14. Remorse

Wie in Trance vernahm ich Carries Stimme, sie schien zu telefonieren.

„Wir brauchen dringend einen Arzt im Funky Buddha Club! Hier liegt ein Mädchen, das auf irgendetwas allergisch reagiert hat!"

Woher wusste sie das? Ein schlimmer Verdacht keimte sofort in mir auf. Sie musste Kathy etwas in den Drink gekippt haben, aber was? Carrie kniete nun neben Kathy und richtete ihre Frage an Niall: „Atmet sie?"

Mein Freund nickte nur stumm. Als unsere Augen sich trafen, erkannte ich, dass er völlig neben sich stand. Ein Fan war vor seinen Augen zusammengebrochen, was ihm wohl sehr nahe ging. In jenem Moment fühlte ich mich einfach nur schlecht. Wenn meine Vermutung stimmte und Carrie wirklich etwas damit zu tun hatte, dann wollte ich mich am liebsten in das nächste Mauseloch verkriechen. Ich fühlte mich so schuldig und begann urplötzlich zu weinen.

„Bel!"

Bevor ich es richtig realisierte, bettete Niall Kathys Kopf in Carries Schoß und stand dann sofort auf, um zu mir zu gehen und mich in seine Arme zu nehmen. Das machte alles nur noch schlimmer, denn er sorgte sich um mich, obwohl es meine Schuld war, dass dieses Mädchen kollabiert war. Seine Ahnungslosigkeit brach mir fast das Herz. Schluchzend vergrub ich meinen Kopf in seiner Brust, während er behutsam über meinen Rücken streichelte.

„Bel, der Arzt kommt gleich, mach dich doch nicht so verrückt", vernahm ich sein leises Flüstern.

„Ich..., ich..." Das Reden fiel mir schwer, denn ich wusste nicht, was ich sagen sollte, außer, dass es mir leid tat.

Wir wurden nun zur Seite gedrängt, da der Notarzt im Club eingetroffen war und sich sofort um Kathy kümmerte. Als Carrie sich zu uns gesellte, flüsterte sie mir ins Ohr: „Kann ich kurz mit dir reden?"

Inzwischen hatte Kathy eine Spritze bekommen, was dazu führte, dass sie ihre Augen öffnete und sich aufsetzen konnte. Der Arzt fühlte ihren Puls und kontrollierte ihre Augen mit einer kleinen Taschenlampe. Als ich bemerkte, dass wohl alles in Ordnung zu sein schien, atmete ich kurz durch. Anschließend wandte ich mich an Niall: „Ich muss mal kurz auf die Toilette, ich bin sofort wieder da."

Mit einem leichten Nicken gab er sein Einverständnis und ließ mich gemeinsam mit Carrie verschwinden.

„Was zur Hölle hast du gemacht?", zischte ich leise, während wir uns auf dem Weg zu den Toiletten befanden.

„Bel, wenn ich gewusst hätte, dass sie allergisch auf das Zeug reagiert, hätte ich es ihr nie in den Drink gekippt! Du musst mir das glauben! Bitte!"

„Du hättest sie umbringen können!", sagte ich erschüttert. „Und was war das eigentlich genau, was du ihr ins Glas geschüttet hast?"

Jetzt schluckte Carrie, bevor sie zu einer Antwort ansetzte. „Es ist eigentlich etwas ganz Harmloses. Ein Mittel, das bewirkt, dass du sämtliche Hemmungen verlierst und das Groteske daran ist, dass nur etwa ein Prozent der Bevölkerung gegen einer der Inhaltsstoffe allergisch reagiert. Ich konnte doch nicht wissen, dass das bei ihr der Fall ist! Ehrlich, Bel! Ich hätte das sonst nie getan!"

Ihre Stimme klang fast schon flehend, was mich innerlich zusammenzucken ließ. Was sollte ich denn jetzt tun? Niall alles an Ort und Stelle erzählen? Oder lieber damit warten, bis alle sich ein wenig beruhigt hatten? Nur, ich musste es ihm irgendwann sagen, denn mein Gewissen brachte mich sonst noch um. Bevor ich mir jedoch noch weitere Gedanken darüber machte, stellte ich meine nächste Frage an Carrie.

