40|| FREUNDE FÜRS LEBEN

Amanda

Ich bin schon oft glücklich gewesen.
Aber so glücklich, wie jetzt, bin ich lange nicht mehr gewesen.

Das Grinsen auf meinen Lippen, will sich gar nicht kontrollieren lassen und ich muss ihn immer wieder von der Seite mustern, weil ich nicht fassen kann, dass er wirklich wieder hier ist.
Bei mir.

»Woran denkst du, Rosie?«

Er dreht seinen Kopf ein klein wenig in meine Richtung und schielt zu mir, die ihren Kopf auf seiner Schulter abgelehnt hat und seelenruhig von ihm huckepack durch den Abend  Richtung Strand getragen wird.

»An dich und wie glücklich ich bin«, gestehe ich ehrlich und sehe verliebt, wie auch sein zufriedener Ausdruck sich festigt.
»Ich bin auch glücklich«, verrät er und küsst mich auf die Nasenspitze, ehe er sich wieder auf den Weg konzentriert.

Ich schlinge meine Arme ein wenig fester um seinen Oberkörper und kuschle mich an ihn, während ich den Blick durch die Gegend schweifen lasse und seine Nähe, seinen Geruch und seine Liebe genieße und in mich aufnehme, bitter wissend, dass diese Nacht nicht von langer Dauer ist und wir keine Ewigkeit zusammen haben werden.

»Deine Mutter ist total nett«, sage ich irgendwann in die Stille.
»Ich bin in sie hineingelaufen und für ein paar Sekunden hatte ich ein Déjà-vu, weil ich wieder in jemanden hineingelaufen, ihn zu Boden gerissen und dann voller Scham in seine grünen Augen aufgesehen habe. Für einen Moment dachte ich, dass du es gewesen wärst.«

Sein Körper vibriert.
Er lacht.

»Diese schüchterne Seite an dir ist wirklich hartnäckig.
Du musst dich doch nicht für ein Missgeschick schämen. Du hast das doch nicht extra gemacht – damals und heute nicht. Und außerdem ... wenn du mich nicht umgelaufen hättest, dann hätten wir uns vielleicht niemals kennengelernt. Wer weiß, ob ich dich überhaupt gesehen hätte, wenn du einfach nur auf der Bank gesessen hättest, ohne mich zuvor förmlich dazu aufzufordern, dir nachzusehen.«

»Du hast mir nachgesehen?«, frage ich und sehe ihn schief an. Das hat er mir noch nie erzählt.

»Ja, das habe ich. Ich fand dich und dein Kleid so unglaublich schön und konnte mich nicht mehr konzentrieren, kaum das du draußen warst. Ich bin dir nach, weil ich von Grandma wissen wollte, wer du bist. Aber da hatte sie dich schon im Arm und ich konnte es mir denken.«

Ich bin sprachlos.

Dass er mir direkt nachgelaufen ist, hätte ich nie gedacht.

»Und ich dachte immer, du hättest Mitleid mit mir und meiner Einsamkeit gehabt«, denke ich laut und kichere ironisch.

Wie falsch man doch liegen kann.

Carter zwickt mir in die Seite.

»Ich wäre niemals aus Mitleid zu dir gekommen. Ich wollte unbedingt mit dir tanzen und dich kennenlernen.«

Ich grinse.

»Das hast du geschafft, mein Lieber, und du hast sogar das große Glück gehabt, mich für dich zu gewinnen«, plustere ich mich aus Spaß ein wenig auf und werfe meine Haare über die Schulter.
Carter lächelt mich an.
Und der Blick seiner Augen lässt mich sofort wieder weich werden.
Er nickt.

»Ja, tatsächlich, ich habe ungeheures Glück gehabt, dass du dich in mich verliebt hast.«

»Du hast es mir auch nicht schwer gemacht«, erwidere ich und küsse ihn im nächsten Moment.

x x x x

Es kommt mir wie Stunden vor, die wir durch die Dunkelheit Richtung Strand waten, uns von den vergangenen Monaten erzählen oder einfach nur still die Anwesenheit des anderen genießen.

