23. Silence
Als Niall seinen Kopf anhob, schaute ich in seine Augen, die mehr als nur erstaunt dreinblickten.
„Bel, was soll das?", meinte er mit ärgerlichem Tonfall.
Seit wann stand es ihm zu, sich nach dieser Aktion so zu verhalten? Ich hatte ihn so gut wie in flagranti mit einer anderen beim Knutschen oder beinahe Knutschen erwischt!
„Sag mal, was fällt dir eigentlich ein, mich so zu behandeln?", fauchte ich los.
„Dasselbe könnte ich dich fragen!", kam es laut und überaus deutlich von Niall zurück.
Er verhielt sich so, als sei er sich keiner Schuld bewusst und die schwarzhaarige Schlampe, die ihn abgeschleppt hatte, erhob sich nun von der Schaukel, gab ihm sein Jackett zurück und flüsterte ihm etwas ins Ohr, worauf er nur den Kopf schüttelte. Was sollte das denn jetzt?
Wutschnaubend stellte ich mich vor Niall und begann meinem Ärger richtig Luft zu machen.
„Was soll das hier? Kannst du mir bitte erklären, weshalb du dich mit einer anderen Frau in den Park zurückgezogen hast und gerade dabei warst, mit ihr zu knutschen?"
„Ich kann nicht fassen, was du da gerade von dir gibst", kam es von Niall zurück, dessen Stimme nun alles andere als freundlich klang. „Es ist nämlich nicht so, wie es aussieht", setzte er überflüssigerweise noch hinzu.
Mein bitteres Lachen ließ Kathy zusammenzucken, die noch immer wie angewurzelt neben mir stand. Wütend stemmte ich meine Hände in die Hüften, bevor ich zu reden begann.
„Ach? Das sagen alle Männer, die von ihren Freundinnen mit einer anderen erwischt wurden! Ich hätte nicht gedacht, dass du mit so einer billigen Ausrede daher kommst", blökte ich ungehalten los.
„Und ich hätte nicht gedacht, dass du mir derart misstraust!", kam es von Niall zurück.
Jetzt reichte es mir wirklich. „Ich misstraue dir? Ich habe dir nie misstraut, damit das klar ist aber gerade eben hast du alle deine Credits verspielt!"
„Es ist wirklich nicht so, wie es vielleicht aussieht", mischte sich die schwarzhaarige Schlampe nun ein.
Diese bodenlose Unverschämtheit konnte ich natürlich nicht durchgehen lassen und so keifte ich zurück: „Misch dich nicht ein, wenn ich mit meinem Freund rede, ok? Und ich glaube es ist besser, wenn du jetzt verschwindest!"
Mein Zorn vergrößerte sich noch, als Niall sich zu ihr drehte und sagte: „Es tut mir leid, Megan. Ich glaube, wir reden ein anderes Mal darüber."
Das war ja wohl das Allerletzte! Er sagte ihr quasi vor meinen Augen, dass sie sich erneut treffen würden! Niall wusste überhaupt nicht, wie sehr mich das verletzte oder er tat es absichtlich, weil ich ihn erwischt hatte. Ich konnte nicht glauben, was gerade passierte.
Mein ganzes Leben schien aus meinen Händen zu gleiten, alles wurde in einem einzigen Augenblick zerstört. Der Glaube an jegliches Vertrauen und an unsere große Liebe, die nichts erschüttern konnte, alles war dahin. Ich spürte, wie meine Kehle sich zuschnürte und wie die Tränen ihren Weg über meine Wangen fanden. Das alles war so demütigend, ich fand keine Worte dafür, um zu beschreiben, was in meinem Herzen vorging. Stattdessen starrte ich mit tränenverschwommenen Augen zu Niall, der nun langsam auf mich zukam.
„Bel", vernahm ich seine Stimme. „Lass uns nach drinnen gehen und reden, ok?"
Doch ich schüttelte nur meinen Kopf. „Ich will nicht reden", presste ich gekränkt hervor.
Dann drehte ich mich abrupt um, und rannte in das Gebäude zurück, wo ich die Toiletten aufsuchte, um mich ein wenig zu sammeln und vor allem, um mein verheultes Gesicht abzuwaschen. Kaum stand ich vor einem der Spiegel, vernahm ich Schritte, die sich rasch näherten. Diese gehörten Kathy, die mir wohl nachgelaufen war.
