Im Inneren der Mauer
Kapitel 26 – Im Inneren der Mauer
Levi und Motte wurden vom Gebrüll der kämpfenden Riesen und dem Lärm der Zerstörung, die diese verursachten, zum Ort des Geschehens geleitet. Sie rauschten schnell durch Stohess und sprachen kein Wort miteinander. Erst als sie sich schon fast am Ziel befanden, im östlichen Teil der Stadt direkt an der Mauer, die den Außenbezirk vom Inneren der Mauer Rose trennte, machte der Schwarzhaarige den Mund auf: „Ich schneide Eren aus seinem Nacken hast du gesagt?"
„Wenn sich nichts verändert hat, ja", bestätigte die Nervensäge.
„Und warum mache ich das?", hakte er weiter nach.
„Eren hat sich nicht mehr richtig unter Kontrolle. Er war kurz davor Annie aufzuessen. Zumindest wirkte es so, wer weiß?" Sie zuckte mit den Schultern. „Letztendlich hast du ja eingegriffen." Levi nickte knapp zum Zeichen, dass er verstanden hatte. Er fand es sehr angenehm, dass die Nervensäge ohne Umschweife geantwortet hatte. Früher hätte sie mit ihm erst einmal darüber diskutiert.
Bereits von Weitem konnten sie die Reihe von Aufklärungssoldaten auf den Dächern sehen, die allesamt auf das Geschehen starrten, das sich vor ihnen abspielte. Binnen weniger Sekunden verstand Levi, wie die Situation aussah: Hier war anscheinend mal ein Markt gewesen, denn lauter zerstörte Zelte lagen herum. Auch war alles in näherer Umgebung blutverschmiert. Einige Meter weiter befand sich die Eskorte der Militärpolizei, die Erwin abführen sollte, doch alle Soldaten hatten sich beim Anblick der kämpfenden Riesen verkrochen. Der einzige, der noch ganz vorne am Rand der Brücke stand und das Geschehen mit analytischem Blick betrachtete, war der Kommandant der Aufklärungslegion selbst, die Hände in Handschellen. Die zwei Riesen kämpften am Boden. Beiden fehlten Gliedmaßen. Der Weibliche Riese hatte ein zerquetschtes Gesicht. Wenn man es genauer beschrieb, stellte man fest, dass Eren die Oberhand hatte. Er beugte sich über den Nacken des Weiblichen Riesens.
Jetzt wusste Levi, was die Nervensäge gemeint hatte mit Eren hat sich nicht unter Kontrolle; selbst als Riese wirkte er rasender und unberechenbarer als sonst. Den anderen Soldaten der Aufklärungslegion fiel das auch auf und sie versuchten Eren schreiend darauf aufmerksam zu machen, schrien ihm zu, dass er aufhören solle. Dieser jedoch hörte nicht und riss mit seinen Zähnen das Fleisch vom Nacken, in dessen Inneren sich Annie Leonhardt befand.
Dann hielt er plötzlich inne.
Und zwar eine Sekunde zu lang.
Ein helles Strahlen und heftiger Wind gingen plötzlich von den zwei Riesenkörpern aus. Levi riss sich wie alle anderen auch die Arme vors Gesicht, um nicht geblendet zu werden, doch er versuchte trotzdem zu erkennen, was da vor sich ging. Eren brüllte, es klang fast schon verzweifelt. „Verdammt!", fluchte die Nervensäge laut neben Levi, die ihre Augen ebenfalls mit den Armen schützen wollte. „Ich habe ihm gesagt, dass er nicht zögern soll!" Ehe der Kapitän sie fragen konnte, was denn gerade passierte, erklärte sie es ihm bereits. „Sie verschmelzen miteinander. Annie schließt sich so in eine unkaputtbare Hülle."
Levi erwiderte daraufhin gar nichts; er handelte. Schnell sauste er zu Erens Riesen und schnitt gezielt dessen Nacken auf. Der Junge hing mit geschlossenen Augen heraus. „Wage es ja nicht unsere einzige Zeugin zu essen, Vollidiot!", knurrte der Schwarzhaarige wohlwissend, dass der Junge ihn nicht hören konnte.
