Tanzende Blätter im stürmenden Wind. Ein Meer aus bunten Farben auf der Straße. Lautes Rascheln bei jedem Schritt. Kastanien liegen überall auf dem Boden, manche noch in ihrer stacheligen Hülle. Kleine winzige Figuren kann man aus ihnen bauen. Tiere sind es meistens. Katzen oder Igel, wenn man noch Streichhölzer anklebt. Zusammen mit meiner Schwester vergrub ich mich im Laub. Wir krochen durch die Flut aus Braun, Gelb und Rot. Stellten uns vor, wie wir uns an etwas anschließen und uns auf es stürzten. Manchmal war es unser Vater, der sich als Opfer bereitstellte. Lachend sind wir aus der Blätterschicht gesprungen und hingen dann an seinen Armen. Theatralisch hat er sich zu Boden gestürzt und gerufen, wer denn da sei. "Wir sind die Piraten des Drachenmeeres!", hatte meine Schwester geschrien und geknurrt, "Wir haben eine ganze Armee von schimmernden Drachen hinter uns. Gebt auf!" Mit ihren kleinen, kurzen Ärmchen deutete sie auf all die gefallenen Blätter am Boden. Vater tat so, als würde er kapitulieren und wenn sie nicht damit rechnete, dann drehte er sich um und kitzelte sie solange, bis sie vor Lachen kein Wort mehr heraus bekam. Es klang wie das Leuten von Glocken zur Weihnachtszeit. Noch immer hallt es in meinen Ohren wieder. Ich kann mich an all den Spaß und all die Freude erinnern. Alles ist noch da. Das Lachen meiner Schwester, mein Vater, der jetzt mit seinen Enkeln spielt. Nur eines fehlt. Die Allee vor unserem Haus. Keine Blätter liegen mehr auf der Straße, keine Kastanien können mehr gesammelt werden. Man hat die Bäume gefällt, um eine breitere Straße bauen zu können, damit die riesigen LKW durch den Vorort fahren können. Die gigantischen Trucks, die unsere Umwelt noch mehr verschmutzen als sie schon ist. "Papa?" Die Stimme meiner kleinen Tochter reißt mich aus meinen Gedanken. Sie hat überall Dreck im Gesicht, aber sie lächelt. Anscheinend hat sie Spaß. "Ich komme", antworte ich und lasse mein Blick noch ein letztes Mal über die nun saubere Straße gleiten.