tranken beide heißen Kakao mit Sahne, außerdem aß jeder ein Stück Torte.

„Wir werden schon so von unserem Fitness Trainer in die Mangel genommen, da kann ich mir das locker erlauben", meinte Liam augenzwinkernd, bevor er sich den ersten Bissen der Marzipantorte in den Mund schob.

„Du kannst es dir auch so erlauben", meinte ich mit einem lächelnden Blick in seine braunen Augen.

„Also Bel, ich möchte wissen, wie es dir so geht, aber bitte sei ehrlich zu mir", begann Liam unsere Unterhaltung.

„Körperlich gesehen geht es mir prächtig, geistig auch. Wie du ja bereits weißt, habe ich einen Studienplatz gefunden und kann es kaum erwarten, die Uni zu besuchen. Außerdem arbeite ich stundenweise in einem Café in der Nähe der Oxford Street", erzählte ich wahrheitsgetreu. „Ich brauche ja Geld für die Miete", setzte ich noch hinzu.

Liams braune Augen musterten mich gründlich, als er zu sprechen begann.
„Bel, ich will mich ja nicht einmischen aber..., was ist zwischen Niall und dir passiert?"

„Ganz einfach, ich vertraue ihm nicht mehr", stieß ich hervor.

Nun seufzte mein bester Freund kurz auf. „Wir wissen alle von der Sache mit dieser Frau auf dem Weihnachtsball aber Niall beteuert, dass mit ihr nichts laufen würde."

„Toll! Sie haben sich schon mindestens dreimal getroffen, die Bilder auf Twitter lügen nicht", sagte ich patzig, was mir sogleich wieder leid tat, denn Liam konnte schließlich nichts dafür. Er versuchte nur zu helfen, wie er es immer tat, weil das einfach in seiner Natur lag.

„Dazu kann ich nichts sagen", meinte er ruhig. „Es ist nur so, dass Niall uns nie anlügen würde, weißt du..."

„Aber findest du das nicht auch komisch, dass er sich andauernd mit ihr trifft, wenn doch angeblich nichts zwischen ihnen läuft?", stellte ich meine berechtigte Frage.

„Keine Ahnung, er will uns nicht sagen, warum er sich mit ihr getroffen hat", entgegnete Liam, etwas peinlich berührt.

„Er gibt also zu, dass er sich mit ihr triff, sagt jedoch nicht warum", fasste ich zusammen, worauf mein Gegenüber nur nickte.

Ein empörtes, spöttisches Auflachen entfuhr meiner Kehle.

„Er führt euch ganz schön an der Nase herum", lautete mein Statement.

„Das kann ich mir nicht vorstellen, Niall ist nicht so jemand, der seine Freunde anlügt."

„Vielleicht hat er sich ja verändert", warf ich hitzig ein.

„Vielleicht solltet ihr einfach miteinander reden", kam es von Liam, der nun das letzte Stück seines Kuchens auf der Gabel in Richtung Mund balancierte.

Bevor ich mich dazu äußerte, trank ich einen großen Schluck des warmen Kakaos, der wie immer hervorragend schmeckte.

„Liam, verstehe es doch bitte, ich möchte im Moment nicht mit Niall reden, ich brauche einfach Abstand."

„Aber wie wollt ihr denn dann wieder zusammenfinden?"

Eine sehr berechtigte Frage, auf die ich jedoch keine Antwort parat hatte, jedenfalls nicht im Moment. Wie sollten wir jemals wieder zusammenfinden? Und wollte Niall das überhaupt? Dies Fragen schossen innerhalb kürzester Zeit durch meinen Kopf und trieben mich fast in den Wahnsinn.

„Ich habe keine Ahnung, Liam", brachte ich mühsam hervor.

Er streichelte beruhigend über meine Hand. „Bel, wenn ich dir irgendwie helfen soll, dann sag es einfach. Ich weiß, dass ihr beide ziemlich stur sein könnt, was manchmal nicht gerade nützlich ist, wenn es um Beziehungsstress geht", vervollständigte er seinen Satz.

Das war mir durchaus bekannt und so sagte ich: „Das weiß ich selbst aber vielleicht ist es besser so, wie es im Moment ist. Dann können wir uns wenigstens nicht streiten."

„Aber das ist keine Dauerlösung", versuchte Liam an meine Vernunft zu appellieren.

Alles in mir sträubte sich im Moment dagegen, mit Niall zu reden, obwohl ich ihn wahnsinnig vermisste. Sein Lachen, seine fürsorgliche Art, seine Scherze, ganz zu schweigen von seinen Küssen und allen anderen Berührungen. Der Gedanke daran ließ mein Herz schwer werden, doch der Schmerz gewann die Überhand. Niall würde mir erstmal beweisen müssen, dass er mein Vertrauen verdiente, eher wollte ich nicht zu ihm zurückkehren. Und sich mit der schwarzhaarigen Schlampe zu treffen, trug nicht gerade dazu bei, dieses Vertrauen aufzubauen.