Von den Riesenkörpern waren inzwischen nur noch die dampfenden Skelette übrig. Eren und Annie befanden sich schon seit einer Viertelstunde außerhalb der Körper. Der Junge war noch nicht wieder bei Bewusstsein; seine zwei engsten Freunde befanden sich bei ihm. Das Riesenmädchen war in einem glasklaren Kristall eingeschlossen. Wie Motte bereits gemeint hatte, war das Material, diese verhärtete Riesenhaut, so gut wie unzerstörbar. Viele Soldaten der Aufklärungslegion hatten bereits versucht es zu brechen. Alle erfolglos. Annie Leonhardt blieb unzugänglich. Mit ihren geschlossenen Augen sah sie so aus, als würde sie schlafen.
Die Militärpolizei hatte sich wieder geordnet und war bereit, Erwin Smith abzuführen und zu verhören. Erst einmal musste jedoch die Situation abgeschätzt werden. Der halbe Bezirk wies Ausmaße der Zerstörung auf. Überall war Blut. Jedoch war es im Vergleich zu vorhin äußerst ruhig. Ein sanfter Wind wehte jedem durchs Haar, während die untergehende Sonne den Himmel gold-orange färbte.
Die Soldaten der Aufklärungslegion standen mehr oder weniger unschlüssig herum, unsicher, was jetzt mit ihnen geschah. Nicht einmal Levi war sich sicher, was er jetzt denken sollte. Solange Annie in diesem Kristall war, hatte die Legion keinerlei Berechtigung für ihr Handeln vorzuweisen. Ein mittelmäßig zufriedenstellendes Resultat hatte Motte diese Situation genannt, denn laut ihrer Aussage, hatte sich kaum etwas von dem ihr bekannten Geschehen verändert. Levi fand diese Bezeichnung sehr treffend. Wer wusste, wie es jetzt weiterging?
Richtig, die Nervensäge. Die blickte schon die ganze Zeit über immer wieder nervös zur Mauer. Auch Levi waren bereits die senkrechten Markierungen aufgefallen: Je vier Löcher zogen sich versetzt und in regelmäßigen Abständen etwa vier Fünftel der Mauer entlang nach oben. Der Weibliche Riese hatte versucht daran hochzuklettern und so zu entkommen. Die Löcher bildeten die Stellen, an denen er seine verhärteten Finger eingeschlagen hatte. Er hatte es allerdings nicht geschafft. Mikasa Ackermann hatte ihn aufgehalten. Es war also nichts Weiteres mit der Mauer passiert, weswegen Levi nicht verstand, wieso die Nervensäge wieder so zappelig wurde. „Ich bin gleich wieder da", meinte sie sogar zu ihm und flog Richtung Mauer. Er wollte sie mit seinem Blick verfolgen, doch dann wurde er abgelenkt.
Wutschreie und das Geräusch von brechenden Klingen kamen von seiner Rechten. Der Junge Jean schlug immer wieder mit seinen Klingen auf Annies Kristall ein. Selbstverständlich war es zwecklos. Levi hatte selbst erfahren, wie stabil die verfestigte Haut des Riesens war. Ehe der Hellbraunhaarige weiteres Material verschwendete, humpelte der Kapitän auf ihn zu und legte eine Hand auf seine Schulter. „Hör auf", meinte er ruhig, aber bestimmt. „Das nützt nichts." Mit vor Wut zusammengepressten Zähnen blickte er zu Levi herab, doch dann schwand seine Anspannung. Kraftlos ließ er seinen Arm mitsamt seiner Körperhaltung sinken. Der Griff mit dem letzten Stück Klinge glitt aus Jeans Hand und fiel zu Boden. Denn die Situation war unfair und unvorhersehbar, aber vor allem unabänderlich.
