Kapitel 5: Pikachu und Gengar
Kaminari zappelt aufgeregt mit den Beinen, während er auf dem Rücken in seinem Bett liegt. Die warme Decke, auf dessen Bettwäsche einige Pokémon der ersten Generation abgebildet sind, liegt bereits seit einigen Minuten zusammengeknüllt am Rand des Bettes. Kaminari ist es nämlich viel zu warm, obwohl er nur ein T-Shirt und Shorts trägt. Um seine Schultern hängt das dunkelblaue Handtuch, das er immer zum Haaretrocknen verwendet. Bakugou würde ihm bestimmt eine Standpauke halten, wenn er wüsste, dass Kaminari nach dem Duschen seine Haare nicht richtig abgetrocknet hat und dann auch noch so leicht bekleidet ist. Trotz allem ist der aggressive Blonde jemand, der sich um andere sorgt. Mit einem genervten Stöhnen erinnert sich Kaminari an die unendlich langen Diskussionen zwischen Bakugou und Todoroki darüber, ob jeden Tag kalte Soba-Nudeln eine gesunde Ernährung sei. Im dritten Jahr der Highschool haben sie sich letztlich darauf geeinigt, dass Todoroki jeden zweiten Tag sein Lieblingsgericht essen darf, solange er einmal im Monat mit Bakugou in dessen Lieblingsrestaurant "Extra-Spicy-Spicy-Ramen-Paradise" geht. Kaminari fährt ein Schauer über den Rücken, als er sich daran erinnert, wie der Squad Bakugous 18. Geburtstag dort gefeiert hat. Kaminari hatte sich die mildesten Ramen auf der Karte bestellt und nichts zusätzlich reingemacht. Trotzdem brannte es danach noch eine Woche lang auf dem Klo.
Nach dieser schmerzhaften Erinnerung hellt sich Kaminaris Stimmung jedoch schnell wieder auf, als er das bekannte Surren seines Handys wahrnimmt; Shinsou hat ihm endlich zurückgeschrieben. Schnell schickt er Sero noch die Nachricht: "AAAAAHHHH Er hat geantwortet omfg", bevor er dann auf den Chat zwischen ihm und Shinsou klickt. Die Wärme von vorhin kehrt wieder zurück, als Kaminari die kurze Antwort des Violetthaarigen liest: "ok"
Der Blonde welzt sich aufgeregt hin und her. Er kann einfach nicht glauben, dass Shinsou durch seine kurze Nachricht tatsächlich einem zweiten Date zugestimmt hat! Es ist schon verwunderlich, dass Shinsou nach dem Spaziergang im Park überhaupt seine Handynummer rausgerückt hat. Ein rosafarbener Streifen legt sich über Kaminaris Gesicht, bei der Erinnerung daran, wie cool der Violetthaarige dabei aussah. Er grinste Kaminari an, als er ihm den Zettel entgegenhielt, auf dem sich die Handynummer, sowie kleine Bleistiftzeichnungen von den Katern Chargebolt, Deku und Lord Explosion Murder befanden. Kaminari fand die Zeichnungen extrem süß, weshalb er den Zettel aufbewahrt hat.
Seit dem ersten Date sind bereits über zwei Wochen vergangen. Kaminari schreibt Shinsou seitdem jeden Tag. Er bekommt nicht immer am selben Tag noch eine Antwort. Außerdem sind Shinsous Nachrichten meistens kurz und ganz ohne Smileys. Trotzdem ist Kaminari glücklich mit der Situation. Immerhin muss er jetzt nicht mehr eine ganze Woche warten, bis er wieder etwas von seinem Schwarm hört. Ein weiterer Pluspunkt ist, dass er über die letzten Tage ein paar Dinge über den Violetthaarigen gelernt hat. Darunter fällt beispielsweise der Fakt, dass dieser schwarzhaarige Kerl, der manchmal mit Shinsou das Cat Café Bakugou besucht, eigentlich Shinsous Vater ist. Kaminari ist es sehr peinlich, den Violetthaarigen vor seinem Dad so offen angeflirtet zu haben. Aber woher hätte er auch wissen können, dass Shinsou adoptiert wurde und somit seinen Eltern nicht ähnlich sieht? Trotzdem würde Kaminari gerne in die Vergangenheit reisen, um sein altes Ich davon zu überzeugen, zumindest die nicht jugendfreien Sprüche unausgesprochen zu lassen, wann auch immer der Schwarzhaarige dabei war.
Kaminari reibt sich endlich seine Haare vollens trocken, bevor er sie dann noch kämmt und sich bettfertig macht. Er geht extra früh schlafen, damit er früh aufstehen kann. Schließlich ist Morgen sein zweites Date mit Shinsou! Wer würde schon zu spät zu einem so wichtigen Date kommen?!
