Verliebt, verlobt,...
Verliebt, verlobt,...
Es waren ein paar Monate vergangen, seit Sherlock, John und ich gemeinsam den Terroranschlag vereitelt hatten und seitdem hatte ich jede Möglichkeit genutzt, um Sherlock Holmes aus dem Weg zu gehen. Bei Fällen, die nicht annähernd zu kompliziert gewesen waren, hatte ich Greg damit gedroht, ihm das Leben zur Hölle zu machen, sollte er Sherlock für die Ermittlungen anheuern. Zwar war mein Partner mächtig irritiert diesbezüglich gewesen, aber meine Drohung hatte Wirkung gezeigt, denn Greg und ich hatten die meisten Fälle alleine gemeistert. Allerdings versuchte Greg mich auch bis heute noch mit Fragen zu löchern, die mein abweisendes Verhalten gegenüber Sherlock erklärten, aber ich schob es auf die Tatsache, dass es einfach noch dauern würde, bis ich wieder vollstes Vertrauen zu unserem Meisterdetektiv aufgebaut hatte.
Sherlock selbst, hatte mich zum Glück nicht noch einmal auf unseren Kuss angesprochen und ich ging davon aus, dass er diesbezüglich ohnehin aus einer Kurzschlussreaktion heraus gehandelt hatte. Denn wenn ich mir einer Sache sicher war, dann, dass Sherlock Holmes nichts für Gefühle übrig hatte und schon gar nicht etwas mit Beziehungen anfangen konnte.
Und ich stand immer noch vor der schwierigen Aufgabe, mir Sherlock endlich aus dem Kopf zu schlagen. Seitdem er mich aus heiterem Himmel geküsst und damit meine Gefühle für ihn wieder wachgerüttelt hatte, fiel mir das jedoch unglaublich schwer und als wäre das noch nicht genug, hatte ich immer öfter Träume von Sherlock und mein schlechtes Gewissen gegenüber Ezra wuchs.
Ezra hatte zwar bemerkt, dass ich in letzter Zeit ziemlich angespannt war, aber er schob es auf den Stress von der Arbeit und zu meiner großen Erleichterung hatte er selbst viel um die Ohren, weshalb er das Thema Sherlock überhaupt nicht ansprach. Ezra war zufrieden, weil John und ich unseren Frieden mit Sherlock geschlossen hatten und das schien meinem Verlobten zu genügen.
Immerhin hatten Ezra und ich uns inzwischen dafür entschieden, dass wir im Juli heiraten würden, denn so blieb uns noch genug Zeit für die Vorbereitungen und wir überstürzten somit nichts.
Und außerdem stand morgen etwas viel Wichtigeres an: die Hochzeit von John und Mary! Bei all dem ganzen Durcheinander hatte John es endlich geschafft, ihr die Frage aller Fragen zu stellen und natürlich hatte Mary sofort Ja gesagt. Und Mary hatte mich prompt zu ihrer Trauzeugin ernannt, während Sherlock natürlich von John als Trauzeuge ausgewählt worden war. Das würde mich eigentlich überhaupt nicht stören, würde das nicht bedeuten, dass ich morgen die ganze Trauung über, in der Nähe von Sherlock stehen müsste und ihm somit nicht aus dem Weg gehen konnte. Ich konnte nur hoffen, dass nach meiner eigenen Hochzeit das ganze Gefühlschaos ein Ende hatte, denn Ezra war der Richtige für mich...dessen war ich mir sicher.
Zu Hause zog ich mich um, denn heute Abend stand ja noch etwas Besonderes auf dem Programm: der Junggesellinnenabschied von Mary! Sie hatte mich gebeten, nichts zu Übertriebenes auszusuchen und ich hatte nach reichlicher Überlegung beschlossen, dass wir einfach um die Häuser zogen und die Clubs unsicher machen würden. Mit von der Partie wären Janine, die Brautjungfer von Mary, und eine andere gute Freundin von Mary, die offenbar Tessa hieß. Aber weder Janine noch Tessa hatte ich bisher kennengelernt und da war ja bereits vorprogrammiert, dass der Abend äußerst ereignisreich werden dürfte.