„Alles in Ordnung, Bel?", fragte sie bekümmert.
Ich konnte nichts tun, außer meinen Kopf zu schütteln, während ich versuchte, das Make-up nicht zu sehr zu verschmieren, als ich mein Gesicht vorsichtig mit einem Papiertaschentuch abtupfte. Mein kompletter Körper zitterte vor Wut aber vor allem vor Enttäuschung. Was war nur passiert? Liebte er mich nicht mehr?
Niall war alles für mich gewesen, doch vor ungefähr fünf Minuten hatte er sich selbst ins Aus bugsiert. Ich verstand nicht, wie er so etwas tun konnte, denn für mich war es offensichtlich, dass er diese Frau geküsst hatte oder dies zumindest tun wollte, bevor ich aufgetaucht war. Nur am Rande nahm ich wahr, wie Kathy mich in ihre Arme nahm, wo ich erneut anfing zu heulen.
„W...W...Wieso tut er das?", fragte ich mit bebender Stimme.
Sanft streichelte sie über meine Haare, drückt mich leicht an sich und flüsterte: „Keine Ahnung aber vielleicht hättest du ihm die Chance geben sollen, es zu erklären."
„Was gibt es dann da noch zu erklären?", schniefte ich leise. „Er hat mit dieser Tussi rumgemacht oder war gerade im Begriff es zu tun. Die Sachlage war eindeutig, zumindest für mich. Er hat mein Vertrauen missbraucht."
Jetzt seufzte Kathy leise, bevor sie mich wieder losließ.
„Vielleicht solltest ihr das wirklich zuhause in Ruhe klären", meinte sie dann.
Ich lachte laut auf. „Zuhause? Du meinst wohl in seinem Zuhause, denn mein Zuhause ist in Deutschland und ich kann es kaum erwarten, übermorgen nach München zu fliegen", antwortete ich mit Bitterkeit in meiner Stimme.
Die Frage war jetzt nur, wie sollte ich es so lange in Nialls Wohnung aushalten? Am liebsten hätte ich Kathy gefragt, ob ich bei ihr bleiben könnte aber irgendwie schien mir das nicht richtig sein. Wir kannten uns erst seit einigen Wochen und ich wollte sie nicht in diesen Streit mit hineinziehen. Da musste eine andere Lösung her.
Zur Not konnte ich in Nialls Wohnzimmer auf dem Sofa übernachten und ihm tagsüber aus dem Weg gehen. Das sollte wohl klappen und für zwei Tage durchaus zu machen sein. Gerade als ich diese Überlegung zu Ende brachte, ging erneut die Tür zur Damentoilette auf und El kam hineingerannt.
„Um Gottes Willen, Bel! Was ist denn passiert?", fragte sie keuchend und nahm mich in den Arm.
Als ich ihr ohne Hemmungen erzählte, was sich gerade im Park zugetragen hatte, wurden ihre Augen groß und rund.
„Niall hat uns nur erzählt, dass ihr euch gestritten habt", brachte sie hervor, „aber er wollte uns den Grund nicht sagen."
Mein Sarkasmus kam zum Vorschein, als ich antwortete: „Ach, warum nur? Ich kann mir gar nicht vorstellen, warum er so schweigsam ist."
„Denkst du nicht, dass das Ganze vielleicht ein Missverständnis war?", hörte ich El fragen.
Es war so klar, dass seine Freunde zu ihm hielten, auch wenn ich El immer zu meinen Freunden dazugezählt hatte, bewies mir diese Situation, dass es sich wohl anders darstellte. Aber ich konnte damit leben, denn ich wusste, dass es früher oder später Gerechtigkeit geben würde. Für alles Schlechte was man im Laufe seines Lebens anstellte, gab es irgendwann eine Art Bestrafung, davon war ich felsenfest überzeugt.
Nachdem ich ein letztes Mal mein Gesicht in Augenschein genommen und festgestellt hatte, dass ich mich so wieder unter die Menschen mischen konnte, sagte ich nur: „Ich gehe jetzt wieder an die Bar. Kommt jemand mit?"
