Dritter Shot, 25.08.2021
Dritter Shot
Von Vorträgen und Ermutigungen
Alles öffnete wieder. Das Internet war voller freudiger Menschen, die es gar nicht mehr abwarten konnten, wieder feiern zu gehen und wieder ohne Maske unterwegs zu sein. Alle waren so glücklich, bis auf Timon.
Timon stand missmutig an der Bushaltestelle und hatte gehofft die Quarantäne würde ewig währen. Das hätte er schön gefunden. Einfach in seiner Wohnung sein Studium abschließen, ohne je mit einer Unmenge an fremden Menschen im selben Raum sein zu müssen. Aber die Welt gönnte ihm dieses Glück scheinbar nicht. Er verzog sein Gesicht zu einer Grimasse, aufgrund seines egoistischen Gedankens. Es war gut, dass Corona eingedämmt wurde. Es sind so viele Menschen gestorben und Timon dachte mal wieder nur an sich. Er seufzte und kramte sein Semesterticket aus seiner Laptoptasche hervor, als er den Bus um die Ecke biegen sah. Mit dem vollen Bus, der vor ihn zum Stehen kam, kam auch das gestresste Zusammenziehen seines Magens. Das waren viel zu viele Menschen und er musste da rein. Er schlucke schwer, spürte wie er anfing zu schwitzen und wusste, dass das aktive Wahrnehmen ihn nur noch stärker schwitzen ließ, aber er konnte den Gedanken nicht unterdrücken. Die Bustüren öffneten sich zischend und der Busfahrer sah abwartend zu Timon, der sein Ticket vorzeigte und schnell den Gang in der Mitte des Busses lang ging. Schnell nach hinten, denn da sind meistens Plätze frei. Er hatte kein Glück, alle Plätze waren belegt, also stand er unbeholfen im Gang und versuchte sein Gleichgewicht zu halten, während der Busfahrer über ein Schlagloch nach dem anderen fuhr. Seinen Balanceakt musste er allerdings nicht lange aufrechterhalten, da an einem der zentralen Busbahnhöfe gehalten wurde und ein Großteil der Mitfahrernden hier ausstieg. Natürlich stiegen auch wieder viele ein, aber bevor die neuen Fahrgäste einsteigen konnten, hatte Timon schon einen Sitzplatz. Sitzend waren die Schlaglöcher nicht ganz so schlimm wie stehend und er konnte jetzt doch noch einmal über seine Notizen drüber lesen. Er musste heute einen Vortag halten, in dem größten Vorlesungssaal den die Uni hatte. Im schlimmsten Fall starrten ihn also bis zu 700 Augenpaare an...Kann das nächste Schlagloch den Bus vielleicht ins Weltall katapultieren? Das wäre jedenfalls besser als dieser Höllenvortag. Er zitterte ja jetzt schon, als er seine Karteikarten aus der Laptoptasche zog, um sie noch einmal durchzugehen, wie würde es im dann im Vorlesungssaal ergehen? Dieser Vortag würde sein Ende sein.
Der Bus kam viel zu schnell an der Universität an. Timon steuerte widerwillig auf den Hörsaal zu und versuchte die Menschen, die ihm unterwegs entgegen kamen, möglichst auszublenden. Er vermisste es jetzt schon Onlineveranstaltungen zu haben. Sollte er sich exmatrikulieren lassen, um sich an einer Fernuni anzumelden? Nein. Das würden seine Eltern, nachdem sie ihm jetzt schon vier Monate die Wohnung bezahlten, nicht willkommen heißen. Sie würden das Fernstudium auch sicherlich nicht bezahlen und am Ende musste er sich einen Job suchen. Dann würde seine Mutter ihm wieder vorschlagen kellern zu gehen, weil sie auch Kellnerin gewesen ist und Das würde dir gut tun Timon, du bist doch so schüchtern. Komm mal mehr als dir raus oder Ähnliches würde er von ihr zu hören bekommen und darauf konnte er getrost verzichten. Seine Mutter schien irgendwie nicht so ganz zu verstehen, dass seine Unfähigkeit mit anderen Menschen zu reden nicht sein freiwilliges Verhalten ist. Er würde wirklich gerne so offen sein wie seine Schwester, die dazu in der Lage ist auf Fremde zu zugehen und ein Gespräch anzufangen. Erst gestern hat sie sich mit einem Typen angefreundet, weil sie den riesigen Hund bewundert hat, den er an der Leine geführt hat. Natürlich hat sie sofort nachgefragt was das für eine Rasse ist. Am Ende hat sie knapp zehn Minuten mit dem Jungen geredet, während sie abwechselnd den Ball für den Hund geworfen haben. Als krönenden Abschluss hat sie nicht nur die Nummer des Typen bekommen, sondern gleich eine Verabredung mit ihm ausgemacht. Morgen fand ihr Date mit Oskar statt. Manchmal hasste er seine Schwester dafür, dass sie so einfach mit anderen Kontakte knüpfen konnte. Es war der Neid, der aus ihm sorach, aber trotzdem fühlte er sich neben seiner Schwester mit ihrem riesigen Netz aus sozialen Beziehungen ziemlich, naja, minderwertig irgendwie.