Schließlich warf ich einen Blick in den Spiegel und betrachtete mein Outfit. Ich trug ein schlichtes Cocktailkleid in violett, hatte mir meine Haare zu einem seitlichen Zopf geflochten und zu dem Kleid trug ich passende Absätze, die ebenfalls in violett gefärbt waren. Abgesehen von meinem Verlobungsring trug ich keinen Schmuck, aber ich hatte nach langem Hin und her beschlossen, dass ich morgen zur Hochzeit das Armband tragen würde, welches mir Sherlock einst zum Geburtstag geschenkt hatte.
,,Evelyn, bist du fertig? Mary hat eben angerufen und gefragt, ob du es rechtzeitig schaffst.", rief Ezra mir vom Wohnzimmer aus zu und ich ging zu ihm, während ich mir meine Handtasche nahm.
,,Ich bin fertig! Dem Abend steht also nichts mehr im Wege."
,,Wow!", setzte Ezra an und ich sah auf, während er mich ansah und offenbar aus dem Staunen nicht mehr rauskam. ,,Schatz...du siehst einfach umwerfend aus."
,,Schleimer!", gab ich zurück und er hob abwehrend die Hände.
,,Ich sage nur die Wahrheit. Hauptsache, du stiehlst Mary morgen nicht die Show."
,,Keine Sorge...ich überlasse ihr gerne das Rampenlicht.", erwiderte ich und Ezra nickte vielsagend.
,,Glaube ich dir aufs Wort."
,,Also, ich gehe jetzt los und bleibe über Nacht bei Mary. Wir sehen uns dann morgen in der Kirche?"
,,Sicher! Ich hole Greg ab und wir treffen euch dann dort. Lasst es heute ordentlich krachen.", entgegnete Ezra mit einem Grinsen und ich schüttelte lachend den Kopf.
,,Wenn wir morgen auf dem Titelblatt sind, dann weißt du Bescheid."
,,Na, das will ich doch schwer hoffen. Viel Spaß!", sagte er und ich wollte schon zur Tür gehen, als ich noch einmal innehielt und meinem Verlobten einen zuversichtlichen Blick zuwarf.
,,Ezra!"
,,Ja?"
,,Ich liebe dich!", erwiderte ich und er lächelte mir leicht zu.
,,Ich liebe dich auch!"
***
Und der Abend wurde wahrhaftig zu einem Ereignis, das ganz sicher niemand von uns so schnell vergessen würde. Janine und Tessa waren ganz nett, obwohl Janine etwas zu sehr darauf erpicht war, eine Männerjagd zu veranstalten. Aber jedem das Seine und Mary hatte sichtlich viel Spaß bei ihrem Junggesellinnenabschied, was für mich die Hauptsache war. Ich selbst, amüsierte mich auch ziemlich gut, aber vielmehr über Janine und Tessa, die eindeutig zu tief in ihre Gläser geschaut hatten und auch Mary genoss ihren letzten Abend in Freiheit in vollen Zügen. Und obwohl ich mir eigentlich vorgenommen hatte, nicht so viel Alkohol zu trinken, so wurde dieser Vorsatz im Laufe des Abends gebrochen und irgendwann verlor ich jegliches Zeitgefühl, was mich in meinem Zustand jedoch nicht kümmerte. Eine Sache war jedenfalls sicher...es war der lustigste Abend, den ich seit langem erlebt hatte.
Am nächsten Morgen riss mich das Klingeln meines Handys aus dem Tiefschlaf und ich schreckte hoch. Mein erster Blick fiel auf den Wecker, der 7:00 Uhr anzeigte und ich fragte mich, wer mich denn so früh anrief. Ohne einen Blick auf das Display zu werfen nahm ich ab und klang noch sichtlich verschlafen und mitgenommen.
,,Hallo?"
,,Deiner Stimmlage nach zu urteilen, war euer Abend ein voller Erfolg. Ich hoffe doch sehr, dass ihr alle nachher noch gerade stehen könnt.", erklang die Stimme von Sherlock und ich ließ mich zurück in mein Kopfkissen sinken, während ich die Augen verdrehte.
,,Sherlock...warum rufst du an? Weißt du überhaupt, wie spät es ist? Die Trauung ist erst heute Mittag."
,,Das ist mir durchaus bewusst, aber auch, wenn ich eine Hochzeit für den größten Unsinn der Welt halte, so haben wir als Trauzeugen doch eine gewisse Verpflichtung und ich wollte sichergehen, dass du das nicht vergessen hast, in dem Rausch des Alkoholkonsums.", meinte er und ich konnte kaum glauben, was ich da hörte.
