f i f t e e n (pt 1)

Der ohrenbetäubende Schuss ertönte und es klirrte in seinen Ohren. Ohne es zu wollen schaute er hinter sich, zu seinen Freunden, um zu sehen, wen es diesmal erwischt hatte. Komischerweise kippte keiner um oder stöhnte solange, bis das Licht seine Augen verließ. Er atmete auf.

Sie lebten alle. Sie schauten ihn genauso geschockt an, wie er sich fühlte doch sie lebten und er auch. Sie hatten Glück gehabt. Schnell schaute er sich um. Versuchte, die Ursache des Schusses zu finden und zu lokalisieren. Doch egal wie genau er sich umblickte, die Quelle des Schrecken ließ sich nicht ausfindig machen. Vielleicht war ja auch nur einer seiner Kollegen am Gewehr Lauf abgerutscht. Er war zu müde, um jetzt darüber nachzudenken. Erschöpft sank er wieder zu Boden.

Nachdem er seinen Herzschlag einigermaßen unter Kontrolle gebracht hatte, nickte er den Männern kurz zu, um zu signalisieren, dass sie bald weiter müssten. Die graue, gefährlich breite Straße nahe Libanon lag vor ihnen. Sie war überhaupt nicht befahren. In normalen Zeiten konnte man sich wegen den Autos nicht trauen, einen Schritt auf sie zu wagen, doch jetzt lag es am Krieg. Syrien hatte es in den letzten Jahren immer wieder schrecklich getroffen. Der Bürgerkrieg, der wirtschaftliche Notstand und schließlich die Anschläge des IS in anderen Ländern hatten diese Notsituation ausgelöst. Doch er hatte kein Mitleid mit ihnen. Mit niemandem, hier ihn diesem verdammten, toten Land.

Mit dem Arm wies er jetzt auf die Straße. Die alten, nur noch mannshohen Häusermauern, hinter denen sie sich schon eine Weile verschanzten, boten langsam keinen Schutz mehr für sie. Ein Stück hinter dem breiten Stück Asphalt lag ihre Hoffnung: ein scheinbar verlassenes Industriegebäude. Es war sehr hoch und bot viele Verstecke. Vor allen Dingen für die Nacht, die in einer guten Stunde anbrechen würde, brauchten sie endlich einen Unterschlupf.

Seine Kameraden waren müde, genauso wie er, doch nickten tapfer. Er war der Leiter seiner Gruppe und spürte die große Verantwortung dauernd unangenehm schwer auf seinen Schultern liegen. Am Anfang der Mission, der jetzt schon einen Monat zurück lag, waren sie viel mehr gewesen als jetzt. 25 Männer an der Zahl, gute Bekannte von ihm. Jetzt waren sie noch 14. Elf hatte er, hauptsächlich in der vergangenen Woche, sterben sehen. Sein Kopf war zugedröhnt mit den Bildern und er konnte nicht mehr aufhören, sie abzuspielen. Es war die Hölle.

Er konzentrierte sich wieder auf den Augenblick. Wenn sie schnell genug wären, könnten sie es in weniger als zwei Minuten schaffen. Noch einmal scannte sein Blick die Umgebung. So gründlich wie möglich überprüfte er die Schatten hinter den vereinzelten, verdorrten Büschen und den meterhohen Gesteinsbrocken. Es war zu riskant. Er entschied sich für eine Aufteilung in zwei Gruppen. Die erste, inklusive ihm, würde die Straße überqueren, das Gebiet und das Gebäude sichern, und anschließend würde die andere Gruppe folgen. Ja, so würden sie es machen.

Still wies er auf sechs der Männer und sich und erklärte ihnen ohne Worte, wie er vorgehen würde. Die Ausgewählten nickten nur und auf sein Handzeichen erhoben sie sich und huschten auf die Straße zu. Er lief vorne, blickte sich ständig um und untersuchte das Umfeld. Sie waren still, schnell und unauffällig wie Schatten. Kein Geräusch war zu vernehmen. Gleichmäßig bewegten sie sich vorwärts, beständig und scheinbar unaufhaltsam.

Doch dann wurde das Feuer eröffnet. IS Kämpfer mit schwarzen Sturmmasken und riesigen Gewehren tauchten überall vor seinem Auge auf und feuerten blindlings, wo sich etwas bewegte. Das Gebäude war nicht verlassen gewesen. Es war seine Schuld. Es war seine Schuld. Es war seine Schuld. Es hallte durch seinen Kopf und neben ihm sah er seine Freunde massenweise zu Boden fallen. Hinter sich hörte er Schreie und schließlich auch Schüsse. Die zweite Gruppe hatte begonnen, sich zu wehren. Gut.

Bevor er jedoch in dieser Sekunde richtig anfangen konnte, nachzudenken, hörte er schon einen Schwall weiterer unzähliger Schüsse und spürte den zuerst hohlen und dann wahnsinnig machenden Schmerz in seinem Bein. Er hob sein Sturmgewehr, feuerte noch einige blinde Schüsse in grober Richtung der Angreifer ab und fiel dann zu Boden, zu seinen toten Kameraden. Auf den Friedhof, der ihn schon nach diesen wenigen Sekunden umgab.

Der Schmerz war unerträglich. Sein Blick war vernebelt. Er versuchte sich zu orientieren und die schwarzen Punkte am Rande seines Blickfeldes so schnell wie möglich zu verdrängen. Er schaute hinab auf sein Bein und sah Blut. Es rann sein Knie hinab und fiel neben ihm auf das Gesicht seines besten Freundes Thomas. Er stöhnte und versuchte sich wegzudrehen. Diesem Anblick konnte er nicht mehr standhalten. Es war seine Schuld. Er hatte diesen Bodentrupp vorgeschlagen. Luftattentate zeigten einfach keine Wirkung bei einer solche organisierten Vereinigung wie der IS. Er war Schuld. All diese Tode, auseinander gerissene Familien, verlorene Freunde. All dies war seine Schuld.

Im Hintergrund konnte er noch dumpfe Schüsse und Schreie vernehmen. Dann sank sein plötzlich Blei schwerer Kopf auf den staubigen Asphalt und er fiel in eine unglaublich tiefe Dunkelheit.

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Wichtig: Das hier ist nur der erste Teil dieser Kurzgeschichte. Nächsten Sonntag kommt der zweite Teil davon! Wäre ziemlich lang geworden, wenn ich alles in einen Part gepackt hätte ;)

Ich hoffe wie immer sehr auf Feedback! Dankeschön für jegliche Rückmeldungen, egal ob in Form einer Abstimmung oder einem Kommentar :)

Fühlt euch gedrückt. xx

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