24||JUMPSUIT-PARTY UND ...


Amanda

»Und das alles nur, um euch zu testen? So viel Stress, so viele Fragen?«, fragt Cleo ungläubig. Ich nicke.

»Das ist ... krass. Ich hätte wirklich an alles gedacht, aber nicht an so etwas.«

»Uns geht es damit nicht anders«, sagt Kilian und sucht in einem der Küchenschränke nach einer großen Salatschüssel.

»Und was habt ihr jetzt vor? Wollt ihr teilnehmen?«, mischt sich Carter in das Gespräch ein und sieht fragend zwischen Lili und mir her.

Ich sehe auch zu meinem besten Freund.
Unsere Augen treffen sich.

Es ist Freitagabend.
Kilians Eltern sind mit seinem großen Bruder Gideon über das Wochenende bei Verwandtschaft in der Nähe von Amsterdam und wir haben sturmfrei und die Erlaubnis bekommen, das Wochenende zu unserem zu machen.

Ich habe mit Cleo und Kilian schon oft Pyjamapartys veranstaltet – für so etwas ist sich mein bester Freund niemals zu schade – aber heute ist auch Carter mit dabei und das macht den Abend zu einem besonderen.

»Wir ...«, setzt Kilian an und kratzt sich dann am Hinterkopf.
»Wir haben uns gestern nach der Schule getroffen und sind zusammen mal durch unsere kompletten Dateien und Notizen gegangen. Amanda und ich telefonieren ja montags immer und quizzen uns aus Spaß und Laune in Geschichte. Es sind stapelweise Blätter und PDF-Dateien zusammengekommen mit noch mehr Informationen und Themen. Wir ... sind in uns gegangen, haben uns über diesen Wettbewerb informiert und auch über den Gewinn nachgedacht. Der Wettbewerb ist wirklich riesig und keine so kleine Sache. Es ist anspruchsvoll und die Gewinner erwartet hohe Möglichkeiten. Sie haben Chancen auf Stipendien von renommierten Colleges, bekommen ein Preisgeld von zwanzigtausend Euro und die Presse ist natürlich auch mit von der Partie.
Wir haben uns wirklich jede noch so kleine Info auf der Zunge zergehen lassen und sind uns dann schnell einig gewesen.«

Kilian macht in seiner Erzählung eine Pause und stellt die Salatschüssel auf den Esstisch, ehe er nach Messern sucht und wir anderen beginnen, das Gemüse zu waschen.

»Wir wollen kein Geld und auch keine Berühmtheiten durch Interviews oder das Fernsehen werden. Das sind nicht wir. Menschen, die sich so öffentlich geben, Menschen, die das Rampenlicht lieben und sich von Social Media in Stücke reißen lassen. So wollen wir nicht sein. Darum wollen wir nicht teilnehmen.
Uns geht es tatsächlich mehr um den Wettkampf und die Möglichkeiten, die wir haben, auf Menschen zu treffen, die ähnliche Vorlieben und Spaß an Geschichte haben.
Ich meine, stellt euch mal vor, wir würden gegen Leute in unserem Alter antreten, die aus aller Welt stammen und die die Geburtstage von berühmten Historikern schneller aufsagen können, als das ABC. Irgendwie ist die Vorstellung unglaublich und die Erfahrung Neugierde erweckend und genau deswegen haben wir beschlossen mit einigen Bedingungen, die wir dem Schuldirektor stellen möchten, teilzunehmen«, beendet Kilian die lange Rede mit so kurzem Inhalt und sieht dann, genau wie ich, zu Cleo und Carter, um ihre Reaktionen nicht zu verpassen.

Beide scheinen nachdenklich, aber recht schnell malen sich fröhliche Mienen auf ihre Lippen.

»Das ist allemal die richtige Entscheidung! Ich hätte euch höchstpersönlich hingeschliffen, wenn ihr euch dagegen entschieden hättet! Noch einmal Glück gehabt!«, tönt es aus Cleo, die Feuer und Flamme aufsteht und uns beide in den Arm nimmt.

»Ich freue mich so für euch! Diese Chance und Möglichkeit ist einfach toll und da ich weiß, wie sehr ihr euer kleines History-Hobby liebt, bin ich einfach begeistert! Ich glaube, ihr werdet eine Menge Spaß haben, vor allem, weil ihr alle Welt plattmachen werdet!«, beschwört Cleo und jauchzt dann so laut, dass wir alle loslachen.

