12|| SELBSTZWEIFEL UND KÖNIGINNEN
Amanda
Ich erwache durch etwas Flauschiges, dass auf und nieder gegen meinen Kopf schlägt. Stöhnend lege ich meinen Kopf zur Seite nur um dann zu blinzeln und in die gelangweilten Augen meiner Katze zu sehen.
Als sei sie noch nie im Leben so gestört von mir gewesen, sieht sie mich mit geschlitzten Augen an und maunzt mir ein »Verpiss dich endlich!« zu.
Ich stöhne ein zweites Mal und drehe mich weg von ihr.
Wieso muss Morle mich immer wecken?
Ich schließe die Augen wieder. Ich bin todmüde und das nicht, weil ich zu wenig geschlafen habe, sondern viel zu viel.
Mein Kopf fühlt sich an, als hätte er sich noch weiter ausgeschaltet, als er es sonst immer tut.
Ich kann mich an nichts erinnern. Meine Gedanken und mein Gedächtnis sind verschwommen und ich vergesse, wo oben und unten ist.
Gegen Morles Willen wickle ich mich zurück in das Kissen und meine Decke und bleibe liegen. Das Bett ist einfach viel zu bequem und irgendwie riecht es heute auch noch gut.
Irgendwie ... nach Carter.
Ich blinzle perplex. Dann richte ich mich auf und setze mich aufrecht im Bett auf.
Nach Carter?
Erst jetzt fällt mir auf, dass ich in meiner Jeans und dem Top von gestern geschlafen habe. Meine Schuhe stehen neben dem Bett und meine Jacke liegt ordentlich gefaltet über der Lehne meines Schreibtischstuhls.
Irgendetwas stimmt nicht.
Und als ich den Hoodie entdecke, der um meinen Arm verwickelt auf dem Bett liegt, weiß ich auch, was es ist.
Scheiße?
Wie spät ist es?
4:37 Uhr zeigt mir mein Radiowecker und verhöhnt mich spitzbübisch.
Ich starre aus dem Fenster.
Die Sonne ist nirgends zu sehen. Ich habe noch Zeit.
Wie von der Tarantel gestochen springe ich vom Bett und schnappe mir Morle, um sie vor die Tür zu setzen.
Sie faucht unzufrieden, aber ich kann ihr Geklopfe beim Hausaufgabenmachen wirklich nicht gebrauchen.
Gestresst rase ich zum Schreibtisch, danke Carter im Stummen, dass er meinen Ranzen ebenso wie mich in mein Zimmer transportiert hat und ich somit keinen großen Radau durch das Haus machen muss.
Eilig hole ich meinen Schulplaner aus dem Rucksack und schnappe mir Stift und Papier um die überschlafenen Hausaufgaben zu machen, die ich in ein paar Stunden auf dem Tisch liegen haben muss.
Richtig konzentrieren möchte sich mein Körper allerdings nicht. Hellwach schweifen meine Gedanken immer wieder zu dem Jungen hinter den Gardinen im Haus nebenan.
Hat er mich hier hoch getragen?
Oder doch Daddy?
Oder bin ich diesen Weg sogar noch eigenständig gelaufen?
Wegen des Hoodies, der auf meinem Bett thront, gehe ich davon aus, dass Carter zumindest in meinem Zimmer war. Aber wieso hat er mir seinen Pullover da gelassen?
Die schamhaftesten Gedanken kommen mir in den Sinn und mir steigt die Röte in die Wangen, ohne das ich weiß, ob irgendetwas von meinen Hirngespinsten wahr ist.
Habe ich mich an Carter geklammert?
Habe ich ihn losgelassen?
Habe ich im Schlaf geredet?
Ich bin auf dem Rückweg eingeschlafen. Diese Erinnerung kommt langsam zurück.
Ich war ... eifersüchtig und irgendwie genervt von den himmelnden Blicken meiner Mitschüler, die den ganzen Tag auf Carter gerichtet waren.
Dann hat er uns nach Hause gefahren und ich habe ihn von hinten umarmt.
Er hat meine Finger gestreichelt!
Als hätten sie diesen Gedanken gehört, beginnen sie zu kribbeln.
So, als wäre Carter noch immer hier und würde sie festhalten.
Ich seufze. Das ist verrückt.
Richtig creepy, dämlich verrückt.
Carter macht sich bestimmt nicht solche Gedanken.
Mit Sicherheit denkt er kein einziges Mal an mich, macht kein Drama aus uns und hat in England längst seine Königin gefunden.
Ich sollte keine Gedanken an diese Kleinigkeiten verschwenden.
x x x x
»Guten Morgen!«, trällere ich, als Mum zwei Stunden später die Küche betritt.
Sie trägt noch ihren Bademantel und scheint überwältigt von der Situation, dass sie ein wenig in Trance ihre Teetasse annimmt und sich zu mir an den gedeckten Küchentisch setzt.
Da ich heute morgen so früh auf den Beinen war und meine Hausaufgaben sehr bedingt erledigt habe, hatte ich genug Zeit, um mir Kaffee zu kochen und den Tisch für ein Frühstück zu decken.
Eigentlich sind das Dinge, die Mum am frühen Morgen übernimmt. Dementsprechend verwundert muss sie sein, dass ich zum ersten Mal nach siebzehn Jahren ihre Pflichten erledige.
