Verwehrte Ruhe

Kapitel 28 – Verwehrte Ruhe


Nach dem Gespräch mit Erwin beschloss Levi, dass Schlaf erstmal keine Option für ihn sein würde. Dafür war heute zu viel passiert. Annie Leonhardt war als Titanenwandler identifiziert worden, doch anstatt sie zu überführen, hatte es einen Kampf zwischen zwei Riesen mitten in einem Außenbezirk der Mauer Sina gegeben. Nicht einmal gewonnen hatten sie, dieses Miststück hatte sich im letzten Moment in einen Kristall aus ihrer eigenen verhärteten Riesenhaut gesperrt. Dazu kam noch die Entdeckung der Titanen in den Mauern. Sie mussten schon immer da gewesen sein, dieser Gedanke war einfach... bizarr. Jedoch schien es der Wahrheit zu entsprechen.

Nein, Levi konnte sich jetzt definitiv nicht ausruhen. Er wollte sich vergewissern, dass das eingeschlossene Titanenmädchen sicher verwahrt worden und gut gesichert war. Sie wurde in den Tunneln des Untergrunds von Stohess festgehalten, dort, wo sie ursprünglich hätte enttarnt werden sollen. Auch war beschlossen worden, dass sie ununterbrochen überwacht wurde, für den Fall, dass sie wieder aufwachte.

Die Gesamtsituation betrachtend knirschte Levi beim Gehen mit den Zähnen. Es war einfach zum Haare Raufen, nichts lief nach Plan. Erwin wurde in diesem Moment verhört. Sollte sich die Pechsträhne fortsetzen, würde der Aufklärungslegion jegliche Handlungsbefugnis untersagt werden.


Levi brauchte nicht lange, um zu sehen, dass alle Vorkehrungen für Annie Leonhardt getroffen worden waren. Dienste für die Wachposten waren bereits festgelegt worden und Seile hielten den Kristall mit dem Mädchen stabil, falls er auseinanderbrechen sollte.

Da er seiner Meinung nach für heute sonst nichts weiter unternehmen konnte, beschloss der Kapitän, zu seinem Zimmer zurückzukehren. Schlaf würde er keinen finden, aber genug Stoff zum Nachdenken hatte er allemal.

Die letzten Sonnenstrahlen des Tages klammerten sich an den Horizont und tauchten die Welt in ein warmes Orange. Es wirkte so unheimlich friedlich, dass Levi fast schlecht wurde in Anbetracht all der Menschen, die heute ihr Leben gelassen hatten.

Der Schwarzhaarige war fast an seinem Ziel angekommen, als plötzlich Motte hinter ihm seinen Namen rief. Ehe er sich umdrehen konnte, fuhr sie blitzschnell durch ihn hindurch, wobei er aufgrund der brennenden Kälte kaum merklich zusammenzuckte. Vor ihm zum Halt kommend wirbelte das Mädchen zu ihm herum.

„Ich dachte, du bist in der Schule", gab er ruhig von sich, obwohl er überrascht war. Kaum hatte er geendet, merkte er, dass etwas nicht stimmte. Motte wirkte atemlos und ihre Augen waren verquollen, als hätte sie geweint. Sie ignorierte seine Bemerkung. „Levi...", keuchte sie noch einmal, dieses Mal leiser. Sie klang verschnupft. Dann kniff sie die Augen zusammen. „Es tut mir so leid! Ich... Ich hab das vorher gar nicht mitgekriegt, dass das alles am gleichen Tag passiert. Ich dachte..." Abermals holte sie tief Luft und öffnete ihre Augen. Sie zitterte am ganzen Körper. „Ich dachte, ich hätte noch etwas Zeit. Ich war in der Schule und mir wurde langweilig und dann dachte ich mir, dass ich doch deinen Rat befolgen und mal in die nächsten Folgen gucken kann... Oh, es tut mir so leid! Es ist alles schon geschehen, das hab ich nicht gewusst!" Nun traten ihr tatsächlich Tränen in die Augen. „Ich hab mich sofort krank gemeldet, bin nach Hause gegangen und hab mich so schnell wie möglich schlafen gelegt, um mit dir zu reden."

