Eren Jäger
Kapitel 7 – Eren Jäger
Erwin Smith erhielt am Morgen des nächsten Tages die Genehmigung der Militärpolizei, den Jungen Eren Jäger aufzusuchen. Allerdings war diese Ehre nur im selbst und Kapitän Levi zuteil. Zusätzlich erhielt er die Information, dass der Junge allem Anschein nach bald aufwachen müsste. Er ließ seinen Stellvertreter informieren und vereinbarte, dass sie sich so schnell wie möglich im vor dem Gerichtsgebäude trafen, in dem Eren festgehalten wurde.
Der Schwarzhaarige saß in einer Kutsche und war auf dem Weg zum Treffpunkt, als die Nervensäge auftauchte. „Hey, Levi!", begrüßte sie ihn freudig. Sie hatte ihren Kopf durch das Dach der Kutsche gesteckt und befand sich nun kopfüber vor Levi. Ihr Haar hing Richtung Boden.
Er saß locker auf seinem Platz und hatte die Arme vor der Brust verschränkt. „Morgen", kam es von ihm zurück. „Kommst du jetzt jeden Tag?"
Sie schwebte ganz hinein, drehte sich richtig rum und zuckte mit den Schultern. „Keine Ahnung." Sie hatte eine Vermutung und blickte ihn vorwurfsvoll an. „Hast du etw-..." Sie wurde unterbrochen, da die Kutsche zwar fuhr, sie aber nicht parallel dazu flog, und sich so das Gefährt mit Levi quasi davonbewegte. Er sagte nichts und wartete, bis sie wiederkam.
Dies geschah innerhalb weniger Sekunden. „Hast du etwa ein Problem damit?!", sprach sie ihre Frage vollständig aus, als sie sich wieder im Kutscheninneren befand.
„Mir ist das ziemlich egal", antwortete er ehrlich. Sie setzte sich ihm gegenüber auf die Bank, schlug ein Bein über das anderen, verschränkte ebenfalls die Arme vor der Brust und hob empört die Nase. „Ein bisschen mehr Liebe gegenüber deiner... äh..." Sie überlegte und kratzte sich dabei an der Wange. Jetzt war er gespannt, was kam. „... ähm... Geister...Freundin?" Sie sah, wie sein Blick auf ihr ruhte, und ihr wurde anscheinend etwas unbehaglich, denn sie rutschte verlegen hin und her. „...Bekannten...?" Er wandte seinen Blick ab und schaute wieder nach draußen.
„Du sitzt", stellte er klar, um das Thema zu wechseln. Sie blickte an sich herunter und anschließend wieder zu ihm. „Ja und?"
Er drehte seinen Kopf zu ihr. „Du sitzt", wiederholte er. „Aber du siehst nicht so aus, als würdest du Materie besitzen."
„Ach so..." Sie schien nachzudenken. „Also... Das konnte ich schon die ganze Zeit..." Sie blinzelte ihn mit großen Augen an.
„Du kannst die Schwerkraft, die sich auf dich auswirkt, beeinflussen?" Er war überrascht. Leicht nickte sie. „Offensichtlich."
Er seufzte leise. „Normal bist du nun wirklich nicht." Da musste sie grinsen. „Normal ist ja auch langweilig!" Ihr Grinsen verschwand und sie wirkte ernst. „Danke, übrigens!" Er merkte auf: „Wofür?"
„Wegen gestern", erwiderte sie. „Du warst müde und hast trotzdem deine Zeit für mich geopfert. Du hast mit mir..." Sie hob ihre Hände und machte Gänsefüßchen in der Luft. „... trainiert. Dafür wollte ich mich bedanken." Er ließ ein nicht definierbares Geräusch von sich hören und blickte wieder aus dem Fenster. „Weswegen eigentlich?", setzte sie noch hinten dran.
Er brauchte ein paar Momente, um eine Antwort zu finden. Er musste sich eingestehen, dass er das selber nicht so genau wusste. „Wahrscheinlich", meinte er schließlich, „weil du mir erzählt hast, dass du den Soldaten helfen wolltest und es nicht geklappt hat. Vermutlich will ich dir die Möglichkeit geben, das zu tun."
Damit hatte sie wohl nicht gerechnet. „Wow...", kam es leicht erschlagen von ihr. „Danke... Heißt das, dass du mir vertraust?" Die Frage war etwas zögerlich. „Ich meine, ich weiß hier ziemlich viel. Sogar über den Kolossalen und den Gepanzerten weiß ich Bescheid. Ich könnte, wenn ich es endlich schaffe, mich zu manifestieren, zu ihnen gehen und ihnen alles verraten, was ich weiß. Ich könnte die Menschheit hier ins Verderben stürzen."
