Januar

Niveau-Stufe 3

Genre: Horror (Uhahaha, jetzt bekomme ich Angst, daran habe ich mich noch nie versucht. Das kann nur schief gehen, aber vielleicht so sehr, dass es schon wieder gruselig wird.)

Vorgabe: Titel + vorgegebene Textstelle einbauen und vervollständigen

19 Tage und ein Atemzug

Die Rücklichter des Mercedes meiner Eltern verschwinden in der Ausfahrt.

Verdammt, denke ich, die ziehen das wirklich durch.

Bis zum Schluss hatte ich gehofft, dass sie die Sache doch noch abblasen und es bloß als zu weit getriebenen Scherz, als einen missglückten Versuch, mich doch noch zu erziehen, abtun würden.

Sie lassen mich also wirklich hier, während sie ans Mittelmeer weiterbrausen.

"Es schadet dir nicht, einmal etwas Zeit mit anderen Jugendlichen zu verbringen, die nicht so verwöhnt sind wie du es bist." Meine Mutter hat ihre rot lackierten Finger in die Luft gestreckt, wie immer, wenn sie etwas Wichtiges sagen will. Den Vorwurf kann sie sich selbst machen. Ich schaue genervt von ihr zu meinem Desktop zurück und lasse die Tirade über mich ergehen.

"Ein wenig Naturverbundenheit hat ebenfalls noch niemand geschadet."

Skeptisch schaue ich auf das Zeltlager und den dahinterliegenden Wald.

Jetzt stehe ich also hier und halte ein blödes Abschiedsgeschenk in den Händen. Es ist flach und quadratisch. Hoffnung keimt auf, vielleicht doch das neue iPad. Aber es entpuppt sich nur als leeres Tagebuch. Wie witzig, Mum.

Ich lasse meinen Finger über die wenigen Worte auf der ersten Seite gleiten.

Viel Vergnügen im Ferienlager. Wir lieben dich. Mum und Dad

Ich hasse euch auch. Aber was bleibt mir übrig?

Sofort weiß ich, was ich tun werde: Ich werde die Seiten mit Inhalt füllen und ihnen zur Begrüßung schenken und obendrauf noch eine kleine Offenbarung packen, die sie in den Grundfesten ihrer Spießigkeit erschüttern wird. Macht damit was ihr wollt, so wie ihr es mit allem tut - vor allem aber mit mir.

Mit grimmigen Blick und fest entschlossen, stehe ich vor dem großen, dreckweißen Zehnmann-Zelt. Es ist kleiner als mein Zimmer zuhause und ich soll es mir zweieinhalb Wochen lang mit neun weiteren Jugendlichen teilen. Das wird (k)ein Spaß!

1. Tag: Ankunft

Verabschiedung. Sich vorstellen. Auspacken. Schlafplatz einrichten.

Scheiß Idee Mutter, mich hier anzumelden.

Nicht mal Handyempfang hat man in dieser Einöde!

2. Tag: Kennenlernspiele

Ätzend. Aber immerhin weiß ich jetzt, wie die Jungs alle heißen. Einer ist sogar ganz süß.

3. Tag: Schnitzeljagd im Wald

So ein Pech. Jonas ist nicht mein Partner. Ich habe Felix zugelost bekommen. Wird eh langweilig. Wir müssen beschissene Wimpel finden. Mit Kompass und Karte. Sind doch hier nicht bei den Pfadfindern.

Nachtrag: Naja, war eigentlich ziemlich lustig, auch wenn wir letzter geworden sind. Felix ist cool drauf.

4. Tag: Camp- Olympiade

Jeder Tag wird abgefuckter als der Tag davor. Kann doch nicht wahr sein!!!

Sackhüpfen und Schwamm- Rennen. Ich bin keine 12 mehr. Das werdet ihr mir büßen!!!

Dann enden meine Einträge. Irgendwie habe ich mich doch tatsächlich an das Lagerleben gewöhnt - also so ein kleines bisschen. Die Jungs sind wirklich ganz in Ordnung, aber ein wenig langweilig bleibt es doch, weil man einfach nichts tun kann, außer schnitzen, Karten spielen oder Stockbrot grillen. Für ein paar Tage vielleicht ganz okay, aber ich bin für ganze neunzehn Tage dazu verdammt, hierzubleiben und zu tun, was sich die Betreuer Tolles für uns ausgedacht haben *Ironie aus*

Und heute ist gerade einmal Tag 9. Ich habe noch nicht einmal die Hälfte überstanden.

