15. Devastated

Blindlings rannte ich durch die Straßen Londons, ohne Ziel und ohne zu wissen wie es nun weitergehen sollte. Mein Herz und mein Magen krampften sich zusammen, als ich an Niall dachte. Wie hatte ich ihn nur so enttäuschen können? Ich wusste doch, dass er mich von ganzem Herzen liebte.

Tränen strömten aus meinen Augen und selbst die Tatsache, dass Kathy mir verziehen hatte und mit mir befreundet sein wollte, konnte an meiner Stimmung nichts ändern. Niall war alles, was in meinem Leben zählte, das wurde mir immer mehr bewusst. Aber er meldete sich nicht, was mir deutlich zeigte, wie sauer er auf mich war.

Als ich an einer Fußgängerampel stehen blieb, holte ich kurz mein Handy hervor. Er hatte mir noch immer nicht zurückgeschrieben. Leise schluchzend verstaute ich das Handy wieder in meiner Handtasche und setzte meinen Weg fort.

Weder Durst noch Hunger verspürend, schlich ich mit hängendem Kopf durch das verregnete London. Das Wetter passte durchaus zu meiner Stimmung, denn ich fühlte mich einfach nur grottenschlecht.

Irgendwann ließ der Regen jedoch nach, so als ob der Himmel mir sagen wollte, dass ich nun genug geweint hätte. Mit einem Papiertaschentuch trocknete ich die letzten Tränen und schaute mich um, damit ich feststellen konnte, in welchem Teil Londons ich mich eigentlich befand. Die Gegend sah nicht gerade vertrauenerweckend aus.

Seufzend holte ich mein Handy erneut aus der Tasche, öffnete Google Maps und stellte fest, dass es bis zur Oxford Street, wo ich mich einigermaßen auskannte, fünf Kilometer waren. Das war zwar weit aber ich hatte keine Lust mit der U-Bahn zu fahren. Ich wollte laufen, um einen klaren Kopf zu bekommen. Entschlossen setzte ich meinen Weg in Richtung Oxford Street fort.

Ich war kaum fünf Minuten unterwegs, als mein Handy sich meldete. Mit klopfendem Herzen starrte ich auf das Display, in der Hoffnung, dass Niall der Anrufer war. Leider wurde mein Wunsch nicht erfüllt, denn was handelte sich um Carrie, die versuchte, mich zu erreichen.

„Hey, Bel, wo bist du denn?", fragt sie sofort, nachdem ich mich gemeldet hatte.

„Unterwegs in London", antwortete ich nur.

Carrie seufzte kurz auf, bevor sie einen Vorschlag machte.

„Hör zu, es tut mir alles ganz furchtbar leid, was passiert ist. Aber ich kann es nicht ändern und das kannst du auch nicht."

„Ich weiß", antwortete ich leise. Anschließend sagte ich das, was mir als erstes in den Sinn kam.

„Ich habe Kathy im Krankenhaus besucht und sie hat mir ihre Freundschaft angeboten, nachdem ich ihr alles erzählt habe."

„Du hast ihr wirklich alles erzählt?" Irgendwie wirkte Carrie leicht schockiert. Sie hatte wohl nicht damit gerechnet, dass ich den Mut besaß, zu meinen Taten zu stehen.

„Ja, aber du brauchst dir keine Gedanken zu machen, denn sie weiß nicht, wer mir geholfen hat", erklärte ich nun.

„Bel, du bist wirklich mutig", antwortete sie nun.

„Vielleicht bin ich das aber Niall ist jetzt total sauer auf mich", platzte es aus mir heraus.

„Habt ihr euch gestritten?"

„Nein, aber ich wünschte, wir hätten es. Er ist einfach abgehauen, ohne einen Ton zu sagen und kein Mensch weiß, wo er ist."

Meine Stimme zitterte noch immer, als ich Niall erwähnte.

„Hast du mal mit den anderen Jungs gesprochen? Vielleicht wissen die ja, wo er ist."

