10.Kapitel

Ruby Wuff war guter Dinge. Sie hatte ihre dreistündiges, morgendliches Lernprogramm durchgezogen, das, wie der Name vermuten lässt, hauptsächlich aus Lernen bestand, aber auch aus Tagebuch schreiben, Pilates, Yoga, Eisbaden und Meditation. Statt der vorgesehenen zwanzig Minuten hatte sie sich heute dreißig Minuten fürs meditieren genommen und nun fühlte sie sich so zuversichtlich und ausgeglichen wie selten. Jedenfalls bis sie James Beaufork auf sich zukommen sah.

,,Oh Nein." Flüsterte Ruby und schnalzte mit der Zunge. ,,Ich werde mir von dir nicht mein neugefundenes inneres Gleichgewicht ruinieren lassen." Schnell wie ein Marder versteckte sie sich hinter der Mülltonne.

Daraufhin lief James Beaufork vorüber und Ruby lief weiter zu einer segensreichen Doppelstunde Mathe. Leider schickte das Goldfischhaarige rich kid sich in der Pause erneut an, ihren Seelenfrieden aus dem Gleichgewicht zu bringen und dieses Mal konnte sie nicht rechtzeitig fliehen.

,,Hey Ruby!" War das etwa so etwas wie ein Lächeln da auf seinem Gesicht? Nein, sie musste sich täuschen. ,,Ich hab dich heute Morgen gesucht. Wo warst du? Ich muss was mit dir bereden."

Ruby legte den Kopf schief.
,,Geht es um Geld?"

James überlegte. ,,Auch."

,,Na dann schieß los." Seufzte Ruby. Wenn es um irgendwas anderes gegangen wäre hätte sie die Pause lieber ihrem Buch gewidmet, aber Geld war nunmal Geld.

Ein irres Grinsen breitete sich auf Beauforks Gesicht aus, so dass Ruby fast Angst bekam. ,,Ich muss dir nichts mehr zahlen, weil du jetzt für den Rest deines Lebens in meiner Schuld stehst." Frohlockte er.

Ruby sah ihn ratlos an. ,,Hast du gesoffen?"

Es war ein bisschen früh um betrunken zu sein, aber angeblich nahm James Beaufork jeden Morgen ein Champagner Bad und es könnte ja sein, dass er heute beim planschen ein bisschen was verschluckt hatte.

,,Nein, ich hab dir einen Platz in Oxford gesichert."

,,Wirklich?" Rubys Knie begannen zu zittern. ,,Das ist nicht dein Ernst? Bitte sag mir das das ein kranker Scherz ist!"

Es war wie ein Schlag ins Gesicht. Ein Tritt in die Weichteile. Nun gut, als Frau konnte Ruby nicht recht wissen, wie sich der anfühlte, aber auf jeden Fall war es schlimm. Und es tat weh.

Wen ihrer großen Idole hatten zwischenmenschliche Beziehungen denn schon je nach Oxford gebracht? Vermutlich nicht allzu wenige musste Ruby Wuff sich eingestehen. Aber nicht sie! Sie wollte den ehrlichen Weg gehen! Den, der von nichts als Fleiß und herausragenden schulischen Leistungen geebnet wurde. Nur hatte James Beaufork das grade für sie ruiniert. Zusammen mit ihrem, bisher so gut laufendem Tag.

James lächelte immer noch als wäre alles in schönster Ordnung. ,,Nein, Ruby, ich meine das völlig ernst. Du bist schon so gut wie angenommen. Bei Oxford, der Uni deiner Träume. Freust du dich?"

Ruby Wuff hielt ihm ihre Faust unter die Nase. Sie zitterte vor Wut. ,,Ob ich mich Freue?! Was ist das für eine Frage? Freust du dich, wenn ich dir gleich die Nase breche?"

,,Mach doch, ist eh aus Silikon."

,,Du bist echt das Letzte, James Beaufork!"

Er hob eine Augenbraue. Immer noch völlig arglos. ,,Weil das Beste immer zum Schluss kommt?"

Ruby ahnte, dass das ein Witz war, aber sie lachte nicht. Sie war stolz auf ihre Fähigkeit in jeder Situation ernst bleiben zu können. Das unterschied sie von den vergnügungssüchtigen, nach Geld stinkenden, immerzu laut über etwas johlenden Schafsköpfen ihrer Schule.