10. Tag: Freizeit - yeah!

Endlich mal einen Tag zur freien Verfügung. Felix, Jonas und ich haben beschlossen, dass wir hier mal rausmüssen. Wir werden schauen, ob wir auf der anderen Seite des Waldes eine Stadt finden. Und dann werde ich mein ganzes Taschengeld auf einmal verprassen und die 500 Nachrichten checken, die ich dank euch nicht lesen konnte! Ich hasse euch noch immer!

PS: Jonas ist echt süß! Genau mein Typ.

Wütend auf meine Eltern, aber voller Vorfreude auf unseren Ausflug knalle ich das Tagebuch auf meinen Schlafsack. Ob ich es ihnen wirklich gebe, weiß ich noch nicht. Aber ich warte schon lange auf eine Gelegenheit, ihnen zu offenbaren, dass ihr Musterexemplar von Sohn schwul ist.

*

Das Licht der trägen Nachmittagssonne findet nur spärlich einen Weg durch die Baumkronen. Die Tannenbäume, die uns umgeben, werden irgendwie immer dichter und höher, aber eine Stadt ist nirgendwo zu sehen. Nur öde, langweilige Nadelbäume.

"Wo ist denn jetzt diese Stadt?", jammert Felix. "Mir tun die Füße weh." Genervt lässt er sich auf einen umgestürzten Baumstumpf sinken und wühlt in seinem Rucksack. "Ach fuck und meine Flasche ist auch leer."

Ich strecke ihm den Rest meines Colas hin, das er in einem langen Zug leertrinkt und rülpst.

Mein Blick schweift zu Jonas, der vielsagend seine blauen Augen verdreht.

"Wir müssten bald da sein." Er wirft einen prüfenden Blick auf sein Handy. "Hast du Netz?"

Ich zücke mein iPhone und schüttle den Kopf.

"Ich lauf keinen weiteren Meter. Es ist schon 16 Uhr", wirft Felix von seinem Baumstumpf aus ein.

Wir ignorieren ihn beide. Jonas uns ich wollen diese Stadt finden. Außerdem haben wir genug von seinem Gemotze. Ich wäre sowieso viel lieber mit Jonas alleine.

"Dann bleib doch hier!", blaffe ich ihn an und laufe weiter. Jonas folgt mir.

Aber Felix bleibt nicht sitzen. Fluchend steht er auf, wirft die leere Colaflasche hinter sich in den Wald und dackelt uns nach. Aber er hat Recht. Wir können nicht noch einmal sechs Stunden für den Heimweg brauchen. Trotzdem will ich nicht umdrehen, ohne wenigstens etwas Geld ausgegeben zu haben. Mutter war extra großzügig - schlechtes Gewissen und so.

"Zur Not nehmen wir uns ein Taxi", beruhige ich den immer noch lautstark schimpfenden Rotschopf hinter mir. Meine Hand fährt in die Gesäßtasche meiner Jeans, um zu überprüfen, dass dort nach wie vor mein Portemonnaie steckt.

Felix beruhigt sich oder ihm geht die Puste aus, jedenfalls laufen wir eine Weile schweigend hintereinander her.

Ich zücke mein Handy. Kein Netz, dafür eine weitere Stunde ohne Anzeichen von Zivilisation.

"Ich hab Durst", jammert Felix.

Ich zucke mit den Schultern. "Ich hab nichts mehr."

"Ich auch nicht", bestätigt Jonas meine Vermutung. "Aber in der Stadt können wir uns ja was kaufen."

"Wenn wir ankommen, bevor die Läden schließen", entgegnet unser Anhängsel.

Missmutig stapfen wir weiter. So hatte sich keiner von uns diesen Tag vorgestellt.

Immer noch keinen Empfang. Dafür inzwischen fast 18:00. Verzweifelt lasse ich meinen Blick über die dunklen Tannen schweifen. Der Boden ist übersäht von alten, trockenen Tannennadeln. Wenn man nicht aufpasst, stolpert man über einen dieser blöden Zapfen. Ich bin schon zwei Mal fast ins Straucheln geraten und wäre beinahe hingefallen.

