Kapitel 4
• Dennis •
Da es Mitte Mai ist, ist es immer noch sehr hell in Oslo, weshalb ich ohne Probleme durch die noch helle Stadt spazieren kann.
Schnellen Schrittes begebe ich mich von dem Haus weg, ins Zentrum der Stadt.
Vielleicht war das Abhauen nicht die richtige Methode, aber in dem Moment sind bei mir einfach die Sicherungen durchgebrannt.
Aber wieso?
Heute Morgen konnte ich Jack nicht leiden und jetzt verteidige ich ihn?
Realistisch gesehen habe ich ja auch recht. An beiden Kollisionen war ich Schuld und da soll sie Jack das nicht in die Schuhe schieben, nur, weil ichbuhr Freund bin.
Generell, sie hat keinen Grund über Jack negativ zu reden.
Eigentlich ist er doch ein ganz lieber und netter Zeitgenosse.
Das klang Samstag noch ganz anders Dennis..
Klar, war da bis jetzt immer eine Distanz zwischen uns, gerade auf wegen des Meisterschaftskampfes in der Formel 3 vor zwei Jahren, aber so gesehen, ist Jack doch ganz in Ordnung.
Jack...
Bei dem Gedanken schleicht sich ein leichtes Lächeln auf meine Lippen, was ich sofort wieder herunterwische.
Wieso lächle ich bei Jack mehr, als ich es bei Jessica mache?
Generell war es gerade so anders als die ganzen Male davor.
Klar, ist mein Gewissen immer noch da, aber sonst freue ich mich wirklich auch am meisten auf sie.
Dieses Mal war ich einfach nur froh, irgendwo zu liegen und meine Augen schließen zu können.
Auch das mache ich sonst nie.
Egal wie müde ich bin, im Auto haben wir uns bis jetzt immer über das Rennwochenende unterhalten, jedoch wollte ich es dieses Mal nicht,denn die Ruhe war mir dann doch um einiges lieber.
Ohne Plan und Ziel laufe ich wahllos durch irgendwelche Gassen und Schleichwege, welche mich in eine kleine, verwinkelte Straße voller Cafés führt.
Jetzt noch einen Kakao, das wäre doch was.
Muss ja keiner erfahren.
Also steuere ich eins der Cafés an und lasse mich draußen auf der schmalen Veranda an einem Tisch für zwei nieder.
Zehn Minuten später habe ich dann auch schon meinen Kakao vor mir stehen.
Dankend bezahle ich diesen auch schon, damit ich das auch schon hinter mir habe und widme mich dann meiner Umgebung.
Obwohl es schon relativ spät ist, sind noch sehr viele Leute draußen.
Andererseits ist es noch angenehm warm für norwegische Verhältnisse und die Sonne wärmt zusätzlich auch noch.
Kurz gesagt, lässt es sich auf jeden Fall gut aushalten.
Der Kakao schmeckt nach einem kurzen Probeschluck grandios.
Nicht zu süß, nicht zu wässerig, genau perfekt.
Gedankenverloren drehe ich meinen Löffel in diesem hin und her.
Von rechts nach links und wieder zurück, beobachte währenddessen die Leute, die in der Gasse umher Wandern.
Es sind zum Großteil Pärchen, die fröhlich lachend und Händchen haltend ihren Abend genießen.
Vielleicht hätte ich doch nicht einfach abhauen sollen und Jessica und ich hätten uns auch einen schönen Abend gemacht?
Seufzend betrachte ich alle Leute die vorbeiziehen, bis meine Augen bei einem besonders fröhlich aussehenden Pärchen hängen bleiben.
Zwei junge Männer halten sich an den Händen und scheinen sich einen Witz nach dem anderen zu erzählen,
Sofort lächle ich auch auf und verliere mich in der Szenerie.
Sowas wäre doch wirklich...
Nein Dennis.
Du hast eine Freundin und außerdem stehst du nicht auf Männer.
Tue ich das wirklich nicht?
Schnell wende ich meinen Blick von dem Pärchen zurück auf meinen Kakao, welcher mittlerweile schon keine Sahne mehr auf sich hat, da ich diese komplett weggerührt habe.
Stattdessen sticht mir nun die typische schokobraune Masse in die Augen.
Fast der gleiche Farbton, wie Jacks Haare, welche immer so weich aussehen und...
Seufzend lege ich meinen Löffel wieder neben die Tasse und nehme einen Schluck.
Das ist doch wirklich zum Verrücktwerden!
Hat diese eine, kurze Session wirklich so viel verändert?
„Die eine kurze, heiße Session" ,erinnert mich eine Stimme in meinem Kopf.
Na danke sehr.
