14 || HANDYNUMMERN UND KUSCHELIGES POPCORN


Carter

Ich habe es von Beginn an befürchtet, aber niemals gedacht, dass es so schmerzhaft ist.

Es zerreißt mir das Herz und trampelt jeden kleinen Fetzen von mir auf dem Boden nieder, bis ich nicht mehr fähig bin zu atmen und trostlos sterbe.

Amanda bedrückt und traurig und weggetreten zu sehen, ist bis jetzt das schlimmste Seelische, das ich neben dem Tod meines Dads gespürt habe. Ich fühle mich unvollständig, ohne ihre Anwesenheit, ihr Lächeln und den Fakt, das sie einfach glücklich ist.

Dass sie wegen mir schlechte Laune hat, ist unerträglich.

Ich streichle ihr über die Wange, um ihr Gestotter zu unterbrechen. Sie schließt einen Moment die Augen und ich glaube erst, sie würde es genießen. Aber dann wendet sie sich ab und löst sich aus meinem Griff, um Abstand zwischen uns zu bringen.

Jeder Zentimeter ist einer zu viel. Mir ist danach ihr hinterher zu hetzen und sie wieder in meine Arme zu ziehen, aber ich unterstehe diesen Drang.

Mit schwerem Herzen streicht sie sich eine lose Haarsträhne hinter das Ohr, dann lässt sie ihre Hand in die Taschen ihres langen grauen Cardigans gleiten, den sie mit einer hellblauen Jeans, den schwarz-weißen Vans und einem einfachen weißen T-Shirt kombiniert hat, auf dem in geschwungener Schreibschrift »Sunshine« steht. Ich liebe, was sie trägt. Amanda sieht jeden Tag anders aus. Mal trägt sie bunte Farben, mal ist sie ziemlich geblümt und gepunktet angezogen, mal schlicht. Aber immer eigentlich ist sie gemütlich und kuschelig angezogen. Wie ein kleiner Teddybär.

Heute wie ein kleiner bekümmerter Teddy. Mit ausdrucksloser, beschämter Miene holt sie aus den Taschen kleine pinkfarbene und neutral weiße Papierschnipsel hervor und reicht sie mir.
Ich bin leicht verwirrt. Was soll das sein?

Cilia
0031 572094839
Ruf mich mal an. ❤︎︎

Nadine❣️
0031 385959260

Jessica [ aus Chemie]
0031 485959649

Mary
0031 068574835

Während ich die Handynummern lese, wird mir so einiges klar.
Aber ehe ich Amanda verstehen kann, baut sich erstmal ein Schwall der Wut in mir auf.

Wie kommen all diese Mädchen nach zwei Tagen darauf, dass ich etwas von ihnen wollen würde?
Und wie kommen sie auf die abscheuliche Idee, Amanda diese Zettel zuzustecken, als sei sie meine persönliche Sekretärin?

Ich kann verstehen, dass sie sauer ist. Ich habe zwar nicht geahnt, dass die Mädchen hier jedes 'Hallo' direkt als Liebesgeständnis aufgreifen, aber Amanda hat jedes Recht wütend zu sein.
Es tut mir aufrichtig leid.

»Ich bin nicht dein Flittchen-Lieferant, Carter! Es ist mir egal, was du mit diesen Mädchen zu tun hast und du kannst mit jeder von ihnen Zeit verbringen. Aber ich bin keine persönliche Botschafterin! Das könnt ihr unter euch klären!«

Sie ist richtig wütend.
Ihre Miene verhärtet sich und ihre Lippen zittern vor Zorn.
Trotzdem hat ihr Gesicht auch einen aufgelösten und verletzten Schimmer und der sticht mir aufs neue in die Brust. Diese Zettel und ihre ausgesprochenen Worte entsprechen nicht der vollen Wahrheit. Sie ist sehr verletzt.

Vielleicht ist sie auch ein wenig ... eifersüchtig.

»Rosie, ich ...«

»Du brauchst dich nicht zu rechtfertigen, Carter. Du bist ein hübscher und netter Mann. Es ist kein Wunder, das dir die Frauen hinterherrennen! Ehrlich! Aber ich will damit nichts zu tun haben! Das ertrage ich nicht!«

Sie lässt mich nicht zu Wort kommen. Mit jedem Einwand, den ich habe, wird sie lauter. Aber ich habe ihr etwas zu sagen und sie muss mir jetzt einfach zuhören.