„Ich habe mit Liam telefoniert, der mich dann später auch ins Krankenhaus gefahren hat. Keiner weiß, wo Niall sich gerade aufhält."

Trübsinnig blickte ich auf die Straße, welche ich nun überqueren musste. Große Pfützen standen noch immer auf dem Boden, doch es interessierte mich nicht. Dann bekam ich eben nasse Füße, darauf kam es jetzt auch nicht mehr an.

„Was hältst du davon, wenn wir uns treffen und einen Kaffee trinken gehen?", vernahm ich Carries Stimme.

Nach kurzem Überlegen stimmte ich zu. Vielleicht war es gar nicht so schlecht, sich mit ihr zu treffen. Dann hatte ich wenigstens jemanden zum Reden, der mich verstand. Nachdem wir einen Treffpunkt ausgemacht hatten, beendeten wir das Gespräch. Ich lief noch ein kurzes Stück weiter, dann entschloss ich mich dazu, in die U-Bahn einzusteigen. Damit war ich auf jeden Fall schneller unterwegs, außerdem konnte ich mich ein bisschen aufwärmen, denn ich war bereits mächtig durchgefroren.

Kein Wunder, der Dezember hatte inzwischen Einzug gehalten und brachte Kälte, sowie Wind und Regen mit. Doch in der U-Bahn herrschten durchaus angenehme Temperaturen, außerdem konnte ich mich setzen. Da es Sonntag war, fiel die Rush Hour aus und die Bahnen boten genügend Platz für die Fahrgäste.

Als ich ausstieg, zückte ich sofort wieder mein Handy, um festzustellen, dass noch immer keine Nachricht von Niall eingetroffen war. Also schaute ich auf Twitter nach, was es dort an Neuigkeiten gab. Mir fielen beinahe die Augen aus dem Kopf, als ich den Tweet eines Update Accounts erblickte, welcher den Wortlaut: „Niall Horan spottet at Dublin Airport" las.

Das konnte doch nicht wahr sein! Er war doch nicht wirklich nach Irland geflogen?
Mein Herz hämmerte so stark in der Brust, dass ich glaubte, es würde jede Sekunde herausgesprungen kommen. Niall konnte doch nicht einfach nach Irland fliegen und mich alleine in London zurück lassen! Wieso tat er das?

Verwirrt scrollte ich die Time Line nach unten und stellte fest, dass auch andere Update Accounts darüber berichteten. Somit schien es wohl zu stimmen, was meine Laune keineswegs verbesserte. Was sollte ich denn jetzt tun? Wenn er nach Irland geflogen war, hieß das, dass er so schnell nicht wieder zurückkommen würde. Ich konnte ja wohl schlecht auf der Straße übernachten und somit schied mein Plan, nicht in Nialls Apartment zurückkehren zu wollen, bis er wieder mit mir redete, gescheitert zu sein.

Am Boden zerstört traf ich schließlich in dem kleinen Kaffee ein, in welchem ich mit Carrie verabredet war. Sie saß bereits an einem Tisch in einer Ecke, wo ich mich nun dazu gesellte. Wir begrüßten uns mit einer Umarmung.

„Meine Güte, Bel, du siehst echt aus wie ein Gespenst", sagte sie erschüttert.

Ich war mit Sicherheit an diesem Tag um einiges blasser als Carrie, die wie üblich keine Schminke trug. Nachdem ich meine Bestellung, einen Milchkaffee, aufgegeben hatte, begann ich zu erzählen, was ich auf Twitter herausgefunden hatte.

„Niall ist doch nicht wirklich nach Irland gereist, oder?!" Fassungslos starrte sie mich an, als ich nickte.

„Aber..., was..., ihr müsst doch miteinander reden..."

„Keine Ahnung, eigentlich sollten wir das tun."

Meine grünen Augen richteten sich nun auf die Tischplatte, auf welche ich gedankenverloren schaute. Wieso redete er nicht mit mir? Warum konnte er mir nicht einfach sagen, dass er enttäuscht von mir war und mich vielleicht sogar anschreien? Alles war besser, als dieses Schweigen und weglaufen, wie er es gerade tat.