»Du bist verrückt, Cleo! Und du hast uns nicht zugehört. Es geht nicht darum, die anderen Teams fertig zu machen.«

Frech rollt sie mit den Augen.

»Ja, ja, das sagen sie alle, aber letztendlich geht es doch um den Sieg und das ist bei einem Wettkampf ja auch vollkommen legitim. Und jetzt Schluss mit der Diskussion, ich habe Hunger und große Lust zu feiern!«

Enthusiastisch schwenkt sie ihr Glas Apfelschorle mit einem Schuss Sekt in die Höhe und spricht einen Trost auf Kilian und mich aus.

»Auf die größten Geschichts-Freaks, die ich kenne! Ich hab euch lieb, ihr kleinen Nerds!«

Lachend fallen wir in ihren Anstoß ein und heben unsere Gläser und Bierflaschen.

Cleo hat hinter verschlossener Tür wirklich kein Blatt vor dem Mund und lässt ihre verrückte, laute und freche Seite ganz offenkundig heraus. Dafür liebe ich sie.

Mit guter Laune vertreiben wir uns die Zeit.

Kilian hat laute Musik angemacht und wir vier haben auf Carters Idee hin zusammen eingekauft und beschlossen zu kochen.

Es ist lustig und absolut nett gemeinsam um den Esstisch zu stehen, sich über die laute Musik weg zu unterhalten oder zu singen und einfach Zeit gemeinsam zu verbringen.

Cleo schneidet Paprika und Salat. Kilian hat sich Gurke und Schafskäse geschnappt und mit Sicherheit zum ersten Mal in seinem Leben ein scharfes Messer in der Hand, so oft wie wir für ihn nach Pflastern suchen müssen.

Carter scheint dagegen  zutiefst vertraut mit Küchengeräten und Essen.

Er steht am Herd und brät Hühnchenstreifen, während nebenbei Nudeln in einem Topf kochen. Ich hantiere neben ihm. Auch ich habe früh mit meiner Mutter zusammen kochen gelernt. Das Carter mit Herd und Topf umgehen kann, beeindruckt mich.

Nebeneinander stehen wir an der Arbeitsplatte, funktionieren irgendwie gut nebeneinander und machen jeder seine Arbeit.

Dass das gemeinsame Kochen so lustig würde, hätte ich nie gedacht.
Aber zwischen Naschkatzen, Ausbrüchen der Verzweiflung und lauten Rock 'n' Roll Parts, die mit Luftgitarren-Solos gefüllt werden, ist der Abend schon mit dem Essen ein voller Erfolg.

Gemütlich beieinander sitzen wir im Esszimmer der Willers und unterhalten uns über die Schule, die Pferde, Fußball und Carter erzählt sogar von seinem Leben in London, von seiner Mum und seinen Freunden dort, die er unter all den Umständen natürlich auch vermisst.

Gegen zehn Uhr wandern wir ins anliegende Wohnzimmer und schaffen uns Decken und Kissen an, um es uns gemütlich zu machen.

Was die Jungs allerdings nicht ahnen, sind die niedlichen Kostüme in Cleos Rucksack, die heute ihre Premiere feiern.

Kilians Giraffen-Jumpsuit und Carters Lemuren Outfit sollen schließlich nicht in Vergessenheit geraten.

Scheinheilig stellen wir uns vor den Fernseher und somit vor die Jungs, die es sich längst auf dem Sofa gemütlich gemacht haben.
Carter sieht mich neugierig lächelnd an. Ich erwidere seinen Blick amüsiert.

»Also, Jungs, damit der Abend perfekt wird, haben Amanda und ich uns um den Komfort gekümmert. Jeans und T-Shirt sind zu unbequem für einen Filmabend und darum haben wir«, Cleo greift in ihren Rucksack und holt die beiden bunten Stofffetzen hervor,»euch und uns diese super bequemen Jumpsuits geholt!«, offenbart sie quietschend und schwenkt die Tierkostüme in der Luft.

Braun und knallig orange ist der Giraffen-Anzug mit den buschigen Hörnern für Lili, während Carters Outfit beige-grau und eher unauffällig, bis auf den langen geringelten Schwanz am unteren Rückenbereich, ist.

Ich sehe diese Jumpsuits zum ersten Mal, aber sie sind perfekt und ich möchte Carter und Lili unbedingt darin sehen.
Beide scheinen sie allerdings wenig begeistert und vielmehr gequält, als Cleo ihnen die Klamotten unter die Nase hält.