Als sie wieder losfluchen möchte, packe sie am Arm und ziehe sie zurück an meine Brust.
Wie einen Käfig schlinge ich meine Arme um ihren zierlichen Körper und presse sie so nahe an mich, dass kein Blatt mehr zwischen uns passt.
Sie ist kleiner als ich.
Mein Gesicht schwebt waagerecht über ihrem, als sie ihren Kopf in den Nacken reckt um mir in die Augen sehen zu können.

Ich mag ihre Augen.
Ich mag ihr Gesicht, die frechen Sommersprossen, die gespaltenen Lippen, die Stupsnase und ihre weichen blonden Haare, die ihre Schönheit wie einen goldenen Rahmen umgrenzen.
Amanda ist ein hübsches Mädchen.

Viel zu hübsch für diese Welt.

Wegen ihrer Spotttriade sind ihre Wangen leicht gerötet.
Aber auf meine feste Umarmung und die Nähe unserer Gesichter ist sie endlich verstummt und lässt mich reden.

Wir haben noch etwas zu klären, Prinzessin.

»Hörst du mir jetzt zu?«, frage ich sie leise und lächle für einige Sekunden. Sie starrt mich fassungslos an und schluckt schwer. Ich streiche ihr die Haare aus dem Gesicht. Ihre Haut ist weich.
Ihre Haare von der Sonne erwärmt.
Dieses Mädchen macht mich verrückt.

»Ich will nicht, dass mir irgendwelche fremden Mädchen hinterherrennen, Rosie.
Ich will ihre Handynummern nicht.
Ich will sie auch nicht anrufen oder mich auf einer falschen Ebene mit ihnen unterhalten.
Am allerwenigsten will ich, das du sauer bist oder diese Zettel an mich überlieferst.
Du hast recht. Du bist kein Flittchen-Lieferant und auch, wenn ich das anders formuliert hätte«, wir müssen beide schmunzeln, »triffst du es damit genau auf den Punkt. Ich werde diesen Mädchen nicht schreiben. Sie sind mir vollkommen egal. Sie bedeuten mir nichts.
Aber du schon. Du bedeutest mir eine Menge und ich will nicht, das du sauer bist. Es tut mir leid, was diese Mädchen gemacht haben. Ich werde das klären. Dich wird niemand mehr derartig benutzen. Dafür sorge ich schon, und wenn sie es trotzdem nicht verstehen, dann kannst du sie getrost in den Wind schießen und ihnen den Zettel in der Luft zerreißen. Ich habe kein Interesse. Kannst du mir nochmal verzeihen?«

Sie lässt mich einen Moment in der Luft hängen.
Ich weiß, sie macht das extra.
Sie weiß aber nicht, dass mich das förmlich um den Verstand bringt.
Erst ihr Nicken und das Zipfelchen eines Lächelns auf ihren Lippen lässt mir Erleichterung.

»Natürlich verzeihe ich dir. Im Grunde genommen, kannst du ja gar nichts dafür. Es war auch meine Schuld. Ich habe sofort herumgezickt und dich nicht mal aussprechen lassen.
Ich habe mich falsch verhalten.«

»Ich bin dir nicht böse. Und, Rosie, du bist alles andere als ein schlechter Mensch.
Es ist vollkommen natürlich von Gefühlen überrannt und mitgenommen zu sein. Du hast verständlich reagiert.«

Weil ich liebe, wie sie mich ansieht, wenn ich das mache und wie sie deswegen kichert, küsse ich zum Nachdruck meiner Worte ihren Handrücken.
Ihr Lachen deswegen ist mir jede wütende Sekunde wert.
Sie könnte den ganzen Tag lachen.

Sie hat ja keine Ahnung, wie attraktiv sie das macht.
Ihr Lachen.
Ihre Augen.
Ihre kleinen süßen Hände, die sich in ihrem hellen Teint mit meiner sonnengebräunten Haut kontrastieren und doch perfekt in meine Hände passen.

»Vergessen wir das Ganze«, murmelt sie ein wenig verlegen und sieht von mir ab durch die Gegend.

Oh, Rosie.