Zu meiner Überraschung folgten mir beide Mädchen, um mir kurze Zeit später bei einem Cocktail Gesellschaft zu leisten. Ich wollte es vermeiden, an unseren Tisch zurückzukehren, denn ich konnte Niall nicht anschauen, zumindest im Moment. Das, was er getan hatte, tat einfach zu weh.
Während ich den Alkohol in mich hineinschüttete, passten Kathy und El auf mich auf. Sie hatten wohl Angst, dass ich etwas passieren könnte, doch ich wollte einfach nur abschalten und nicht darüber nachdenken müssen, was heute Abend geschehen war. Und wieder drehten sich meine Gedanken im Kreis. Warum nur hatte Niall das getan? Er zerstörte das ganze Vertrauen, das ich zu ihm aufgebaut hatte, in nur einem einzigen Augenblick.
Nach einer ganzen Weile, welche wir an der Bar verbracht hatten, gesellten sich Liam und Harry zu uns. Liam nahm mich einfach in den Arm und drückte mir einen Kuss auf die Stirn und Harry streichelte mir kurz übers Haar. Es grenzte schon fast an Ironie, dass Nialls Bandkollegen und Freunde sich um mich kümmerten, während von ihm jede Spur fehlte. Vielleicht hatte er sich endgültig mit der schwarzhaarigen Schlampe zurückgezogen. Doch in dieser Hinsicht schien ich mich geirrt zu haben, denn ganz plötzlich stand er vor mir, schaute mich an und sagte: „Ich will mit dir reden, Bel."
„Ich will aber nicht mit dir reden!", brachte ich ungehalten hervor.
Was dachte er sich eigentlich? Dass er mich mit seinem verdammten irischen Charme weich kochen würde? Weit gefehlt, denn das funktionierte auf keinen Fall! Immerhin besaß ich auch meinen Stolz und er war heute einfach zu weit gegangen. Er hatte mich zutiefst verletzt.
„Bel, hör bitte auf, dich kindisch zu verhalten", vernahm ich seine Stimme.
„Bitte was? Ich verhalte mich kindisch? Weißt du was, Niall? Vielleicht bin ich kindisch aber auf jeden Fall bin ich nicht diejenige, die das Vertrauen einer anderen Person missbraucht hat! Und zwar einer Person, die ich liebe!"
Ich spürte schon wieder, wie Tränen in meine Augen schossen. Warum konnte ich diese Gefühlsausbrüche nicht einfach kontrollieren? Als Liam mir ein Taschentuch reichte, nahm ich dieses schweigend an, um meine Tränen zu trocknen. Ich war unglaublich wütend aber auch unsagbar traurig, dass alles so gekommen war.
„Bel." Nialls Stimme drang schon wieder in meine Ohren.
„Nein", erwiderte ich kurz angebunden und rutschte von meinem Barhocker.
Als ich mich in Bewegung setzte, lief Niall mir nach, was mich jetzt irgendwie amüsierte. Er musste ein wahnsinnig schlechtes Gewissen haben, was mich jedoch vollkommen kalt ließ. Er hätte sich vorher überlegen sollen, was er tat und nicht hinterher, wenn alles zu spät war.
Inzwischen waren wir am Ausgang angekommen und als ich zur Tür hinausging, bemerkte ich erst, wie kalt es eigentlich war. Ich beschloss dies aber zu ignorieren und marschierte mit meiner Clutch unter dem Arm die Treppenstufen nach unten, gefolgt von Niall, der die Verfolgung immer noch nicht aufgegeben hatte.
„Bel, bleib stehen."
„Ich will jetzt nicht reden, Niall! Wann kapierst du das endlich?", gab ich ihm laut und deutlich zu verstehen, als ich mich kurz umdrehte.
Dabei achtete ich nicht auf die Stufen, geriet prompt ins Straucheln und wäre fast der Länge nach hingefallen, wenn Niall mir nicht zu Hilfe gekommen wäre. Als ich den festen Griff seiner Hände an meinem Körper spürte, zuckte ich innerlich zusammen. Im Augenblick wollte ich nicht, dass er mich berührte, egal in welcher Form, denn ich war so enttäuscht von ihm, wie es mir nie hätte erträumen können. Doch auf einer Treppe zu stürzen war auch keine Option, jedenfalls keine annehmbare und so ließ ich es widerwillig zu, dass er mich in letzter Sekunde vor dem Hinfallen bewahrte.