In Wirklichkeit aber kommen wir schon nach knappen zwanzig Minuten am Strand an und Carter lässt mich zurück auf meine eigenen Beine, da ich jetzt barfuß durch den Sand laufen und meine hochhackigen Schuhe in die Hand nehmen kann.

Schon von weitem kann ich das kleine Lagerfeuer umzingelt von einem Kreis aus Steinen und meine besten Freunde erkennen, die sich lachend unterhalten und nebenbei Stockbrot über den Flammen backen.

Als sie uns entdecken winken sie wie wild und kaum sind wir bei ihnen, werden Carters und meine verschränkten Hände auseinandergerissen und wir jeweils von Cleo und Lili umarmt.

»Da bist du ja endlich, Mann! Ganz Holland hat dich vermisst. Mach das nie wieder«, scherzt Kilian und schlägt mit Carter ein, während Cleo und ich die beiden Arm in Arm beobachte.

Carter lacht herzlich auf.

»Keine Sorge, mich werdet ihr nicht mehr so schnell wieder los«, verrät er und lässt mich hellhörig werden.

Wie bitte?

»Wie lange bleiben deine Mum und du denn?«, fragt Cleo, ebenso neugierig wie ich, und sieht zu Carter, der seinen Blick von meinen zwei besten Freunden zu mir schweifen lässt, ehe er antwortet.

»Für immer«, antwortet er dann ernst und lässt mich für einen Moment erstarren.

Meine Reaktionsfähigkeit versagt, weil ich lange brauche um zu verstehen.

Länger, als Cleo und Lili, die zu jubeln beginnen und Carter abermals in ihre Arme ziehen.

»Echt jetzt? Dann gehst du auch wieder bei uns zur Schule und spielst Fußball?«, fragt Kilian begeistert und ich kann nicht fassen, dass Carter selbstsicher nickt und trotzdem nicht unseren Blickkontakt abbricht.

Ich bin unglaublich gerührt.
Und trotzdem überfordert vor Glück, denn das er bleiben wird, habe ich nicht erwartet.

»Meine Mum hat beschlossen, dass es besser ist, zurück hierherzuziehen. Dieser Unfall hat uns allen gezeigt, wie schnell das Leben vorbei sein kann und sie will nicht, dass wir immer zwischen Holland und England pendeln und Grandma nur über das Telefon hören. Außerdem hat sie gesehen, wie sehr ich an euch hänge und bereit bin, London für Holland zu verlassen. Uns hält dort nichts mehr, eigentlich nur Schmerz und deswegen fangen wir hier ein neues Kapitel an.«

Mir kommen die Tränen.
Tränen der Freude. Tränen der Fassungslosigkeit.
Und Carter scheint genau das zu bemerken.
Denn er lächelt mich liebevoll an und tritt dann zwei Schritte auf mich zu, um seine Arme fest um mich zu schlingen und meinen Kopf an seine Brust zu drücken.

»Mich trennt nichts mehr von dir«, flüstert er mir leise ins Ohr und haucht mir einen Kuss auf die Stirn und ich schließe genießerisch die Augen.

Die Spannung und Sehnsucht der letzten Monate löst sich in seinen Armen in Luft auf und die Tatsache, dass ich ihn jetzt jeden Tag sehen werde macht mich so unglaublich glücklich, dass die Tränen schnell versiegen.

»Genug gekuschelt, ihr Turteltauben! Auf diese tollen Neuigkeiten müssen wir feiern!«, bestimmt Kilian und reißt uns mit seiner Euphorie aus der gemütlichen Blase zurück ins Leben.

»Er hat recht! Sentimental können wir später werden!«

Cleo zieht Carter und mich an den Händen zurück zu der Feuerstelle und drückt uns zwei Spieße mit Stockbrotteig in die Hand, während Kilian ein paar Flaschen Limonade öffnet und gleichzeitig die Musikbox auf einem kleinen mitgebracht Beistelltisch lauter dreht.