Wieder brauchte Levi ein wenig, um etwas darauf zu erwidern: „Du wirkst auf mich nicht so, als ob du das tun würdest. Außerdem hättest du soeben deinen Plan verraten. Es kann zwar alles zur Tarnung dienen..." Er machte eine kleine Pause und schaute wieder zu ihr. „... aber du kommst, glaub ich, nicht so weit." Das „Hey!" ignorierte er. „Außerdem kannst du noch nicht bewusst zu einem festen Körper werden. Du wirkst nicht wie eine Bedrohung. Und falls du das doch sein solltest... Du folgst mir sowieso die ganze Zeit, ich kann dich notfalls ausschalten."
Er sah, wie sie schwer schluckte. „G...Gut zu wissen. Aber da ich eh auf eurer Seite stehe, brauch ich ja keine Angst zu haben."
Eine Weile blieb es still, doch dann fragte sie: „Wohin fahren wir eigentlich?"
„Zum Gerichtsgebäude", antwortete in seiner üblichen Tonlage. „Die Militärpolizei hat uns endlich genehmigt, dieses Monster zu besuchen."
„Eren ist kein...", setzte die Nervensäge an, doch Levi unterbrach sie. „Er ist ein Monster. Mag sein, dass du ihm vertraust, aber er ist trotzdem ein Monster. Das kannst du nicht leugnen!" Sie klappte den Mund zu und blies beleidigt die Backen auf. Sie kann einfach nicht einsehen, dass sie im Unrecht ist, wurde ihm klar.
Dann waren sie da. Der blonde Kommandant war bereits eingetroffen und wartete auf seinen Stellvertreter. Als dieser bei ihm war, begrüßten sie sich kurz und gingen los. „Ach, da ist ja unser Blondie wieder!" Die Stimmung der Nervensäge war mal wieder wie ausgewechselt, sie schwebte den beiden fröhlich hinterher. Blondie..., erinnerte sich Levi. Das war mal sein Spitzname für den Kommandanten gewesen. Vermutlich wusste das Mädchen dies ebenfalls. Eine kleine Spur Trauer regte sich in ihm. Schnell drängte er sie weg. Der Junge war jetzt eindeutig wichtiger.
„Es werden in Trost immer noch Leichen geborgen", informierte Erwin den Schwarzhaarigen.
Daraufhin schnaubte er missbilligend. „Es ist schon der zweite Tag." Sie stiegen bereits die Treppen zum Verlies runter.
„Es ist traurig", wiederholte der Blonde seine Worte vom Vortag. Fackeln beleuchteten ihren Gang.
Levi hörte hinter sich die Nervensäge schniefen: „Marco... Armer Jean..." Er hatte keine Ahnung, wem diese Namen gehörten, aber sie klang ehrlich bestürzt.
Sie waren vor der Zelle angekommen. Die Wachen der Militärpolizei grüßten sie mit einem Kopfnicken. Erwin erwiderte dies, Levi ignorierte sie. Die beiden schauten in die Zelle. Der Schwarzhaarige sah, dass das Mädchen bereits hineingeschwebt war. Was macht sie da?! Innerlich hielt er sich mit einer Hand Augen und Stirn. Die kann einen wahnsinnig machen!
Aber jetzt ging es um den Jungen. Die Militärpolizei hatte ihn aufgesetzt, sodass er schneller wach wurde, momentan war das allerdings nicht der Fall. Levi sah, dass die dunkelroten Striemen an seinen Augen verschwunden waren. Die Zelle selbst war dunkel und es gab keine Fenster. Dafür hingen dort jede Menge Ketten, mit denen man jemanden fesseln konnte.
Vorsichtig schwebte die Nervensäge horizontal auf den Jungen zu. „Eren?" Sie sah in sein Gesicht. Er schlief und wirkte sowohl friedlich als auch unruhig. Sie kam ihm so nah wie möglich. Levi fiel auf, dass sie behutsam darauf achtete, dass sie ihn nicht berührte. Offensichtlich hatte sie etwas dazu gelernt.
„Mach dir keine Sorgen, Eren", sprach sie zu ihm. „Du hörst mich nicht, aber das ist nicht schlimm. Du wirst bald aufwachen und du magst es nicht hier zu sitzen. Das kann ich verstehen. Keiner mag eingesperrt sein. Ich mochte das noch nie, als du hier drin warst. Aber sei unbesorgt, du kommst hier raus."
Erwin setzte sich auf einen Stuhl, der dastand, und Levi lehnte sich mit verschränkten Armen an die Wand. Er tut ihr leid, stellte der Kapitän fest. „Wann wacht er auf?", fragte er die Wachen.
„Woher sollen wir das wissen?!", kam es von einem von ihnen rotzig zurück. „Er hat sich heute Nacht nur einmal bewegt."