„Woher weißt du das alles?"

„Ich bin die Tochter eines Zahnarztes, außerdem habe ich selbst zwei Semester Zahnmedizin studiert, vergiss das nicht. Auch Zahnärzte kommen mit Narkotika oder extremen Schmerzmittel in Berührung."

Nachdenklich runzelte ich meine Stirn. „Du hast ihr ein Schmerzmittel in den Drink gekippt?"

„So etwas in der Art."

Vor lauter Aufregung begann ich nun zu zittern, das war einfach alles zu viel für mich. Ich wollte doch nur, dass Kathy aufhörte, diese Bilder von sich und Niall auf Twitter zu posten aber ich wollte ihr keine gesundheitlichen Schäden, oder körperliche Schmerzen zufügen. Es tat mir so unendlich leid und ich fühlte mich einfach nur schrecklich.

Dazu stellte sich jetzt auch noch ein gewisses Maß an Übelkeit ein, welches so schlimm wurde, dass ich mich übergeben musste. Blitzschnell rannte ich zur nächsten freien Tür in der Damentoilette, wo der Inhalt meines Magens seinen Weg nach draußen fand.

„Oh mein Gott, Bel, ist alles in Ordnung mit dir?"

Carrie war sofort zur Stelle, reichte mir ein Taschentuch, damit ich mir den Mund abwischen konnte und streichelte über meine kalte Wange. Tränen liefen aus meinen Augen, als ich antwortete: „Ich weiß nicht, ich möchte nur noch nach Hause."

„Ich bring dich zu Niall, ok?"

Widerspruchlos ließ ich mich von ihr zu meinem Freund führen, der äußerst besorgt dreinschaute, als er mich in dieser Verfassung erblickte.

„Bel, was ist denn los, Süße?" fragte er sofort und legte einen Arm um meine Schulter.

„Ich möchte nach Hause, Niall", wisperte ich leise, was er mit einem Nicken zur Kenntnis nahm.

„Ich sag Liam und Sophia nur schnell Bescheid, dann können wir verschwinden". Mit diesen Worten strich er eine Haarsträhne aus meinem Gesicht.

„Es tut mir leid, Niall", flüsterte ich so leise, dass er es nicht hören konnte.

Er würde noch früh genug erfahren, wer für all das, was sich gerade hier ereignet hatte, verantwortlich war, nämlich ich.

Niall rief sofort ein Taxi, welches bereits draußen wartete, nachdem wir unser Jacken aus der Garderobe geholt und angezogen hatten. Ich zitterte noch immer wie Espenlaub, als ich in das Taxi stieg und Niall nahm mich sofort in seine Arme.

„Du bist ja völlig aufgelöst, Bel", sagte er leise. „Aber mach dir bitte nicht so viele Gedanken um Kathy, sie kommt wieder auf die Beine. Der Notarzt hat sich noch kurz mit Liam und mir unterhalten, als du auf der Toilette warst. Sie hatte eine allergische Reaktion aber dank der Spritze, die er ihr verpasst hat, konnte das Schlimmste verhindert werden."

Stöhnend fasste ich mir an den Kopf, als Niall weiter redete. „Sie haben Kathy ins Krankenhaus transportiert, dort bleibt sie heute Nacht und morgen zur Beobachtung."

Sein Prominentenstatus hatte ihm wohl dabei geholfen, das alles in Erfahrung zu bringen, denn einem normal Sterblichen hätte der Notarzt sicher keine Auskunft gegeben. Obwohl ich versuchte meine Tränen zurückzuhalten, kamen diese immer wieder durch. Es machte es nicht besser, dass Niall versuchte, mich zu trösten, im Gegenteil.

Mein schlechtes Gewissen ließ mir keine ruhige Minute mehr und als wir endlich zuhause angekommen waren, stürzte ich zunächst ins Badezimmer, um mir einen mit kaltem Wasser getränkten Waschlappen auf die Stirn zu legen. Wie hatte es nur so weit kommen können? Was war in mich gefahren? Sie war doch nur ein Fan, der Bilder mit Niall machen wollte! Da würde nie mehr sein! Vertraute ich ihm denn nicht mehr?