Zu dieser Sorte schien James Beauforks Lieblingskumpel Alistair zu gehören, der über mehrere Stufen hinweg für seine dichten dunklen Locken und flirtigen Sprüche bekannt war. Momentan starrte er aber nur auf sein Smartphone, schaltete es an und aus, als wollte er es zwingen einen Wackelkontakt zu entwickeln. Das machte Ruby noch wütender. Hier war also James, ruinierte alles wofür sie jahrelang gearbeitet hatte, und Alistair starrte nur stumpf auf einen Bildschirm!

,,Hmph!" Machte Ruby, verschränkte die Arme und warf erst Alistair, dann James ihren besten Todesblick zu. ,,Was auch immer du mit Oxford abgemacht hast, du machst es besser mal sofort rückgängig, Beaunork!" Zischte sie. ,,Niemals werde ich mir von jemandem wie dir in meinen Traum hineinpfuschen lassen!"

Sie machte auf dem Absatz kehrt und stapfte davon wie ein wütendes Wildschwein. James sah ihr stirnrunzelnd nach. Er verstand wirklich nicht was ihr Problem war.

,,Was zur Hölle ist denn bitte falsch mit der, Alistair? Hey, Alistair? Bist du taub?"
James schnippte seinem besten Freund gegen die Stirn, als der nicht reagierte.
,,Was machst du da eigentlich die ganze Zeit am Handy?"

,,Ich warte auf eine Email." Antwortete Alistair abgelenkt.

,,Von wem?"

,,Von der Liebe meines Lebens."

,,Und die Liebe deines Lebens kommuniziert mit dir per Email? Wie alt ist er denn?" James begann zu lachen. ,,Soll ich den Himmel nach Brieftauben absuchen? Oder kommt die Antwort vielleicht noch mit der Postkutsche?!"

,,Ha ha. Sehr witzig. Er ist in unserem Alter." Alistair senkte die Stimme. ,,Es ist Kieran Waterford. Aus unserer Stufe. Ich bin total in ihn verknallt aber weiß leider nicht ob er auf Männer steht."

James erinnerte sich an das Gespräch zwischen Ruby und Lin im Café vor ein paar Tagen. Mitleidig drückte er seinem Kumpel die Schulter. ,,Ich glaube er steht leider auf Ruby."

Alistair sah kurz von seinem Bildschirm auf, auf Rubys finstere Gestalt die energisch davon marschierte. ,,Also ja, er steht auf Männer. Perfekt!"

James musste lachen. ,,Ne, ehrlich, Kumpel, der ist wirklich komplett in Ruby verknallt. Da kann man nichts machen. Sorry, Mann."

Alistair kniff fest die Lippen zusammen. Grade da traf die heiß ersehnte Email von Kierans Walrettungs Account auf Alistairs Smartphone ein. Dem Jungen ging das Herz auf beim lesen. Wie lieb er schrieb!

Ja, auch er hielt die Rettung der Wale für ein wichtiges Thema. Er freue sich über das Interesse an seiner und Rubys Arbeit. Sein Sternzeichen war Waage, wieso wollte er das wissen? Nein, von Umweltzerstörern hielt er ebenfalls nicht viel. Besonders wenn sie die Weltmeere kaputt machten.

,,Wir haben soviel gemeinsam." Flüsterte Alistair ergriffen.

James, der über seiner Schulter mitlas, verzog das Gesicht. ,,Was? Du hast dir noch nie vorher in deinem Leben Gedanken über die Weltmeere gemacht!"

Alistair hörte nicht zu. Er las weiter. Kierans Lieblingsfigur in Harry Potter war Dobby. Mit ihm konnte er sich am meisten identifizieren. Ansonsten mochte er aber auch Hermine sehr gerne. Austern aß er nicht, wegen der Schadstoffe, aber sicherlich könnte man sich mal treffen wenn Alistair.Knuddelbär_27.com noch weitere Fragen über die Projekte der Walschutz NGO "Wal-kommen in Hogwarts" hatte.

,,Na, das klingt doch nett." Meinte James gleichgültig. ,,Aber mach dir lieber keine Hoffnungen. Wie gesagt: er steht auf Ruby."

Es würde ihn fertig machen seinen besten Freund am Ende mit gebrochenem Herzen dastehen sehen zu müssen. Nicht etwa aus Mitleid, sondern weil "Alistair mit Liebeskummer erleben" jeden fertig machen würde. Das lag außerhalb der Grenzen des Ertragbaren.

Alistair sah mit schmalen Augen in die Ferne. Beziehungsweise zum anderen Ende des Schulhofs. Seine Stimme war noch rauchiger als üblich. ,,Ja. Noch. Aber das wäre doch gelacht wenn man da nichts machen könnte."

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