Eigentlich habe ich auch keinen Berechtigung das zu denken, denn meine Aktion ist wirklich scheiße gewesen...sowas kann weh tun und ich muss mich mindestens dafür entschuldigen...
In Gedanken versunken verbringe ich noch eine Stunde damit, meinen Kakao zu trinken.
Immer wieder schiebe ich meine Gedanken hin und her, doch nichts macht so wirklich Sinn und passt zusammen.
Als schließlich auch der letzte Rest aus der Tasse verschwunden ist und auch die Straßenlaternen schon angefangen haben zu leuchten, beschließe ich, dass es Zeit wird, nach Hause zu gehen.
Es wird zwar keine lustige Angelegenheit, aber ich kann auch nicht ewig weglaufen.
Also stehe ich auf und mache mich auf den Rückweg und je näher ich der Wohnung komme, desto stärker wird das Pochen in meiner Brust.
Etwas ist passiert, das spüre ich klar und deutlich.
Mit zitternden Händen öffne ich zuerst die Tür des Hauses und dann die Wohnungstür
„ach, auch mal mal wieder da?"
So passiv aggressiv hat Jessica noch nie mit mir gesprochen.
Schluckend hebe ich meinen Blick, den ich zuvor auf meine Schuhe geklebt habe und schaue in zornig funkelnde braune Augen.
Zusammenzuckend tue ich jedoch erst, als ich sehe, was sie in ihrer linken Hand hält.
Es ist das Alpine-Shirt.
Jacks Alpine-Shirt.
Schnell beiße ich mir auf die Lippen.
„Was ist das?",hält sie auch das Shirt im nächsten Moment hoch.
„Ein Alpine-Shirt?", hebe ich abwehrend meine Hände.
An der Aussage ist ja nichts falsch.
„Ach und du hast so über das Rennwochenende mal schnell die Academy gewechselt oder wie sieht's aus?",schiebt sie angesäuert hinterher.
„Nein, ich...es war auf einmal da",rücke ich mit der halben Wahrheit heraus.
„Auf einmal da? Du kannst dich also nicht daran erinnern, wie es in deinen Besitz gekommen ist?",werden ihre Augen immer schmaler.
„Nein, aber dafür ergingt es bestimmt eine ganz einfach Erklärung",versuche ich Jessica ein wenig zu beruhigen.
„Oh ja, die gibt es.",hält sie mein Handy hoch und stellt es an. Scheiße. Ich habe gar nicht realisiert, dass ich es nicht mitgenommen habe.
Schluckend nehme ich es ihr aus der Hand und sehe, dass ich einen Nachricht habe.
Eine Nachricht von Jack.
Schnell überfliege ich sie.
„Dennis. Ich weiß, das kommt jetzt ein wenig komisch. Gerade nach Samstag, aber hat's du zufällig mein Shirt? Ich bin heute morgen aufgewacht und hatte ein RedBull-Shirt an und nicht mehr mein Alpine-Shirt. Da Hauger hinter drauf stand, wusste ich schnell, dass ich deins habe, konnte dich aber nicht mehr finden. Also ich denke mal, dass du mein Shirt haben musst. Wäre nett, wenn du dich melden würdest. Jack."
„Ähm, wir waren aus und ab dann habe ich eine große Erinnerungslücke",bin ich weiterhin ehrlich.
„Eine ziemlich große anscheinend...",murmelt sie leise, was das Ganze nach bedrohlicher klingen lässt.
Schnell weiche ich einen Schritt nach hinten.
„Kannst du dich an irgendwas erinnern?"
Scharf denke ich nach, jedoch kommt einfach nichts.
Aus diesem Grund Zucke ich einfach nur mit den Schultern, was ich lieber nicht hätte tun sollen.
„Dennis? Was ist das?"
Ich habe gar nicht realisiert, was sie meint, da ist sie schon bei mir und schiebt mein Shirt ein Stück hoch, fährt über eine Stelle.
„Dennis, was ist das ?"
Schnell reiße ich mich von ihr los, renne ins Badezimmer und erkenne dann auch, was sie meint.
Ein Knutschfleck.
Auf meinem Becken.
Ein ziemlich großer sogar.
Einer, der sich nicht mehr als blauer Fleck tarnen lässt.
Ertappt fahre ich drüber und es ist, als würden mir in dem Moment alle Erinnerungen der letzten Nacht wieder einfallen.
Mit weit aufgerissenen Augen betrachte ich mein Spiegelbild.
Warme Hände auf meinem Körper...
Wilde, blaue Augen, welche die meinen regelrecht durchbohren...
Weiche Lippen auf meinem Becken...
Das wahllose Greifen nach einem Shirt.
„Jessica",hauche ich,"Es ist nicht das, wonach es aussieht..."