Ich muss wieder lächeln und nicke dann.
Wenn sie mich verstanden hat, dann ist alles in Ordnung.
Ich meine es nämlich ernst.
Ich will kein anderes Mädchen.

»Lass uns weiter«, beschließe ich und hebe ihr Fahrrad dann von Boden auf.
Wegen den rücksichtslosen Fahrradfahrern habe ich es fallen lassen, um Amanda aus der Fahrbahn zu ziehen.

Es ist wirklich unglaublich, wie viele und wie schnell die Holländer Fahrrad fahren.
Auf dem Flachland ist das Zweirad ideal, aber man muss doch Rücksicht nehmen!

Ebenso wie gestern bin ich es, der uns beide auf dem Rückweg nach Hause bringt.
Federleicht und ruhig sitzt Amanda auf dem Gepäckträger, hält sich an mir fest und genießt den Wind und die Sonne auf der Haut.

Mir gefällt Holland. Ich war lange Zeit nicht mehr hier. Aber ich fühle mich schon nach diesen paar Tagen pudelwohl. Es ist schön wieder in der Nähe von Grandma zu sein. Sie ist, nachdem Großvater vor einigen Jahren starb, viel zu oft allein.
Ich habe mir Sorgen und Gedanken um sie gemacht, aber am Telefon klang sie stets zufrieden und schwärmend für ihre Heimat und die Leute hier.
In unseren Telefonaten ging es oft um Familie Vine.
So wusste ich schon bevor ich hierher kam von Amandas Existenz.
Meine Großmutter hat immerzu von ihr geschwärmt und jetzt, wo ich Amanda selbst kennenlerne, kann ich zu hundert Prozent verstehen, wieso.
Grandma hat mir oft von den Mittwochnachmittagen erzählt, die sie so liebt. Sie hat die Nachbarschaftskinder immer schon gemocht, aber Amanda ist ihr absoluter Liebling.
Ich frage mich, wieso ich sie noch nie zuvor gesehen habe, wenn ich hier war.

Die Fahrt nach Hause ist viel zu schnell vorbei und wie schon gestern rolle ich die letzten Meter Weg aus, um elegant vor dem Haus zum Stehen zu kommen.
Heute allerdings ist niemand an meinem Rücken eingeschlafen und Amanda steigt selbstständig vom Gepäckträger.

Sie ist ein wenig unbeholfen.
Einige Sekunden sehen wir uns stumm in die Augen und trauen uns an keine Worte.
Sie sieht aus, als wolle sie noch etwas sagen und gleichzeitig sieht sie aus, als würde sie am liebsten wegrennen.
Ich weiß nicht, was ich davon halten soll.

»Ich ... Kommst du noch mit rein, ... um ... um deinen Pullover abzuholen?«

Ihre Wangen färben sich rot, als sie es nicht schafft mutvoll auszusprechen, was sie möchte.
Sie zaubert mir ein Lächeln ins Gesicht. Einfach, weil sie süß ist und keine Ahnung davon hat.

Meinen Pullover kann sie behalten.
Ich würde sie zu gerne einmal darin sehen.
Vermutlich wäre er ihr viel zu lang. Dabei ist Amanda gar nicht mal so klein. Für Frauen ihres Alters ist sie sogar ziemlich groß. Ich bin nur einfach größer. Das habe ich von Dad geerbt. Er war auch ein schlanker und großer Mann. Auf Bildern sieht meine Mutter neben ihm aus wie ein Zwerg. Ein ziemlich kleiner Zwerg.

»Gerne«, rette ich Amanda aus der Peinlichkeit und folge ihr zur Haustür.
Sie zückt einen silbernen Schlüssel aus ihrem türkisfarbenen Rucksack der von weißen und braunen Punkten übersät ist, die wie Regentropfen aussehen.
Mir fällt erst jetzt auf, dass auf dem Rucksack neben den weißen Tropfen auch eine Reihe schwarzer Tropfen gemalt sind, die im Gesamtbild ein Gesicht bilden. Außerdem sind an den Stoff zwei kleine Ohren genäht, die aus weißem Plüsch an den Seiten über dem Reißverschluss baumeln.

Welches Tier das sein soll, ist mir nicht klar. Aber der Rucksack bringt mich zum Grinsen. Dieses Mädchen steht eindeutig auf bunte Farben und niedliche Dinge.