"So ein Mist!" Ich kicke gegen einen von den nutzlos herumliegenden Dingern. Es landet einige Meter vor uns im Dickicht. Etwas raschelt und quickt. Ein aufgescheuchtes Wildschwein rennt erschrocken davon. Ich lache. "Blödes Vieh."

Felix wird bleich. "Sind die nicht verdammt gefährlich?" Er schaut sich in alle Richtungen um. "Ich will zurück ins Lager." Seine fiepsige Nervstimme klingt weinerlich. Würde mich nicht wundern, wenn er gleich in Tränen ausbricht.

"Kannst du nicht einen Notruf absetzen?"

"Ja, klar!" Jonas blaue Augen verdrehen sich spöttisch. Er fährt sich mit der Hand durch die hellblonden Haare und lässt eine Spur der Verwuschelung zurück, die ich ihm gerne glätten würde. Er ist genervt.

"Bitte!" Jetzt bettelt Felix. "Seht es doch ein, wir haben uns verlaufen. Allein finden wir nie zurück. Und das Abendessen haben wir auch verpasst."

"Du kannst auch nur ans Essen denken", gifte ich ihn an. "Wärst du nicht so fett, wär dein Handy auch nicht kaputt gegangen, als du dich draufgesetzt hast." Das saß. Ich kann sehen, wie er rot wird und die Tränen nicht mehr zurückhalten kann. Eigentlich bin ich nicht fies und eigentlich mag ich ihn, aber es ist eine Ausnahmesituation. Wir sind alle angespannt. Sein Gejammer und Geheule bringt keinen weiter. Doch bevor ich mich entschuldigen kann, rennt Felix davon. Verschwindet einfach zwischen zwei Tannen. Das Wildschwein völlig vergessen.

Jonas schaut mich an. Ratlos. Ich könnte dagegen sofort in seinen Augen versinken und die Welt vergessen.

"Fuck. Sorry, das wollte ich nicht. Wir müssen ihm nach." Ich reiße mich von den himmelblauen Augen los und setze mich in Bewegung.

Die verfluchten Tannennadeln sind verdammt rutschig und überall bilden heruntergefallene Zapfen Stolperfallen. War es die ganze Zeit über schon so dunkel?

Ich höre Jonas' Schritte hinter mir. Er ist sportlich und kann mir gut folgen. "Weit kann er doch nicht sein." Er ist trotzdem außer Atem.

"Wir müssen ihn finden", rufe ich über die Schulter, ohne mich umzudrehen.

Dann gellt ein Schrei durch den Wald. Lang, laut und markerschütternd.

"Felix!", ruft Jonas. "Da vorne!", rufe ich gleichzeitig und wir rennen los.

Vor uns türmt sich ein Gebäude zwischen den Tannen auf. Die dreistöckige Fassade ist von Kletterpflanzen überwuchert. Die Schindeln des steil abfallenden Daches sind dermaßen stark von Moos bedeckt, dass man die ursprüngliche Farbe nicht einmal mehr erahnen kann. Die schmutziggraue Hauswand muss einmal weiß gewesen sein. An manchen Stellen blättert der Verputz ab und blankes Mauerwerk lugt hervor. Vier Fenster in jedem Stockwerk schauen wie dunkle Augen auf uns hernieder. Die Villa muss einmal ziemlich ansehnlich gewesen sein, mit den vielen Fenstern und den schmucken Fensterläden, die jetzt größtenteils schief und morsch herabhängen. Sie erinnern mich an ein schielendes altes Weib. Eine Gänsehaut zieht sich über meine Arme.

Der Schrei ist inzwischen zu einem Wimmern verkümmert und kommt von irgendwo hinter dem verfallenen Holzzaun, der einst den Garten des Grundstücks abgetrennt hat.

Mit einem Sprung bin ich darüber und lande in kniehohem Gras. Jonas tut es mir nach.

Wir kämpfen uns hintereinander durch das verwachsene Gestrüpp auf das Geräusch zu. Ranken schlingen sich um meine Schienbeine, wie um mich aufzuhalten. Dornen fressen sich in meine Jeans. Endlich tut sich eine Spur in dem niedergetrampelten Unkraut auf. Ob von Wildtieren oder von Felix ist mir völlig egal. Wir kommen schneller voran. Das Wimmern wird lauter. Es kommt von der rechten Hausseite. Ich steuere darauf zu.