Gerade als Hanji vorbeilief und den Soldaten befahl, Annie und ihren Kristallen mit Seilen zu befestigen und ihn unterirdisch zu lagern, kam die Nervensäge plötzlich wieder angeschossen. „Ihr müsst auf die Mauer ballern!", keuchte sie gehetzt und panisch. Für Levi kam diese Aussage so plötzlich, dass er erst einmal blinzeln musste, ehe er reagieren konnte. „Bist du jetzt endgültig übergeschnappt?", fragte er schließlich rhetorisch und mit gesenkter Stimme, damit die umstehenden Soldaten ihn nicht hören konnten.
Sie wollte schon den Mund öffnen, um heftig zu protestieren, doch dann blickte sie verwundert: „Das fragst du erst jetzt? Ich versuche darauf eine Antwort zu finden, seit ich weiß, dass ich im Schlaf die Welten wechsele." Direkt im Anschluss kam die zu erwartende heftige Reaktion: „Ich meine es ernst! Ihr müsst irgendetwas unternehmen, damit ein Stück Mauer herunterfällt!" Motte wirkte auf den Kapitän ehrlich ratlos; ihre Augen waren vor Angst geweitet und die Brauen leicht zusammengezogen. „Es müsste bereits etwas passiert sein, was aber nicht geschehen ist! Ein Stück Mauer muss runterfallen. Und es besteht auch nicht die Möglichkeit, dass dies in naher Zukunft passiert. Ich habe versucht, etwas an den Löchern, die Annie verursacht hat, herauszureißen, aber es klappt nicht!"
„Ist doch gut so", meinte Levi bloß daraufhin leicht verwirrt. Er verstand nicht ganz, warum genau diese Angelegenheit so wichtig war.
„Nein, ist es nicht!", keifte sie aufgebracht. „Genau das ist der Punkt! Ihr findet etwas in den Mauern, woraufhin Hanji weiterforscht und zu einer Idee kommt, wie..." Motte haderte kurz, schien mit sich selbst zu ringen, vollendete dann trotzdem den Satz. „... wie man das Loch in Mauer Maria versiegeln kann."
Levis Nackenhaare stellten sich auf. Eine Möglichkeit, um die äußerste Mauer wieder zu gewinnen? Das war einer der wichtigsten Schritte, um den Sieg der Menschheit gegenüber den Riesen zu sichern. „Verarsch mich nicht", zischte der Kapitän skeptisch. „Bist du dir ganz sicher?" Das Mädchen nickte ernst. „Ja."
„Was befindet sich in den Mauern?", wollte Levi wissen. Die Mauern gezielt zu beschädigen war keine einfache Sache, alleine schon, weil der Mauerkult heftig protestieren würde. Es musste sich wirklich lohnen. Des Weiteren war der Stein äußerst stabil, schließlich war er die einzige Möglichkeit, die Menschen vor den Riesen zu schützen. „Reicht es nicht, Hanji davon zu erzählen und die basiert ihre Forschungen aufgrund dieser Aussage?"
Motte schüttelte heftig den Kopf. „Auf gar keinen Fall! Woher solltest du denn die Informationen haben? Und selbst wenn du ihr von mir erzählen solltest..." Abermals schüttelte sie den Kopf, dieses Mal jedoch nicht so energisch. „... niemand außer vielleicht dir würde mir glauben, wenn man es nicht gesehen hat."
„Was befindet sich in den Mauern?", fragte Levi ein zweites Mal. Es musste sich dabei anscheinend um eine sehr außergewöhnliche Antwort handeln. Kurz zögerte das Mädchen noch, blickte in seine dunklen Augen, während sie mit den Enden ihrer Lederärmel spielte. Ihre Antwort sprach sie während des Ausatmens: „Riesen."
Er wusste nicht, was er antworten sollte. Zuerst musste die Information verarbeitet werden. Vielleicht war es auch besser, gar nicht zu antworten. Kein zweites Verarsch mich nicht oder Bist du jetzt endgültig übergeschnappt? Nein, was nützte das denn? Man musste handeln.