All das ging mir durch den Kopf, als ich im Badezimmer stand und in den Spiegel blickte. Ich sah grottenschlecht aus, schlimmer als Carrie, wenn sie ungeschminkt durch die Gegend lief. Wie sollte ich mich ihr gegenüber nun verhalten? Sie hatte mir helfen wollen aber dies in einer Art und Weise getan, die sehr böse hätte enden können. Sicher, sie konnte nicht ahnen, dass Kathy allergisch auf dieses Schmerzmittel reagierte und so war alles aus dem Ruder gelaufen.

Mein Kopf dröhnte vor Schmerzen, ich konnte meine Augen kaum noch offen halten und ging deshalb sehr langsam aus dem Bad. Als Niall, der im Flur stand, mich erblickte, kam er sofort auf mich zu.

„Ich bring dich jetzt ins Bett, mein kleiner Rotschopf. Am besten, du schläfst einige Stunden, dann geht es dir wieder besser."

Seine Fürsorglichkeit rührte mich zu Tränen. Er war der beste Freund, den man sich nur wünschen konnte und hatte keine Ahnung, dass ich die Schuld an allem trug, was mit Kathy geschehen war. Ich musste es ihm sagen und zwar jetzt, denn wenn ich noch länger schwieg, würde mein Gewissen mich umbringen. Inzwischen saß ich auf dem Bett, Niall neben mir.

„Kann ich mit dir reden?", begann ich leise.

„Ja, klar." Er klang ein wenig verwundert.

Ich musste mich schwer zusammenreißen, als ich zu sprechen begann.

„Es ist alles meine Schuld, Niall."

„Was ist deine Schuld?"

„Das, was mit Kathy passiert ist."

Niall schaute mich völlig entgeistert an. „Was meinst du denn damit?", fragte er.

Ein kurzes Durchatmen musste ich mir noch gönnen, bevor ich zu meinem Geständnis ansetzte.

„Carrie hat Kathy etwas in den Drink gekippt, damit sie ihre Hemmungen verliert."

„Bitte was?!"

Er schien es im ersten Moment nicht zu verstehen, deshalb musste ich nun deutlicher werden.
„Wir wollten..., ich wollte etwas tun, damit sie keine Fotos mehr von sich und dir postet und da kam mir die Idee, dass es peinliche Bilder von ihr auf Twitter geben sollte. Carrie hatte sich dazu bereit erklärt, mir zu helfen. Aber ich wusste nicht, wie sie es machen würde. Ich hatte keine Ahnung, dass sie ihr etwas in den Drink kippen würde und erst recht nicht, dass Kathy darauf allergisch reagiert."

Mein Kopf senkte sich nach unten, ich konnte Niall nicht anschauen, so sehr schämte ich mich für mein Verhalten. Die Tonlage seiner Stimme veränderte sich jetzt schlagartig.

„Das ist jetzt nicht wahr, oder? Sag mir, dass das nicht wahr ist!"

„Doch", schniefte ich unter Tränen.

Sie rannen meine Wangen hinab, tropften auf meine nackten Arme und zum ersten Mal, seit ich mit Niall zusammen war und in seiner Gegenwart weinte, tröstet er mich nicht. Stattdessen verließ er seinen Platz neben mir und ging zur Tür, ich konnte es deutlich hören, dass seine Schritte sich entfernten. Ich hörte, wie er seinen Schlüsselbund in die Hand nahm und dann fiel die Eingangstür zu.

Niall war einfach gegangen, ohne ein Wort zu sagen. Schlimmer hätte er mich nicht treffen können, als mich mit dieser Nichtachtung zu strafen. Es wäre mir lieber gewesen, wenn es zu einer verbalen Auseinandersetzung zwischen uns gekommen wär, doch das hier brach mir fast das Herz. Aber ich konnte ihn verstehen, denn das, was ich getan hatte, war mit nichts zu entschuldigen.

Stunde um Stunde verging aber Niall tauchte nicht auf. Ich hatte keine Ahnung, wo er hingegangen war und das machte mir Kummer. Auf meine Textnachricht „Wo bist du?", antwortete er natürlich nicht. Ich hätte in dieser Situation vermutlich das Gleiche getan.