Dann sehe ich Felix und renne los. Er sitzt an ein Regenfass gelehnt und hält sich den Knöchel.

Jonas und ich erreichen ihn gleichzeitig. "Was ist mit dir?" Jonas beugt sich zu ihm hinunter und beäugt seinen angeschwollenen Fuß.

"Das sieht nicht gut aus." Felix stöhnt, als Jonas den Knöchel betastet.

"Notruf?", fragt er mit schwacher Stimme und unterdrückt ein Wimmern. "Bitte!" Er sieht schlimm aus. Über seine pummeligen Arme ziehen sich Kratzspuren und seine Augen sind verweint.

Jonas zieht sein Handy aus der Hosentasche. "Mist, Akku leer!" Er schaut mich auffordernd an, während er prüfend auf der Tastatur herumtippt.

Ich greife zu meiner Gesäßtasche und fasse ins Leere. Dann zur anderen. Mein Geldbeutel.

Mit ansteigender Panik schaue ich mich um. "Mein Handy ist weg!" Jonas schaut von seinem toten Smartphone auf. Ungläubig mustert er mich. "Wie weg?", sagt er lahm.

Felix heult. "Das kann doch nicht wahr sein!" Er wischt sich mit dem Ärmel über die Nase.

"Du musste es verloren haben, als wir hierher gerannt sind", versucht Jonas eine Erklärung zu finden.

Ich schüttel den Kopf. "Das hätte ich doch gemerkt." Aber ich befolge seinen Rat und verfolge unsere Spur zurück, den Blick suchend auf das niedergetrampelte Unkraut gerichtet, während Jonas bei Felix bleibt, um ihn zu beruhigen.

Ich renne bis zurück in den Wald, der mir allein viel dunkler und düsterer vorkommt, aber ich kann mein iPhone nirgends finden. Vielleicht suche ich an der völlig falschen Stelle. Alles sieht gleich aus. Waren wir wirklich hier? Ich weiß es nicht. Inzwischen fällt kaum mehr Licht durch die riesigen Baumtannen. Verzweifelt lasse ich meinen Blick über den Boden gleiten, als mich ein Rascheln aufschreckt. Ich fühle mich beobachtet. Ich bin nicht mehr alleine. Erschrocken sehe ich mich um. Da ist niemand. Vielleicht nur ein Tier.

Trotzdem renne ich zurück, hechte über den morschen Zaun und bin erleichtert, als ich Jonas und Felix erreiche. Beinahe stolpere ich über einen im hohen Gras versteckten Steinbrocken. Kein Wunder, dass sich der unsportliche Dicke den Fuß verstaucht hat.

Jonas schaut mich erwartungsvoll an. Ich schüttel den Kopf und Felix wimmert erneut.

"Und jetzt?"

Ich zucke die Schultern.

"Wir schauen uns um", schlägt Jonas vor.

Felix ist nicht begeistert, dass wir ihn allein lassen wollen, aber er sieht ein, dass uns keine Wahl bleibt.

"Wir gehen einmal auf die Rückseite. Vielleicht finden wir drinnen ja irgendwas Brauchbares."

Ich folge Jonas nach hinten. An der Seitenwand gibt es keine Fenster. Die Rückseite sieht genauso aus wie die Vorderseite, marode und verfallen, nur dass sich zum Wald hin, ein viel schmalerer eingezäunter Streifen erstreckt. Zwar weniger verwuchert wie unser Zugang, aber jenseits von Gut und Böse.

"Seltsam", Jonas zeigt auf die trübe Fensterreihe, "weder eine Tür, noch ist erkennbar, wo einmal der Eingang war." Er wischt mit dem Ärmel über eine Scheibe und presst seine Nase dagegen.

"Was siehst du?", frage ich mit angehaltenem Atem.

"Nichts." Er geht zum nächsten Fenster und wiederholt den Vorgang. Ich wische über die Stelle, die noch von seinem Atem beschlagen ist und schaue hinein. Nichts außer Dunkelheit.

"Ach verdammt", flucht Jonas und schaut um die Ecke. "Hier ist auch nichts."

Während ich noch überlege, greift er nach einem der überall verstreut liegenden Steinbrocken. Ich erahne erst, was er vorhat, als er schon am Fenster steht und die Hand hebt. Mit einem Krachen fliegt der Stein durch die Scheibe und die Scherben fallen klirrend zu Boden.