Levi glaubte Motte. Er wandte sich an Hanji, die ganz in Gedanken versunken schien, und ließ Motte überrascht zurück. „Hanji", lenkte er ihre Aufmerksamkeit auf sich und achtete darauf, dass niemand in der Nähe lauschte. „Du hast doch noch die Geschosse da, mit denen du den Weiblichen Riesen festhalten wolltest, oder?"
Verwirrt blinzelte die Brillenträgerin ihn an. „Äh... Ja... Wieso? Was ist los, Levi?" Er überlegte sich gut, was er als Nächstes sagen sollte, ohne komplett verrückt zu klingen. „Könntest du irgendwie dafür sorgen, dass auf die Löcher in der Mauer geschossen wird? Frag nicht, warum. Vertraue mir einfach." Jetzt hieß es Luft anhalten und abwarten. Nach Erwin konnte Levi Hanji am ehesten im Militär vertrauen. Inzwischen hatte auch die Nervensäge reagieren können und kam nun zu ihnen geschwebt.
Hanji dachte nach, indem sie ihren Kopf senkte und ihre Hand zu ihrem Mund führte. „Das ist ja eine seltsame Bitte, die du da für mich hast...", nuschelte sie. Levi erwiderte nichts, sondern wartete weiterhin ab. Seine Anspannung sah man ihm nicht an. Sogar Motte blieb still.
„Hat das vielleicht irgendwas mit deiner unsichtbaren Freundin zu tun?", platzte es plötzlich aus der Brillenträgerin mit großen Augen heraus.
„Wie bitte?!", rief Motte laut aus. „Woher weiß sie denn jetzt bitte von mir?!"
Levi zeigte keinerlei emotionale Reaktionen, er fragte bloß: „Hat Erwin dir von ihr erzählt?"
Hanji strahlte über beide Ohren: „Ich habe recht?" Sie begann zu zittern und hatte auf einmal dieses irre Grinsen auf den Lippen, woraufhin Levi sich jedes Mal am liebsten abwenden würde. „Es gibt sie also wirklich?", raunte sie ehrfürchtig. „Ein Geistermädchen, das nur du sehen kannst? Die umherirrende Seele einer verstorbenen Rekrutin mit Zukunftsvisionen? Oh, wie gerne würde ich Tests durchführen: Können sie doch noch mehr Personen erkennen, warum ausgerechnet du? Inwiefern ist sie ein Geist, inwiefern menschlich? Und vor allem, wie kann es sein, dass sie existiert? Ist sie hier?"
„H-Hey...!", protestierte Motte ängstlich schluckend, wohlwissend, dass nur Levi sie hören konnte. Auch er hatte genug von den Spinnereien der Brillenträgerin: „Das reicht jetzt. Sie wird bestimmt nicht einer deiner Versuchskaninchen."
Da merkte Hanji überrascht auf: „Nanu, Levi? Was ist das denn auf einmal für ein Ton? So fürsorglich, das kenne ich gar nicht von dir."
Er ignorierte ihren letzten Kommentar beflissen und kam auf sein Anliegen zurück: „Was ist jetzt mit der Mauer?" Hanji dachte nach. Die Zerrissenheit stand ihr förmlich ins Gesicht geschrieben: Einerseits ging sie damit ein hohes Risiko ein, gegen das Gesetz und menschlichen Moralen zu agieren; andererseits brannte es unter ihren Fingern herauszufinden, was so wichtig war, dass man dafür die Mauern beschießen müsste. Manchmal war Hanji ein offenes Buch. „In Ordnung", meinte sie schließlich, „aber du bist mir was schuldig."
„Gut", meinte Levi nur daraufhin und atmete innerlich auf. Mottes Erleichterung war schon deutlicher zu erkennen, sie begann zu lächeln. Der Schwarzhaarige wandte sich ab. Die Nervensäge folgte ihm. „Wohin gehst du?", wollte sie wissen. „Zu Erwin", antwortete er. „Wenn ich jetzt hier stehe und warte, wirkt das nicht gerade unauffällig. Außerdem weiß jetzt niemand, was genau mit uns passieren wird." Motte verstand das und erwiderte: „Na ja, wenn sich nichts ändert, musst du dir keine großen Sorgen machen. Das liegt aber auch hauptsächlich daran, dass der Riese in den Mauern alle aufwühlt."