Stimmungsvolle Musik erhellt den Strand, während wir uns lachend zusammensetzen, laut die Lieder mitsingen oder von den vergangenen Wochen in der Schule, beim Fußball oder auf dem Reiterhof erzählen.

Wir kichern und quatschen, feiern die Freundschaft und genießen den langen Abend, der niemals zu enden scheint.

Die Sterne leuchten über uns am Himmel und Kilian versucht sich irgendwann an einer Gruselgeschichte. Aber anstatt, dass wir uns gruseln, lachen wir nur noch mehr.

»Dich kann man nicht ernst nehmen!«, weint Cleo, als Kilian von dem angeblichen Piraten erzählt, der vor Jahrhunderten nach einem Sturm ans Ufer dieses Strandes gespült wurde und seitdem hier herumwandeln soll, auf der Suche nach seinem gesunkenen Schiff.

Die Gestik und Mimik, mit der Kilian seine Geschichte füllt, ist wirklich nicht ernst zu nehmen, aber das hätte Cleo lieber nicht laut aussprechen sollen.

Es dauert nämlich nicht weniger als drei Sekunden, in denen Lili aufgestanden ist und Cleo über seine Schulter geschmissen hat, auf dem direkten Weg zum Wasser.

Sie kreischt laut auf, als sie zu bemerken scheint, was er vor hat.

»KILIAN! Lass mich sofort runter! Ich schwöre dir, wenn du das machst, dann ist dieser Pirat nicht mehr dein einziges Problem! Ich wandle nachts nämlich mit einem Messer in meiner Hand und habe keine Angst, dich mal zu besuchen!«

»Damit habe ich auch kein Problem, Babe!«, erwidert Kilian lachend und läuft geradewegs ins Wasser.

»Sag, dass ich der Beste bin und sehr wohl mit Ernst genommen werden kann! Außerdem erzähle ich gute Geschichten!«, fordert er sie auf und fasst sie ein wenig lockerer, dass sie leicht von seiner Schulter ins kalte Wasser fallen könnte.
Cleo quietscht auf und krallt sich um Lilis Hals.

»Niemals werde ich das tun! Amanda, hilf mir gefälligst! Er ist verrückt!«

Das ist er, allemal.

»Amanda! Nein! Du bist meine beste Freundin, du bist auf meiner Seite!«, kommt er prompt von Kilian zurück.

Eine Diskussion beginnt, die Carter und ich mit lachenden Augen beobachten, da der eigentliche Grund ihres Aufbruchs ins Meer sofort vergessen ist.

»Eins schwöre ich dir, wenn die beiden sich nicht irgendwann daten, dann haben sie entweder ihr Leben lang Dummheit gefressen oder sie sind einfach nur blind«, flüstert mir Carter von der Seite zu und lässt mich zustimmend nicken.

Wenn ich die beiden so betrachte, dann stimmt wirklich mehr als nur die Chemie zwischen ihnen.
Und irgendwie ist der Gedanke, dass meine zwei engsten Freunde sich daten, der süßeste, den ich mir vorstellen könnte.

»Wir können ja ein wenig nachhelfen«, schlage ich spitzbübisch vor und sehe meinen Freund fragend an.

Ein diabolischer Blick malt sich auf seine Lippen.

»Ich glaube wir sollten es sogar tun. Es ist ... sowas wie eine freundschaftliche Pflicht«, begründet er unser Vorhaben unschuldig und steht in der nächsten Sekunde auf.

Ich folge ihm und leise nähern wir uns unseren Freunden, die immer noch wild miteinander streiten und uns nicht einmal zu bemerken scheinen.

Himmel, sie passen ja wirklich mehr als nur zusammen!

Wieso ist mir das denn nicht schon früher aufgefallen?

Es ist mir ein Mysterium.