„Ach nein.",stehen ihr die Tränen in den Augen,"Was ist es denn sonst? Vor Abreise, da hatten wir zwar Sex, aber ich bin mir ziemlich sicher, dass ich dir da keinen Knutschfleck verpasst habe. Sei ehrlich mit mir Dennis Hauger. Hast du mich betrogen?"
Auch mir steigen in diesem Moment die Tränen in die Augen.
Und ich schweige.
Und mein Schwiegen ist ihr wohl Antwort genug.
„Wieso?",laufen ihr jetzt die Tränen Stumm über die Wangen.
„Ich, ich habe niemanden geküsst",stammle ich.
„Ach, als wenn das etwas hilft.",schnaubt sie sauer,"Was hatte sie, was ich nicht habe? War es der italienische Akzent? Die gebräunte Haut?"
Wenn es doch nur eine Frau gewesen wäre...dann wäre alles noch viel einfacher.
„Ich...ich...",will ich anfangen, doch mir fallen einfach keine besseren Worte ein.
„Geh. Es ist aus. Geh einfach. Ich will dich nie wieder sehen."
„aber Jessica",steht mir mien Mund weit offen,"Das, das geht so nicht. Ich liebe dich doch"
Ich will einen Schritt auf sie zumachen, doch sie weicht einen Schritt von mir weg, was mir endgültig das Herz bricht.
Ja, ich habe es verschissen.
„Anscheinend war die Liebe nicht groß genug",murmelt sie, wird dann aber wieder lauter,"Du nimmst jetzt deinen Kram, verschwindest und kommst am besten niemals wieder. Es ist aus Dennis"
Stumme nicke ich.
Es hat hier wirklich keinen Zweck mehr.
Also laufe ich an ihr vorbei, ins Zimmer, wo ich meinen Koffer erneut packe und alles hineinwerfe, was hineinpasst.
Wenn ich abhauen soll, dann werde ich das auch.
Mein Schmuck, meine Klamotten, sogar mein Duschgel, Zahnbürste, meinen Kamm und mein Parfüm finden ihren Weg in den Koffer. Dazu etlicher Kram von RedBull, nicht zuletzt diverse Dosen Energy.
Zuletzt noch meine Schuhe und Jacken.
Jessica stand die ganze Zeit auf ein und derselben Stelle, hat mich beobachtet.
Mit einem versteinerten Gesicht drücke ich ihr ihren Zweitschlüssel in die Hand.
„Na dann.",murmelt sie,"Ich wünsche dir noch ein tolles Leben. Und denke nicht dran, noch einmal einen Fuß über diese Türschwelle zu setzen."
„Es tut mir leid",hauche ich, als ich mich ein letztes Mal zu meiner weinenden nun Ex-Freundin umdrehe und die Tür ein letztes Mal hinter mir schließe.
Meine Füße tragen mich direkt zum Flughafen.
In Norwegen will ich gerade nicht bleiben.
Wie konnte das alles bloß so ausarten?
Auch mir rennen stumme Tränen übers Gesicht, als ich mir einen Flug nach London buche, welcher In zwei Stunden von hier gehen soll.
In Milton Keynes habe ich wenigsten meine Ruhe.
Ich wollte Jessica doch nicht verlieren.
Was habe ich bloß getan?
Mein Schluchzen wird immer lauter, als ich mich auf die Wartestühle setze.
Gott sei dank ist um diese späte Uhrzeit fast keiner mehr im Flughafen, sodass ich erstes nicht erkannt und zweites nicht gestört werde.
Ich habe es mir aber auch selber versaut.
Ich habe angefangen, zumindest am Samstag.
Sonntag weiß ich es nicht wirklich.
Na toll, was bin ich bloß für ein schrecklicher Mensch?
Die Zeit, die ich im Flughafen sitze, verbringe ich weitestgehend damit, nur zu weinen und mich über mich selber zu ärgern.
Erst, als mein Flug aufgerufen wird, rapple ich mich kurz auf, nur um im Flugzeug erneut in unruhige Träume rund um Jack und mich zu Fallen.
Es ist doch alles zum Mäuse melken.
Der Flug dauert nicht allzu lange, weshalb ich um drei Uhr morgens Ortszeit auch in London lande.
Von dort aus nehme ich mir ein Taxi nach Milton Keynes, wo ich schließlich komplett fertig in mein Bett falle und den Tränen erneut freien Laufe lasse, bis ich in einen unruhigen Schlaf falle.
• TBC •
Und einen wunderschönen Donnerstag an alle🤍
Ich hoffe, dass es euch gefallen hat und hoffe, dass ihr einen guten Tag haben werdet 🤍
Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top