Levis Nasenlöcher zuckten. Er hätte gerne zurückgegiftet, doch das Mädchen hinderte ihn daran: „Ich kann ihn wecken." Sie schaute immer noch auf das Gesicht des Monsters in Menschengestalt und hob eine Hand zu seiner Wange. Allerdings kam er nicht dazu, sie zu berühren. Er regte sich.
Sie ließ einen kurzen, spitzen Schrei von sich hören. Einen Augenschlag später presste sie sich links neben Levi schwebend gegen die Wand. Sie atmete schnell. Er schielte zu ihr rüber. Sein grimmiger Blick sagte eindeutig: Was soll das? Es dauerte ein paar Momente, bis sie den Schwarzhaarigen sah. Sie hob abwehrend die Hände. „Ey, ich hab mich nun mal erschreckt."
In diesem Moment hörte man, wie jemand erschrocken Luft holte. Der Junge war wach.
Erwin hatte sich gerader hingesetzt und musterte ihn erwartungsvoll. „Hast du irgendwelche Fragen?" Der Junge antwortete erst nicht. Mit unruhigen Augen lag sein Blick erst auf dem Kommandanten und anschließend auf Levi.
„Uhm...", machte er erst, bis er innehielt. Er sah, wo er sich befand. Er wirkte nervös. „Wo... bin ich?"
Dummkopf, dachte Levi abfällig bei sich. „Guck nicht so missmutig!", herrschte die Nervensäge ihn an. Sie wollte ihm auf den Kopf hauen, allerdings hatte sie vergessen, dass sie keinen Körper hatte und sie fuhr durch ihn hindurch. Er verspürte wieder diese warme Kälte, versuchte aber nicht zusammenzuzucken.
„Wie du sehen kannst, bist du in einem unterirdischen Verlies", antwortete Erwin ihm. „Du bist momentan in Gewahrsam der Militärpolizei, aber wir haben vor ein paar Stunden endlich die Erlaubnis erhalten, dich zu sehen." Während er das sagte, spürte das Monster Gewicht an seinen Handgelenken und er hob sie ein wenig an. Es raschelte dabei. Zu seinem Entsetzen musste er feststellen, dass er angekettet war.
Erwin holte den Erens Schlüssel aus seiner Tasche und hielt ihn hoch. Eren merkte auf: „Dieser Schlüssel...!"
Der Kommandant ließ ihn nicht ausreden. „Ja, es ist deiner. Ich werde ihn später zurückgeben." Der Junge wirkte beruhigt. „Der Keller deines Hauses", sprach der Blonde weiter, „Dr. Jägers Haus in Shiganshina, beinhaltet das Geheimnis der Riesen. Habe ich Recht?"
Erst schien der Junge überrascht darüber, dass Erwin diese Information kannte, doch dann antwortete er: „Ja. Möglicherweise. Das ist es, was mein Vater sagte."
„Du leidest unter Amnesie und dein Vater wird vermisst", fasste Levi zusammen. „Furchtbar praktisch, findest du nicht?" Er hatte noch nicht mal fertig gesprochen, da meldete sich die Nervensäge schon wieder: „Uuh, kannst du es nicht endlich mal lassen?! Dein Misstrauen fängt an zu nerven!"
Das ist nicht das einzige, das nervt! Allein, weil nach anderen Menschen hier anwesend waren, sprach Levi das nicht aus.
Erwin drehte seinen Kopf leicht zu ihm und schaute seinen Stellvertreter streng an: „Levi. Wir sind bereits zu dem Schluss gekommen, dass er keinen Grund hat zu lügen." Er wandte sich wieder dem Jungen zu. „Es gibt immer noch so vieles, was wir noch nicht wissen, aber für den Moment, denke ich, ist es das Wichtigste, sich nach deinen Absichten zu erkundigen."
Eren war überrascht und schien etwas verunsichert. „Meine... Absichten?"
„Um zu deinem Haus", erklärte der Kommandant sich, „zurückzukehren, müssen wir den Bezirk Shiganshina der Mauer Maria zurückerobern. Es wären drastische Maßnahmen nötig, um das zerbrochene Tor zu versiegeln. Wir brauchen deine Stärke eines Riesen. Unser Schicksal liegt in den Händen eines Riesens, wie es scheint." Daraufhin schnaubte Levi einmal leise. Diese Vorstellung gefiel ihm gar nicht. Erwin ignorierte das und sprach weiter: „Der Kolossale Riese. Der Gepanzerte Riese. Sie sind möglicherweise genau wie du."