Eine Dankeschön oder Ähnliches ersparte ich mir aber und marschierte einfach weiter. Dieses Mal jedoch vorsichtiger, denn ich hatte keine Lust nochmals fast zu stürzen. Niall ging immer noch hinter mir und als ich den Taxistand erreichte, erkannte er meine Absicht.
„Du willst nach Hause fahren?"
„Ja, das will ich. Für mich ist dieser Abend beendet", antwortete ich kurz und knapp. „Aber du kannst ja noch hierbleiben, wenn du möchtest", setzte ich giftig hinzu.
Zu meiner großen Überraschung stieg er jedoch zu mir in das Taxi und nannte dem Fahrer seine Adresse.
Na toll! Jetzt würde ich erst Recht keine Ruhe haben! Dabei wollte ich nichts anderes tun, als mich ins Bett zu legen und zu schlafen. Auf gar keinen Fall wollte ich mich mit ihm unterhalten und mir seine Lügen anhören. Dazu war ich beim besten Willen nicht aufgelegt.
Als das Taxi sich in Bewegung setzte, befürchtete ich schon das Schlimmste, doch Niall sagte kein einziges Wort. Er starrte aus dem Fenster, wobei ich versuchte seinen Gesichtsausdruck zu deuten, als ich ihm einen Blick zuwarf. Aber ich wurde daraus nicht schlau. Er wirkte keineswegs so, als ob er sich für etwas schämen würde, sondern eher nachdenklich und sogar ein wenig sauer, was mich natürlich schon wieder wütend machte.
Er hatte überhaupt keinen Grund dazu, sauer zu sein, wenn dann stand mir das zu! So saßen wir schweigend nebeneinander, bis wir unser Ziel erreichten. Niall bezahlte den Taxifahrer und ich stieg inzwischen aus, kramte meinen Wohnungsschlüssel hervor und lief ohne auf ihn zu warten, auf das Haus zu, in welchem sich sein Apartment befand. Doch Niall holte mich ein, bevor ich dazu kam, die Tür zu öffnen.
Wir schwiegen noch immer, als wir kurze Zeit später vor der Wohnungstür standen. Vielleicht hatte er es inzwischen aufgegeben, was mir nur Recht sein konnte. Völlig erledigt betrat ich den Flur und stürmte regelrecht ins Badezimmer, um mein mich abzuschminken. Als ich wenige Minuten später in Richtung Schlafzimmer laufen wollte, hörte ich Nialls Stimme aus dem Wohnzimmer.
„Bel, redest du jetzt endlich mit mir?"
„Nein!"
Schnell lief ich ins Schlafzimmer, knallte die Tür hinter mir zu und legte mich sofort ins Bett, wo ich mir die Decke über den Kopf zog. Kurze Zeit vernahm ich Schritte, die sich der Tür näherten und nach wenigen Sekunden wurde diese aufgerissen. Ich bekam mit, wie Niall sich sein Kissen und seine Decke schnappte, um dann ein lautes: „Dann eben nicht!" von sich zu geben.
Ich blieb weiterhin unbeeindruckt unter meiner Decke liegen, hoffend, dass er gleich verschwinden würde. Gott sei Dank tat er mir diesen Gefallen, sodass ich in Ruhe einschlafen konnte. Doch mein Gehirn schien andere Pläne zu verfolgen, denn meine Gedanken standen nicht still. Immer wieder kehrten sie zu jenem Zeitpunkt zurück, an dem ich Niall zusammen mit der schwarzhaarigen Frau im Park sah und es tat noch immer genauso weh.
Nach wie vor konnte ich nicht verstehen, warum er so etwas getan hatte, aber mittlerweile wollte ich das auch gar nicht mehr. Vielmehr beschäftigte ich mich nun mit dem Gedanken, wie ich die Zeit bis zum Montag herumkriegen sollte, ohne Niall ständig über den Weg laufen zu müssen. Vielleich konnte ich mich mit Carrie treffen, das war zumindest eine gute Alternative. Sie würde bestimmt staunen, wenn ich erzählen würde, was am heutigen Abend alles passiert war.
