Spiegel

Meine Augen fixieren ihr Ebenbild im Spiegel. Die Person, die ich da sehe bin ich, aber stimmt das wirklich. Kann ich mich selbst sehen? In wessen Gesicht schaue ich wirklich? Das Mädchen vor mir lächelt. Es ist glücklich und hat die besten Freunde der Welt. Nie gibt es einen Tag an dem sie nicht lacht oder einen Witz macht. Lehrer beschreiben sie als offene, herzliche und höfliche Person mit einem großen Verständnis für ihr Umfeld. Zudem ist sie sehr schön. Ihre Züge sind durch das Lachen einfach perfekt, fröhlich und ihre Lippen strahlen in einem gesunden Rot. Jungen schauen ihr nach und dann bekommen sie die Meinung ihres Freundes zu hören. Ihr Leben ist einfach perfekt. Heile Familie, Freunde, eine glückliche Beziehung, keine Probleme in der Schule, eine Standardvergangenheit. Das ist das Mädchen, das ich sehen kann, aber die Augen, die zurückstarren, erzählen eine andere Wahrheit. Sie sind trüb und matt. Gebrochen. Ihre Geschichte ist anders, als die des glücklichen Gesichtes um sie herum. Der Blick, den sie einem zuwerfen berichtet von eine Vergangenheit, die ihren Stolz gebrochen hat. Man kann in ihnen noch die vielen Wunden von Schlägen und Tritten sehen, die ihr Körper schon lange verdrängt hat. Ihr Seele hat die Abdrücke behalten. Die Worte, die ihr an den Kopf geworfen wurden, kann man noch hören. Die Beleidigungen, die Beschimpfungen. Die Angst, die sie empfunden hat, ließ ihre Gefühle zu Eis erstarren und ihre Fassade entstehen. Das Lachen wirkt unecht, die Freunde sind falsch und sie vertraut ihnen nicht. Ihre Hilfsbereitschaft hat sie nur, um anderen nicht ihre Probleme erzählen zu müssen. Ihre Gedanken sind stets abwesend. Jeden Tag, wenn sie hier steht, in den Spiegel schaut und ihr lächelndes Ebenbild sieht, wird sie sich darüber bewusst, dass es ihre Schuld ist. Sie hätte brav sein müssen, dann wäre ihr auch nichts passiert. Jetzt muss sie die Konsequenzen tragen. Jeden Tag. Make-Up und die äußere Hülle ist perfekt. Zuhause zieht sie sich in ihren Körper zurück und muss so die Schmerzen und die Erniedrigung nicht spüren. All das ist ihre Schuld. Das sagt ihr Vater doch immer. Sie müsste doch nur brav sein. Die Narben an ihren Unterarmen zeigen, dass sie fliehen will es aber nicht schafft. Blasse lange Narben. Gerade, aber Wunden, die nicht tief genug waren. Ein Hauch Unsicherheit. Jeden Tag eine neue Entscheidung. Spielen oder gehen. Jeden Tag, das gleiche Ergebnis. Spielen mit einem Gedanken zum Gehen. Hoffen? Vielleicht. Spielen. Das sehe ich. Eine perfekte Schauspielerin.

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