»Das sollen wir anziehen?«, fragt Carter und sieht zu Lili, der die Nase rümpft.
»Ja, bitte, Leute! Die sind wirklich bequem und lustig und süß noch dazu! Motti und ich haben auch welche!«

»Aber ihr seid Frauen! Und ihr steht auf so 'nen süßen Kram, das liegt in eurer Natur«, argumentiert Kilian schwach und fängt sich augenblicklich einen strengen Blick von Cleo.

»Ich zeige dir gleich mal, wer hier eine Frau ist, mein Lieber!«, droht sie ihm und hebt den Finger.
Ich muss grinsen. Aber nur, weil Cleos Drohungen wirklich hart und gewaltsam wahr werden lassen kann und ihre Strenge glücklicherweise nicht mir gilt.

»Carter, du bist ein starker Mann und es war mir eine Ehre mit dir kämpfen zu dürfen!«, flüstert Kilian laut, ehe er ergeben die Luft einzieht und sich mit samt dem Anzug erhebt.
Mit Cleos Drohung will er sich also nicht auseinandersetzen.
Nach all den Jahren hat er in solchen Sachen gut gelernt.

»Ladies und ... Carter! Ich werfe mich in neue Gewänder!«, verkündet er und grinst dann belustigt, ehe er sich erhebt und nach oben trottet, seinem Schicksal, die sexieste Giraffe alive zu werden, treu ergeben.

Cleo macht sich daran die Snacks aus der Küche zu holen. Sie zwinkert mir zu, als sie den Raum verlässt und da weiß ich, dass sie und Lili mich mit Absicht in Carters Nähe alleine lassen, um ihren glorreichen Verkupplungsplan aufrecht zu halten.

Verräter, denke ich, bin aber schlussendlich nicht abgeneigt, mit Carter allein zu sein.
Ich weiß schon, wie ich ihn überzeugen kann.

»Weißt du noch, die Geburtstagsfeier deiner Grandma?«, frage ich und trete mit dem Lemuren Outfit neben Carter.
Er schaut mich belustigt an.
Ich denke, weil er sich noch viel zu genau an den schönen Abend erinnert.

»Wie könnte ich sie jemals vergessen, Rosie?«, fragt er mich als Antwort zurück, während ich mich neben ihn setze.

»Dann weißt du sicherlich auch noch, was ich dir geantwortet habe, als du mich nach etwas gefragt hast, das mir nicht peinlich ist«, rede ich weiter und beiße mir auf die Unterlippe.

Carter schnalzt mit der Zunge. Ja, er weiß genau worum es geht und was ich damals gesagt habe.
Er weiß es sogar sehr genau.

»Na, los, Lewis! Was habe ich geantwortet?«, frage ich stolz grinsend und rüttle ihn an der Schulter, weil er die Antwort extra nicht ausspricht.

Wieder schnalzt er mit der Zunge, dann redet er endlich.

»Du hast gesagt, dass es deine Gemütlichkeit ist, für die du dich nicht schämst.«

Ich nicke. Hundert Punkte für Carter.

»Ja, richtig. Aber weißt du was, Carter? Es wäre mir unangenehm, wenn du nicht auch so einen Jumpsuit trägst. Das würde die gesamte Atmosphäre stören und außerdem kann ich dir versichern, dass wenn ich so einen Anzug trage, du das erst recht kannst, denn du bist allemal der mutigere und selbstbewusstere von uns beiden. Du musst keine Angst haben!«, rede ich übertrieben ironisch und schmollend aus und sehe ihn mit einem Hundeblick an, der mich plötzlich mit dem Rücken auf die Sofakissen transportiert und Carter dicht über meinem Körper schweben lässt.

Er grinst unwiderstehlich.
Stützt sich neben meinem Kopf auf den Kissen ab und sieht grinsend auf mich nieder.

»Du bist ein gewitztes Biest, meine Rose! Und du argumentierst mit sehr unfairen Mitteln.«

Sein Gesicht kommt meinem immer näher. Seine Stimme versagt in der Lautstärke mit jedem Zentimeter, den sich unsere Lippen nähern.

Mein Herz schlägt augenblicklich um. Es wird sich Carter erst jetzt richtig bewusst und hüpft in meiner Brust sofort hoch hinauf.

Er ist mir unglaublich nah.
Seine Haarsträhnen berühren meine Stirn und ich kann seinen Atem nach dem Eis, das wir zum Nachtisch gegessen haben, riechen und auf meiner Haut spüren.