Das bestätigt sich mir noch einmal, als ich Amanda die hellgraue Holztreppe ins Obergeschoss folge.
Das gesamte Haus ist heimlich und kuschelig und warm gestaltet.
Auf dem Boden im Flur liegt hellblauer Teppich aus, die Fenster von Räumen, die ich schon gesehen habe, sind von zarten Gardinen umgeben. Überall hängen und stehen selbstgemalte Bilder und Basteleien aus Kindergarten- und Grundschuldzeiten.

Ich mag das Haus der Vines.
Es ist ein richtiges Zuhause in dem Dinge kaputt gehen, Bilderrahmen schief hängen, Kinder durch die Räume lachen, Chaos herrscht und die Liebe doch an erster Stelle steht.

Je mehr ich sehe und in mich aufsauge, desto mehr weiß ich, dass das hier mein Traum von einer Zukunft ist.
Genau so etwas wünsche ich mir für meine eigene Familie.

Kein trubelndes Stadtleben und ein Balkon.
Nein, ein Garten mit Rutsche und Schaukel und Gartenpartys wie die von meiner Großmutter, das ist genau das, was ich mir irgendwann wünsche.

»Kommst du, Träumer?«

Amanda witzelt vom anderen Ende des Flures und ich erwidere ihren amüsierten Blick. Unser Gespräch von eben und ihre Wut scheint wie verflogen.

Mein Herz blüht ein wenig auf. Dann folge ich ihr ergeben.
Gestern hatte ich nicht die Zeit mich gründlich in ihrem Zimmer umzusehen. Aber heute lasse ich es mir nicht nehmen jeden Winkel des quadratischen Raumes in mich aufzunehmen.

Die Wände sind weiß und türkisfarben. Ich bin mir sicher, dass das ihre Lieblingsfarbe ist.
Links neben der Tür steht Amandas großes Bett. Es ist mit abertausenden Kissen und Kuscheltieren überhäuft, die weniger chaotisch als passend wirken.

Gegenüber vom Bett steht rechts in der Ecke ein weißer Kleiderschrank.
In die Türen sind hölzerne Lamellen eingebaut durch die die buntesten Klamotten hervorlugen.
Zwischen Fenster und Schrank steht Amandas Schreibtisch. Er ist wie jedes Mobiliar ebenfalls weiß und überhäuft mit Papieren, Büchern, Stiften und anderem Krimskrams. An der Wand darüber hängen Magnettafeln, die ähnlich überhäuft sind mit Bildern ihrer Familie, ihrer Freunde oder Sprüchen.

Über die Lehnen des Schreibtischstuhls sind sämtliche Klamotten geworfen, die sich auch im restlichen Zimmer wiederfinden. Socken, Jogginghosen, Pullover und bunte Pyjamas liegen Kreuz und quer auf dem Teppichboden, unter dem Schreibtisch, auf Kommoden und Tischen und der Fensterbank auf der es sich eine pechschwarze Katze bequem gemacht hat, die mich und ihre Besitzerin aus müden grünen Augen beobachtet.

Amanda hat sie gut beschrieben. Aber die Katze mit dem langen Fell und den spitzen Ohren sieht trotzdem niedlich und verschmust aus.

Mir gefällt das Zimmer.
Die Wände sind behangen mit Lichterketten, die willkürlich warmes Licht durch den Raum werfen und trotz der Unordnung passt jedes kleine Detail dieses Raumes zu dem Mädchen, das ich kennengelernt habe.
Das hier ist unverkennbar ihr Kuschel- und Gemütlich-Sein-Raum.

»Woran denkst du?«, fragt sie und ich nehme sie erst jetzt auf dem Bett, neben meinem Pullover, unter den Lichterketten wahr.
Ein unkontrolliertes Lächeln hat sich beim Umsehen auf meine Lippen gestohlen und dort bleibt es.

»An dich, die Zukunft, dieses Zimmer und daran wir perfekt es ist«, sage ich ehrlich und grinse noch mehr.
Eine unerklärliche Hochstimmung überfällt mich.
Ich fühle mich, als würde ich auf einer Wolke schweben.

