Das Ist Ein Scherz Oder?

„Wo soll's denn hingehen?", fragte mich der Taxifahrer, nachdem er mir geholfen hatte mein Gepäck im Kofferraum zu verstauen.

„In die Bond Street 118a bitte".

Da hätte es mir, im Nachhinein betrachtet, eigentlich schon auffallen müssen.

Der Taxifahrer warf mir einen mitleidigen Blick durch den Spiegel vor der Windschutzscheibe zu, sagte nichts mehr und fuhr los.

Ich liebte es die vorbeirauschenden Lichter der Stadt aus dem Fenster zu beobachten.

Ich war endlich angekommen.

Und wie es sich für London gehörte fing es, kurz nachdem ich in das Auto gestiegen war, auch schon an zu regnen.

Ich musste grinsen, als ich die Leute auf der Straße beobachtete. Manche von ihnen finden hastig an zu rennen, um noch irgendwo einen Unterstand zu finden und taten total überrascht von dem spontanen Regenschauer, obwohl sie schon so viele Jahre in London lebten und andere schienen den Regen auf ihrer Haut schon gar nicht mehr zu spüren und liefen einfach weiter.

„So wir sind da. Soll ich ihnen noch helfen das Gepäck hoch zu tragen?"

„Ja das wäre sehr nett, vielen Dank", sagte ich, stieg aus dem Auto aus und sah mich um.

Wir befanden uns in einer kleinen, schmutzigen Straße mit vielen grauen, wirklich hässlichen Häusern die dicht an dicht beieinander standen, fast als hätten sie angst vor etwas gehabt und seinen deshalb so nah zueinander gerückt.

Direkt vor mir tat sich eines dieser Häuser auf.

Es unterschied sich weder in Ästhetik noch in einem anderen Punkt von den Häusern links und rechts davon.

Na klasse...

Aber ich wollte nicht zu früh urteilen! Immerhin habe ich hier ein verhältnismäßig günstiges Zimmer bekommen.

Ein Zimmer mit einer kleinen Küche und einem Bad, so stand es zumindest in der Beschreibung.

Und eine wirkliche Wahl hatte ich auch nicht gehabt, dass hier war die einzige Wohnung, die ich auf die Schnelle finden konnte.

Ich schnappte mir meinen Rucksack und klingelte an der Tür.

Eine junge, sehr freizügig gekleidete Frau mit knall pinken Lippen öffnete mir.

„Wir kaufen nix", nuschelte die Frau.

„Guten Tag. Ich möchte nichts verkaufen", lächelte ich,"Ich bin die neue Mieterin. Ich habe bereits mit ihnen telefoniert und ihnen meinen Ankunftstermin gemailt."

„Ach so iss des. Ja kommse rein isch zeige Ihnen das Zimmer."

Sie winkte mir mit einer Hand energisch zu und verschwand im Haus.

Ich holte ein letztes Mal tief Luft und folgte ihr mitsamt dem Taxifahrer in das Haus. Ich lief durch einen engen, grünen Flur eine schmale, dunkle Treppe hinauf in den ersten Stock.

Der erste Stock war ein kurzer Flur mit einigen Türen.

Ich tat einige Schritte in den Gang hinein und sah die Frau in einem der Zimmer stehen.

„Hier is es."

Ich sagte nichts. Diesen Schock musste ich erst einmal verdauen. Ich hatte keine hohen Ansprüche an meine Behausung, aber ein paar dann schon.

Das Zimmer war winzig. Die Tapete war grell grün und vergilbt. Der Putz bröckelte

an einigen Stellen bereits von der Wand und das einzige Licht spendende Fenster im Raum erlaubte mir eine wunderbare Aussicht auf die graue Hauswand des Hauses von nebenan.

Ich trat in das Zimmer ein und schaute mich weiter um.

„So hier is des Bad und hier die Küche",nuschelt die Frau mit den pinken Lippen und öffnet eine Tür hinter der ein kleiner Gang zum Vorschein kommt.

Das würde ich mir später in Ruhe anschauen.

Ich schweige immer noch, darauf bedacht nichts blödes zu sagen.

Mir wurden zwei Schlüssel zugeworfen. „Der eine is für die Haustür der andere für ihre Zimmertür. Wenn se was brauchen versuchen sies erst gar nicht, hier wird nix repariert oder so was. Mir sin ja net die Bank mir ham net so viel Geld."

Ich brachte immer noch kein freundliches Wort über die Lippen, schaute sie deshalb einfach weiter entgeistert an und sagte dann doch „Das ist ein Scherz oder?"

„Wieso?", fragte die pinke Lippen Lady dümmlich.

Wieso?! Wieso!! Hatte sie sich hier mal umgeschaut? Ich würde beim besten Willen keine 1000 Pfund im Monat dafür zahlen!

Ein Glück hatte ich keinen Mietvertrag unterschrieben der mich zu einer gewissen Aufenthaltszeit verpflichtete!

Deshalb schüttelte ich einfach den Kopf und sagte nichts mehr.

Sie verließ dann endlich den Raum und der Taxifahrer sah mich mitleidig an.

„Ich geh dann auch mal. Sie machen das hier schon. Das sieht auf den ersten Blick anderes aus, als es ist."

Ich schaute ihn an und versuchte zuversichtlich auszusehen. Ich nahm ihm meine Taschen ab und bezahlte ihn.

Na ja der Mann hatte recht. Es sah auf den ersten Blick anders aus, als es war. Auf den zweiten sag es noch viel schlimmer aus!

Das „Bad" entpuppte sich als grün gefliester Horror. Es war ein winziges Waschbecken und eine Dusche ohne Vorhang vorhanden, aus der nur eiskaltes Wasser kam.

Die Küche bestand aus einem kaputten Herd und einem Spülbecken ohne Wasseranschluss.

Gut...

Hier würde ich keine Woche bleiben. Einleben ausgeschlossen. Das war ein grünes Horrorzimmer.

Ich lief zurück in mein Schlaf- und Wohnzimmer und setzte mich auf einen der Kartons die vor mir angekommen waren und nun im ganzen Zimmer verteilt waren.

Lohnte es sich hier etwas auszupacken?

Definitiv nein. Ich suchte den Karton mit meinen Klamotten, in dem auch eine Isomatte sein sollte. Als hätte ich was geahnt...

Ich fand ihn nach einigem Suchen und beschloss, dass es für heute genug war.

Ich rollte die Isomatte aus und zog mir eine Jogginghose und ein schwarzes Top an.

Morgen war auch noch ein Tag.

Und obwohl ich in dem hässlichsten und schlecht ausgestattetem Zimmer der ganzen Welt wohnte, war ich in London. Und ich fühlte mich selbst zwischen meinen Kartons auf dem Boden wohler als in meinem Bett in Deutschland. Das hier war die richtige Entscheidung gewesen und morgen würde ich nach einer neuen Wohnung suchen.







Wie fandet ihr das Kapitel?

Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top