Liam schien zu bemerken, dass ich nicht weiter über Niall reden wollte und wechselte deshalb das Thema. Er berichtete über die Proben für die anstehende Tournee, welche in Australien startete. Sogleich wanderten meine Gedanken wieder zu Niall und zu all den schönen Erlebnissen, die ich während der letzten Tour in Australien und Neuseeland hatte genießen dürfen.

Ich hätte die Jungs zu gerne dorthin begleitet, zumal dies auch zeitlich möglich gewesen wäre, doch mein derzeitiger Beziehungsstatus „es ist kompliziert" verhinderte dies erfolgreich. Es wäre mir auch nie in den Sinn gekommen, deswegen klein beizugeben, soviel Stolz besaß ich dann doch noch. Ich war nicht käuflich und würde es auch nie sein.

Nach ungefähr zwei Stunden verabschiedeten wir uns voneinander, nachdem Liam die Rechnung beglichen hatte, was mir natürlich wieder peinlich war. Er versprach, sich in den nächsten Tagen zu melden und ich wusste, dass er dies auch ernst meinte. Auf Liam konnte man sich immer verlassen.

Fröstelnd lief ich nun zur U-Bahn Station und fuhr auf schnellstem Wege nach Hause. Dort angekommen, verzog ich mich sofort in mein Zimmer, das ich Max und Jason in der Küche reden hörte. Ich hatte keine Ahnung, ob Carrie in ihrem Zimmer saß und wollte es im Moment auch nicht herausfinden. Dazu hätte ich den Flur durchqueren, und unter Umständen vor ihrer Zimmertür verharren müssen, was ich unbedingt vermeiden wollte, so lange Max durch seine Anwesenheit glänzte.

Gott sei Dank verschwanden die beiden nach relativ kurzer Zeit wieder, denn ich vernahm das laute Quietschen der Wohnungstür, die kurz danach zugeschlagen wurde. Jetzt konnte ich zumindest ungestört die Küche aufsuchen, um mir eine Flasche Wasser aus dem Kühlschrank zu holen, was ich schnellstmöglich tat. Man konnte ja nicht wissen, ob die beiden es sich anders überlegen würden und kurzfristig wieder hier auftauchten.

Nachdem ich wieder in meinem Zimmer saß, fühlte ich mich ein klein wenig besser. Hier war ich in Sicherheit, denn ich hatte die Tür hinter mir sofort verschlossen. Carrie fand es zwar komisch, dass ich mich so verbarrikadierte, doch sie konnte mir meine Ängste bezüglich Max nicht nehmen.

Vielleicht lag es auch an meiner Vergangenheit, dass ich in solchen Situationen einfach überreagierte. Doch es war mir wie immer egal, was andere über mich dachten, ich tat das, was ich für richtig hielt. Während ich noch darüber nachdachte, womit ich den restlichen Abend verbringen könnte, meldete sich mein Handy zum zweiten Mal an diesem Tag. Dieses Mal handelte es sich um Kathy, die mich sprechen wollte. Ich freute mich richtig, ihren Namen auf meinem Display zu sehen, denn wir verstanden uns nach wie vor sehr gut und hatten außerdem seit einigen Tagen nicht miteinander gesprochen.

„Hey, Bel, geht es dir gut?", fragte sie fröhlich.

Kathy war ein unglaublich positiver Mensch, das fiel mir jedes Mal aufs Neue auf, wenn wir miteinander sprachen.

„Danke gut und dir?", erwiderte ich freundlich.

„Mir geht es bestens. Ich habe dir so viel zu erzählen, wollen wir uns nicht am Sonntag treffen? Du könntest doch zu mir nach Hause kommen, oder?"

Es war wirklich eine willkommene Abwechslung, diese Wohnung und vor allem dieses hässliche Zimmer mit den roten Wänden, am Sonntag erneut für einige Stunden verlassen zu können. So sagte ich begeistert zu, worüber Kathy sich unglaublich freute. Mein Sonntagnachmittag war also verplant, ebenso der morgige Tag, denn ich musste von elf bis um vier im Café arbeiten.
Als ich das Gespräch mit Kathy beendet hatte, traf Carrie in der Wohnung ein.

„Bel, bist du zuhause?", rief sie bereits im Flur.

„Ja, warte."

Ich eilte zur Zimmertür, schloss auf und begrüßte meine Freundin mit einer Umarmung.

„Na, wie war dein Tag?", fragte ich grinsend.

