1. Eiskalt

"Wo ist denn euer Bad ?", hauchte ich Florian ins Ohr und knabbere neckisch daran herum, bevor ich mich Millimeter für Millimeter  bis zu seiner Halskuhle vorarbeite. Dabei Sauge ich seinen Geruch ganz tief ein, um ihn zu decodieren.Er richt nach Holz,frische Luft und Waldboden.Ich will mir diesen Geruch einprägen und halte die Luft an, bis mir schwindelig wird. 

"Florian!", versuche ich es erneut. Doch anscheinend hört er mich nicht. "Ich weiß genau, dass du wach  bist. Du stellst dich nur schlafend" knuffte ich ihn in die Rippen. Keine Reaktion. Okey. Test. Ich hebe seinen rechten Arm in die Luft und als ich ihn abrupt loslasse, knallt er leblos zurück aufs Bett. Entweder er ist ein guter Schauspieler oder er schläft tatsächlich. Kitzeln wäre die nächste Testphase. Aber wo könnte er kitzelig sein? Unter den Armen, am Bauch hmm....Nachdenklich strütze ich mich auf die Unterarme, lege meinen Kopf auf die Hand und betrachte ihn wie eine eine stolze Jägerin ihre Beute.

Florian ist mittelgroß, hat eine kleine Lücke zwischen den Schneidezähnen, trägt Jeans und karierte Flanellhemden.....komisch eigendlich ist er überhaupt nicht mein Typ.Dann fällt mein Blick sein kurzes dunkelbraunes Haar, lächelnd zog ich ein Paar kleine Sägespänen heraus.  Umständlich robbe ich mich zu seinen Kniekehlen runter. Ich könnte sterben wenn mich da jemand anfassen würde. Das wird bestimmt funktionieren. Nichts. Null. Keine Reaktion. Okey, wenn das jetzt nicht funktioniert muss ich den Notarzt rufen. 

"Deine Schnaufgeräusche erinnern an Omas Mops, der letzten Herbst an Herzverfettung eingegangen ist." Plötzlich öffneten sich seine Augen zu kleinen Schlitzen und der Mund zu einem verschmitzen Grinsen. "Zweite Tür rechts" Nicht zu verwechseln mit der ersten Tür rechts, da ist nämlich das Schlafzimmer meiner Eltern!" grinste er. "Okey- Danke für die Warnung!" Lachend pappe ich ihn noch ein Kissen an den Kopf, bevor ich in meine Klammotten schlüpfe. "Komm schnell wieder", presst Florian nach Luft ringend hervor. Dann befreite er sich mit einer Hand von dem Kissen und mit der anderen umfasste er mein Handgelenk. In Zeitlupe zog er mich noch einmal zu sich runter, um mich zärtlich zu küssen. Versunken zwirbel ich eine Haarsträhne von ihn zwischen meinen Fingern hin und her, dann pack ich ihn am Hinterkopf, um ihn zurück aufs Kissen zu ziehen. "Au, warum machst du das?" fing er an sich zu beschweren "Damit ich eine minimale Chance habe, hier rauszukommen" erklärte ich und gehe zur Tür. Als ich die Klinke runterdrücke drehe ich mich noch einmal verliebt zu ihn um. "Und du bewegst dich am besten nicht vom Fleck" drohe ich lachend. Klack.

Die Tür fällt hinter mir ins Schloss. Jetzt stehe ich hier in einem fremden, dunkeln Flur. Lauschend und auf Zähnenspitzen tapse ich durch den Gang. Okey, zweite rechts.Eilige Schlüpfe ich hinein und verriegle die Tür. Schließlich hab ich kein Bock, auf Maiks Eltern zu treffen. Schnell schlüpfe ich aus meinen Klammotten und stelle die Dusche an, bevor ich mich etwas genauer im Bad umsehe. Haben die hier kein Duschgel? Ahhh, ja das hier sieht doch edel aus, damit werde ich mich erstmal schön einseifen. Aber erstmal die Verpackung abmachen, das ist ja noch so schön ein gehüllt. Mit der Tube bewaffnet stelle ich mich unter die Dusche und schließe kurz die Augen. Mann, war das eine Nacht. Florian wo warst du nur all die Jahre ? Wieso hab ich dich nicht bemerkt ? Mario kann keinen Vergleich mit dir bestehen, obwohl er der Star an uns erer Schule ist und hammermäßig aussieht. Florian, Florian , Florian.....Wieso habe ich blöde Kuh nicht gleich mit unter die Dusche genommen? Nächstes Mal. Als ich die Duschtür öffnete, versuche ich ein Handtuch zu ertasten, doch die sehen alle schon gebraucht aus. Vorsichtig setzte ich einen Zeh auf den Boden und ziehe ihn dann wieder angewiedert zurück. Irgendwie ist es ziemlich ekelhaft, bei fremden Leuten auf die Badezimmermatte zu treten. Ich mache mich lang und versuche einenWandschrank zu öffnen und tatsächlich werde ich fündig. Am besten nehme ich gleich drei. Ein Badelaken für den Körper, ein Handtuch für einen Turban und eins für den Fußboden. Der Föhn hängt sichbar an der Wand und als ich einigermaßen getrocknet bin, steige ich wieder in meine Klammotten. Aus meiner Jeans krame ich meinen Lippenstieft hervor, dann beuge ich mich zum Spiegel und hauche eine Stelle frei. Als ich mir die Lippen nachziehen will, bricht mir der Stieft komplett ab und landet im Waschbecken. Blöd,so ohne Farbe auf den Lippen,das geht gar nicht.