Kaminari wartet angespannt vor einer Ampel. Er ist bereits 10 Minuten zu spät dran. Natürlich musste er seinen Wecker überhören und dann auch noch viel zu lange im Bad brauchen, weil sein Rasierer Faxen gemacht hat. Kaminari verflucht leise die kleinen, blonden Stoppeln, die zwar täglich in seinem Gesicht auftauchen, es jedoch niemals wagen, zu einem richtigen Bart heranzuwachsen. Kaminari hatte es in den letzten Jahren ein paar Mal versucht, sich einen Bart stehen zu lassen, aber daraus wurde nie was. Letztlich hat ihm Bakugou immer mit der Kündigung gedroht, würde er nicht endlich diesen "halbgaren Flaum" abrasieren. Aber Bakugou hatte auch gut reden! Sein Bartwuchs ist super! Das weiß Kaminari durch Todoroki, der es sich nicht nehmen lässt, mindestens einmal in der Woche davon zu schwärmen, wie weich doch Bakugous Bart gewesen sei, als er bei ihrem gemeinsamen Urlaub in Schweden seinen Rasierer Zuhause vergessen hatte und zu geizig war, sich dort einen Neuen zu kaufen.
Die Ampel springt auf grün und Kaminari kann endlich weiter in die Richtung des Treffpunktes hetzen. Sein Schritt verschnellert sich, als er den Violetthaarigen an einer Straßenlaterne lehnen sieht. Shinsou hat wieder das Handy in der Hand mit einem kleinen Lächeln im Gesicht. Was der sich da nur immer anguckt?
"Hey, Shinsou! Sorry, dass ich schon wieder zu spät bin!" Schwer atmend kommt er neben dem Violetthaarigen zum Stehen. Erleichterung spiegelt sich in dessen Gesicht wieder, als er Kaminari ebenfalls begrüßt. Sofort steigt dem Blonden die Röte in seine Backen, als er realisiert, dass Shinsou den gleichen schwarzen Hoodie anhat, wie damals im Park. Die Erinnerung daran, wie er Kaminari umarmt hat, als dieser heulen musste, sind noch längst nicht verklungen. Kaminari hat selbst jetzt in diesem Moment das Gefühl, er könne noch die große Hand zärtlich seinen Kopf streicheln spüren und die leise und tiefe Stimme Shinsous direkt an seinem Ohr warnehmen.
Kaminari atmet einmal tief ein und aus. Jetzt bloß keine Panik schieben! Schließlich ist er der Flirtking schlechthin und allerbester Date-Planer. Zweiteres hat zumindest mal Jirou behauptet, nachdem er ihr geholfen hat, ein romantisches und zugleich cooles Date für sie und Yaomomo zu organisieren.
Zuversichtlich, dass alles glatt laufen werde, bringt er Shinsou zu dem kleinen Eis-Crêpe-Stand, den er in seiner Schulzeit öfter mit Freunden besucht hat. Ein Lächeln legt sich auf Kaminaris Lippen, als er sieht, wie gut Shinsou das Essen schmeckt.
Als Nächstes steuerten die beiden Männer auf eine Spielehalle zu. Ein paar Tage zuvor hat Shinsou nämlich erzählt, dass er als Jugendlicher nur selten in Spielehallen war, weil er ja kaum Freunde hatte. Shinsou war auch nie der Typ, der solche Orte alleine besucht. Sie sind ihm ohnehin zu laut und er sieht nicht wirklich einen Sinn darin, sein Geld für Videospiele auszugeben. Trotzdem hat er ziemlich viel Spaß, was Kaminari an Shinsous vielem Grinsen und dem wachsenden Ehrgeiz, in den Spielen zu gewinnen, sehen kann. Den ganzen Nachmittag über versuchen sie sich an effektiven Combos bei den Kampfspielen, fahren Rennen über coole Strecken und stellen ihren Rhythmus unter Beweis beim Tanzen, Knöpfe drücken und auf Plastiktrommeln schlagen.
Als Kaminari zum Abschluss noch versucht, etwas für Shinsou aus einem der Greifautomaten zu fischen, fühlt er sich wieder richtig in seine Schulzeit zurückversetzt, in der er des öfteren Plüschtiere für irgendwelche Mädchen gewann, die er unbedingt rumkriegen wollte. Kaminari hatte sich damals von Bakugou, der übertrieben gut im Greifspiel ist, sagen lassen, mit welchen Techniken man am ehesten an einen Gewinn kommt. So ist es auch nicht verwunderlich, dass er nach ein paar Versuchen das Katzen-Pokémon Flamiau als Plüschtier aus dem Automaten fischt. Kaminari überreicht es Shinsou, der sichtlich errötet.