So fand ich keinen Schlaf, wälzte mich unruhig im Bett hin und her, bis ich schließlich aufstand, um mir einen Tee zu kochen. Als ich diesen wenig später in kleinen Schlucken trank, griff ich nach meinem Handy und schaute gewohnheitsmäßig auf Twitter nach, was es neues gab. Die 1D Update Accounts berichteten tatsächlich über den Vorfall im Funky Buddha Club. Doch Gott sein Dank wusste niemand, wie es dazu gekommen war und dass ich hinter all dem steckte. Das wäre wirklich eine vernichtende Publicity für Niall gewesen.

Seine Freundin trug die Schuld daran, dass ein Fan zusammengebrochen war und ins Krankenhaus eingeliefert werden musste.

Ich konnte die Schlagzeile förmlich vor meinen Augen sehen, was mich nur noch mehr hinunter zog. Warum musste das alles passieren? Wieso hatte ich ihm nicht einfach vertraut? Er wollte doch nichts von Kathy, er liebte mich doch. Zumindest hatte er dies bis vor wenigen Stunden getan aber wie es nun in ihm aussah, darüber wollte ich gar nicht nachdenken.

Erneut begann ich zu weinen, vor Scham, vor Schmerz und vor lauter Verzweiflung. Wer konnte mir jetzt noch helfen? Noch immer leise schluchzend, wählte ich instinktiv die Nummer meines besten Freundes, in der Hoffnung, dass er sich melden würde.

Liam war sofort am Telefon. „Bel, wo bist du denn?", fragt er sofort.

„Zuhause, warum?"

Ich hörte, wie er tief durchatmete. „Hör zu, eigentlich sollte ich es dir nicht sagen, aber Niall war hier."

Mein Herz klopft schneller, als ich fragte: „Wann denn?"

„Vor ungefähr drei Stunden und er hat mir alles erzählt."

Eine vereinzelte Tränen fand ihren Weg zu meinen Lippen, als ich wimmernd hervorbrachte: „Es tut mir so leid, Liam! Ich wollte das nicht! Ich weiß..., ich weiß, dass ich das nie wieder gutmachen kann... Niall hasst mich jetzt..."

„Bel, das ist Unsinn! Er hasst dich nicht aber er ist ziemlich enttäuscht von dir."

„Das ist das Gleiche."

„Das ist ein riesen Unterschied!"

Liams eindringliche Worte ließen mich wissen, dass es noch Hoffnung gab aber auch, dass ich etwas tun musste, um Nialls Vertrauen wieder zu gewinnen. Und vor allem musste ich mich bei Kathy entschuldigen.

„Weißt du denn, wo Niall jetzt ist?", fragte ich mit bebender Stimme.

„Tut mir leid, Bel, das weiß ich leider nicht", antwortete Liam mit sanfter Stimme.

Ich konnte hören, dass er sich ein wenig um mich sorgte, vermutlich, weil ich so aufgewühlt klang.

„Denkst du jetzt auch schlecht von mir?", wollte ich wissen.

„Bel, wir sind alle nur Menschen und wir machen Fehler, sowohl du, als auch Niall und mich will ich da auch nicht ausschließen. Ich denke, du hast begriffen, dass es nicht gut war, so etwas zu tun aber du bist kein schlechter Mensch, zumindest nicht in meinen Augen."

Mir fiel ein Stein vom Herzen, als Liam das von sich gab, trotzdem machte ich mir Sorgen um Niall und um unsere Beziehung. In jenem Augenblick wurde mir bewusst, wie sehr ich ihn liebte, dass er nach wie vor alles für mich bedeutete. Aber ich konnte nicht ändern, was geschehen war, ich konnte nur daraus lernen.

„Liam?"

„Ja?"

„Kannst du mir einen Gefallen tun?"

„Kommt darauf an, welchen."

„Weißt du, in welchem Krankenhaus Kathy liegt?"

Mit klopfendem Herzen wartete ich auf seine Antwort, die prompt erfolgte.

„Ja, das weiß ich. Warum möchtest du das wissen? Willst du sie besuchen?"