Schließlich nippte ich an meinem Milchkaffee, den der Kellner soeben serviert hatte, bevor ich mein Gespräch mit Carrie fortsetzte.

„Ich bin dir nicht böse, ok? Du konntest nichts dafür, dass sie allergisch gegen dieses Mittel ist. Das wollte ich dich nur wissen lassen", meinte ich leise.

Carrie legte eine Hand auf meinen Arm.

„Ich weiß, Bel. Es ist einfach alles schief gelaufen an diesem Abend. Ich wünschte, ich könnte dir wegen Niall helfen."

„Das kann leider niemand".

Niemand, außer Niall selbst, konnte diese Situation, in welcher ich mich befand, ändern.

„Wenn du mal jemanden zum Reden brauchst oder nicht weißt, wo du hin sollst, kannst du jederzeit zu mir kommen. Du kannst auch über Nacht bleiben", bot Carrie mir an.

„Danke, das ist lieb von dir aber davon möchte ich vorerst keinen Gebrauch machen", erwiderte ich lächelnd. Trotzdem fand ich es nett von Carrie, dass sie mir dieses Angebot machte.

Nachdem wir bezahlt hatten, erhoben wir uns von den Plätzen, verließen das Kaffee und verabschiedeten uns auf der Straße voneinander.

„Mach's gut, Bel. Kopf hoch, das wird schon wieder", sagte Carrie aufmunternd.

Anstatt nach Hause zu fahren, suchte ich nun eines der zahlreichen Geschäfte auf, welche auf der Oxford Street zu finden waren, um eine Schachtel Pralinen für Kathy zu kaufen. Ich hatte mir fest vorgenommen, ihr diese noch heute ins Krankenhaus zu bringen. Dies diente nicht dazu, mein Gewissen zu beruhigen, sondern sollte ihr einfach zeigen, dass ich es mit unserer Freundschaft ernst meinte. Meinen beiden Freundinnen in Deutschland hätte ich auch etwas vorbeigebracht, wenn diese im Krankenhaus liegen würden.

Mit schnellen Schritten lief ich nun zur U-Bahn, welche mich fast direkt vor das Hospital brachte, in welchem Kathy noch immer lag. Sie staunt nicht schlecht, als ich plötzlich wieder in ihrem Zimmer auftauchte.

„Hey, Belita, was machst du denn hier?", fragte sie überrascht und lächelte mir zu.

„Sag bitte Bel und nicht Belita zu mir."

„Ok."

„Ich wollte dir noch etwas geben."

Beinahe schüchtern überreichte ich ihr die Pralinenschachtel, welche mit Geschenkpapier umwickelt war. Als Kathy dieses entfernte, begann sie zu strahlen.

„Das sind meine Lieblingspralinen! Woher hast du das gewusst?"

„Ich hab's nicht gewusst, ich habe einfach das gekauft, was mir auch schmeckt", erwiderte ich mit einem freudigen Lächeln.

Sofort machte Kathy sich über die Pralinen her und bot mir sogar welche an, was ich aber dankend ablehnte. Es war ihr Geschenk, sie sollte alles alleine essen.

„Ich bin so froh, dass wir uns ausgesprochen haben", sagte sie.

„Ich auch."

Kathys blaue Augen schauten zu mir, als sie mich aufforderte, mich auf das Bett zu setzen. Nachdem ich ihrem Wunsch nachgekommen war, griff sie nach ihrem Handy, welches auf dem Nachttisch neben dem Bett lag.

„Ich möchte dir gerne etwas zeigen", begann sie und hielt mir kurze Zeit später das Handy unter die Nase. Als ich auf das Foto blickte, welches darauf zu sehen war, überzog sich mein Körper mit einer leichten Gänsehaut. Es musste ein Bild ihres Bruders sein, der Niall wirklich ähnlich sah, oder besser gesagt, ähnlich gesehen hatte.

„Ist das...?"

„Mein Bruder, ja."