,,Wenn man dir zuhört, dann könnte man meinen, dass ich mich jeden Tag betrinke. Allerdings bin ich nicht der Junkie von uns beiden."
,,Sorg einfach dafür, dass ihr pünktlich seid. Wenn heute etwas schiefgeht, dann bringt John uns beide um."
Mit diesen Worten legte Sherlock auf und ich stöhnte auf, ehe ich mein Gesicht in den Kissen vergrub. Eigentlich hätte ich durchaus noch eine Stunde schlafen können, aber der Anruf von Sherlock hatte mich nun wachgerüttelt und ich beschloss, dass ich mich schon mal fertigmachte.
Mary hatte ich noch eine Stunde schlafen lassen, aber dann schmiss ich die zukünftige Mrs. Watson doch aus dem Bett und kam den Pflichten einer Trauzeugin nach, indem ich sie für die Hochzeit vorbereitete. Das Make-up hatte ich bereits vollendet und ich widmete mich gerade ihren Haaren, als Mary auf einmal einen merkwürdigen Blick aufgesetzt hatte.
,,Evelyn, kann ich dich etwas fragen?"
,,Sicher! Worum geht's, Mary?", hakte ich und fragte mich, was sie wohl an ihrem Hochzeitstag so beschäftigen könnte.
,,Es...es geht um Ezra und um eure Hochzeit. Ich meine, wenn man jemanden heiratet, dann tut man es doch, weil man denjenigen über alles liebt und nicht mehr ohne ihn leben kann."
Ich verfolgte die Worte von Mary und sie verwirrte mich von Sekunde zu Sekunde mehr. Wie kam sie denn jetzt auf das Thema? Lag das etwa an ihrer Aufregung oder tat der Alkohol noch seine Wirkung? Bevor ich jedoch Fragen stellen konnte, sprach Mary weiter und sah mich mit gemischten Gefühlen an.
,,Versteh mich jetzt bitte nicht falsch, Evelyn! Ich mag Ezra wirklich sehr. Er ist ein netter Kerl und sehr vernünftig...außerdem sieht er ja auch sehr gut aus, aber ich meine...bist du dir wirklich sicher, dass er der Richtige ist?"
Mary sah mich skeptisch an und ich konnte nicht anders, als sie völlig perplex anzustarren, denn ich konnte kaum glauben, dass sie mir diese Frage gerade wirklich gestellt hatte.
,,Warum soll er nicht der Richtige sein? Immerhin ist er für mich da, er hört mir zu und ich kann mich immer voll und ganz auf ihn verlassen.", erwiderte ich und Mary schaute etwas zerknirscht drein.
,,Das glaube ich dir ja gern, Evelyn und das sind alles ziemlich gute Argumente, aber du musst zugeben...du und Sherlock..."
,,Oh, mein Gott!", brachte ich hervor und unterbrach Mary dadurch, ehe ich sie entschlossen und vielsagend ansah. ,,Hör zu, Mary...es gibt kein Sherlock und ich. Das hat es nie gegeben und das wird es auch nie. Ganz gleich, was du auch denken magst...da läuft nichts."
,,Das weiß ich, aber John hat mir erzählt, dass du damals Gefühle für Sherlock hattest."
Innerlich stöhnte ich auf und verfluchte John in Gedanken. Ich hatte ihm im Vertrauen offenbart, dass ich etwas für Sherlock empfunden hatte, nachdem dieser ja seinen Tod vorgetäuscht hatte, weil mich diese Gefühle zunehmend verwirrt und fast wahnsinnig gemacht hatten. Warum hatte er das nur Mary erzählt? Hätte er denn nicht wenigstens dieses eine unbedeutende Detail für sich behalten können?
,,Versuch nicht, es zu leugnen, Evelyn. John sagte auch, dass du dich nach dem Tod von Sherlock verändert hast und gewissermaßen außer Kontrolle geraten bist.", sprach Mary weiter und ich gab mich schließlich seufzend geschlagen.