„Verständlich", meinte Levi nur daraufhin ruhig. Auf einmal fühlte er sich erschöpft. Momentan stand es nicht gut um die Aufklärungslegion, egal, was Motte dazu sagte. Die Expedition mit Eren war ein Schuss nach hinten gewesen und die Gefangenschaft von Annie hatte in einem Fiasko geendet: Tote Zivilisten und keine Kommunikation mit der Gefangenen. Levis Bein begann wieder zu Schmerzen. Ignorieren war nicht möglich. Er humpelte.
Erwin befand sich immer noch in Handschellen. Hinter ihm mit einigen Metern Abstand stand die Eskorte aus Militärpolizeisoldaten, die ihn abführen sollte, darunter auch Nile. Neben dem Blonden kam Levi zum Stillstand, sodass beide Männer in jeweils unterschiedliche Richtungen schauten. „Ich nehme nicht an, dass wir die Operation einen Erfolg nennen können", meinte der Kleinere. „Nein", stimmte Erwin zu. Beide blieben äußerlich ruhig, auch wenn die Situation verzwickt war. „Dennoch haben wir das Überleben der Aufklärungslegion gesichert", fügte Levis Kommandant noch hinzu, „wenn auch nur haarscharf."
Kurz drehte Levi seinen Kopf und blickte auf das Profil seines Vorgesetzen. Seine Miene strahlte Ruhe und Entschlossenheit aus, obwohl der Schwarzhaarige nicht ganz verstand, wie Erwin diese Fassade makellos aufrechterhalten konnte. „Ich hoffe du hast recht."
Es war ihnen nicht möglich weiterzureden. Plötzlich war ein lautes Krachen zu hören. Motte, die sich neben Levi befand, zuckte erschrocken zusammen. Alle drehten sich zur Mauer. Etwa auf vierzig Metern Höhe war eine Staubwolke zu erkennen. „Ah, Verzeihung!", rief Hanji über den Platz, die gerade mit zwei weiteren Soldaten eines ihrer noch unbenutzten Geschosse abtransportieren wollte. „Da ist mir wohl der Auslöser ausgerutscht." Verlegen lächelnd fasste sie an den Hinterkopf.
Levi war ihr tatsächlich was schuldig. Motte dagegen spielte wieder nervös mit den Enden ihrer Ärmel, während sie beobachtete, wie sich die Staubwolke lichtete. „Mehr können wir nicht machen, oder?", fragte sie eher sich selbst. Der Kapitän sah, dass Hanji wirklich gut getroffen hatte. Bei ein paar Löchern haben sich die Risse vergrößert, doch die Mauer blieb noch ganz.
„Blasphemie!", schrie jemand auf. Priester Nick kam aus dem Nichts auf Hanji zugestürmt. „Wie können Sie es wagen?!" Sofort hob die Brillenträgerin die Arme an: „Das war ein Versehen, tut mir leid!" Der Priester jedoch hörte nicht: „Die heiligen Mauern!"
Abermals geschah etwas, was jeden unterbrechen ließ. An der Stelle, an denen sich die Vierer-Reihe an Löchern befand, die von Hanji beschossen worden war, bildeten sich lautstark Risse, sodass letztendlich tatsächlich ein Stück Mauer herausbrach und zu Boden fiel.
Jeder riss die Augen auf; manch einem entwich das ein oder andere „Was?!", darunter auch Eren, der anscheinend wieder bei Bewusstsein war. Es war so viel Stein herausgebrochen, dass man nun ein halbes Gesicht sah, mitsamt Auge und Mund. Das Gesicht eines Riesens. Sogar Levi war überwältigt, obwohl er es gewusst hatte. Es zu sehen war etwas ganz Anderes. Jeder schien sich in einer Schockstarre zu befinden, unfähig zu wissen, was getan werden sollte.