Er besaß blaue Augen und blonde Haare, nur mit dem Unterschied, dass diese naturblond waren aber das tat nichts zur Sache. Ich spürte, wie meine Kehle sich zuschnürte, doch ich musste diese Frage stellen.

„Wie ist der gestorben?"

„Durch einen Autounfall", erwiderte Kathy leise. „Matt war erst zwanzig. Er ist im gleichen Jahr wie Niall geboren."

„Das tut mir wahnsinnig leid."

In meinen Augen standen plötzlich Tränen, weil es mir wehtat, dass ein so junger Mensch ohne ersichtlichen Grund sterben musste. Doch bevor ich weiter darüber nachdenken konnte, drang Kathys besorgte Stimme in mein Ohr.

„Stimmt es, dass Niall nach Irland geflogen ist? Ich habe das auf Twitter gelesen."

Resigniert zuckte ich mit den Schultern. „Ich weiß es nicht, denn er hat sich immer noch nicht bei mir gemeldet."

Nun legte Kathy beruhigend einen Arm um meine Schultern.

„Ach, Bel, ich wünschte wirklich, ich könnte dir helfen", brachte sie leise hervor.

Ich wusste nicht, was ich darauf antworten sollte, denn ich schämte mich noch immer für das, was ich ihr angetan hatte. Sie war so ein liebenswerter Mensch und wenn ihr verstorbener Bruder den gleichen Charakter gehabt hatte, dann war dieser Niall wirklich ähnlich.

„Weißt du", sagte ich nun, „ich liebe Niall über alles. Er hat mich gelehrt, dass Berührungen nicht wehtun."

„Wie meinst du das denn?"

Kathys himmelblaue Augen schauten fragend zu mir und so begann ich die Geschichte zu erzählen, wie ich Niall kennen- und später lieben gelernt hatte. Es gab nicht viele Menschen, denen ich das alles anvertraut hätte aber etwas in meinem Innersten sagte mir, dass ich dies bei Kathy tun konnte. Und ich wollte sie unbedingt wissen lassen, was Niall und mich verband.

Sie unterbrach mich kein einziges Mal und als ich mit meiner Geschichte fertig war, sagte sie total beeindruckt: „Das ist wahnsinnig schön! Es hört sich an wie ein Märchen! Du bist nach Irland gereist, obwohl du eigentlich gar nicht hin wolltest und du hast einen Jungen getroffen, den du zuerst gehasst und später geliebt hast! Was ihr beide habt, ist ein Geschenk, das nicht jeder bekommt und ich glaube nicht, dass Niall das so einfach wegwerfen wird."

„Ich hoffe, du behältst Recht". Meine Stimme war nur ein leises Wispern, doch Kathy verstand mich genau.

„Gib nicht auf, er wird bestimmt bald zurückkommen", versuchte sie mich aufzumuntern.

„Vielleicht ist er ja auch gar nicht in Irland und die Update Accounts haben sich geirrt. Das wäre schließlich nicht das erste Mal, dass sie Müll von sich geben."

Das war wirklich meine einzige Hoffnung.

Als ich in Richtung U-Bahn lief, wusste ich bereits, dass ich zu Nialls Apartment fahren würde. Wo sollte ich auch sonst hin? Die Fahrt dorthin kam mir allerdings länger vor, als sonst. Vielleicht lag das auch daran, dass ich genau wusste, dass mich niemand dort erwartete.

Eine leere Wohnung vorzufinden, war nicht gerade das, wovon ich träumte. Einsam in einem Bett zu liegen ebenfalls nicht, denn diese Erfahrung hatte ich acht lange Monate machen müssen. Waren diese etwa umsonst gewesen? Die Angst, dass Niall unsere Beziehung beenden könnte, breitete sich plötzlich in meinem Herzen aus.

Irgendwann hatte ich es dann doch geschafft. Ich schloss die Eingangstür zum Apartment auf, in welchem vollkommene Stille herrschte. Langsam zog ich meine Schuhe aus und hängte die Jacke an der Garderobe auf. Obwohl es warm im Apartment war, spürte ich eine innere Kälte in mir aufsteigen.