»Perfekt unordentlich meinst du wohl«, verbessert mich Rosie und erhebt sich mit meinem Pullover vom Bett.
Uns trennt ein knapper Meter.
Ich schüttle den Kopf.

»Nein. Es ist ... dein Königreich. Hier hat alles seinen Platz. Das bloße Auge eines blinden Menschen erkennt die Perfektion darin nur nicht. Es riecht nach dir und ist so farbenfroh wie du.
Es ist ganz und gar nicht unordentlich. Es ist ein Stück Du und ich liebe es.«

Ihre Augen schimmern gerührt. Sie lächelt mich warm an. So warm, das mich ein heißer Schauer überfällt.
Meine Haut prickelt ein wenig. Dabei berühre ich Amanda gar nicht.
Wir sehen einander nur an.
Aber das reicht.
Es hat schon ganz zu Anfang gereicht.

Es gibt genau zwei Faktoren, die unseren Moment durchbrechen.
Zum Einen sind dort polternde Schritte und eine Kinderstimme, die durch das Haus hallen und zum Anderen ist dort ein schwarzer Vierbeiner, der meine Beine streift.

Überrascht sehe ich zu Morle am Boden, während Leo im selben Moment die Tür aufreißt.

»Es gibt Essen, Motte!«

Ihre Augen werden groß wie Tennisbälle als sie mich neben ihrer Schwester entdeckt.
Ich bin einen Moment verunsichert wie sie darauf reagiert. Ihr überraschtes Gesicht wechselt aber gleich zu einem freudigen.

»Hallo, Carter! Bist du wie der Prinz in Rapunzel durch das Fenster gekommen? Ich habe dich gar nicht hochgehen sehen!
Aber ich habe die Tanzschritte geprobt, die du mir gezeigt hast. Ich kann sie jetzt! Ich bin jetzt eine richtige Prinzessin! Willst du mal sehen?«

Leo quasselt wie ein Wasserfall. Sie trägt eine bunt gestreifte Strumpfhose und ein violettes Kleid und sieht mit ihren blonden Zöpfen einfach tierisch süß aus.

Bevor sie tatsächlich zu tanzen beginnt, unterbricht Amanda sie.
Sie reicht mir meinen Pullover, dann hebt sie ihre kleine Schwester auf ihre Arme.

»Weißt du, Leo, du kannst Carter deine Tanzschritte später zeigen. Ich glaube, er braucht jetzt erstmal ...«

»Was zu essen! Motte, er kann meinen Teller haben! Mama hat Schnitzel mit Gemüse und Kartoffeln gekocht! Carter, du kannst mein Gemüse haben, ich mag es nicht!«, unterbricht Leo ihre große Schwester und sieht begeistert zu mir.

Ich lache leise. Welches Kind mag schon unglaublich gerne Gemüse?
Ich kenne keines, das Grünzeug dem Zucker vornimmt.

»Also eigentlich, Leo ...«

Sie lässt auch mich nicht aussprechen. Hibbelig strampelt sie sich aus Amandas Armen und sprintet dann zurück zur Treppe.

»Mama! Mama! Carter ist hier! Kann er mit uns essen?Er kann auch mein Gemüse haben!«

Weil wir jetzt aufgeflogen sind, mehr oder weniger, folgen Rosie und ich dem kleinen Mädchen die Treppe hinunter in die Küche.

Der Tisch ist gedeckt und Dampf steigt aus den erhitzen Töpfen. Es riecht gut.
Aber Amanda verzieht beim Anblick des heißen Essens bloß das Gesicht.

»Hey, Baby! Hey, Carter!«

Miss Vine steht gut gelaunt in der Küche und befüllt einen Teller mit Essen.
Leo springt um ihre Beine und ruft noch immer, das ich bleibe und ihr Gemüse esse.
Amanda rollt deswegen peinlich berührt mit den Augen.

»Leo, lass Carter doch bitte in Frieden. Er kann selbst entscheiden, ob er mit uns essen möchte, oder nicht.
Außerdem bekommt er dann ganz sicher nicht deine Reste.
Dein Hasenfutter kaust du schön selbst!«, weist sie ihre kleine Schwester irgendwann an und sieht entschuldigend zu mir.
Ich fühle mich bestens unterhalten.
Spätestens dann, als Amanda eine große Packung Eis aus dem Gefrierschrank holt und nach einem Löffel sucht.