„Es ging. Im Café war die Hölle los, du kannst dich morgen freuen. Bei der kalten Jahreszeit strömen die Leute regelrecht ins Warme, um sich Kaffee, Tee oder ähnliches einzuverleiben", erklärte sie, während sie ihren Mantel auszog.

„Na dann kann ich mich ja auf einiges gefasst machen", erwiderte ich trocken.

Zahlreiche Kundschaft konnte mir jedoch nur Recht sein, denn dies verbesserte hoffentlich mein Trinkgeld. Außerdem würde die Zeit dann ganz schnell vergehen, das war auf jeden Fall besser, als in der Gegend herumzustehen und auf den Feierabend zu warten. Da Carrie sich einfach nur noch ausruhen wollte und ich ebenfalls Lust auf einen ruhigen Abend verspürte, machten wir es uns auf ihrem Bett gemütlich, um Fernsehen zu schauen.

Wir lachten während der Comedy Sendung, dass ich danach Bauchschmerzen hatte. Carrie ging es nicht viel besser, auch sie wälzte sich vor Lachen auf dem Bett. Gegen Mitternacht stellte sich bei uns beiden jedoch eine gewisse Müdigkeit ein, worauf ich beschloss, mein Zimmer aufzusuchen, um mich schleunigst ins Bett zu legen. In dieser Nacht schlief ich zum ersten Mal richtig durch, was darauf schließen ließ, dass ich mich wohl langsam eingewöhnte.

Als ich am nächsten Morgen erwachte, herrschte noch totale Stille in der Wohnung. Carrie schlief wohl noch und bei Jason wusste man sowieso nie, ob er gerade anwesend war oder mit Max durch die Gegend zog. So nahm ich in aller Ruhe eine Dusche, zog mich an und schminkte mich dezent, bevor ich die Küche aufsuchte, um Toast zu essen und eine Tasse Tee zu trinken. Während ich das tat, vernahm ich Schritte, die Carrie gehörten, denn sie stand kurze Zeit später im Türrahmen.

„Guten Morgen, Bel", murmelte sie verschlafen, worauf ich ihr eine Tasse Tee in die Hand drückte.

„Hier, du siehst aus, als könntest du das gebrauchen", meinte ich grinsend.

Unaufgefordert nahm sie am Küchentisch Platz, wo wir sogleich eine Unterhaltung begannen. Dabei ließ Carrie einfließen, dass ich ihr das Geld für die Miete entweder am Sonntag oder spätestens am Montag geben könnte. Da ich nachher gleich mein erstes Geld ausgezahlt bekam, sollte das kein allzu großes Problem sein. Außerdem besaß ich ja noch meine eiserne Reserve von fünfhundert Pfund, die ich in meinem Kleiderschrank versteckt hielt.

„Das geht klar", sagte ich, worauf Carrie zufrieden nickte.

Langsam musste ich mich auf den Weg machen, denn sonst würde ich zu spät kommen. Also verabschiedete ich mich und stand zehn Minuten später an der U-Bahn Haltestelle, wo auch sogleich ein Zug eintraf. Alles klappte wunderbar, es gab keine Zeitverzögerungen während der Fahrt und als ich schließlich um Punkt elf meinen Dienst im Café antrat, schien der Tag perfekt zu werden.

Gleich die ersten Gäste entpuppten sich als super nett und gaben außerdem ein sehr üppiges Trinkgeld. Wenn sich mein Glück heute fortsetzte, brauchte ich mir wirklich keine Gedanken bezüglich meiner finanziellen Lage zu machen.

Die Zeit verging an diesem Tag wie im Flug und ehe ich mich versah, brach die letzte halbe Stunde meines Dienstes an. Ich verbrachte genau zwei Minuten in der Küche, um schnell etwas zu trinken und setzte dann meine Arbeit fort. In der hintersten Ecke nahm gerade ein neuer Gast seinen Platz ein.

Merkwürdigerweise setzte er sich mit dem Rücken zu mir, was die wenigsten taten. Sie wollte ja die Bedienung sehen und notfalls herbeiwinken können. Als mein Weg mich in Richtung des Tisches führte, erkannte ich plötzlich, wer dort saß. Mein Herz hämmerte wie wahnsinnig in meiner Brust, ich musste ihn bedienen, ob ich wollte oder nicht.

„Hey, Bel", sagte er leise.

„Hey, Niall."

Es herrschte eine kurze peinliche Stille zwischen uns, die ich dann aber unterbrach.
„Was kann ich dir bringen?"

„Einen Kaffee", antwortete er, während seine blauen Augen mich durchdringend anschauten.

Ich schluckte den Kloß in meinem Hals hinunter, bevor ich noch immer leise fragte: „Sonst nichts?"