"Aber-", setze ich an und weiß noch gar nicht, was ich sagen will, als mir Jonas über den Mund fährt.

"Nichts aber", entgegenet er und macht sich daran, die zackigen scharfen Scherbenränder zu beseitigen. "Wir haben keine Wahl. Wundert mich eh, dass die Fenster noch intakt waren."

Er schwingt sich auf das Fensterbrett. "Kommst du?"

Ich zögere kurz, folge ihm dann aber, weil ich nicht hier draußen in der anbrechenden Dämmerung alleine bleiben will. Die Scherben auf dem Boden knacken, als ich mit den Füßen darauf trete. Mir ist unwohl bei der Sache.

Im Inneren ist es stockdunkel und meine Augen brauchen eine Weile, bis sie sich an die Lichtverhältnisse gewöhnt haben. Ich traue mich blind keinen Schritt weiter und lausche. Ich höre Jonas atmen. Er steht irgendwo vor mir. Etwas knarzt.

"Warst du das?", flüstere ich. Er antwortet nicht.

Mein Herz beschleunigt seinen Takt. "Jonas?" Ich halte den Atem an. Die Luft riecht muffig.

Er antwortet nicht. "Jo- nas!?" Ich starre angestrengt ins Innere des Zimmeres, aber es ist so verdammt düster.

Es knarzt wieder. Näher als vorher. Ein Luftzug verursacht mir eine Gänsehaut.

Dann berührt mich etwas am Arm. Ich zucke erschrocken zurück und schreie.

"Buh!"

Adrenalin peitscht durch meine Adern. Mein Herz rast.

"Das ist nicht lustig." Trotzdem fasse ich nach der Stelle, die er mit seinen langen Fingern berührt hat.

Er lacht. "Du hättest dich hören sollen." Sein glockenhelles Kichern klingt völlig fehl am Platz.

"Komm weiter." Vorsichtig mache ich ein paar Schritte auf ihn zu.

"Hier ist absolut nichts", stellt er fest. "Keine Möbel. Einfach gar nichts. Außer Staub und Dunkelheit."

Wir unterhalten uns flüsternd, weil wir die unheimliche Stille nicht stören wollen, aber es ist gar nicht still. Irgendetwas tropft und von irgendwoher erklingt ein Knarzen.

"Das alte Holz arbeitet", erklärt mir Jonas leise. Ich strecke die Hand aus und greife seine Schulter, um ihn nicht zu verlieren. Wir haben die Tür gefunden. Sie führt uns tiefer in das Haus. Der Raum dahinter ist fensterlos und damit völlig lichtlos.

Jonas tastet sich voran und ich, eine Hand auf seiner Schulter, die andere tastend ausgestreckt, folge ihm. Etwas rumpelt und er bleibt stehen. "Wand", erklärt er. Vorsichtig strecke ich meinen Arm in die Dunkelheit, um mich zu orientieren. Meine Finger stoßen gegen etwas Feuchtes. Erschrocken ziehe ich sie zurück. Ich zittere wie Espenlaub und würde am liebsten wieder hinaus, aber ich lasse mir nichts anmerken. Ein Luftzug wirbelt die kalte Luft auf.

"Das Fenster", flüstert Jonas beruhigend und greift nach meiner Hand. Erleichtert atme ich auf. Er ist bei mir. Ich bin nicht alleine und er ist so verdammt mutig. Ich konzentriere mich nur auf das warme Gefühl der Hand, die ich halte und folge dem Jungen, der sich an der Wand vorantastet auf der Suche nach einer weiteren Tür. Mein Atem beruhigt sich langsam wieder und von meiner Hand ausgehend, breitet sich eine Wärme in meinem Körper aus, die sich auf ganz seltsame Art und Weise in meinem Bauch festsetzt und mich beruhigt. Trotzdem habe ich Herzklopfen.

Ich versuche all die unbekannten Geräusche, das Knarzen, Tropfen und dumpfe Poltern, auszublenden und nur auf Jonas' leise Atemgeräusche zu achten.

Aber weil ich nichts sehen kann, sind all meine anderen Sinne geschärft. Ich höre wie seine Hand gegen etwas Metallisches stößt und wie sich die Klinke knarrend herunterdrücken lässt. Ein Schwall eiskalter Luft strömt auf mich ein, als Jonas die quietschende Tür öffnet. Das tropfende Geräusch wird deutlicher.