Fröstelnd lief ich in die Küche, um Tee zu kochen, natürlich meine Lieblingssorte: Lemon and Ginger von Twinings. Und plötzlich musste ich an Irland denken, wo alles zwischen Niall und mir begonnen hatte. Bei einer Tasse Tee hatten wir uns zum ersten Mal richtig unterhalten, ohne uns anzugiften. Vielleicht sollten wir dies einfach wieder tun. Nicht, dass eine Tasse Tee Probleme löste, doch sie konnte dazu beitragen, alles ein wenig ruhiger angehen zu lassen. Ich war ein Hitzkopf und Nialls Sturheit konnte nicht überboten werden. Doch bisher war es uns immer gelungen, alle auftretenden Probleme zu meistern. Warum ging das plötzlich nicht mehr?

Um mich ein wenig abzulenken schaltete ich den Fernseher ein, doch das Programm konnte man getrost vergessen. Es war langweilig und trug nicht dazu bei, mich in irgendeiner Art und Weise von den Problemen abzulenken, welche sich meiner Seele bemächtigten.

Als mein Handy sich meldete, warf ich einen schnellen Blick darauf. Anruf von Liam Payne zeigte dieses an. Vielleicht hatte er Neuigkeiten wegen Niall.

„Hallo Liam."

„Hallo Bel. Bevor du fragst, wir haben alle die Einträge auf Twitter gelesen aber keiner von uns weiß, ob Niall sich wirklich in Irland aufhält. Jeder von uns hat versucht, ihn mehrmals anzurufen aber es meldet sich immer nur die Mailbox."

Es war niederschmetternd so etwas zu hören. Selbst mit seinen besten Freunden wollte er nicht reden, langsam begann ich mir wirklich Sorgen zu machen.

„Hab ihr mal versucht, Basil zu kontaktieren?", fragte ich nach.

„Na klar aber er weiß auch nichts, im Gegenteil. Er ist aus allen Wolken gefallen, als ich das mit Irland erwähnte und meinte, Niall sei wohl verrückt geworden, ohne Bodyguard zu verreisen."

Das konnte in der Tat gefährlich für ihn werden.

„Was machen wir denn jetzt?", fragte ich fast schon verzweifelt.

„Bel, hör zu, ich werde die andern kurz anrufen und dann kommen wir mal bei dir vorbei, ok?"

„Etwas Gesellschaft kann nicht schaden", erwiderte ich nun.

Eine halbe Stunde später saßen wir alle im Wohnzimmer auf dem Sofa. Louis, Harry, Liam, Zayn und ich. Ich fand es total lieb von den Jungs, dass sie sich so um mich kümmerten, obwohl alle wussten, was geschehen war. Doch keiner von ihnen machte mir einen Vorwurf oder behandelte mich anders als sonst.

Liam nahm mich in den Arm, Zayn reichte mir ein Taschentuch, als ich wieder zu weinen anfing, Harry fütterte mich mit Schokolade und Louis erzählte einen Witz, den ich mir zwar nicht merken würde, der mich jedoch in jenem Moment zum Lachen brachte.

„Niall wird schon irgendwann wieder auftauchen", meinte Louis schließlich. „Mach dich nicht so verrückt, du weißt doch, wie er ist. Er muss wahrscheinlich erst Mal gründlich nachdenken."

„Deswegen könnte er sich trotzdem bei mir melden! Eine kurze Nachricht würde schon genügen", seufzte ich laut.

„Das wird er bestimmt noch", versuchte Liam mich aufzumuntern.

Da es auf den Abend zuging, verspürten alle irgendwie Hunger, selbst bei mir kam dieser nun durch. Also einigten wir uns darauf, den Pizzaservice anzurufen, der bereits fünfunddreißig Minuten später die gewünschten Bestellungen ablieferte. Obwohl ich protestierte, bezahlte Harry meine Pizza, mit ihm war einfach nicht zu verhandeln.