Die Nervensäge schwebte neben Levi, hatte bis jetzt ebenfalls zu Eren in die Zelle geblickt, doch nun schaute sie mit gesenktem Blick zu Boden und kaute auf ihrer Unterlippe herum. Auf Levi wirkte es fast schon so als hätte sie mit einem schlechten Gewissen zu kämpfen. Wusste sie womöglich...? Nein... So etwas Gravierendes konnte sie nicht verheimlichen... Oder?
„Zu deinen Absichten gehört der Schlüssel", fuhr der Blonde fort. „Der Schlüssel, die Menschheit von dieser Verzweiflung zu befreien."
Der Junge senkte seinen Blick ein wenig. Er war unruhig. Wenn nicht, sogar etwas irre. „Ich werde..." Seine Stimme brach ab. Jeder sah, dass er in Gedanken versunken war.
„Antworte dem Mann, Abschaum", befahl Levi ihm. Inzwischen ignorierte er den Protestsatz der Nervensäge. „Was willst du tun?", ergänzte er.
Der Junge saß in seiner Zelle auf dem ungemütlichen Bett. Sein Blick war noch gesenkt. Sein ganzer Körper bebte. Vor was, war allerdings noch unklar. Als er aufschaute, waren seine Augen geweitet und spiegelten Irrsinn wider. Ein mörderisches Grinsen lag auf seinen Lippen. Er bebte immer noch.
„Junge, das macht einem ja Angst!" Unbewusst schwebte Motte ein Stück zurück, neben Levi an die Wand.
„Ich will", antwortete Eren mit grollender Stimme, „der Aufklärungslegion beitreten und so viele Riesen töten, wie ich kann, Sir!"
Levi merkte auf. Das kam ihm bekannt vor. Mit einem Mal wurde ihm klar, warum die Nervensäge gesagt hatte, dass er noch länger mit dem Jungen zu tun haben würde. Sie hatte Recht. Würde er der Aufklärungslegion beitreten, blieb nur einer, der ihn bändigen konnte. Levi.
„Oh?", kam es vom Schwarzhaarigen. „Nicht schlecht."
„Du klingst aber nicht sehr beeindruckt", stellte das Mädchen fest. „Obwohl, das tust du ja nie..."
Der Kapitän verlagerte das Gewicht auf seine Beine, sodass er sich nicht mehr gegen die Wand lehnte. Er lief bis vor das Gitter der Zelle. „Erwin. Ich werde die Verantwortung für ihn übernehmen." Mit seiner Hand griff er einen Stab. „Sag es den Oberen. Versteh mich nicht falsch." Mit dem letzten Satz hatte er sich an Eren gewandt. „Es ist nicht so, als würde ich ihm trauen. Wenn er uns hintergeht oder außer Kontrolle gerät, werde ich ihn, ohne zu zögern, eliminieren."
„Kriegst du das hin?", neckte die Nervensäge ihn. „Auf zwei mögliche Feinde gleichzeitig aufpassen?" Er ignorierte sie.
Eren merkte geschockt über das Misstrauen auf. „Die Oberen", so endete Levi, „dürften damit kein Problem haben. Niemand außer mir ist für den Job geeignet. Ich werde deine Bewerbung für die Aufklärungslegion akzeptieren."
Kommandant Erwin hatte Eren versichert, dass sie ihr Bestes tun würden, um ihn so schnell wie möglich aus dem Verlies zu holen, danach war das Treffen beendet.
An diesem Tag passierte noch viel: Nachdem der Kommandant seinen Antrag gestellt hatte, Eren bei der Aufklärungslegion aufzunehmen, tat das die Militärpolizei auch. Sie allerdings wollten den sonderbaren Jungen sezieren und anschließend endgültig eliminieren, da er eine Bedrohung für die Menschheit darstelle.
Ein Tribunal sollte am nächsten Tag über das Schicksal des Jungen entscheiden.
Unterdessen verbreitete sich die Nachricht, dass ein Riese den Menschen geholfen hatte, die Titanen zu töten, seit dem gestrigen Tag wie ein Lauffeuer. Der Vorfall drang bis ins Innere der Mauer Sina vor. Die meisten sahen diesen Unnormalen als eine Gefahr und wollten ihn so schnell wie möglich loswerden.
Die Aufklärungslegion wusste, dass es schwer werden würde, gegen die Militärpolizei anzukommen, schließlich hatte sie beinahe die gesamte Menschheit hinter sich. Erwin Smith und Levi, aber auch die Einheitsführer Hanji Zoe und Mike Zacharius trafen sich am späten Nachmittag, um einen Plan für das morgige Gericht zu schmieden.
Das Geistermädchen Motte Fabri leistete ihnen so lange Gesellschaft, bis sie verschwand. Sie blieb vorerst nur für Levi irgendwo weiterhin ein Mysterium.
Und dann kam der nächste Tag...
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