Mai

Love is a dangerous word

"Komm schon, Talosia!" Tariros Stimme hallte blechern durch die Halle des alten Fabrikgebäudes. "Beeil dich, sie haben uns gleich!"

Ich keuchte, war viel zu sehr außer Atem, um etwas zu erwidern. Ich rannte schon, so schnell mich meine müden Beine trugen, aber ich konnte einfach nicht schneller.

"Hier lang! Komm hier rein!" Tariro hielt eine verrostete Tür auf, auf die jemand vor langer Zeit eine Zahl gepinselt hatte. Nur noch die halb abgeblätterte Ziffer einer 3 war zu erkennen.

Ich sprintete durch die Tür, die mein Begleiter leise hinter mir ins Schloss fallen ließ. Fast schon behutsam, ohne einen Laut zu verursachen. "Hoch oder runter?", fragte ich atemlos und schaute die Stufen entlang, die sich an einem Metallgerüst vor mir sowohl in die Höhe als auch in die Tiefe schraubten.

Tariros Augen folgten meinem Blick. ""Runter!", entschied er spontan und übernahm erneut die Führung. "Aber sei leise! Wenn sie uns nicht hören, können wir ihnen vielleicht entkommen."

Auch wieder eine Anweisung, die er mir nicht hätte geben müssen, die ich aber stillschweigend befolgte. Das Gute daran war, dass wir nur noch langsam hinuntersteigen konnten, wenn mir keinen Laut auf den Gitterstufen aus Metall verursachen wollten.

"Vielleicht finden wir einen Ausgang und können uns unbemerkt in eines der Nachbargedäude flüchten", flüsterte Tariro einige Etagen tiefer. Eine Eins in derselben schmutziggrauen Farbe prangte auf einer der Türen, die wir passierten.

Von oben war zum Glück noch immer kein Laut zu hören. Ich nickte. "Meinst du, wir haben sie abgehängt?"

Tariro warf einen prüfenden Blick nach oben, ich hielt inne und lauschte. Er zuckte die Schultern. "Wer weiß. Vielleicht. Wenn wir Glück haben." Energisch zog er mich weiter.

Ein Quietschen unterbrach uns, hallte durch das gesamte Treppenhaus. Ich zuckte zusammen. Direkt vor uns lagen die letzten Stufen, bevor es nicht weiter hinab ging. Tariro streckte bereits die Hand nach der schweren Feuerschutztür am Ende des schmalen Gangs aus. Eilig und möglichst leise schloss ich die letzten Schritte zu ihm auf.

"Was ist? Mach auf!", forderte ich auf.

"Geht nicht", wisperte er und rüttelte am Griff. "Abgeschlossen."

Mein panischer Blick glitt nach oben. "Schaffen wir es hinauf?"

Schritte hallten über die Stufen. Oben waren flüchtige Bewegungen auszumachen. Jemand kam herunter. Er schüttelte den Kopf. "Wir haben keine Zeit! Verflucht!"

Alle Bemühungen leise zu sein, waren vergessen. Tariros schwere Stiefel knallten gegen die Tür. Es schepperte. Die Schritte wurden lauter. "Da unten sind sie!", brüllte jemand.

"Verdammt!" Ein erneuter Tritt gegen die Tür, noch fester. Ein Ächzen. Etwas knackte am Schloss. Prüfend streckte Tariro seine Finger aus und tatsächlich. Ein schmaler Spalt tat sich vor ihm auf.

In Windeseile schlüpften wir hindurch, schlossen die Feuerschutztür hinter uns und blickten uns um. Vor uns lag eine alte Lagerhalle, leer und verlassen, düster und staubig. Durch die halbhohen Deckenfenster flutete ein wenig Licht ins Innere, gerade genug, um zu erkennen, dass wir hier kein Versteck finden würden. Außerdem war dazu keine Zeit, die Bots und die Robocops waren uns auf den Fersen.

