Tödliche Wahl

Tödliche Wahl

Sherlock PoV

Als der Wagen nach einiger Zeit schließlich Halt machte, spannte sich Sherlock ein wenig an. Auch John wirkte keineswegs entspannt und als ihr Fahrer die Tür öffnete, nahm Sherlock als Erstes die Umgebung in Augenschein. Es war zwar kein Fabrikgebäude, aber es kam den schon ziemlich nahe und als sie ausstiegen, fiel der Blick von Sherlock auf eine fremde Frau, die ein paar Meter von ihnen entfernt stand.

,,Irgendwas sagt mir, dass diese Frau kein Engel ist.", meinte John und Sherlock war ganz seiner Meinung.

Für ihn bestand kein Zweifel daran, dass es sich bei dieser Frau um jene handelte, die Evelyn und Mary in ihrer Gewalt hatte. Unauffällig suchte Sherlock mit seinen Blicken das Gelände ab, aber von Evelyn und der Verlobten seines besten Freundes fehlte jede Spur. Sie mussten also irgendwo anders festgehalten werden.

,,Sherlock Holmes und Dr. Watson...wie schön, dass Sie beide es einrichten konnten. Ich habe lange darauf gewartet, Sie persönlich kennenzulernen, Sherlock.", sagte die Frau und Sherlock blieb im sicheren Abstand zu ihr stehen.

,,Ich wüsste nicht, dass wir uns schon einmal begegnet sind. Wer sind Sie?"

Sherlock musterte sie prüfend und ihre Haltung verriet ihm, dass sie eine unglaublich zielstrebige und auch nachtragende Persönlichkeit besaß. Und sie durfte keineswegs unterschätzt werden, da sie eine unglaubliche Boshaftigkeit versprühte und Sherlock konnte ihr die Gnadenlosigkeit regelrecht ansehen.
Sie lächelte nun, doch dies war kein Lächeln aus Höflichkeit oder Freude...es war ein hinterhältiges Lächeln, wie man es nur von Bösewichten kannte.

,,Immer noch keine Idee, Mr. Holmes? Sie sind doch so ein schlaues Köpfchen."

John und Sherlock tauschten einen kurzen Blick, als die Frau dem Fahrer kurzer Hand anwies, dass seine Anwesenheit nicht länger erwünscht wäre. Er verschwand ohne zu zögern und nun verschränkte die Frau die Hände hinter dem Rücken und ihr Blick wurde mehr als ernst.

,,Na, schön...dann helfe ich Ihnen mal auf die Sprünge, Mr. Holmes. Mein Name ist Nathalie Rider und wenn Sie sich jetzt immer noch fragen, warum Sie hier sind...nun, Vergeltung hat schon die meisten Menschen zusammengebracht. Das einzige Problem an Vergeltung ist nur...dass sie niemanden zurückbringen kann."

Sherlock verzog keine Miene, aber John starrte die Frau völlig perplex an. Sie war also auf Vergeltung aus...aber für was? Sherlock war zum ersten Mal wirklich ratlos und suchte nach der Antwort, doch die Frau sah ihn nun voller Hass an.

,,Sparen Sie sich die Deduktionen, Mr. Holmes. Sie werden die Antwort nicht finden, indem Sie mich anstarren. Aber Sie haben Glück...mein Zeitplan ist ziemlich strikt und meine Geduld hat langsam ein Ende. Deshalb...werde ich Ihnen offenbaren, weswegen Sie hier sind.", setzte sie an und Sherlock war unglaublich neugierig auf ihre Erklärung. ,,Sie werden sich ohne jeden Zweifel noch an Jim Moriarty erinnern...Ihren größten Widersacher."

,,Was haben Sie mit Moriarty zu schaffen?", fragte John und Sherlock ließ die Bombe platzen.

,,Sie hat ihn geliebt!"

Der Blick von Nathalie verfinsterte sich und John klappte die Kinnlade runter. Doch Sherlock wusste, dass er mit dieser Schlussfolgerung richtig lag und das war bei weitem noch nicht alles.

,,Das...das...ist...unglaublich!", brachte John hervor und Sherlock zuckte mit den Schultern.

,,Aber die Wahrheit! Viel interessanter ist jedoch...Sie machen mich für den Tod von Moriarty verantwortlich. Deshalb veranstalten Sie dieses ganze Theater hier. Nur muss ich Sie enttäuschen, Miss Rider...ich habe Moriarty nicht ermordet...er hat sich selbst umgebracht."

