20 Tage
~ 1 ~
20 Tage. Was sind schon 20 Tage? In 20 Tagen reist man nicht um die Welt. Man verliebt sich nicht. Man heiratet nicht. Man bekommt keine Kinder. Man macht keinen Abschluss. Das Einzige, was man tun kann, ist darüber nachzudenken, wie kurz dieser Zeitraum ist. Alle meine Träume und Ziele werden niemals Wirklichkeit werden.
~ 2 ~
Jeden Tag werde ich jetzt gefragt, wie es mir geht. Sie tun fast so, als könnten sie so 21 Tage daraus machen. Sie wissen doch, dass so das Leben nicht spielt.
~ 7 ~
Meine "Freunde" sprechen jeden Tag mit mir; bemitleiden mich. Am liebsten würde ich sie dafür töten. Warum eigentlich nicht? Ich habe nichts mehr zu verlieren. Nein. Ich möchte nicht als Verbrecher sterben. So bin ich nicht und ich will es auch bis zu meinem letzten Atemzug nicht sein.
~ 11 ~
Meine Familie leitet jede Therapie in die Wege, die ihnen irgendwie hilfreich erscheint. Ich schlucke Tabletten, lasse Spritzen über mich ergehen und trage eine Sauerstoffbrille. Eigentlich weiß ich ganz genau, dass es nichts bringt, aber ich möchte ihnen nicht die letzte Hoffnung zerstören, die sie noch haben. Vielleicht wäre es sogar besser, es ihnen zu sagen, aber ich bringe es einfach nicht über mich.
~ 13 ~
Aus meiner Klasse ahnt niemand, dass sie mich in drei Wochen nicht mehr sehen werden. Hier habe ich noch wahre Freunde. Nicht die, die in meiner Nachbarschaft wohnen und behaupten meine engsten Vertrauten zu sein. In der Schule kann ich ich selbst sein und das, bis zum Ende meines Daseins. Irgendwann werde ich es ihnen sagen, aber nicht solange es noch Momente gibt, in denen ich durch sie vergessen kann, dass ich todkrank bin. Wenn sie nur wüssten, wie viel sie mir damit schenken.
Deshalb habe ich angefangen zu schreiben. Es ist ein kleines Buch, in das ich alles hineinschreibe, was mir durch den Kopf geht. Hiermit möchte ich mich bei so vielen bedanken. Danke an meinen wahren Freunde, die immer für mich da waren und es noch immer sind. Danke für die schöne Zeit, die ich mit euch erleben durfte. Danke auch an meine Familie, die bis zum Schluss nicht aufgibt und noch immer an das Gute auf der Welt glaubt. Danke an die Ärzte, dafür, dass sie ehrlich mit mir waren. Danke an alle die Worte auf dieser Welt, ohne die ich niemals hätte zeigen können, was mich berührt und bedrückt.
~ 17 ~
Es gibt noch etwas, das ich tun muss. Ich will mich verabschieden. Jedem einzelnen möchte ich auf wiedersehen sagen. Niemand soll sich einsam fühlen, wenn ich sterbe. Auf meiner Beerdigung kann ich niemandem sagen, er solle nicht weinen, aber ich möchte, dass man sich auch mit einem Lächeln an mich erinnert. Wenn sie meinen Namen hören, sollen sie an all das Schöne denken, dass von mir ausgegangen ist. Es ist nicht viel, aber ein Licht in der Dunkelheit des Todes.
~ 18 ~
Ich habe einen einzigen wirklichen Wunsch: Ich möchte nicht im Krankenhaus sterben, angeschlossen an hunderte Geräte. Mein Leben soll so enden, wie ich es mir wünsche. Vor mir liegt ein Ticket nach Australien. Es ist ein One-way Flug. Ich wollte schon immer den roten Sand im Outback sehen. So möchte ich sterben. Der Staub unter meinem Körper und die brennende Sonne im Gesicht. Weit weg von allem, was mich fürchten lässt. Mein Buch lasse ich hier. Jeder soll es lesen. Das hier ist mein letzter Eintrag, dennoch weiß ich, wie ich mich an Tag 20 fühlen werde. Ich glaube nicht an ein Leben nach dem Tod, aber sollte es doch eines geben, werde ich euch alle wiedersehen. Irgendwann.
~ 20 ~
20 Tage sind genug Zeit, um zu denken. Genug Zeit, um zu leben. Genug Zeit, um zu entscheiden. Eins habe ich in diesen wenigen Tagen geschafft : ich bin erwachsen geworden.
Hey ihr Lieben. Mal wieder eine Geschichte ohne Happyend, aber das seid ihr ja mittlerweile schon gewöhnt ;).
GLG miracleworld
(ich bin mir nicht ganz sicher, ob das deutlich wird, aber die Zahlen sind die Tage und es soll eine 'geistige' Entwicklung zu sehen sein)
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