Ungeniert wühle ich in einem Schrank mit der Aufschrift Alibert herum und finde ein Labello.So einen beutzen die Mädchen in meiner Schule immer und schwärmen von dem tollen Geschmack irgendwelcher abgefahrenen Obstsorten. Gehört bestimmt Florians Schwester Maria! Ich wische die Spitze des gebrauchten Stieftes mit einem Kleenex ab und trage ihn auf meine Lippen auf. Hä? der schmeckt ja mal nach gar nichts und farblos ist er auch. Perplex stelle ich fest das meine Lippen nur fettig glänzen. Kopfschüttelnt rubbel ich mir den Schmirflim  mit einem weiteren Tuch wieder runter, bevorich mir ein Stück meines abgebrochenen Chancel-Stieftes aus dem Waschbecken fische und mir davon mit dem kleinen Finger etwas Farbe drauftupfe. Jetzt fühle ich mich wieder mehr wie ich selbst. Der rest des Stieftes wandert ins Klo. Grade als ich die Spülung betätigen will, klopft es an der Tür.

"Dein Handy klingelt", ruft Florian von draußen. "Falls ein Sebastian dran ist, sag ihm bitte ich bin jetzt mit dir zusammen!" Vorsichtig lehne ich mich gegen die Tür und lausche neugierig. "Florian Wiefeld, Apparat Laura O´Conner....Laura ist grad nicht da, aber sie wird dich zurück rufen, okey?..Wer ich bin?...Ja, da sprich lieber nachher mit Laura, sie wird dir alles erklären. Tschau!" Ich öffne vorsichtig die Tür einen Spalt und spitze meine Lippen zu einem Kussmund "Das hast du gut gemacht!" Mit dürster zusammengezogenen Augenbrauen drückt Florian mir das Handy in die Hand und sagt völlig konsterniert "Das glaub ich ja nicht!"  

"Was ist los?" Nuschel ich mit einer Haarspange zwischen den Zähnen, während ich mir hoch konzentriert die langen Haare hoch streiche. "Du fährst zweigleisig  und servierst hier einen Typen auf eine superfeige und völlig assige Nummer einfach ab! am TELEFON! Halloooo?" Er beugte sich zu mir vor, wackelte verständnislos mit dem Kopf und reißt dabei die Arme fragend in die Luft.

"Wieso was ist daran so schlimm? Ich hätte es ihm sowieso irgendwann gesagt!" verteidigte ich mich  und stecke mir die Haare hoch. "Irgendwann? Wann ist das  ? Heute ? Morgen ? nächstes Jahr?" schnauzt er. "komm schon, Florian, eben dann, wenn sich die Gelegenheit ergeben hätte." "So wie jetzt grade ja? Das nennst du also DIE Gelegenheit" Wütend stemmte er die Arme in die Hüften und kickt hart einen Schuh der auf dem Boden liegt, gegen die Wand. " Ja. Schon. Ich fand´s jetzt auch nicht sooooo schlimm" mache ich eine ausladende Handbewegung. Verständnislos über dieses Aufgebrausche rolle ich mit den Augen "Unsere Beziehung hat dich grade erst angefangen" Ich presse mich an ihn und ziehe einen Schmollmund, mit dem ich bei Papa immer erreiche, was ich will. "Da vertust du dich aber gewaltig, Laura. Unsere Beziehung ist soeben beendet" 

"Das ist nicht dein Ernst?!" Der macht einen Witz. Schnell lasse ich mein schönstes lächeln von Stapel. Komm schon dagegen ist keiner Immun. "Mein voller Ernst!" Entsetzt starre ich ihn an. "Und, wie fühlt man sich ?" fragt er mich und reckt das Kinn herausfordernt nach vorne "wenn man so eiskalt abserviert wird ?"

Das ist mir noch nie passiert. Wortlos schnappe ich nach Luft, mache auf den Absatzt kehrt , haste die Treppe hinunter und überrenne fast seine Schwester, die schadenfroh grinsend am Treppenabdsatz herumlungert und interessiert gelauscht hat. "Hi Laura, Bye Laura!" winkt sie mir nach. Vor Wut kochend stampfe ich hinaus ins Freie und lasse die Tür hinter mir unbewusst offen,damit auch jeder meinen Abgang miterleben kann. Als ich auf mein Fahrrad steige, höre ich sie noch sagen "Gut gemacht, Florian! Nie seine Prinzipien aufgeben, das ist es, was zählt. Diese Laura ist die aroganteste,verwöhnteste, saublödeste Kuh der Schule.....Mhmmmm aber eins muss man ihr lassen, sie richt gut wie das Duschgel was du mir zum Geburstag geschenkt hast." Ein Grumpf kommt aus meinem Mund, bevor ich mir den Fahrradhelm überstulpe. Ich hätte mich mit den Zeugs achtschichtig einbalsamieren sollen.

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Aus dem Buch Shopping Queen von Cora Gofferjé 

Namen wurden verändert

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