,,LÜGNER!"

Nathalie zischte regelrecht und zückte auf einmal eine Waffe, die sie direkt auf Sherlock richtete. Dieser hob die Hände und John wich sofort einige Schritte zurück.

,,Oh, mein Gott!"

,,Sie haben Jim auf dem Gewissen, Holmes. Nur wegen Ihnen hat er sich umgebracht. Wegen Ihnen...habe ich den Menschen verloren, den ich mehr als alles andere geliebt habe.", brachte Nathalie wütend hervor und Sherlock blieb ruhig.

,,Und dafür wollen Sie mich umbringen?"

,,Sie umbringen? Oh, nein, Sherlock! Ich habe etwas viel Schlimmeres mit Ihnen vor.", entgegnete Nathalie kühl, aber Sherlock warf ihr nur einen ausdruckslosen Blick zu.

,,Egal wie sehr Sie mich auch foltern werden, Nathalie...das wird Ihnen Moriarty auch nicht wieder zurückbringen."

,,Nein...das wird es nicht! Aber es wird ihm seinen Frieden bringen. Erst, wenn Sie genauso leiden wie ich, Holmes...erst dann kann ich wahrhaftig damit abschließen.", erklärte sie und Sherlock warf ihr erwartungsvolle Blicke zu.

,,Und wie gedenken Sie...mich leiden zu lassen?"

Sherlock sah sie abwartend an und Nathalie hielt immer noch ihre Waffe auf ihn gerichtet. John warf unsichere Blicke auf die gnadenlose Gegnerin und schien mit der Situation völlig überfordert zu sein. Aber dann ließ Nathalie die Waffe langsam sinken und näherte sich Sherlock mit ein paar Schritten.

,,Ich werde Ihnen etwas geben, was Jim nicht hatte, Sherlock: eine Wahl! Sie fragen sich sicher schon die ganze Zeit, warum ich Ihnen erlaubt habe, dass John Watson Sie hierher begleitet...aber niemand anderes. Nun, die Erklärung ist genauso einfach wie die ganze Angelegenheit an sich.", erklärte Nathalie und hielt Sherlock mit einem Mal ihre Waffe hin.

,,Ich soll mich also selbst erschießen!"

,,Hm...ein faszinierender Gedanke, der mir durchaus gefallen würde...aber nein! Sie, Sherlock Holmes...werden jetzt Ihren besten Freund Dr. John Watson erschießen. Denn, wenn Sie es nicht tun...werde ich Ihnen die andere Person nehmen, die Ihnen am Herzen liegt.", sagte sie eiskalt und Sherlock verbarg sein Entsetzen vor ihr.

,,Evelyn!"

,,Ja...ganz recht! Also entweder John Watson oder Evelyn...Sie dürfen wählen, Mr. Holmes. Und entscheiden Sie sich besser schnell, denn ich werde schnell ungeduldig und habe schon viel zu lange auf diesen Augenblick gewartet."

Sherlock rührte sich nicht und die Waffe in seiner Hand schien auf einmal Tonnen zu wiegen. Diese Frau hatte keine Skrupel und nun ließ sie ihn zwischen den beiden Menschen wählen, die ihm am wichtigsten waren. Zum ersten Mal in seinem Leben wusste Sherlock nicht, was er tun sollte und er suchte in seinen Gedanken verzweifelt nach einem Ausweg.
Er sah auf die Waffe herab und er musste an den Moment zurückdenken, wo Moriarty sich einst selbst erschossen hatte. An jenem Tag war Sherlock gezwungen gewesen, von dem Dach zu springen und alle seine Freunde glauben zu lassen, er hätte sich das Leben genommen. Es war keineswegs eine leichte Entscheidung gewesen, aber es war nötig gewesen, um seine Freunde zu retten.

Und um seine Freunde zu retten...würde er alles tun.

,,Worauf warten Sie, Sherlock? Die Uhr tickt!", redete Nathalie auf ihn ein und Sherlock wandte sich an John.

Dieser sah ihn besorgt und unsicher an. Ein Blick, der Sherlock ganz und gar nicht gefiel, denn er konnte nicht damit umgehen, wenn er verwundbar war. Und der Blick von John verriet Sherlock genau das...dass er verwundbar war.