Nach gefühlten zwei Stunden schlief ich endlich ein, doch es war ein sehr unruhiger Schlaf, in den ich eintauchte und der mich in den frühen Morgenstunden wieder erwachen ließ. Leichte Kopfschmerzen waren das erste, was ich spürte, noch bevor ich meine Augen aufschlug. Wahrscheinlich rührten diese von den Ereignissen des gestrigen Abends, was auch nicht verwunderlich war. Aber ich wollte mich nicht unterkriegen lassen und vor allem wollte ich Niall zeigen, dass ich ihn nicht brauchte, indem ich ihn einfach ignorierte, als ich in die Küche lief.
Dort schüttete ich Cornflakes in eine kleine Schale, übergoss diese mit Milch und setzte mich ohne einen Ton zu sagen an den Tisch, wo ich sofort zu essen begann. Niall schaute nur kurz herein, füllte seine Teetasse auf und verschwand wieder.
Das eisige Schweigen zwischen uns machte mir doch mehr zu schaffen, als ich anfangs geglaubt hatte, trotzdem konnte ich mich nicht dazu überwinden, mit ihm zu sprechen. Die klaffende Wunde in meinem Herzen würde nur noch mehr aufreißen, wenn ich das tat. So wartete ich einfach, bis er das Apartment verlassen hatte, um dann zu duschen und mich anschließend anzuziehen.
Nachdem ich das erledigt hatte, rief ich Carrie an, die sich auch sogleich meldete. Eigentlich wusste ich gar nicht, wieso ich das dringende Bedürfnis verspürte, ihr alles erzählen zu wollen, doch da dieses nun mal vorhanden war, rückte ich auch ohne Umschweife mit der Sprache heraus.
„Oh mein Gott, Bel, das tut mir wirklich leid für dich", sagte sie. „Wollen wir uns irgendwo treffen? Du hältst es doch bestimmt nicht in der Wohnung aus, oder?"
Konnte sie Gedanken lesen? Es kam mir in jenem Moment so vor und so stimmte ich einem sofortigen Treffen zu. Wir verabredeten uns in dem kleinen Café, in welchem wir bereits schon einmal zusammen gesessen hatten, als die Sache mit Kathy passiert war und Niall plötzlich verschwunden war. Dieses würde ich ohne Probleme wieder finden und so machte ich mich eine halbe Stunde später auf den Weg.
Es regnete in Strömen, was durchaus meinem Gemütszustand entsprach und ich war heilfroh, als ich endlich an unserem Treffpunkt ankam, damit ich mich ins Warme setzen konnte. Carrie, die bereits eingetroffen war, hatte einen Tisch in einer Ecke, neben einem der großen Fenster belegt und winkte mir zu, als ich das Café betrat.
„Hey, Bel." Sie umarmte mich zur Begrüßung, was ich erwiderte.
„Habt ihr immer noch nicht miteinander gesprochen?", lautete ihre Frage, nachdem ich meine Bestellung aufgegeben hatte.
Seufzend schüttelte ich meinen Kopf. „Ehrlich gesagt, möchte ich auch im Moment gar nicht mit Niall reden. Ich habe keine Lust, mir seine Lügen anzuhören, denn die Sache war eindeutig", antwortete ich hitzig.
Ich konnte mich noch immer nicht darüber beruhigen, dass er mich für dumm verkaufen wollte.
„Und was hast du jetzt vor? Irgendwie muss es doch weitergehen?", fragte Carrie.
„Keine Ahnung. Morgen fliegen wir beide erstmal nach Hause. Er nach Irland und ich nach Deutschland. Eigentlich sollte ich am ersten Weihnachtsfeiertag nach Irland kommen, um Niall und seine Familie zu besuchen aber unter diesen Umständen kann ich das nicht tun", erklärte ich mit fester Stimme.
Nun legte Carrie ihre Hand auf meinen Arm. „Ich kann dich gut verstehen, Bel. Aber was passiert, wenn ihr euch wirklich trennen solltet? Wirst du dann in Deutschland bleiben?"