»Das ist so unfair, Mum! Wieso darf Motte schon wieder Eis essen?«

Miss Vine unterbricht die Diskussion ihrer Töchter.
Anstatt auf ihre jüngste Tochter einzugehen, wendet sie sich an mich und lächelt mich herzlich an.

»Es tut mir leid, Carter. Wir sind Frauen und wir werden manchmal etwas zickig und aufgedreht und verrückt.
Wenn du dich davon nicht stören lässt, dann bist du, ebenso wie deine Großmutter natürlich, herzlich zum Essen eingeladen.«

Ich sehe von Miss Vine zu Leo, die an der Hose ihrer Mutter zupft und um ihre Antwort bittet und dann zu Amanda, die mit ihrer großen Packung Eis an der Küchenzeile lehnt und fragend einen zweiten Löffel in die Luft hält.

Ich grinse sie an. Und als sie das erwidert, steht meine Entscheidung fest.

»Ich bleibe gern.«

Und so kommt es, dass wir meine Großmutter ebenfalls zum Essen einladen und ich mit den vier Frauen am Esstisch sitze und das Gekochte genieße. Die Gespräche sind ausgelassen, vertraut und familiär. Amanda und Grandma sitzen neben mir.
Miss Vine neben Leo, die zu ihrem Bedauern das Gemüse alleine essen muss, gegenüber.
Es wird gelacht und getratscht und sich geschwisterlich aufgezogen, weil Amanda freitags anscheinend essen darf, was sie will.
Während wir anderen Kartoffeln und Blumenkohl genießen, kratzt sie in der großen Eispackung, hat die Haare zu einem Dutt hochgebunden und lässt sich mit geschlossenen Augen das Eis auf der Zunge zergehen, ganz zur Empörung ihrer Schwester.

Nach den Horror-Geschichtsstunden finde ich das nur fair.
Ich kann verstehen, warum Amanda den Freitag über nichts mehr tun und machen will, sobald sie aus der Schule kommt. Sie hat heute unglaubliches geleistet.
Sie und Kilian haben nicht übertrieben. Sie sind wirklich herausragend gut, was Geschichte betrifft. Unglaublich.

Ich erfahre alles über Rosies Freitag. Miss Vine packt einige Geschichten aus. Sie ist mir gegenüber nicht verhalten. Und ich mag sie außerordentlich. Sie ist einfach freundlich.

Wir sitzen lange zusammen.
Irgendwann aber verschränkt Amanda ihre Hand mit meiner unter dem Tisch und zieht mich hinter sich her aus der Küche in das geräumige Wohnzimmer des Hauses.

Eine große graue Eckcouch nimmt den Raum um blassblaue Wände und die Terrassentüren ein.
Große Familienbilder behänden die Wände, ebenso wie ein Flachbildschirm, den das blonde Mädchen ohne weiteres einschaltet.

Sie spricht nicht mit mir.
Aber als sie Popcorn aus dem Schrank holt und es mit Gummibärchen und Chips in verschiedene Schüsseln schüttet und sie mich dann auf die Couch zieht, braucht es auch keine Worte.
Ich weiß, was sie tun will und mein Herz fliegt mir aufgeregt davon, weil ich begeistert bin.

Sie ist schüchtern, wenn es um ihre Wünsche und Worte geht. Das werde ich ihr irgendwann noch austreiben.
Aber jetzt ist das nicht nötig.

Ich setze mich kommentarlos neben sie und ziehe sie an mich.
Denn auch wenn wir uns nicht lange kennen, fühlt sich das einfach richtig an.

Sie – in meinen Armen.

Ihr scheint es ähnlich zu gehen. Sie lehnt ihren Kopf an mich, holt das Popcorn vor unsere Nasen und beginnt irgendeinen Film auf den ich mich nicht konzentrieren kann, weil sie mir alle Aufmerksamkeit stiehlt.

Du bist bezaubernd, meine Rose.

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Hello,
ich hoffe euch hat das Kapitel aus Carters Sicht gefallen.

Findet ihr es richtig, wie Amanda wegen der Handynummern reagiert hat?
Und was sagt und haltet ihr über/ von Carter?

Liebe Grüße

E.Sch.

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