Nachdem wir alles aufgegessen hatten, fragten die Jungs, ob sie noch irgendetwas für mich tun könnten. Als ich dies verneinte, lösten wir unsere Runde auf. Einer nach dem anderen verabschiedete sich mit einer herzlichen Umarmung von mir und Liam flüsterte mir ins Ohr: „Wenn du nicht schlafen kannst, dann ruf einfach an."

Als die Tür hinter ihm ins Schloss fiel, atmete ich zunächst einmal tief durch. Was sollte ich jetzt tun? Mich ins Bett legen und grübeln? Das würde keineswegs dazu beitragen, dass es mir besser ging. Außerdem wusste ich, dass ich sowieso nicht einschlafen konnte. Ohne Niall wirkte alles so leer und still. Es war so, als ob ein Teil meiner Seele abhandengekommen sei.

In meinem Kopf formte sich plötzlich eine Idee, ich wollte einfach nur raus, um nachzudenken. So zog ich meine Stiefel und eine dicke Jacke an, band mir einen Schal um den Hals und verließ das Apartment, obwohl es draußen bereits stockdunkel war und auf elf Uhr zuging. Doch in London konnte man um diese Uhrzeit bedenkenlos durch die Straßen laufen, mir würde nichts passieren.

Automatisch lenkte ich meine Schritte in Richtung Themse. Dort wollte ich jene Bank aufsuchen, auf welcher ich gegessen hatte, nachdem Niall und ich vor ziemlich genau einem Jahr unseren Disput bezüglich der Whale Rescue Organisation ausgetragen hatten. Damals warf ich ihm an den Kopf, dass er mich loswerden wollte, was in keiner Art und Weise zutraf. Im Gegenteil, er machte mir bewusst, dass ich mir meinen Traum erfüllen sollte.

Vielleicht half es, wenn ich an diese Stelle zurückkehrte, vielleicht würde ich dann den Fehler im System finden und wissen, was ich tun konnte, um Niall zurück nach London zu holen. Mittlerweile ging ich fest davon aus, dass er nach Irland geflogen war, ansonsten wäre er schon lange wieder aufgetaucht.

Ich ließ mich von meinem Gefühl leiten, als ich die Bank an der Themse suchte, denn im Dunkeln sah bekanntlich alles anders aus. Die Laternen auf dem Bürgersteig wiesen mir den Weg und ich konnte mich daran erinnern, dass direkt neben der Bank auch eine Laterne gestanden hatte.

Als ich mich dem Platz näherte, nach welchem ich gesucht hatte, stellte ich zu meiner Überraschung fest, dass jemand auf dieser Bank saß. Wer kam denn bitte um diese Uhrzeit hierher, um sich die Themse anzuschauen? Langsam ging ich näher und als ich erkannte, wer sich dort befand, begann mein Herz wie wild zu schlagen.

Niall blickte, ganz in Gedanken versunken, auf den großen Fluss. Selbst in der Dunkelheit war das auszumachen, denn das Licht der Laterne reflektierte seinen Gesichtsausdruck. Meine Knie fühlten sich plötzlich an wie Wackelpudding. Ich wollte weitergehen, doch ich schaffte es nicht. Wenn er sich hier niedergelassen hatte, um nachzudenken, dann wollte er auch alleine sein. Ich durfte ihn nicht stören, das machte vielleicht alles kaputt.

Eigenartigerweise sagten meine Gefühle jedoch etwas anderes, als mein Kopf es mir befahl. Ich wollte mich umdrehen und weglaufen, weil die Vernunft es mir vordiktiere, doch es war mein Herz, das mich hier, genau an dieser Stelle gefangen hielt.

Unfähig mich zu bewegen, blieb ich einfach stehen. Ich konnte meinen Blick nicht von Niall abwenden und dann, ganz plötzlich, drehte er seinen Kopf in meine Richtung.

Als unsere Augen sich trafen, hatte ich das Gefühl, innerlich zusammenzubrechen.

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Sorry für den Cliffhanger. Wie mag es jetzt wohl weitergehen? Ihr seid hoffentlich gespannt darauf!

Danke für die lieben Kommentare zum vorherigen Kapitel!

LG, Ambi xxx

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