Er schien genau zu wissen, was in mir vorging, Liam war einfach ein toller bester Freund.

„Ja, ich möchte mich bei ihr entschuldigen."

„Bel, das finde ich großartig von dir, wirklich. Und wenn du möchtest, hole ich dich ab und fahre dich schnell hin. Ich kann allerdings nicht mit hinein kommen, weil ich noch etwas Dringendes zu erledigen habe."

„Das macht nichts, Liam und ja, ich würde mich freuen, wenn du mich hinfährst."

Ich fühle mich ein kleines bisschen erleichtert aber nur minimal. Zumindest würde ich nun die Chance bekommen, mich bei Kathy zu entschuldigen. Es war mir sehr wichtig, das zu tun.

Nachdem ich das Gespräch mit Liam beendet hatte, sprang ich schnell unter die Dusche, zog mich anschließend an und föhnte meine Haare trocken. Inzwischen war es hell draußen aber von Niall fehlte jede Spur. Nach wie vor antwortete er nicht auf meine Nachrichten und als ich versuchte, ihn anzurufen, vernahm ich nur die Stimme auf der Mailbox.

Frustriert steckte ich das Handy weg und wartete nun auf Liam, der sicher gleich eintreffen würde. Keine zwei Minuten später klingelte es auch schon an der Tür. Einigermaßen erleichtert öffnete ich diese und fiel Liam um den Hals, wobei schon wieder Tränen in meinen Augen standen. Er streichelte mir beruhigend übers Haar.

„Es ist alles gut, Bel. Niall wird schon irgendwann auftauchen, da bin ich mir sicher. Ich fahre dich jetzt schnell ins Krankenhaus, ok?"

Mit einem kleinen Seufzer ließ ich ihn los und folgte ihm umgehend zu seinem Wagen, welcher direkt vor dem Haus parkte. Die Fahrt in Richtung Krankenhaus verlief mehr oder weniger schweigend, denn ich ging meinen Gedanken nach. Feinfühlig wie Liam nun einmal war, spürte er das und ließ mich somit in Ruhe nachdenken. Als er seinen Wagen auf dem Parkplatz des Krankenhauses abstellte, seufzte ich tief.

„Also Bel, ich wünsche dir viel Glück, Kopf hoch, das wird schon."

Liam gab mir einen Kuss auf die Wange, den ich nun erwiderte.

„Ich rufe dich nachher an und erzähle dir, wie es gelaufen ist, ok?", sagte ich, bevor ich den Wagen verließ.

„Tu das und ich sag dir Bescheid, wenn ich was von Niall hören sollte."

Er war so liebenswürdig, wie die restlichen vier Jungs auch. Was würden die anderen jetzt von mir denken? Niall erzählte es ihnen bestimmt, vielleicht war er gerade bei einem von ihnen zuhause. Mit gesenktem Kopf lief ich auf das große Gebäude zu, in welchem Kathy Walker in einem der vielen Krankenzimmer lag.

Nachdem ich mich an der Pforte erkundigt hatte, auf welcher Station und in welchem Zimmer sie sich befand, setzte sich meinen Weg fort. Vielleicht hätte ich ihr Blumen mitbringen sollen, vielleicht würde sie mich auch hinauswerfen, wenn ich ihr die Wahrheit erzählte. In jenem Moment war mir das aber egal, denn ich war noch nie feige gewesen, wenn es um solche Dinge ging.

Trotzdem musste ich all meinen Mut zusammennehmen, als ich endlich im fünften Stock vor der Tür des Zimmers mit der Nummer 102 stand. Vorsichtig klopfte ich an und als ein leises „Herein" ertönte, öffnete ich diese zaghaft. Kathy schaute leicht verwundert drein, als ich das Zimmer betrat. Langsam ging ich auf das Bett zu, in welchem sie lag. Ihre himmelblauen Augen blickten ein wenig ungläubig drein und plötzlich sagte sie: „Du bist Nialls Freundin, Belita Kreutzer, nicht wahr?"

Ich nickte beklommen. Wir hatten uns nur ein einziges Mal gesehen aber sie erkannte mich sofort wieder. Kein Wunder, ich war damals nicht gerade freundlich zu ihr gewesen.

