drowning in expectations

Inspiration: premade von LjiljanaM

Iwi hat mich dein Premade nicht losgelassen, und da ich gerade keine Zeit für ne Geschichte habe, aber dieses Kurzgeschichten-Buch hier, dachte ich mir so: warum nicht ne kleine Szene schreiben, die mir gerade in den Kopf kommt?
Well, hier ist sie, hoffe, sie gefällt dir, LjiljanaM ☺️

-----------------------------------------------------------

"Erkennst du das etwa nicht?"

Mit verständnisloser Miene und wütend funkelnden Augen starrte er sie an. Diese blauen Augen hinter der nerdigen Brille, die sonst immer so freundlich blickten, waren nun so völlig anders. Nicht nur zornig. Nein. Sie sah in ihnen auch Enttäuschung. Und Traurigkeit.

Sie verstand nicht, wieso.

"Sie behandeln dich falsch!", machte er weiter, der Körper angespannt, die Fäuste geballt, als wollte er am liebsten auf etwas einschlagen.

Sie wusste, wen er gern als Boxsack verwenden würde. Sie kannte diese Person. Kannte sie sehr gut.
Und diese Wut, die aus dem Jungen vor ihr förmlich sprang, dieser Zorn, der eigentlich nur aus Sorge um sie herrührte...der ließ sie in die Verteidigungshaltung gehen.
Sie verschränkte die Arme vor der Brust.

"Das tun sie nicht. Sie lieben mich.", machte sie ihm mit fester Stimme klar.

Doch obwohl sie nach außen hin überzeugt klang, sah es in ihrem Inneren ganz anders aus. Denn dort wohnten ihre Zweifel.
In den finsteren Ecken, diesen zerklüfteten Schluchten ihrer Selbst, dort waren ihre Dämonen zu Hause.

Und die flüsterten ganz grauenvolle Dinge. Schon vor Jahren hatte sie sich angewöhnt, die leisen höhnischen und grausamen Stimmen auszublenden, sie zu ignorieren. Doch in letzter Zeit... in letzter Zeit waren sie manchmal so laut, schrien regelrecht, dass sie es nicht mehr schaffte.

Sie war nicht mehr stark genug.
Vielleicht, weil die Dämonen nun schon so lange an ihr nagten, dass sie die brüchigen Widerstandswälle in ihrem Inneren zerstört hatten.
Sie wusste es nicht. Und sie wollte auch nicht länger darüber nachdenken. Wollte nicht darauf angesprochen werden. Und schon gar nicht darüber reden.

Das war doch sowieso überbewertet. Sie kam schon alleine zurecht. Hatte sie immer. Und würde sie auch immer.
Sie brauchte diesen freundlichen Nerd vor ihr nicht.
Der schüttelte gerade nur erschöpft und traurig den Kopf. So traurig blickten seine blauen Augen sie an. Traurig...wegen ihr.
Sie verstand das nicht.

"Das ist keine Liebe. Keine richtige zumindest. Dabei hast du wirkliche Liebe verdient. Und nicht...nicht diesen Abklatsch, den sie dir als diese verkaufen wollen. Du solltest dich nicht damit zufrieden geben. Du solltest dich nicht weiterhin von ihnen lenken lassen, solltest dein wahres Ich von den Gitterstäben befreien, die sie dir aufzwingen."

Eindringlich und intensiv blickte er sie an. Er meinte die Dinge, die er sagte. Aber...er übertrieb. So war es doch gar nicht...oder?
In ihrem Inneren kicherten die Dämonen gehässig.

Oh doch, genau so ist es, antworteten sie auf ihre unausgesprochene Frage.

Sie lieben nicht dich. Wie könnten sie auch? Du bist es nicht wert, geliebt zu werden. Wenn sie nur wüssten, wie du wirklich bist….sie würden sich sofort voller Abscheu von dir abwenden. Genau deshalb versteckst du dein wahres Ich ja vor ihnen, versuchst alles, um ihre Erwartungen zu erfüllen. Aber selbst das kriegst du nicht hin. Du bist nicht gut genug.

Sie biss die Zähne zusammen, grub die Fingernägel in die Arme, versuchte, diese grässlichen Stimmen zu ignorieren, zu verdrängen. Aber sie waren so laut. So schrecklich, schrecklich laut.
Über deren höhnisches Gekicher hörte sie kaum, was der Junge vor ihr als Nächstes sagte.