Gerade heulte oder jammerte Motte nicht. Sie weinte echte, leise Tränen. Levi bemerkte, dass sie versuchte sich zusammenzureißen, doch es gelang ihr nicht. Irgendetwas war anscheinend gewaltig schiefgelaufen. Das Mädchen vor ihm war komplett aufgelöst. Er mochte es nicht, die Nervensäge so zu sehen, doch er wusste nicht, was er tun sollte. Er tröstete nicht, er herrschte Menschen an, sich zusammenzureißen, doch so wie er das Mädchen kannte, würde es bei ihr nur die gegenteilige Wirkung erzielen.

Schnell blickte er sich um. Als er sich vergewissert hatte, dass sie beiden die einzigen im Flur waren, forderte er sie so sanft, wie es für ihn möglich war, auf: „Beruhige dich und erzähl mir, was los ist. Dieses Gestammel hilft keinem weiter." Sie nickte schnell und versuchte gezielt ein- und auszuatmen. Ihr liefen immer noch Tränen übers Gesicht und das Zittern hielt an, aber immerhin schien sie gefasster zu sein. „Es befinden sich Riesen in Mauer Rose", erklärte sie. „Ein gutes Dutzend. Sie kommen aus dem Süden. Erwin sollte es inzwischen auch wissen."

Levis Augen weiteten sich. „Mauer Rose ist durchbrochen worden? Tatsächlich die Mauer und kein Tor?" Die Gedanken in seinem Kopf überschlugen sich. Wenn nun wirklich auch die zweite Mauer gefallen war, mussten abermals Menschen evakuiert werden. Mehr als nur ein Außenbezirk. Sie würden alle in Mauer Sina gezwängt werden müssen. Viele würden ihr Leben lassen. Sollte sich die Katastrophe von vor fünf Jahren tatsächlich nochmal wiederholen?

Bevor er jedoch einen Kommentar diesbezüglich abgeben konnte, schüttelte Motte zögerlich den Kopf. „Kein Loch, nur die Riesen. Sie alle..." Sie kaute auf der immer noch bebenden Unterlippe. Anscheinend bedachte sie ihre nächsten Worte genau. „Einer... sticht heraus. Es ist ein Abnormaler, ca. siebzehn Meter groß. Er ist beinahe komplett mit Fell überzogen und sieht deswegen wie ein riesiger, gruseliger Affe aus. Und... Er kann sprechen." Nervös fummelte sie an den Enden ihrer Jackenärmel.

Levi schüttelte leicht den Kopf, als wolle er so seine ungeordneten Gedanken sortieren. „Moment, wie kommen Riesen in die Mauer, wenn sie nicht durchbrochen wurde?" Motte schaute ihm in die Augen. Der Kapitän sah, dass sie einen inneren Konflikt austrug. Entschuldigend presste sie die Lippen aufeinander und schüttelte den Kopf. Weitere stille Tränen liefen ihr über die Wangen.

Sie kannte die Antwort, wollte aber nicht damit herausrücken. Verärgert schnalzte er mit der Zunge. „Wir haben keine Zeit für sowas! Wir brauchen alle Informationen, die wir..."

„Ich kann nicht", hauchte Motte schuldbewusst und schüttelte weiterhin den Kopf.

Levi stieß einen frustrierten Laut aus und marschierte an ihr vorbei Richtung Erwins Büro. Er durfte keine Zeit verlieren und anscheinend war die Nervensäge gerade mal wieder besonders dickköpfig. Trotz ihres emotionalen Zustandes. Mit ihr zu diskutieren war momentan bloß Zeitverschwendung. Sie schwebte ihm wortlos hinterher.

„Was ist mit diesem Affentitan?", knurrte er. „Kannst du mir zu ihm etwas sagen oder zickst du dabei auch rum?" Aus dem Augenwinkel sah er, wie Motte die Arme vor ihrer Brust gefaltet und ihren Blick gesenkt hielt; als hätte sie Angst, dass sie gleich auseinanderbrechen könnte. Seinen Tonfall änderte er deswegen nicht, doch ihm war klar, dass es ihr entweder wirklich leidtat, oder dass es noch mehr gab, was sie nicht erwähnt hatte. „Er ist ein Riesenwandler wie Eren und Annie", offenbarte sie augenblicklich. „Ein Mann mit blonden, längeren Haaren, Bart und Brille. Aber mehr weiß ich nicht zu ihm."

Er war erstaunt, wie problemlos sie diese Information preisgab. Sie war also gewillt zu helfen... Welchen Grund hatte es dann, dass sie nichts zur Herkunft der neu aufgetauchten Titanen sagen wollte?