»Ich kenne sie schon viel länger!«

»Na und? Ich erzähle ihr die deutlich besseren Geschichten!«

»Pff! Die Geschichte war gut!«

»Sie war für die Mülltonne, wenn sie gruselig gewesen sein soll!«

»Pah! Wetten, heute Nacht hast du einen Alptraum!«

»Ja, vermutlich träume ich von dir! Das wäre wirklich angsteinflößend!«

»Nein, es wäre definitiv der heißeste Traum, den du jemals gehabt hast!«

»Ich kotze gleich! Du und heiß? Ein Eiswürfel ist heißer als du, Prinzessin Lilifee!«

Ich beiße mir auf die Lippen.
Die beiden haben sich heftig in der Wolle und wüsste ich es nicht besser, dann würde ich behaupten, sie würden sich wirklich streiten.

Aber die beiden ziehen sich häufig so auf und am nächsten Tag ist alles beim Alten.

Was sich liebt, dass neckt sich halt.

Nur noch knapp einen Meter von den beiden entfernt, halten Carter und ich inne und sehen einander spitzbübisch an, ehe er mir ein Handzeichen gibt und wir Kilian gleichzeitig von den Beinen reißen, dass er und Cleo beide ins Wasser stürzen.

Das Gefluche verstummt augenblicklich unter der Wasseroberfläche und ich habe selten so sehr lachen müssen, als ihre Körper unter Wasser tauchen und verwirrt wieder auftauchen.

»Was zum Kuckuck?«, keucht Lili und spuckt einen Schwall Wasser aus seinem Mund.
Cleo taucht unmittelbar neben ihm auf und sieht geschockt auf ihre vollkommen durchnässte Kleidung.

Carter und ich fallen beinahe um vor Lachen.
Dieser Anblick ist eindeutig zu viel.

»Ihr miesen Schweine!«, flucht Cleo, kaum das sie verstanden hat, was wir getan haben.

»Scheiße, ist das kalt«, fügt sie hinzu und sieht zu Kilian, der sich langsam aus dem Wasser erhebt.

»Das werdet ihr beide sowas von zurückbekommen! Na, wartet!«, droht er an und spritzt plötzlich mit einer Welle Wasser in unsere Richtung.

Ich reiße panisch meine Augen auf, als Lili aus dem Wasser auf mich zurennt, gefolgt von Cleo, die Carter fokussiert.

»RENN!«, fordert mich Carter kichernd auf und hetzt in die entgegengesetzte Richtung über den Strand, gefolgt von mir, die in dem mörderischen Kleid einen eindeutigen Nachteil erleidet und viel zu schnell von Kilian gefangen und umarmt wird.

Lachend kreische ich auf, als seine kalte und durch und durch nasse Kleidung mein Kleid befeuchtet und klebrig feucht werden lässt.

»Kilian, lass mich los!«, lache ich, aber er denkt nicht einmal daran.
Stattdessen fängt er zusätzlich an, mich zu kitzeln, dass ich strampelnd und lachend auf den Sand sinke und nicht mehr klarkomme.

»Das hast du davon, Motti!«, grinst er und lässt erst nach ein paar Minuten mit Erbarmen von mir ab und hilft mir zurück auf die Beine.

Lachend versuche ich wieder zu Atem zu kommen.
Aber das ist leichter gedacht als getan, weil ich so viel Spaß habe, wie schon lange nicht mehr. Und ich scheine nicht die einzige zu sein.

Cleo und Carter, den ein ähnliches Schicksal wie meines ereilt hat, kommen mit denselben grinsenden Gesichtern auf uns zu und albern herum.

Und als ich uns vier so betrachte, unsere gewonnene Freundschaft reflektiere und alles, was war und noch kommen wird sehe, weiß ich, dass wir uns niemals aus den Augen verlieren werden.

Dass wir nicht nur Freunde sind, die sich mal gekannt haben, die mal zusammen zur Schule gegangen sind.

Nein, wir sind Freunde fürs Leben.
Wir werden uns immer kennen.

Und das macht mich unglaublich glücklich.

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