Für einen kurzen Moment war Sherlock wie erstarrt, denn ihm kam ein Gedanke. Es war aus seiner Sichtweise die einzige Möglichkeit, wie er die ganze Sache beenden konnte und zwar hier und jetzt.

,,John...tu mir einen Gefallen.", setzte Sherlock an und als er den fragenden Blick von John bemerkte, sah er ihn bittend an. ,,Sag Evelyn, dass es mir leid tut."

Noch ehe John etwas erwidern konnte, hielt sich Sherlock mit einem Mal die Waffe selbst an den Kopf. Die Augen von John weiteten sich vor Schreck und auch Nathalie starrte ihn entsetzt an und

,,Runter mit der Waffe, Holmes! Sie sind es nicht, der sterben muss."

,,Wieso nicht? Moriarty würde sich bestimmt freuen, mich in der Hölle zu begrüßen. Sie haben es selbst gesagt, Nathalie...Sie lassen mir die Wahl. Und das hier ist meine Wahl!", erwiderte Sherlock entschlossen und John sah ihn entgeistert an.

,,Nein...Sherlock...nicht!"

,,Es gibt keinen anderen Weg, John. Ich werde weder dich noch Evelyn sterben lassen.", bekräftigte Sherlock und Nathalien zog eine zweite Waffe, die sie auf John richtete.

,,Hören Sie sofort auf, Mr. Holmes oder ich erschieße Ihren besten Freund gleich hier und jetzt."

Nathalie funkelte ihn wütend an und Sherlock wusste, dass sie keine leeren Worte aussprach. Aber er konnte sie auch nicht gewinnen lassen, denn er würde keineswegs riskieren, John oder Evelyn sterben zu lassen. Ernst sah Sherlock Nathalie an und lud die Waffe an seinem Kopf durch

,,Nein...werden Sie nicht. Und ohne mich...haben Sie keinen Grund mehr, John oder Evelyn zu bedrohen. Ihr Spiel ist aus, Miss Rider."

Mit einem Mal ertönte ein Schuss und Johns Augen weiteten sich vor Schreck, während er vollkommen erstarrte. Aber auch Sherlock erstarrte, denn er war es nicht, der abgedrückt hatte. Genauso wenig war es Nathalie gewesen, deren Blick nun zu ihrer Brust wanderte, wo sich ihr eigenes Blut ausbreitete. Sie warf einen letzten Blick zu Sherlock und starrte ihn entsetzt an.

,,Was haben Sie getan?"

Es waren ihre letzten Worte, ehe sie zu Boden fiel und reglos liegen blieb. Der Blick von Sherlock und John fiel nun auf die Person, die wirklich hinter dem tödlichen Schuss steckte: Evelyn!
Noch immer hatte sie die Waffe erhoben, aber nun ließ Evelyn sie aus der Hand fallen und sah auf die Leiche von Nathalie herab, unter der sich das Blut ausbreitete.

,,John!", rief Mary und lief auf ihren Verlobten zu, der sie erleichtert in eine Umarmung zog.

Sherlock sah immer noch auf Evelyn, die offenbar selbst nicht glauben konnte, dass sie eben gerade Nathalie erschossen hatte und er warf die Waffe von sich, die er nach dem gefallenen Schuss hatte sinken lassen. Evelyn wirkte vollkommen durch den Wind und zitterte, während ihr einzelne Tränen über die Wangen liefen.

,,Sherlock...", setzte John unsicher an, der ebenfalls zu Evelyn sah, doch Sherlock brachte ihn mit einer Handbewegung zum Schweigen.

,,Informiere Lestrade! Sag ihm wo wir sind und, dass die Gefahr vorbei ist."

John und Mary entfernten sich und Sherlock näherte sich nun mit langsamen Schritten Evelyn, die völlig fassungslos auf Nathalie sah und kaum merklich den Kopf schüttelte.

,,Sie ist tot...ich hab sie erschossen!", brachte sie erschüttert hervor und als Sherlock sie erreicht hatte, zögerte er noch kurz.

Aber dann zog er sie an sich und legte seine Arme um sie. Zuerst wirkte Evelyn wie erstarrt, aber dann schien sie die Umarmung zuzulassen, denn sie ließ ihre Trauer und Verzweiflung zu, was für Sherlock ohne Zweifel auch an der Entführung lag und nicht nur am Schuss auf Nathalie. Sherlock hielt Evelyn nur fest und war einfach nur erleichtert, dass die ganze Sache ein Ende hatte.

,,Alles gut...es ist vorbei!"

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