„Setz dich doch".

Kathy zeigte auf ihr Bett und lächelte mich an, woraufhin ich mich noch schlechter fühlte. Sie schien ein Mensch mit positiver Lebenseinstellung zu sein. Erst gestern war sie ins Krankenhaus eingeliefert worden und nun saß sie hier und begrüßte mich, als ob nichts geschehen sei.

Vorsichtig setzte ich mich nun auf das Bett und überlegte gleichzeitig, wie ich beginnen sollte, ihr all das zu erklären. Doch dann fasste ich mir schließlich ein Herz und sagte: „Kathy, es tut mir leid, was gestern passiert ist. Jemand hat dir etwas in den Drink gekippt, damit du deine Hemmungen verlierst."

„Was?" Sie blickte total verstört drein. „Woher weißt du das?"

Auf diese Frage hatte ich gewartet, jetzt war es an der Zeit, Farbe zu bekennen. Mit klopfendem Herzen erwiderte ich nun: „Weil..., weil ich eifersüchtig auf dich war. Ich wollte einfach, dass du keine Fotos mehr mit Niall und dir auf Twitter hochlädst. Ich wollte, dass man peinliche Bilder von dir im Internet sehen kann, damit du das unterlässt. Und ich habe jemanden gebeten, mir dabei zu helfen, oder besser gesagt, diese Person hat es mir angeboten. Aber ich wusste nicht, dass sie vorhatte, dir etwas in den Drink zu schütten."

Meine Stimme bebte gewaltig, als ich den nächsten Satz aussprach: „Kathy, es tut mir so leid, was passiert ist und ich möchte mich in aller Form dafür entschuldigen. Es war falsch, so etwas zu tun."

Tränen glitzerten nun in meinen grünen Augen und dann vernahm ich ihre sanfte Stimme.

„Belita, es tut mir auch so leid, dass ich es mit den Bildern übertrieben habe. Aber Niall ist mein großes Idol, ich liebe seine Stimme über alles und er erinnert mich an meinen großen Bruder, der letztes Jahr ums Leben gekommen ist."

Es war wie ein Schlag ins Gesicht für mich, das zu hören. Dieses Mädchen vergötterte den Jungen, den ich liebte, weil er sie an ihren toten Bruder erinnerte. Sie war kein durchgeknallter Fan, sondern einfach ein Mensch, der einen anderen Menschen, der ihr nahe gestanden hatte, so sehr vermisste, dass sie diesen in Niall suchte.

Vermutlich sah er ihrem Bruder sehr ähnlich. Auch ich liebte meine beiden Brüder über alles und ich wusste nicht, wie ich reagiert hätte, wenn Fernando oder Günther etwas zugestoßen wäre und mir jemand über den Weg gelaufen wäre, der ihnen ähnlich sehen würde.

Schluchzend saß ich nun auf der Bettkante, ich war nicht mehr fähig zu reden, weil mich das alles so sehr mitnahm. Ich war enttäuscht von mir, weil ich sie einfach so in eine Schublade gesteckt hatte und ihr nicht die Chance gegeben hatte, mir zu erklären, was Sache war. Eigentlich hätte ich nur vernünftig mit ihr reden müssen, um diese Geschichte zu erfahren und um letztendlich zu verstehen, warum sie so an Niall hing.

„Belita, du konntest das doch nicht wissen, bitte hör auf zu weinen", hörte ich Kathy sagen.

„Aber ich bin dran Schuld, dass du jetzt im Krankenhaus liegst", brachte ich mühsam hervor.

Ich spürte, wie Kathy plötzlich ihre Hand auf meine legte. „Wenn du es gewusst hättest, dann hättest du anders gehandelt, davon bin ich überzeugt", erwiderte sie ruhig. „Vielleicht hätte ich dir einfach alles erzählen sollen, als wir uns vor einigen Wochen im Funky Buddha Club über den Weg gelaufen sind."