Seine Gedanken brachen ab, als er den Vorlesungssaal erreichte. Jetzt muss er sein Referat halten. Wieder spürte er das ziehende Gefühl des Unwohlsein in seinem Bauch. Es war wie eine kleine heiße Kugel, die in seinem Magen rumrollte und deren Hitze sich seine Speiseröhre hochfrass und ihm das Gefühl gab nicht mehr richtig atmen zu können. Er hasste es. Er hasste dieses Gefühl und noch viel mehr hasste er die Tatsache, dass das Referat nicht mal so lamg war. Es war ein kurzer Vortrag, der zur Studienleistung dazu gehörte. Ein Vortrag über ein zufällig ausgewähltes Thema. Fünf Minuten, mehr nicht. Und trotzdem wollte er am liebsten umdrehen, sich exmatrikulieren lassen und nie wieder dieses Gebäude betreten. Aber das würde er nicht tun. Auch wenn es lächerlich war, dass ausgerechnet er ausgelost wurde ein Referat zu halten und dann auch noch über das Thema Liebe, Partnerschaft und Sexualität. Als wäre es nicht schon schlimm genug ein Referat vor circa 700 fremden Menschen zu halten, nein es musste natürlich auch noch ausgerechnet dieses Thema sein. Und das alles nur weil der Dozent jedes Semester 18 unglücklich Studenten ausloste, die zu den zufälligen Themen Referate halten mussten, weil "Ein Student einfach dazu in der Lage sein muss Vorträge zu halten". Einfach wundervoll. Ebenso wundervoll war, dass Timon, als er sich schön nach hinten setzen wollte, hörte wie der Dozent sagte, dass alle, die ein Referat halten werden, bitte auf das Podium kommen sollen. Also stand Timon jetzt mit 17 anderen Menschen in dem Zentrum des Raumes. Großartig.
Womit hatte er das eigentlich verdient? Fragte Timon sich, während er halbherzig dem ersten Referat zuhörte. Was hatte er je getan? Er gehörte nicht zu dem Teil der Menschheit, die das Niveau senkten, weil sie nicht an Corona glauben. Das Virus war keine Religion, da gab es nichts zu glauben. Es waren wissenschaftlich fundierte Fakten und kein "Die Welt in sieben Tagen erschaffen"-Blödsinn. Timon, hatte nichts gegen religiöse Menschen, aber er selbst weigerte sich einfach zu glauben, dass es einen Gott gibt, der Menschen nach seinem Abbild erschaffen haben soll und diese zum größten Teil einfach überdurchschnittlich dumm sind. Wer Gott spielen will, soll doch bitte intelligente Abbilder erzeugen und wenn die Gottheit das nicht kann, weil sie selbst zu dumm ist, soll sie halt erstmal kein Welterschaffungs-Sims spielen. Timon grinste etwas als die Person, die das Thema Unser Universum hatte, gerade erklärte wie der Urknall zustande kam. Der Urknall war genau die rationale logische Erklärung, die perfekt für Timons Weltbild war. Wissenschaftliche Thesen und Fakten. Und ja: Er war sich dessen bewusst, dass diese These und Fakten in Zukunft vielleicht völlig falsch sein könnten, aber für den Moment erklärten sie die Weltentstehung auf eine Weise, die nichts mit einem göttlichen Wesen zu tun hatte. Außerdem war das Schöne an der Wissenschaft ja, dass sich Sachen veränderten. Thesen können belegt oder widerlegt werden, wohingegen Religion im Grunde immer gleich blieb.