Eine Weile schwiegen sie. Der Nervensäge lag immer noch etwas auf der Seele, Levi spürte ihre Anspannung. Jedoch drängte er sie nicht weiter. Er hatte das ungewohnte Gefühl, dass ihr wirklich klar war, was momentan größere Wichtigkeit besaß, und gab dementsprechend nur relevante Informationen preis. Sie würde schon sprechen, wenn der Zeitpunkt gekommen war. Das hatte sie eigentlich schon immer getan, nur dabei nie Klartext geredet. Er hoffte inständig, dass seine Intuition ihn nicht täuschte.

„Mike ist tot", gab sie plötzlich kleinlaut von sich.

Levi stoppte kurz und blickte zu ihr. Das war allemal eindeutig. „Ah", machte er leise, als hätte ihn jemand gezwickt. Schnell versuchte er sich zusammenzureißen und ging wieder weiter, doch sein Blick war nun gesenkt. Er hatte gesehen, wie einzelne Tränen dem Mädchen über die Wangen liefen. Das war es wohl, was sie die ganze Zeit in sich gehalten hatte. Der Schwarzhaarige musste zugeben, einen kleinen Stich in der Brust zu spüren. Hauptsächlich aber war er wütend. Sehr sogar. Er wollte nachfragen, wie es passiert war, aber er konnte nicht. Zu sehr war er damit beschäftigt, die Zähne zusammenzubeißen und sich gedanklich zu beruhigen.

Sie hatten Erwins Zimmer erreicht. Ohne anzuklopfen öffnete Levi die Tür. Die Heftigkeit der Neuigkeiten ließen ihm alle Höflichkeiten sinnlos erscheinen. Er hielt sich nicht mit irgendwelchen Begrüßungen auf, sondern meinte nur beim Eintreten verächtlich: „Diese verdammten Riesen lassen uns keine ruhige Minute." Erwin stand mit dem Rücken zu ihm und blickte hinaus in die Nacht. Bei ihm war der Bote, der dem Kommandanten die schrecklichen Nachrichten überbracht hatte. Sobald er Levis Stimme hörte, drehte er sich um: „Kannst du gehen?"

Der schwarzhaarige Kapitän schloss die Tür hinter sich, sobald Motte hindurchgeschwebt war, und trat in die Raummitte: „Es ist ja nicht so, als ob ich eine Wahl hätte."

„Es war gut, Einheitsführer Mike bei der 104. Trainingseinheit zu lassen", meinte der Bote aufatmend. „Ich glaube, er kann die Situation unter Kontrolle bringen." Aus dem Augenwinkel sah Levi, wie Motte sich auf die Unterlippe biss und sich hastig die nassen Wangen wischte. Er selbst merkte auf; sie wussten es also noch nicht.

Erwin drehte sich wieder zum Fenster. „Ja. Lasst uns das hoffen."

Mit gleichgültigem Blick wandte sich Levi an den Boten. „Lass uns allein", verlangte er. Dieser salutierte daraufhin und verließ den Raum. Kaum war er weg, wiederholte der Kapitän Mottes Worte: „Mike ist tot."

Es war interessant: Er klang leblos, und irgendwo fühlte er sich auch ein bisschen so, aber unter diesem Schleier der Gefasstheit brodelte er. Zu viel war heute schiefgelaufen und es wurde mit jeder Minute mehr.

Erwin war die Überraschung deutlicher anzusehen als Levi. Schnell wandte er sich zu ihm um und seine blauen Augen waren geweitet. „Bist du dir sicher?" Levi nickte. „Die Nervensäge hat es mir gesagt. Deiner Reaktion nach zu urteilen, ist das noch unbekannt. Sag, was genau weißt du alles?"

Der Kommandant der Aufklärungslegion fasste sich schnell wieder. Seine Augen hatten nun diesen typisch analytischen Blick. Erwin ignorierte Levis Aufforderung zunächst und schlussfolgerte: „Ist Motte bei dir?"

Ehe der Schwarzhaarige antworten konnte, erwiderte das Mädchen: „Ja, bin ich." Beide Männer wandten den Kopf in ihre Richtung. Levi bemerkte, dass sie immer noch schwebte, ihren Blick hielt sie auf den Boden vor sich gerichtet. Da Erwin sie offensichtlich gehört hatte, hatte sie die Manifestation der Stimme angewandt. Ob unbewusst oder nicht, war unwichtig, entscheidend war, dass sie es konnte. „Ich bin wach gewesen und habe nachgeschaut, wie es hier demnächst weitergehen wird. Erst dann habe ich verstanden, dass es bereits geschehen ist", erklärte sie. Ihre Stimme war belegt. Man hörte ihr deutlich an, dass sie zutiefst bedrückt war.