Meine Nackenhaare stellen sich auf. Jede kleinste seiner Berührungen sackt in meinem Körper verliebt zusammen.

Ich bin nicht fähig zu lachen oder zu reden oder sonst etwas zu tun.
Ich kann nur noch abwarten und wie hypnotisiert auf Carters Lippen starren, von denen ich jeden Augenblick mehr geküsst werden will.

Aber stehe ich damit allein?
Ist er auch so betört von dieser Nähe?
Fühlt er denn auch dieses Magenkribbeln und das Glück, wenn wir zusammen sind?

»Aber ...«, setzt er leise raunend hinzu und nimmt mich mit jedem seiner Worte mehr ein, »ich liebe deine Art, mich zu überzeugen und ich kann dir deinen Wunsch nach Gemütlichkeit nicht abschlagen – wenn ich mein männliches Pflichtbewusstsein   gegenüber Kilian mal außen vor lasse. Du hast gewonnen«, haucht er und berührt mit seinen Lippen mit jeder Silbe meine Wange.

Mein Atem geht flach. Ich bin unfähig, länger rational nachzudenken. Irgendwie sind in diesem Haus, in diesem Raum, in diesem Moment nur noch Carter und ich.
Seine Nase streicht mein Gesicht entlang.

Die Berührung ist sachte und neu und doch so tief, das ich schnappartig Luft hole.
Diese Nähe ist mir so fremd und doch so ...

»Du hast ja keine Ahnung, wie schwer es ist, dir zu widerstehen, Amanda Vine. Deinem Lachen, deinen Augen, deinem Tanz, deinen«, er hält dicht an meinem Ohr inne,»Lippen.«

»W-worauf wartest du dann?«, frage ich mutig und weiß nicht, wie obszön und dämlich das für ihn klingt.

Will ich denn wirklich geküsst werden? Von Carter?

Ja.

Mit absoluter Sicherheit.

»Auf den richtigen Moment«, antwortet er und zieht sich minimal zurück.
»Und er wird kommen, liebste Rose, sei dir sicher. Ich werde mir holen, was ich begehre«, setzt er hinzu und ist dann plötzlich ruckartig von mir verschwunden.

In galanten und großen Schritten verlässt er das Wohnzimmer und trottet, wie Kilian, nach oben, nur um sich ein paar Minuten später mit meinem besten Freund wieder hinunterzubewegen und so zu tun, als sei nichts geschehen.

Cleo kommt mit haufenweise Essen zurück. Aber ich kann mich kaum darauf konzentrieren, so wild schlägt mein Herz noch immer über den geschehenen Moment.

Ich werde mir holen, was ich begehre?

Der richtige Moment wird kommen?

Es ist ein Versprechen.
Ein Versprechen auf einen Kuss, den er sich holen wird.

Und das Warten darauf macht die Sache nicht leichter, mein Herz nicht ruhiger, meinen benebelten Kopf nicht klarer.

Kilian und Carter posen amüsiert für ein paar Videos auf Cleos Handy, die sie mit tiefem Lachen wegen des urkomischen Aufzugs macht.

Auch ich ringe mit einem Grinsen, denn Kilian sieht wirklich wie die sexieste Giraffe auf dieser Erde aus und Carter ... Carter sieht selbst in diesem albernen Kostüm gut und schön aus.

Ich verlasse schnurstracks den Raum, als ich darüber nachdenke und werfe mich mit Cleo zusammen ebenfalls in unsere Klamotten.
Sie sieht mich durch den Spiegel wissend an, registriert meine geröteten Wangen und das aufgewühlte Haar, sagt aber keinen Ton.

Stumm laufen wir zurück ins Wohnzimmer, machen ein Gruppenfoto, vergewissern uns, dass die Jungs ihre neuen Kostüme doch gar nicht so schlimm finden und gucken dann Der Herr der Ringe bis zu dem Zeitpunkt, in dem Carter mein Bein über seines legt, meinen Kopf gegen seine Schulter lehnt und unsere Finger verschränkt, ehe er mir einen Kuss auf die Wange haucht und meine klaren Gedanken damit in den Feierabend schickt.

Goodbye ...

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Meinungen zu diesem Kapitel?
Die beiden kommen sich immer näher?
Aber wann, glaubt ihr, ist wohl der richtige Moment, von dem Carter spricht?

Mal sehen ... wie es weiter geht ... 🤭🌹

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