"Schnell, dahinten!" Tariro packte mich am Arm und zog mich mit sich. Er steuerte die erste Tür auf der gegenüberliegenden Seite an. Etwas schepperte. Jemand machte sich offensichtlich an der Feuerschutztür zu schaffen, doch auch ihm machte sie es nicht leichter als uns. "Ein Glück, dass in diesem Teil der Stadt alles heruntergekommen ist", bemerkte ich.

"Hoffentlich haben wir mit der Tür mehr Glück", entgegnete Tariro und streckte seine Hand aus.

Die Tür öffnete sich wie Butter unter seinen Händen. Langsam und lautlos, als hätte sie nur darauf gewartet, uns in die Freiheit zu entlassen. Beinahe sanft schob ich die Klinke hinter mir ins Schloss und blinzelte. Vor uns lag eine steile Rampe, an deren Ende tatsächlich ein Stück blauer Himmel auszumachen war. "Wir haben einen Ausgang gefunden", jubelte ich.

"Schnell weiter", mahnte Tariro und ließ mir keine Zeit, die frische, staubfreie Luft zu genießen. Vorsichtig schlichen wir die Laderampe hinauf, er voraus, ich hinterher. "Hier draußen könnte es überall von Bots wimmeln. Wir müssen uns erst einen Überblick verschaffen."

Hinter einem Betonpfeiler am Ende der Rampe blieb er stehen und ich spähte auf die asphaltierte Fläche, die früher mit Sicherheit als Ladezone und Parkplatz gedient hatte. Risse zogen sich über die Oberfläche, die an einigen Stellen aufgeworfen und geplatzt war. Ich scannte den Fluchtweg, rennen barg die Gefahr an einer der Unebenheiten hängenzubleiben und zu stürzen.

"Wir müssen vorsichtig sein", mahnte ich überflüssigerweise.

"Psst", machte mein Begleiter, während ich den Untergrund analysiert hatte, war sein Blick in die Höhe gegangen. Er zeigte auf etwas, das einige Meter über dem flachen Dach der Fabrikhalle in der Luft kreiste. Ich zuckte zusammen. "Ein Spähcopter", wisperte ich.

"Wir warten, bis er außer Sicht ist und laufen direkt an der Wand entlang. Dort drüben", er zeigte auf die Stelle, an der der Maschendrahtzaun, der das Fabrikgelände umgrenzte in ein Tor überging. "Da versuchen wir unser Glück."

Ich warf einen kurzen Blick über die Schulter. Noch immer war hinter uns alles ruhig, aber lange konnte es nicht dauern, bis unsere Verfolger diesen Ausgang überprüfen würden.

"Jetzt", wisperte Tariro und auf sein Signal hin drückten wir uns an der schmutzigen Außenwand entlang. Die Spähdrohne konnte jederzeit wieder auf dieser Seite der Fabrikhalle auftauchen. Mein Herz klopfte mir bis zum Hals. Ich wusste, wie sehr wir unser Schicksal an diesem Tag herausgefordert hatten.

Blauer, wolkenloser Himmel über uns. Schräg gegenüber das Tor, mit der Möglichkeit, darüber zu klettern. Auf diese Weise hatten wir das Fabrikgelände irgendwo auf der Vorderseite betreten. Voller Hoffnung.

"Jetzt", befahl Tariro und hechtete los. Ich folgte ihm dich auf den Fersen. Er sprang, griff nach der obersten Sprosse, die er fassen konnte und zog sich auf die andere Seite. Ich tat es ihm nach, kam nicht ganz so weit hinauf, musste klettern. Ächzend schwang ich erst mein Bein, dann den Rest meines Körpers hinüber und ließ mich hinuntergleiten. Tariros starke Arme griffen nach mir. Er schaute nach oben. "Gut", sagte er, "und jetzt schnell in die Büsche."

Zum ersten Mal, seit dem Auftauchen der Robocops und den Bots, erlaubte ich mir durchzuatmen. Im Schutz der Sträucher und verwilderten Hecken kam zum ersten Mal ein Gefühl der Sicherheit auf. Wir lebten seit Jahren auf uns gestellt in den Wäldern am Rand der verlassenen Stadt. Natur kam mir stets wie ein Schutzraum vor.