Nur Motte gab Lebenszeichen von sich. Sie streckte triumphierend beide Arme in die Luft und jubelte: „Ja, na also! Boah, Levi, du hast keine Ahnung, wie gestresst ich bis eben war!" Der Kapitän ignorierte sie. Er bemerkte, dass noch jemand anderes Herr seiner Sinne geblieben war. Priester Nick legte eine Hand auf Hanjis Schulter und schien auf einmal völlig außer Atem zu sein. „Ihr müsst ihn bedecken!", meinte er voller Hektik. „Schnell! Er darf auf gar keinen Fall zu lange im Sonnenlicht sein!" Als würde der Riese Nicks Worte unterstreichen wollen, bewegte er plötzlich sein Auge. Er linste auf den Platz herab, auf dem sich alle befanden. Da wich sogar Motte zurück: „Scheiße, das macht einem ja wirklich Angst."
Die Augenbewegung rüttelte Hanji wach. Die Brillenträgerin befahl jedem, der nichts zu tun hatte, zu helfen. Leben kehrte in die Soldaten zurück und alles setzte sich in Bewegung: Einige schafften Annies Kristall in den Untergrund, anderen unterstützten Hanji in ihrem Vorhaben, das riesige Gesicht zu verdecken und die Militärpolizeisoldaten waren bereit, Erwin abzuführen.
„In etwa eineinhalb Stunden soll ich verhört werden", sprach der Blonde, ohne den Blick von dem Riesen in der Mauer abzuwenden. „Vorher würde ich mich gerne nochmal mit dir unterhalten."
„Worüber?", fragte Levi. Ihm war der höfliche Ton aufgefallen. Erwin sprach normalerweise nicht so mit ihm.
„Ich rede mit Motte."
Da merkten beide, Levi und Motte, überrascht auf und blickten den Kommandanten an. „Er will mit mir reden?", erkundigte sie sich verwundert und deutete auf sich.
Ein leichtes Lächeln legte sich auf Erwins Lippen: „Du hast das doch gerade veranlasst, nicht wahr?" Mit einer kleinen Kopfbewegung deutete auf den neu entdeckten Riesen, den er weiterhin unentwegt anstarrte. „Ich habe gesehen, wie du mit Levi und dieser wiederum mit Hanji geredet hat. Unmittelbar danach hat sie versehentlich das Geschoss abgefeuert."
Innerlich seufzte Levi auf. Dem scharfen Blick seines Vorgesetzten entging nichts und dass er gerne mehr Informationen über die Nervensäge hätte, war nun mal mehr als offensichtlich und verständlich.
„Ich habe bereits die Erlaubnis von Nile erhalten, ein Gespräch unter vier Augen mit Levi zu führen. Ist das in Ordnung?", fragte Erwin nach. Motte war immer noch überrascht, dass der Blonde so selbstverständlich und offen mit ihr sprach, als wäre sie eine normale Person. Bis jetzt hatte das nur Levi getan, da er sie ja auch als einziger durchgehend wahrnehmen konnte.
Sie brachte nur ein Nicken zustande nicht beachtend, dass Erwin davon nichts mitbekam. „Sie stimmt zu", informierte Levi Erwin. „Wir werden kommen", setzte er noch hinzu. So sehr er seinem Vorgesetzten vertraute, er wollte nicht, dass Motte alleine mit ihm sprach. „Gut", meine Erwin nur. „Bis später. Motte. Levi." Mit diesen Worten wandte er sich ab und begab sich in die Reihen der Militärpolizei, die ihn eskortierten.
Levi und Motte schauten ihm nach. „Was denkst du, was er von mir will?", fragte sie ihn halb verwundert, halb nervös. Sie klang, als wäre sie bei etwas erwischt worden, bei dem sie sich nicht sicher war, ob es verboten war oder nicht.
„Die Wahrheit offensichtlich", spekulierte Levi.
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