Bemerkte kaum den hilflosen, bittenden Blick. Die Arme, die sich entspannten, die Hand, die zögerlich gehoben wurde…als wollte er sie tröstend berühren.
Doch kaum auf halber Höhe blieb seine Hand unsicher in der Luft schweben. Und fiel dann herab. Mit einem leisen, aber tiefen Seufzer und diesem traurigen Blick murmelte der Junge vor ihr leise:

"Ich möchte dir helfen. Aber ich weiß einfach nicht, wie. Bitte sag mir, wie ich dir helfen kann."

Da lag ein Flehen in seinem Blick. Neben verzweifelter Hilflosigkeit.
Es war zu viel. Dieser Blick war zu viel. Sie fühlte sich von ihm in die Enge getrieben. Fühlte, wie dieser Blick sie sah. Mit all ihren Stärken und Schwächen. Wohl eher nur die Schwächen. Denn davon hatte sie viele. So viele. Sie schien nur aus Schwächen zu bestehen.
Aber seit jeher tat sie ihr Bestes, sie zu verstecken.
Sir wollte nicht, dass jemand sie sah. Konnte das nicht zulassen.
Außerdem brauchte sie keine Hilfe. Es ging ihr gut.
Höhnisch lachten ihre inneren Dämonen bei diesem Gedanken auf, doch sie verdrängte sie.

Nein, es ging ihr wirklich gut. Sie kam allein zurecht. Sie brauchte keine Hilfe.
Das redete sie sich ein. Doch sie wusste es besser. Sie kannte die Wahrheit:
Die Angst, sich ihren Problemen zu stellen, war zu groß, als dass sie sie bewältigen könnte.

Aber das wollte sie nicht zugeben - nicht einmal gegenüber ihr selbst.
Sie weigerte sich, der Wahrheit in die hässliche Fratze zu blicken. Sie sah lieber weg und lebte so ihr Leben.
Der Junge vor ihr konnte ihr nicht helfen. Das konnte sie ja nicht einmal selbst.
Und so gab sie ihm die einzig mögliche Antwort:

"Das kann ich dir nicht sagen. Weil man mir nicht helfen muss. Mit geht es gut."

Zwei Lügen. So viele Lügen in ihrem Leben. Manche sagten, die Lügen seien ein Kartenhaus, das irgendwann zusammenstürzen würde.
Sie sah das anders. Für sie waren die Lügen ein Spinnennetz. Etwas, das sie auffing, das ihr Sicherheit gab. Es war ihr Leben.
Und inmitten all dieser Lügen war irgendwo eine Wahrheit versteckt.
Niemand hatte sie bisher entdeckt. Niemand machte sich die Mühe, hinter ihr Lächeln, hinter ihr geschminktes Äußeres und hinter die guten Noten zu blicken.

Alle ließen sich von ihren Lügen blenden.
Außer dieser Junge vor ihr.
Er...er sah hin. Er sah sie. Er sah...einfach zu viel. Viel zu viel.

Eine Zeit lang war es unglaublich erleichternd gewesen, jemandem einen Teil ihres wahren Ichs zu zeigen. Aber sie hätte wissen müssen, dass das Konsequenzen haben würde. Nun wollte er mehr. Und das konnte sie nicht zulassen. Das ging einfach nicht.
Sie hatte einfach zu viel Angst.
Und so tat sie, was getan werden musste.

"Ich denke, es ist besser, wenn wir uns eine Zeit lang nicht mehr sehen."

Sie gab ihm nicht die Möglichkeit, zu antworten. Auf dem Absatz machte sie kehrt und ging.
Und doch hatte sie sich nicht schnell genug umgedreht. Nicht schnell genug, um seine Reaktion zu übersehen. Der Ausdruck auf seinem Gesicht hatte sich in ihren Kopf gebrannt:

Die vor Überraschung aufgerissenen Augen, der zum Protest aufgesperrte Mund, aber vor allem diese Augen. Diese wunderschönen Augen, die nun so verletzt dreinblickten.

Als hätte sie ihn mit ihren Worten mitten ins Herz getroffen. Und zwar mit einem scharfen Messer.
Es sollte ihr egal sein. Es sollte sie nicht kümmern.
Aber das tat es.
Jeder Schritt tat weh, als sie von ihm davon marschierte. Als sie vor ihm floh.

Als hätte sie dieses Messer nicht nur in sein Herz gestoßen - sondern gleichzeitig auch in ihres.
Und nun strahlte der Schmerz  in ihren ganzen Körper aus. Wie ein Feuer raste er über ihre Nervenbahnen.

Er war ihr Freund gewesen. Ein wahrer Freund.
Aber alles hatte sein Ende. Und nun hatte auch diese Freundschaft ein Ende gefunden.

Es ist besser so, sagte sie sich selbst.

Aber auch das war eine Lüge.

Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top