Tariro vergewisserte sich, dass keiner unsere Flucht bemerkt hatte. "Klarer Himmel, keine Verfolger", bestätigte er und gab mir einen flüchtigen Kuss auf die Stirn. "Wir haben es geschafft, Talosia." Ich atmete erleichtert aus.

"Dann nichts wie weg. Wir haben, weshalb wir gekommen sind." Ich deutete auf meinen heruntergekommenen Rucksack, der auf dem Heimweg deutlich schwerer auf meinen Schultern lastete. Er grinste und griff meine Hand.

Erst eine Weile später erlaubten wir uns eine Pause.

Ich setzte den Rucksack ab und ließ mich ins Gras gleiten. Tariro neben mir, tat es mir gleich. Seufzte und wandte sich mir zu. "Das war knapp."

Ich nickte. "Aber wir haben es geschafft."

Er griff meine Hand. "Wieder einmal. Und jetzt wird alles besser." Seine andere Hand klopfte auf den Rucksack, der unter der Berührung metallisch schepperte.

"Das Material reicht gerade mal, um die Löcher in der Decke zu flicken", dämpfte ich seinen Enthusiasmus.

"Es ist ein Anfang", gab er zu, "ich gehe und hole mehr, um dir eine richtig schöne Liebeshöhle zu bauen." Ein Leuchten war in seine dunklen Augen getreten.

"Nur mal langsam, Romeo, Liebe ist ein gefährliches Wort in diesen Zeiten." Mit einem heiseren Lachen knuffte ich ihn in die Seite, woraufhin er sich in gespieltem Schmerz fallen ließ und nach seiner Brust griff. "Mein Herz blutet, liebste Julia", stöhnte er und unterdrückte nur mit Mühe ein Kichern.

"Wart's mal ab, wenn ich erst mit dir fertig bin", verkündete ich und rutschte mit einer flinken Bewegung auf ihn, sodass seine Hüften unter meinen fixiert waren, "dann tut dir noch viel mehr weh als nur dein Herz."

Er verzog sein Grinsen zu einer missglückten Grimasse und endlich senkte ich meine Lippen auf seine.

"In diesen Zeiten ist alles gefährlich", flüsterte ich in sein Ohr. "Leben, Lieben, Hoffen."

"Ich weiß", er seufzte und schlug die Augen auf. Scannte den Himmel und die Büsche um uns herum. "Wir müssen vorsichtig sein. Aber irgendwann müssen wir uns auch die Zeit für die schönen Dinge im Leben nehmen."

"Auch wenn es das letzte sein könnte, das wir tun?", fragte ich und folgte seinem Blick. "Ist es dir das wert?"

"Auch dann", bestätigte er und suchte erneut nach meinen Lippen. "Wir dürfen die Hoffnung niemals verlieren." Er zog mich fest in seine Arme. "Ich liebe dich, Talosia", fügte er leise, fast unhörbar hinzu.

Ich schlug ihm in gespieltem Entsetzen gegen die Schulter. "Tariro", sagte ich ernst. "Du weißt, dass diese Worte verboten sind. Und sie sind gefährlich."

"Trotzdem!", erwiderte er bestimmt. "Du kennst mich. Kein Risiko, dass ich nicht bereit wäre, einzugehen."

- - - - - -

Talosia (Hoffnung auf Somoanisch -> dem GoogleTranslator sei dank)

Tariro (Hoffnung auf Shona -> erneut danke GoogleTranslator für das Ausspucken toller, ausgefallener Namen)

Talosia und Tariro stehen für die Hoffnung auf ein gutes Ende, für die Hoffnung auf die Liebe, in einer Welt in der Zukunft, in der Liebe nur noch ein verbotenes Wort ist. Ein Relikt aus vergangenen Zeiten. Hoffnung, in einer Zeit, in der das Leben als freies und selbstbestimmtes Individuum gefährlich geworden ist.

In der Hoffnung auf eine bessere Zukunft und darauf, dass diese Zukunftsvision nie Wirklichkeit werden wird.

Wie hat euch die Geschichte gefallen?

Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top