"Das Dach muss undicht sein", flüstere ich.

"Wir sind im Erdgeschoss", entgegnet Jonas und drückt meine Hand fester. Ich schaudere. Er hat Recht.

"Undichte Rohre", schlage ich vor.

"Kann sein", gibt er zurück und zieht mich mit sich in den nächsten Raum. Vielleicht kommt es mir nur so vor, aber dieser Raum scheint noch kälter zu sein. Und noch dunkler als der Raum aus dem wir kommen. Ich kann nicht einmal mehr Jonas' hochgewachsenen Umriss erkennen und schließe die Augen.

"Hier ist nichts. Lass uns umkehren", flüstere ich in die Dunkelheit. Ohne es zu sehen, kann ich spüren, dass Jonas nickt und sich zu mir umdreht.

Etwas quietscht. Erst langsam und leise. Doch dann steigt das Geräusch an. Es wirkt bedrohlich und endgültig, als würde etwas Schreckliches passieren, wenn es verklingt. Ich halte den Atem an und drücke Jonas Hand. Plötzlich geht das Quietschen in ein lautes Krachen über. Ich zucke zusammen. Auch Jonas zieht entsetzt die Luft ein.

Wir stehen beide reglos da. "Die Tür", flüstert Jonas. Der Raum hat uns geschluckt wie ein schwarzes Loch. Jonas macht einen Schritt auf mich zu, streicht mir beruhigend über den Arm, ohne meine Hand loszulassen. "Alles gut. Wir gehen raus."

Er macht einen Schritt an mir vorbei, zieht mich zurück zu der Tür.

Mit einem dumpfen Geräusch stößt er gegen die Wand. Tropf. Ich wische mit der freien Hand über meine Wange. Tropf. Mich fröstelt.

Endlich findet Jonas etwas Metallisches. Er drückt die Klinke hinunter. Ruckelt daran. Zieht. Drückt. Aber nichts passiert.

"Lass mich mal." Ich stelle mich vor ihn und versuche es selbst. Nichts. "Und jetzt?"

Er legt seine Hand auf meine Seite und schiebt mich weg. Ich spüre den eisigen Luftzug, als er ausholt und höre, wie er mit voller Wucht gegen die Tür tritt, die lediglich etwas scheppert. Er wiederholt den Versuch. Hält sich aber nur fluchend den Schuh, während die Türe stand hält und sich keinen Millimeter öffnet.

Panik steigt in mir hoch. Wir sind hier drin gefangen und wissen nicht einmal wo. Tropf.

Kalter Schweiß steht mir auf der Stirn. Meine Brust schnürt sich zu. Mein Atem geht stoßweise. Ich bekomme keine Luft mehr. Jonas muss meine wachsende Verzweiflung spüren. Keine Ahnung, wie er es schafft, so ruhig zu bleiben. Er greift nach mir. Bekommt meinen Oberarm zu fassen und tastet sich abwärts. Ich kann seinen warmen Atem auf meiner Wange spüren. Er steht jetzt direkt vor mir und zieht mich an sich.

Jetzt höre ich seine leise und beruhigende Stimme direkt an meinem Ohr.

"Wenn ich noch zwei Atemzüge hätte, würde ich den ersten nutzen, um dich zu küssen und den zweiten, um dir meine Liebe zu gestehen - doch jetzt habe ich nur noch einen Atemzug.

Den werde ich nutzen, um uns beide hier rauszubringen."

Er greift nach meiner Hand und zieht mich mit sich.

***

ENDE

***

Geschafft!

Ich habe eine Nachtschicht eingelegt. Leider hat mir Wattpad meine Überarbeitung nicht gespeichert. Keine Ahnung, ob ich jetzt alle Tippfehler und Wortwiederholungen beseitigt habe. Wahrscheinlich nicht.

Mit dem Anfang und dem Ende bin ich noch nicht ganz zufrieden, aber mir fällt gerade nichts ein und ich will es jetzt schon mit euch teilen. Verdammte Ungeduld.

Hatte gestern Nacht fast ein wenig Angst vor der Dunkelheit und musste sämtliche Lichter anmachen.

Horror ist einfach nichts für mich. Bin viel zu zart besaitet. :)

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