,,Also, schön! Ja, ich habe etwas für Sherlock empfunden. Und als ich dachte, er wäre tot...da war ich am Boden zerstört. Aber egal, wie schlimm es auch gewesen ist...ich habe damit zu leben gelernt und dann bin ich ja auch Ezra begegnet. Durch ihn ging es mir besser und ich habe mich in ihn verliebt. Also, ja...Mary...Ezra ist der Richtige, denn ich will den Rest meines Lebens mit ihm verbringen. Und nur, weil Sherlock nun von den Toten auferstanden ist, ändert sich das nicht. Er wird mir immer wichtig sein, aber wir könnten niemals mehr sein als Freunde. Dasdas würde niemals gut gehen.", sagte ich und Mary zog eine Augenbraue hoch.
,,Was macht dich da so sicher?"
,,Sherlock ist definitiv nicht für eine Beziehung geschaffen. Und selbst wenn, dann wäre ich auf gar keinen Fall die Richtige für ihn."
Mary wollte mir schon widersprechen, als es auf einmal an der Tür klopfte. Da John die Nacht ja in der Baker Street verbracht hatte, begab ich mich in Richtung Tür, um nachzusehen. Als ich öffnete, stand eine fremde Frau vor mir und ich runzelte die Stirn.
,,Hallo! Kann ich Ihnen behilflich sein?"
,,Ja. Ich bringe das Hochzeitskleid für die Watson-Hochzeit.", erwiderte die Frau und präsentierte den weißen Kleidersack, woraufhin ich feststellte, dass ich das fast vergessen hätte.
,,Ah, danke! Ohne Kleid wäre die Hochzeit eine Katastrophe gewesen."
,,Keine Ursache! Wohin soll ich es packen?", fragte die Frau und ich deutete auf einen Stuhl des Esstisches.
,,Hängen Sie es einfach darüber. Vielen Dank!"
Die Frau nickte und kam der Aufforderung nach. Als sie das Kleid abgelegt hatte, drehte sie sich mit einem Mal zu mir um und sah mich fragend an.
,,Verzeihung, aber...sind Sie nicht Evelyn Headley? Die Polizistin, die mit Sherlock Holmes ermittelt?"
,,Ähm...ja...die bin ich. Woher wissen Sie das?", entgegnete ich und sie zuckte mit den Schultern, während sie leicht lächelte.
,,Ich habe Sie auf ein paar Fotos gesehen und muss gestehen, ich finde die Fälle immer sehr interessant. Zumindest, wie Dr. Watson sie in seinem Blog präsentiert."
,,Das freut mich!", sagte ich und die Frau wirkte nun etwas nachdenklich.
,,Gestatten Sie mir die Frage...stimmt es, dass Sherlock Holmes vor zwei Jahren seinen Tod vorgetäuscht hat, wegen diesem Verbrecher...wie hieß er noch gleich...ach, Moriarty?"
Es irritierte mich irgendwie, dass diese Frau so viele Fragen stellte, aber sie schien ganz offensichtlich ein Fan zu sein. Dennoch hatte ich ein komisches Gefühl und ich beschloss, dass ich nicht zu viele Informationen preisgab.
,,Sagen wir, Sherlock Holmes musste eine Zeit lang untertauchen und Moriarty ist Geschichte. Er kann keinem mehr etwas tun und gefällt mir als toter Mann somit am besten. Und ich muss Sie jetzt leider bitten zu gehen, denn wir müssen immerhin bald auf einer Hochzeit sein."
Ich ging Richtung Tür, um die Dame höflich hinaus zu bitten und wandte ihr dabei den Rücken zu, was mir jedoch zum Verhängnis wurde.
,,Evelyn...pass auf!", rief Mary, aber da war es schon zu spät.
Ich verspürte einen Schmerz im rechten Schulterblatt und zog etwas heraus, was ich als einen Betäubungspfeil identifizierte. Zwar konnte ich mich noch umdrehen, aber das Mittel tat bereits seine Wirkung und ließ mich zurücktaumeln, als auch Mary durch einen Schuss der Frau betäubt wurde.
Ich schwankte zurück und sah noch, wie die Frau ihre Waffe wieder einsteckte, während sie mich mit ausdruckslosen Blicken musterte. Dann gaben meine Beine nach und ich sank zu Boden, während ich fühlte, wie mein Kreislauf immer schwächer wurde und sich alles zu drehen anfing. Das Letzte, was ich noch wahrnahm, war die eiskalte Stimme der Frau, die mich und Mary soeben brutal außer Gefecht gesetzt hatte.
,,Es ist Zeit für die Abrechnung, Evelyn Headley!"
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