„Nein." Die Antwort kam über meine Lippen, ohne darüber nachzudenken. Ich wollte hier in London studieren, ob mit oder ohne Niall an meiner Seite, war mir in diesem Augenblick völlig egal.
„Du willst echt hierbleiben? Das finde ich spitze!", kam es begeistert von Carrie. „Du könntest bei mir einziehen", setzte sie noch hinzu.
„Bei dir? Ich dachte, du wohnst in einer WG. Da ist doch sicher kein Platz mehr für mich", sagte ich erstaunt.
„Na ja, meine weibliche Mitbewohnerin ist jetzt ausgezogen", antwortete Carrie mit einem Seufzen.
„Oh", war alles, was ich dazu sagen konnte.
„Weißt du Bel, du kannst es dir ja überlegen. Sag mir einfach Bescheid, wenn du wieder aus Deutschland zurückkehrst", meinte sie aufmunternd.
Vielleicht sollte ich das wirklich tun, denn in einem Studentenwohnheim war es sicher nicht so gemütlich, wie in einer Wohnung, die man mit einer Freundin teilte. Aber darüber konnte ich mir Gedanken machen, sobald ich in Deutschland bei meiner Familie sein würde.
Carrie und ich verbrachten den restlichen Tag gemeinsam in London, bummelten durch die Geschäfte in einer Shopping Mall und aßen zusammen zu Mittag. Ich wollte so wenig Zeit wir nur möglich in Nialls Apartment verbringen und somit kam es mir sehr gelegen, als Carrie vorschlug, wir sollten noch ins Kino gehen, was wir sofort in die Tat umsetzten. Anschließend aßen wir noch Pizza, bevor sich unsere Wege an diesem Abend endgültig trennten.
Bevor ich den Weg zur U-Bahn Station antrat, warf ich einen Blick auf die Uhr, welche viertel vor zehn zeigte. Es war die perfekte Zeit, um nach Hause zu fahren. Ich würde um kurz vor halb elf eintrudeln und konnte mich sofort ins Bett legen, ohne mich großartig mit Niall unterhalten zu müssen.
Als meine Gedanken zu ihm gingen, wurde ich traurig und gleichzeitig wütend. Wieso war alles schief gelaufen? Warum war das nur passiert? Ich dachte er würde mich lieben, so wie ich ihn liebte, doch da schien ich mich wohl getäuscht zu haben.
Die Fahrt zum Apartment zog sich länger hin als angenommen und ich war froh, als ich endlich die Haustür erreichte, denn es begann erneut heftig zu regnen. Im Apartment angekommen stellte ich fest, dass Niall noch nicht zuhause war. Normalerweise hätte ich mir jetzt Gedanken um ihn gemacht aber am heutigen Tag war ich wirklich froh, dass wir uns nicht über den Weg liefen.
Morgen Nachmittag würde ich nach Deutschland fliegen und die Zeit bis dahin konnte ich hoffentlich ohne Probleme überstehen. Nachdem ich das Badezimmer kurz aufgesucht hatte, zog ich meinen Schlafanzug an und legte mich ins Bett. Obwohl Niall sein Kissen und die Decke ins Wohnzimmer gelegt hatte, schwebte der Duft seines Aftershaves noch immer in der Luft, was sofort einige Erinnerungen in mir weckte. All das, was wir gemeinsam erlebt hatten, zog an meinem inneren Auge vorüber und bewirkte, dass meine Tränen erneut flossen.
Es tat so verdammt weh, so hintergangen zu werden. Meinen Kopf in das Kissen vergraben, versuchte ich endlich einzuschlafen. Als ich fast so weit war, vernahm ich das Geräusch der Eingangstür und ein lautes Poltern.
„Shit!", hörte ich Niall fluchen.
Seiner Stimme nach zu urteilen war er betrunken. Leise stöhnte ich auf, als sich die Tür zum Schlafzimmer öffnete. Ich wollte doch nur meine Ruhe, doch nun stand Niall im Zimmer und schaute mich mit seinen halbgeöffneten Augen an.
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Was mag jetzt wohl passieren? Irgendwelche Ideen?
Danke für die zahlreichen Kommentare zum letzten Kapitel!
Nächstes Update: Donnerstag!
LG, Ambi xxx
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