Erwin fiel es mit Sicherheit auf, allerdings ignorierte er es gekonnt. „Also weißt du mehr als wir." In seinen Augen blitzte etwas auf, Levi bemerkte es. Dann wandte er sich an den Schwarzhaarigen: „Um deine Frage zu beantworten: Das einzige, das mir berichtet worden ist, sind die Riesen innerhalb der Mauer und die 104. Trainingseinheit, die sich in deren Nähe befindet. Sie werden von Mike und seiner Einheit betreut." Seinen Kopf drehte er wieder in die Richtung, aus der Mottes Stimme gekommen war, und blickte sie somit ziemlich genau an. „Aber Mike ist tot, meinst du. Stimmt das?"

Motte nickte und hatte anscheinend vergessen, dass sie nur für Levi sichtbar war. „Er kann dich nicht sehen", erinnerte er sie. Das schien sie aus einer Art Trance zu wecken. Ihr Kopf zuckte nach oben und sie blickte Erwin direkt an. Die Arme platzierte sie neben ihren Körper. Der Schwarzhaarige merkte, dass sie sich wieder unter Kontrolle bringen wollte. Ihre Augen waren zwar noch gerötet und sie zitterte weiterhin, doch ihre Stimme klang fester: „Ja, es stimmt."

Erwin nickte. In seinem Gesicht spiegelte sich etwas wider, was man Bedauern nennen könnte, aber es wirkte nicht herzlich, sondern professionell. Levi wusste, dass der Kommandant nicht gefühlskalt war, doch ihm war auch klar, dass er stets seine Emotionen zurückstellen konnte, wenn es sein musste. Und das war in seinem Leben eigentlich immer der Fall. „Wie ist er gestorben?"

Da zögerte das Mädchen. Ihre Augen wurden noch größer und verloren ihren Fokus; sahen etwas, was nicht hier war. „Bei allem Respekt", begann sie schwer schluckend. Levi bemerkte, dass sie ihre Hände unbewusst zu Fäusten geballt hatte. „Ich glaube nicht, dass Sie das wissen wollen..." Ihre Stimme war immer leiser geworden. Auf einmal presste sie die Hände auf ihren Mund, blies die Backen auf, konnte nur noch einen schnellen, entschuldigenden Blick zu Levi werfen und war dann verschwunden.

„Sie ist weg", informierte er seinen Vorgesetzten. Dieser merkte auf: „Weshalb?" Resigniert zuckte der Schwarzhaarige die Schultern: „Ich glaub, sie muss kotzen." Erwin nickte verstehend und äußerte sich nicht weiter dazu.

„Mike war ein guter Mann", rutschte es Levi heraus. Beinahe schon provozierend betrachtete er Erwin. Diese kühle Professionalität ging ihm gewaltig gegen den Strich. Ein treuer Kamerad, fast schon Freund, war tot und der blonde Mann vor ihm tat es mit einem sachten Nicken ab. „Sein Tod ist ein tragischer Verlust", stimmte er zu. Er klang, als würde er Small Talk führen.

Für einen kurzen Moment loderte Wut in Levi auf, doch dann verrauchte sie plötzlich. Erwin hatte ja Recht, für emotionale Ausbrüche hatten sie wirklich keine Zeit. Die Nervensäge würde diese Aufgabe für alle übernehmen und sie wären ausgesorgt. Jetzt hieß es einen klaren Kopf bewahren und planen, wie man am besten vorgehen sollte. Innerlich seufzte Levi auf. Normalerweise war er eigentlich nicht so. Vermutlich war heute einfach zu viel geschehen.

„Das Mädchen kann also auch ihre Stimme hörbar machen, ohne dass man sie sieht", begann Erwin. Somit war das Thema Mike wohl abgeschlossen und ein neueres, offenbar wichtigeres, kam zur Sprache. Levi erwiderte nichts darauf. Dem Kommandanten war diese Information bereits bekannt gewesen, nur hatte er es vorher noch nicht erlebt. Ihm fiel auf, dass sein Vorgesetzter nachdachte. Schließlich wollte dieser wissen: „Wieso hat sie sich mir nicht gezeigt?"