Das Mädchen beendete ihren Vortrag soeben und bahnte sich ihren Weg in die erste Reihe, um sich dort hinzusetzen. Passenderweise wurde ihr Rucksack von gestickten Sternen verziert, die das Sternenbild des Orion bildeten. Auf jeden Fall würde Timon es als dieses Sternbild deuten. Jetzt waren noch zwei Leute vor ihm dran. Das Mädchen, dass gerade ihr Referat über Haare hielt, zog eine Haartönung aus ihrer Tasche, um so die Variation und Freiheit zu unterstreichen, die man bei seinen Haaren haben kann. Timon konnte ihr nicht richtig zuhören, da ihm bewusst wurde, dass er bald dran ist. Ihr Vortag war viel zu schnell zu Ende und das Thema des Jungen der vor ihm dran war, hatte Timon nicht mal richtig mitbekommen.
Viel zu schnell stand Timon alleine auf dem Podium und spürte die Blicke der andern auf sich, als er sich wieder fragte was er getan hatte, um das alles zu verdienen. Bestimmt hatte er in einem vorherigen Leben irgendetwas verbrochen und das hier war die schreckliche Rache des Universums dafür. Er glaubte nicht an vorherige Leben, aber gerade erschien es logisch. Okay, nein war es nicht, aber verflucht er stand vor 700 Menschen und war schon viel zu lange am Schweigen. Mittlerweile musterten seine Kommilitonen ihn verwirrt und er bemühte sich nicht loszuheulen. Wenn er hier in Tränen ausbrechen würde, würde er definitiv die Uni wechseln.
Eine Bewegung aus der ersten Reihe riss ihn aus seinen Gedanken und brachte ihn in die Realität zurück. Der Junge der vor ihm ein Referat gehalten hatte, hielt ein Blatt Papier so, dass Timon es sehen konntest. Auf dem Blatt stand: Du schaffst das!
Shit. Jetzt würde Timon aus einem anderen Grund heulen, aber er riss sich zusammen und startete stattdessen seinen Vortrag. Immer wenn er stockte, sah er zu dem netten Jungen in der ersten Reihe, der ihm aufmunternd zu nickte und ihn stumm lächelnd dazu aufforderte weiterzusprechen. Sein Vortrag war schnell beendet, was zum einen daran lag, dass er vermutlich etwas zu schnell gesprochen hatte und zum anderen daran, dass der Junge in der ersten Reihe so nett gewesen ist. Timon war fertig und jetzt beendete der Dozent die heutige Vorlesung 15 Minuten vor dem eigentlichen Ende, um Feedback zu den Referaten zu geben. Die anderen, nicht davon betroffen Studenten, verschwanden sofort aus dem Vorlesungssaal. Timon war froh, dass der Junge in der ersten Reihe auch ein Referat gehalten hatte, denn ansonsten wäre er bestimmt auch verschwunden.
„Hey", raunte der nette Junge, der jetzt nicht mehr in der ersten Reihe saß, ihm leise zu, „ich heiße Max, und du?"
„Timon. Und danke für- also danke, weil- einfach danke."
„Gerne", sagte Max freundlich. „Hast du Zeit und Lust gleich in der Mensa zu essen?" In der Mensa waren ebenfalls unerträglich viele Leute und obwohl Timon sich dessen bewusst war und keine Lust darauf hatte, sagte er ja was Max freudig Lächeln ließ.
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Zu benutzende Wörter:
- [x] Menschheit
- [x] Niveau
- [x] Quarantäne
- [x] Rache
- [x] Realität
- [x] Gedanke
- [x] Corona
- [x] Hund
- [x] Ball
- [x] Verwirrt
- [x] Vermissen
- [x] Liebe
- [x] Haartönung
- [x] Kellner
- [x] Sterne
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Geeeeeeeez. Voll vergessen, dass heute schon der 25ste ist. Erst als die anderen ihre One-shots hochgeladen haben, hab ich das realisiert. Aber da ich den ganzen Tag mit Unisachen beschäftigt war, konnte ich erst um 21:14 Uhr anfangen zu schreiben und das ist dabei rausgekommen xD
Eigentlich wollte ich noch mehr Beziehung zwischen Timon und Max aufbauen, aber da hab ich keine Zeit für, weil es 23:24 ist und ich keine Zeit mehr habe, da ich hier nochmal drüber lesen muss, bevor ich es hochladen kann. Mit Sicherheit werden hier viele Fehler drin sein.
Und sorry, dass ich erst jetzt hochlade.
Schaut auf jeden Fall bei missladyzombie und Nee_chan_ffs vorbei, denn die haben im Gegensatz zu mir früher angefangen und bestimmt mega nice Storys aus diesen Wörtern gemacht.
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