Kathy erinnerte sich also daran, wie ich sie damals angefahren hatte, auch das kam mir nun so unnötig vor. Was war ich eigentlich für ein Mensch, der andere so schnell verurteilte? Zitternd begann ich in meiner Handtasche zu wühlen, um eine Packung Taschentücher hervor zu ziehen. Geräuschvoll putzte ich meine Nase, nachdem ich meine Tränen ein wenig getrocknet hatte.

„Weißt du, Kathy", begann ich nun, „ich habe auch zwei große Brüder, an denen ich wahnsinnig hänge. Ich kann verstehen, wie du dich fühlst, wenn du jemanden siehst, der dich an deinen Bruder erinnert."

Mit diesem Satz wollte ich ihr signalisieren, dass es keine Feindschaft mehr zwischen uns geben würde. Kathy schien mich viel besser zu verstehen, als ich angenommen hatte, denn sie griff nochmals nach meiner Hand und meinte: „Lass uns Freunde sein, Belita."

Als meine Augen zu ihr wanderten, erkannte ich, welch ein großartiger Mensch hier vor mir saß. Dieses Mädchen bot mir ihre Freundschaft an, obwohl sie wusste, dass ich die Schuld daran trug, dass sie gestern in einem Club kollabiert war und ins Krankenhaus eingeliefert werden musste.

Im ersten Moment konnte ich nicht antworten, weil sich ein riesiger Kloß in meinem Hals gebildet hatte, doch dann, nach einer gefühlten Ewigkeit, fand ich meine Stimme wieder.

„Ich würde gerne mit dir befreundet sein, Kathy."

Es war wundervoll, ihr Lächeln zu sehen, welches sich nun auf ihrem Gesicht ausbreitete. Ich hätte gerne mit ihr gelacht, doch der Gedanke an Niall ließ dies nicht zu. Er war nun furchtbar enttäuscht von mir, was ich ihm jedoch nicht verübeln konnte.

„Weiß Niall von deinem Bruder?", erkundigte ich mich vorsichtig.

Daraufhin schüttelte Kathy ihren Kopf. Eigentlich hätte mir das klar sein müssen, denn Niall hätte mir das nicht verschwiegen, dessen war ich mir sicher.

„Ruf ihn doch an, dann kann er herkommen. Er wird sich bestimmt freuen, wenn er sieht, dass wir Freundschaft geschlossen haben."

Ich seufzte leicht, bevor ich antwortete. „Niall war die ganze Nacht nicht zuhause. Ich habe ihm gestern alles erzählt und jetzt ist er total sauer auf mich. Er meldet sich nicht, wenn ich versuche ihn anzurufen und er reagiert auch nicht auf meine Textnachrichten."

„Oh." Kathy blickte trübsinnig drein. „Das tut mir sehr leid. Ich wollte nicht, dass ihr beide meinetwegen Stress bekommt."

„Wie gesagt, es ist nicht deine Schuld, sondern meine", murmelte ich resigniert.

Es wurde Zeit für mich zu gehen und so erhob ich mich, um mich zu verabschieden.

„Ich muss jetzt gehen, Kathy aber vorher tauschen wir unsere Handynummern aus."

Nachdem wir das getan hatten, winkte ich ihr noch zu, bevor ich das Zimmer endgültig verließ. Mit schnellen Schritten lief ich in Richtung Aufzug und zückte währenddessen mein Handy, um nachzuschauen, ob Niall vielleicht doch auf eine meiner zahlreichen Nachrichten reagiert hatte.

Enttäuscht stellte ich fest, dass dies nicht der Fall war und stolperte blindlings in den Aufzug, dessen Türen sich gerade öffneten. Als ich im Erdgeschoss angekommen war und den Ausgang des Krankenhauses erreicht hatte, wusste ich nicht, wohin ich nun gehen sollte. Nur eines war sicher: Etwas in meinem Innersten sträubte sich dagegen, zu Nialls Apartment zurückkehren, solange er sich nicht bei mir meldete. Wenn er mir nicht verzeihen würde, gehörte ich nicht mehr dorthin.

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Wie denkt ihr nun über Kathy? Und wie glaubt ihr, wird es zwischen Bel und Niall weitergehen?

Ich bin wirklich gespannt auf eure Kommentare!

LG, Ambi xxx

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