„Nein, das ist alles."

Als ich mich umdrehte, um zur Theke zu laufen, tauchten die unterschiedlichsten Gefühle in meinem Innersten auf. Überraschung, Zweifel, Ärger, Freude und der Wunsch, ihm die Frage zu stellen, warum er hergekommen war. Diese konnte ich ihm jedoch nicht so einfach stellen, zumindest nicht während meiner Dienstzeit. Ich trödelte absichtlich ein bisschen, bevor ich Niall den Kaffee servierte. Als ich die große Tasse auf dem Tisch vor ihm abstellte, fragte er plötzlich: „Hast du kurz Zeit?"

Ich schüttelte meinen Kopf und nuschelte: „Ich habe noch bis vier Uhr Dienst, danach hast du fünf Minuten Zeit, um mir zu erklären, warum du hergekommen bist und woher du überhaupt wusstest, dass ich hier arbeite."

„Fünf Minuten sind ja eine ganze Menge", erwiderte er spöttisch. „Aber ok, ich werde warten und dann diese fünf Minuten, die du mir großzügiger weise gewährst, hoffentlich sinnvoll nutzen."

Ohne ein Wort zu sagen ging ich wieder zur Theke zurück und bediente kurze Zeit später die nächsten Gäste, die Kaffee und Kuchen haben wollten. Um Punkt vier Uhr, nachdem ich alle, auch Niall abkassiert hatte, ging ich zum hinteren Bereich, in welchem die Angestellten ihre Jacken und Taschen aufbewahrten, zog meine weiße Schürze aus, übergab den großen Geldbeutel meinem Boss und wartete darauf, dass er mir meine Lohntüte aushändigte.

Froh darüber, dass dies alles ohne Probleme über die Bühne ging, stiefelte ich zurück ins Café und setzte mich zu Niall an den Tisch. Ich vermied es, in seine blauen Augen zu schauen, um nicht irgendetwas zu sagen oder zu tun, was ich nachher bereuen würde. Er konnte mich nämlich ziemlich schnell um den kleinen Finger wickeln, wenn er seinen treuen Hundeblick aufsetzte. Und da ich heute irgendwie melancholisch drauf war, wollte ich uns das ersparen.

„Also?", fragte ich, „woher weißt du, wo ich arbeite?"

„Wir können eins und eins zusammen zählen, Bel. Als du Liam gesagt hast, dass du in einem Café arbeitest, dachte ich sofort an dieses Café, in dem Carrie ihre Brötchen verdient. Das war ziemlich naheliegend, oder nicht?"

Warum musste er auch so intelligent sein? Mein innerliches Seufzen konnte er zum Glück nicht hören, denn es hätte mir von selbst einfallen können, dass Niall eines Tages hier aufkreuzen würde.

„Und um deine andere Frage zu beantworten, ich würde gerne mit dir reden", fuhr er fort.

„Über was denn?" Meine Stimme klang gepresst, während mein Herz schneller schlug. „Warum triffst du dich mit dieser anderen Frau?", platzte es dann aus mir heraus.

Ich konnte sehen, dass er angepisst war. „Du ziehst bei mir aus und fragst mich allen Ernstes, warum ich mich mit einer andere treffe?", kam es hitzig von ihm zurück.

„Du kontrollierst mich also", setzte er noch hinzu.

„Nein, aber es war überall auf Twitter zu sehen!", blökte ich zurück.

Nialls blaue Augen blickte ein wenig genervt drein, als er sagte: „Ich hatte meine Gründe, mich mit Megan zu treffen. Und wenn du nichts so stur wärst und mich anhören würdest..."

Mir reichte es jetzt, ich wollte nichts von dieser Megan hören und so fiel ich ihm ins Wort: „Ich will nicht über diese Frau reden, kapiert? Und was immer das für Gründe sind, sie interessieren mich nicht. Es gibt keinen Grund, sich mit einer anderen zu treffen, die man auf einem Weihnachtsball kennenlernt. Sie ist schließlich keine langjährige Freundin von dir."

„Bel, du bist unglaublich stur!", warf er mir vor.

„Das bin ich und ich muss jetzt gehen."

Nach diesen Worten erhob ich mich und verließ das Café, ohne mich nochmals umzudrehen. Als ich in Richtung U-Bahn lief, begann ich zu weinen, denn ein Teil von mir vermisste und liebte ihn noch immer so sehr, dass ich am liebsten umkehren wollte.
________________________

Bel hat Niall schon wieder abgewiesen. Wie wird das zwischen den beiden wohl weitergehen?

Danke für die vielen Kommentare zum letzten Kapitel! :)

LG, Ambi xxx

Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top