»Guten Morgen, Baby. Du bist schon auf?«
Sie setzt sich zu mir und nippt an ihrem Tee, während sie mich streng von oben bis unten mustert. Sie muss denken, ich sei krank.
Denn das hier ist der zweite Tag an dem ich hellwach am Morgen die Küche betrete und das kommt sonst nie vor.
Nicht an einem Tag, an dem ich Geschichte habe.
»Ja. Nachdem ich gestern den ganzen Tag geschlafen habe, hat sich mein Körper seit zwei Stunden überlegt, dass jetzt auch mal gut ist.«
Ein Grinsen huscht über Mums Gesicht.
Sie weiß irgendwas.
»Du meinst wohl, nachdem du gestern den ganzen Tag in den Armen von Carter geschlafen hast. Ja, ja, Baby, ich weiß, dass er mit Pullover die Treppe hinaufgegangen und ohne Pullover wieder hinuntergegangen ist. Du wolltest ihn nicht loslassen.«
Sie schmunzelt und haucht mir einen Kuss auf die erhitzten Wangen.
Scheiße!
Darum liegt der Pullover von ihm in meinem Bett. Ich habe mich an ihn geklammert.
»Oh, Mum! Wieso erzählst du mir das? Jetzt kann ich vor lauter Scham doch nur versinken. Wie soll ich ihm jemals wieder unter die Augen treten?«
Ich vergrabe meinen Kopf unter meinen Armen und überlege, wie ich schnellstmöglich das Land verlassen und mir einen neuen Pass zukommen lassen kann.
Carter muss von mir denken, ich sei ein kleines Kind!
Wahrscheinlich hat er eine erwachsene und reife Freundin in England, die sich seiner angleicht und nicht halb so kindisch und dumm ist, wie ich es bin.
Wieso bin ich denn überhaupt in seinen Armen eingeschlafen?
Und wieso habe ich mich an ihn gekuschelt?
Hätte ich ihn doch wenigstens einfach losgelassen.
Stattdessen habe ich am besten noch vor mich hingesäuselt und glücklich aufgeseufzt.
So ein Mist!
Was wird er jetzt nur denken?
»Ach, Baby, mach dir um Carter mal keine Sorgen. Er hat gestern stolzer und glücklicher gegrinst, als ich, wenn ich Cornflakes bekomme. Er scheint dich aufrichtig zu mögen und das gefällt mir. Du hast dir das Prachtexemplar eines Mannes ausgesucht und ich will ja nichts sagen, aber dieses Gespür für eine gute Wahl, hast du von mir.«
Sie zwinkert mir amüsiert zu und klopft sich dann auf die Schulter, dass auch ich mit einem Lachen ringe.
Sie ist verrückt! Aber sie ist meine Mom und ich liebe sie grenzenlos.
»Mach mir keine Hoffnungen, Mum«, murmle ich verlegen und betrübt und lehne meinen Kopf an ihre Schulter, »Carter ist total erwachsen und reif für sein Alter. Er ist nett und freundlich zu jedem. Ich wette, er hat seit Jahren eine Freundin und behandelt sie wie einen Goldschatz. Er ist wirklich toll, aber ich glaube nicht, dass er jemals fähig wäre, mehr in mir zu sehen, als mein kleines Teenie-Herz vielleicht in ihm.«
Sie umarmt mich mit einem tröstenden Lächeln. Sie ist meine Mum. Sie weiß, was ich brauche. Aber sie ist keine Hellseherin in Sachen Liebe. Und ein Junge, wie Carter, ist nun mal der Traum von jeder Frau. Und ich bin so normal und schräg, dass ich nie im Leben die eine Frau für ihn sein könnte.
»Ach, Motti. Du machst dir viel zu viele Gedanken. Du bist das hübscheste und süßeste und klügste Mädchen, das ich kenne.
Carter wäre blind, wenn er das nicht sehen würde. Du bist viel wertvoller, als andere Mädchen da draußen. Du hast ein großes Herz, strotzt vor natürlicher Schönheit und bist auf deine Weise einzigartig und perfekt. Zweifle nicht an dir selbst, Baby. Du bist toll. Und jeder Mann, der das nicht sieht und wertschätzt, hat dich einfach nicht verdient. Glaube mir aber, Carter weiß, was er an dir hat. Dabei kennt ihr beiden euch noch gar nicht lang.
Lass der Zeit ihre Zeit und sieh, was sie euch bringt. Ich bin mir sicher, am Ende scheint die Sonne.«
Sie streicht mir die Haare aus dem Gesicht und lächelt mich warm an.
Womit habe ich sie verdient?
»Danke, Mum«, murmle ich leise und lasse mich ein zweites Mal von ihr auf die Wange küssen.
»Es gibt nichts zu danken, Amanda. Ich habe nur die Wahrheit laut ausgesprochen. Und jetzt iss etwas und mach dich fertig. Heute wird ein langer Freitag.«
Damit hat sie sehr recht.
—————
Krisengespräch mit der Mutter, ja, das muss manchmal sein ...
Was glaubt ihr, was Carter von Amanda hält?
Dass sie von ihm angetan ist, stellt sich ja immer mehr heraus.
Habt noch einen schönen Tag!
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