„Ich bin mir nicht sicher", antwortete Levi wahrheitsgetreu und verschränkte die Arme vor der Brust. „Ich nehme an, dass sie das unbewusst gemacht hat. So kann nur ich sie sehen. Und sie mag es nicht, wenn man ihr Schwäche ansieht." Er verschwieg, dass es teilweise auch wohl mit ihrem Misstrauen gegenüber dem Kommandanten zu tun hatte.

Abermals merkte Erwin auf: „Wie meinst du das?" Ungeduldig schnalzte der Schwarzhaarige mit seiner Zunge. Gefühle zu verbalisieren war nicht seine Stärke: „Das mit Mike und den Riesen macht sie wohl ziemlich fertig. Ich glaube auch, dass sie sich schuldig fühlt, weil sie den zeitlichen Ablauf nicht auf dem Schirm hatte." Daraufhin führte der Blonde seine Hand nachdenklich zum Kinn und sein Blick wanderte zum Boden: „Das ist allerdings ein Problem, das hätte vermieden werden können."

Levi öffnete den Mund, um etwas zu erwidern, doch dann tauchte Motte neben ihm wieder auf. „Hallo, bin wieder da", grüßte sie überraschend tonlos. Ihre Augen waren immer noch glasig und sie wirkte etwas blass um die Nase. Der Schwarzhaarige war sich ziemlich sicher, dass sie sich übergeben hatte. „Das ist gerade ziemlich unschön gewesen", versicherte sie ihm, ohne dass er etwas gesagt hatte, „aber der Gedanke an Mikes Tod... Es ist so... grausam gewesen." Bei dem Gedanken daran schauderte sie. Anschließend blickte sie zu Levi und lächelte leicht. „Aber jetzt fühle ich mich immerhin besser."

Erwin hatte bemerkt, dass der Kapitän seinen Kopf ruckartig gedreht hatte. „Motte?", fragte er nach. Diese zuckte kurz zusammen, hatte den Kommandanten anscheinend kurzzeitig vergessen und meinte dann: „Ja, Sir?" Levi fiel die Anrede auf. Offensichtlich ging es ihr nun wirklich besser. Unwillkürlich atmete er auf; er hatte seine innere Anspannung gar nicht mitbekommen.

Erwins Blick war durchdringend. „Wann hast du von den heutigen Ereignissen, die sich in Mauer Rose abspielen, erfahren?" Das Mädchen dachte kurz nach und manifestierte beim anschließenden Antworten weiterhin nur die Stimme: „Vor etwa einer halben Stunde. Ich habe grob gewusst, was passiert, aber nicht, wann. Da es heute bereits genug Aufregung gegeben hat, wollte ich das eigentlich auf morgen verschieben."

Erwin senkte kurz seinen Blick. Das Durchdringende war nicht verschwunden; seine Augenbrauen waren zusammengezogen. Dann schaute er wieder zur Motte. Levi wusste nicht, wie, aber der Kommandant schaffte es, sie mit seinen Augen zu durchbohren, ohne sie zu sehen. „Motte", begann er mit ernster Stimme. „Du musst dir bewusst werden, welche Verantwortung du mit dir trägst. Wäre dir früher aufgefallen, dass die heutigen Geschehnisse am gleichen Tag stattfinden, wäre das vielleicht nicht passiert." Nicht durchdringend, streng. „Mike wäre möglicherweise noch am Leben..."

„Erwin!", fuhr Levi warnend dazwischen. Dieser wandte sich daraufhin an den Schwarzhaarigen. Seine blauen Seelenspiegel funkelten beinahe schon provozierend, als würden sie fragen: Es stimmt doch! Der Kapitän hielt seinem Blick stand, bis der Blonde auf einmal entschuldigend seine Augen niederschlug. „Ich mache dir keine Vorwürfe", richtete Erwin sich nochmal an Motte, „und ich gebe dir auch nicht die Schuld an dem, was heute passiert ist. Ich will nur, dass dir klar wird, welche Macht du besitzt."

Das Mädchen nickte. „Okay", erwiderte sie so nüchtern, wie es Levi normalerweise tat. Dieser sah in ihrem Gesicht, wie zornig sie eigentlich über seine Worte war. Falls Erwin es trotz der nichtssagenden Tonlage bemerkt haben sollte, so beachtete er es nicht weiter: „Nun gut", sprach er in die kleine Runde. „Wir dürfen keine Zeit verlieren. Es wird uns heute Nacht noch einiges bevorstehen."

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