Der Umgang mit Trauer

Im ersten Moment bist du starr. Du hast gerade eine neue Information bekommen und irgendein Teil des Gehirns versucht sie gerade zu verarbeiten. Jemand ist gestorben. Jemand den du kennst – ja, den du gern hattest. Wirklich realisiert hast du es noch nicht. Schließlich ist es seltsam wenn ein Mensch, der irgendwie schon immer da war, weg ist, oder nicht? Dann merkst du wie deine Augen brennen und auf irgendeine Weise fließen Tränen. Sie wollen gar nicht aufhören zu fließen. Die Erwachsenen rennen wiederum schon hektisch umher. „Wir müssen die Beerdigung planen… Todesanzeige in der Zeitung…“ Und du merkst, dass dein Vater weint. Du hast ihn eigentlich noch nie weinen sehen. Er ist doch stark oder nicht?

Du machst alltägliche Dinge und scheinst stark und unberührt. Doch manchmal da nistet sich dieser kleine hässliche Gedanke in deinen Kopf, dass jemand nicht mehr da ist und auch nicht wieder kommen wird. Nie wieder. Und betroffen sitzt du da, denkst nach, und ja vielleicht fließen auch Tränen, aber das ist nicht unbedingt nötig – schließlich tut es auch so schon genug weh. Bist du vielleicht doch nicht stark?

Die Vorbereitungen sind in vollem Gange und die Erwachsenen planen. Doch irgendwie ein großes Ding so ein Todesfall. Ein Sarg muss gekauft werden, die Beerdigung geplant, eine Todesanzeige muss in die Zeitung, eine Wirtschaft wird reserviert, da sich alle ja noch nach der Beerdigung den Magen vollschlagen sollen, nicht? Außerdem sollst du etwas Schwarzes tragen, ach und dort wo der derjenige gewohnt hat, muss ja auch noch alles weggeräumt werden. Das alles geschieht um dich herum. Deine Eltern nehmen sich sogar mehrere Tage frei für das Alles. Sind sie wirklich so stark?

Dann kommt der Tag der Beerdigung. Alle sitzen in den Bänken und vorne steht der Sarg, daneben ein riesiges Foto des Verstorbenen- achja und Blumen. Als ob die alles verbessern würden. Anfangs versuchst du noch nicht zu weinen, tapfer starrst du auf die Blumenarrangierungen, nicht in das Gesicht der Leute, welches dir nur noch mehr die Situation bewusst macht. Betroffen sehen sie dich an. Dich und deine Maske. Und irgendwann ist es dir einfach nur noch egal und du weinst. Weinst, weil eine geliebte Person gegangen ist. Weinst, weil du weißt, dass derjenige nicht einfach wiederkommt wie von einer langen Reise. Weinst wegen der wirklich blöden Situation. Was die Leute wohl denken. Noch so jung, so sensibel und so naiv- ja, bist du das nicht, du kannst dich ja gar nicht zurück halten mit dem Weinen. So schwach wie ein dürrer Grashalm, der durch den Wind einknickt. Der Pfarrer redet vorne etwas über den Verstorbenen, ab und an blickt er zu deiner Bank mit deiner Familie, du versuchst dich auf die Worte von ihm zu konzentrieren und manchmal klappt das auch. Dann wird der Sarg weggetragen, du stehst auf und läufst zum Friedhof. Hast eine Blume in der Hand, welche du später in die Grube werfen wirst. Die Grube in welche der Mensch liegt, den du mochtest.

Asche zu Asche, Staub zu Staub. Du wirfst die Blume auf den Sargdeckel, welcher wiederum mit Blumen geschmückt ist. Danach schaufelst du ein bisschen Erde aus einem Eimer und wirfst jene auch noch darauf. Dann wenn du zurück läufst und vor der Kirche noch alle zusammen reden, weinst du nicht mehr. Keine Ahnung weshalb, aber irgendwie hast du aufgehört. Dann kommen die ersten, drücken deinen Eltern ihr Beileid aus und zeigen manchmal noch auf eine Schale mit Blumen auf der Kirchentreppe (- die örtliche Gärtnerei freut sich bestimmt über den großen Umsatz). Dann kommen sie noch zu dir, schütteln dir die Hand und sagen tonlos – manchmal auch mit ein wenig Mitleid- „Mein Beileid“. Du siehst sie mit deinen vom Weinen ein wenig brennenden Augen an und drückst ein „Danke“ hervor. Natürlich meinen sie es alle nur gut, aber trotzdem denkst du dir nur: Diese herzlichen und überaus bedacht formulierten Worte werden mir sicherlich helfen – nicht. Du blickst nochmal herüber zu deinen Eltern und zu deiner Schwester – alle haben Taschentücher in den Händen und irgendwie hat sich bei dir auch wieder eine Träne durchgekämpft. Natürlich kommt das alles jetzt ziemlich sensibel und schwächlich herüber. Natürlich Weinen wird doch sofort mit Schwäche verbunden. Ist es nicht besser einfach alles von sich wegzuschieben? Die grauen Gedanken einfach in eine Kiste zu bannen und jene in die dunkelste Ecke deines Gehirns zu verfrachten? Ich denke, dass das in Wirklichkeit schwach ist, denn Wegrennen war noch nie eine allzu gute Lösung, denn wer weiß wann du überholt wirst.

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