Eiskalt

Der Wind ist eiskalt. Er schneidet in meine Haut. Kleine Eiskristallle wirbeln durch die Luft und mein Atem bildet weiße Wolken aus winzig kleinen Wassertröpfchen. An meinen feuchten Wimpern wachsen mikroskopisch kleine Eiszapfen und die Tränen auf meiner Wange erstarren langsam zu Eis. Ich habe mein Zeitgefühl verloren. Meine zerschundenen nackten Füße kann ich nicht mehr spüren, aber der Schnee färbt sich noch immer rot. Warm rinnt das Blut über meine Arme und über meine Beine und wo es trocknet scheint meine Haut zu erfrieren. Meine Finger schmerzen, so stark haben sie sich in meinen Armen festgekrallt. Die klare kalte Luft um mich herum bringt mich zum zittern. Der dünne Stoff meines Nachthemdes kann mich vor dieser beißenden Kälte nicht schützen. Wie in Trance setzte ich langsam einen Fuß vor den anderen. Jeder Schritt schmerzt, als würde ich über Scherben laufen, doch es ist mir egal. Es gibt einen Schmerz, der viel schrecklicher ist. Es gibt eine Wunde, die viel tiefer ist. Mein Herz blutet. Verrat zu verkraften, ist für mich unmöglich. Niemals hätte ich geglaubt, dass Menschen zu schrecklich und grausam sein können, doch jetzt weiß ich, dass ich einfach nur ein naives Mädchen gewesen bin. Ohne Fragen habe ich ihm vertraut. Habe ihm all meine Geheimnisse anvertraut, in dem Glauben an ein bisschen Glück und Frieden in meinem Leben. Deshalb verspüre ich auch extremen Hass auf mich selbst. Wie konnte ich nur so dumm sein? Geradezu kindlich dumm. Ich habe alles missachtet, was mir gelehrt wurde. "Vertraue niemandem", hat mein Mentor immer gesagt. Ich musste den Satz so oft wiederholen, dass ich ihn im Schlaf hätte aufsagen können und doch habe ich ihn missachtet. Als Botin im Krieg ist Vorsicht überlebenswichtig, doch ich habe auf mein Herz gehört und nicht auf meinen Kopf. Dafür bezahle ich jetzt. Fehler werden immer bestraft. Er würde dafür jedoch auch bezahlen. Man sagt meiner Familie ja die Rachsucht nach, doch bei uns kennt man Rache unter einem anderen Namen. Man nennt sie Gerechtigkeit. Meine verkrampften Finger lösen sich von meinen aufgekratzten Armen. Ich kann das Glühen meiner Augen nicht sehen, aber ich weiß, dass sie jetzt aussehen wie funkelnde Eiskristalle. Ich schnippe mit den Fingern. Ein breites Grinsen breitet sich auf meinem Gesicht aus, als der gesamte Militärsstützpunkt zuerst in Flammen aufgeht und dann schlussendlich, als die Feuerzungen den Gastank erreichen, explodiert. Niemand überlebt eine Explosion von solcher Kraft. Mein Auftrag ist vollendet und alle Beweise vernichtet. Mit ihnen verschwinden auch die Erinnerungen. Jedenfalls hoffe ich das.

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