Bisher war das Date ein voller Erfolg! Zufrieden mit sich selbst checkt Kaminari die Uhrzeit. Panik macht sich in ihm breit, als er bemerkt, dass der Film, den er mit Shinsou noch im Kino angucken möchte, bald startet. Anders als Kaminari vorhin, kommen die beiden jedoch rechtzeitig im Kino an. Die letzte Werbung flackert gerade über den Bildschirm, als Kaminari und Shinsou sich mit Nachos und Getränken auf ihre Plätze setzen. Dann endlich startet "Brokoli-kun VS. Boom Boom Man - The Final Fight", der Filmableger zum beliebten Anime.
Auch wenn der Titel etwas anderes behauptet, weiß Kaminari, dass dies mit Sicherheit nicht der finale Kampf zwischen dem Nerd und dem Hitzkopf ist. Schließlich hat der müde Hauptcharakter aus dem Film "Eraserheads Sleeping Bag - The Final Nap" in der nächsten Anime Season weiterhin sehr viele Nickerchen gehalten. Beide Filme stammen nämlich aus der Feder des berühmten Regisseuren Kohei Horikoshi. Der Mann ist bekannt für seine Titel, darunter auch "Burning Chicken - The Final Affair" und "Five Weenis - The Final Character Introduction"
Im Kinosaal ist es ganz still. Alle Augen sind auf die Leinwand gerichtet. Eigentlich kein Ort, an den man bei den ersten paar Dates gehen sollte, aber Shinsou ist ohnehin eher der ruhige Typ und genießt es sicherlich, dass er zwei Stunden lang keine großen Konversationen führen muss. Außerdem schwärmte Kaminari bei dem ersten Date darüber, dass er den Film unbedingt angucken möchte. Als Shinsou dann auch noch sagte, dass er den Film auch gerne sehen möchte, war Kaminari sich bereits sicher, dass er mit seinem Schwarm ins Kino gehen will.
Als die Credits über den Bildschirm flackern, ist Kaminari überaus glücklich. Der Film war atemberaubend. Kaminari hatte die letzte halbe Stunde nur noch geheult, weshalb Shinsou ihm zur Beruhigung die Hand hielt. Als sie dann aus dem Kinosaal rauskommen und somit ins Licht treten, bemerkt Kaminari die starke Röte in Shinsous Gesicht. Kaminari selbst spürt ebenfalls die Hitze bis hinter seine Ohren, da Shinsou seine Hand noch immer nicht losgelassen hat, obwohl bereits seit ein paar Minuten keine Tränen mehr geflossen sind.
Still laufen die beiden händchenhaltend die Straße entlang zur Bushaltestelle. Der Tag wäre wirklich perfekt, wenn es nicht plötzlich anfangen würde, in Strömen zu regnen. Wegen der peinlichen Situation hatte keiner der beiden bemerkt, dass dunkle Wolken über dem Himmel hängen, seit sie aus dem Kino getreten sind. Shinsou und Kaminari beschleunigen zwar ihren Gang zur Bushaltestelle, kommen jedoch klitschnass dort an. Auch wenn Kaminari jetzt bestimmt wie ein nasser Hund aussieht, ist ihm immerhin nicht mehr so heiß. Des Weiteren zeigt sich dem Blonden ein ganz besonderer Anblick; die Wassertropfen in Shinsous Haar, das entgegen allen physikalischen Gesetzen immernoch in alle Richtungen absteht, glänzen im Schein des Blitzes, der gerade irgendwo eingeschlagen war. Kaminari mochte Gewitter schon als Kind, aber jetzt im Moment schätzt er sie richtig Wert. Vielleicht ist dieses Unwetter doch nicht so schlimm. Schließlich hält Shinsou immernoch Kaminaris Hand und lächelt leicht, während er in die Ferne blickt. Kaminari ist fasziniert von dem Funkeln in Shinsous Augen. Seinen Blick weiterhin auf keinen bestimmten Punkt gerichtet, meint der Violetthaarige plötzlich: "Das Wetter erinnert mich an den Tag, an dem wir uns das erste Mal begegnet sind."
Kaminari denkt darüber nach, was Shinsou eben gesagt hat. Der Tag, an dem die beiden sich das erste Mal begegnet sind, war ein Dienstag. Kaminari trat gerade aus dem Cat Café Bakugou. Er summte fröhlich ein Liedchen, da er, dank ein paar Überstunden aus der letzten Woche und Todorokis Gutmütigkeit, früher nach Hause durfte. Draußen erblickte er schließlich Shinsou, der interessiert das Werbeschild vor dem Gebäude betrachtete. Kaminari fand ihn von Anfang an attraktiv, weshalb er ihn sofort anflirtete. Dass der Blonde damit leider keinen Erfolg hatte, tut jetzt nicht zur Sache, denn Kaminari ist etwas aufgefallen: "An dem Tag hat es nicht geregnet."
Shinsou nickt, mehr zu sich selbst, als zu Kaminari. "Ich dachte mir schon, dass du mich erst später bemerkt hast."
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