Schein und Sein
Schein und Sein
Ich blinzelte verwirrt und sah nach oben, woraufhin ich die Zimmerdecke unseres Reviers erkannte. Langsam setzte ich mich auf und spürte, wie ich noch vollkommen benebelt war und mein ganzer Körper widerstrebte meinen Bewegungen. Aber zum Glück verlor ich nicht wieder das Bewusstsein, weshalb ich mich nun umsah und sofort zeichnete sich Sorge auf meinem Gesicht ab.
Meine Freunde und Kollegen lagen allesamt immer noch um mich herum und waren ohne jegliches Bewusstsein. Allerdings kamen sie nun auch nach und nach wieder zu sich, woraufhin ich erleichtert aufatmete, doch zeitgleich überlegte ich, wie es dazu kommen konnte.
Zuerst wusste ich für einen kurzen Augenblick gar nicht mehr, was passiert war, aber dann kehrten meine Erinnerungen zurück und der eigenartige Geruch wurde mir wieder ins Gedächtnis gerufen.
Was zum Teufel war das gewesen? So etwas hatte ich noch nie erlebt und ich hatte wirklich schon einige Dinge durch. Es war fast so, als hätte uns ein merkwürdiges Aroma allesamt außer Gefecht gesetzt. Aber warum?
,,Evelyn...geht es dir gut?"
Annabelle tauchte plötzlich neben mir auf und ich ließ mich von ihr hochziehen. Meine Cousine musterte mich besorgt und schien vollkommen durch den Wind zu sein. Und auch bei allen anderen herrschte vollkommene Verwirrung darüber, was hier passiert war.
,,Ähm...ja, ich glaub schon.", erwiderte ich, denn ich schien immerhin keine Verletzungen davongetragen zu haben. ,,Was ist mit dir?", wollte ich schließlich wissen und Annabelle zuckte mit den Schultern.
,,Mir fehlt nichts. Keine Ahnung, warum wir alle umgekippt sind."
Tja, das wusste wohl so gut wie niemand von uns. Aber es musste ohne Zweifel etwas mit diesem eigenartigen Geruch zu tun haben, den ich zuletzt wahrgenommen hatte. Doch bevor ich Annabelle darauf ansprechen konnte, durchbrach die Stimme von Mycroft die angespannte Stille.
,,Wo zum Teufel sind Sherlock und Watson?", brachte er hervor und sofort sah ich mich suchend um.
Sherlock war zuletzt bei mir gewesen, denn mein Blick wanderte zu meinem Armband, welches er mir vor dem Ohnmachtsanfall angelegt hatte. Und kurz darauf war mir ja schon schwindelig gewesen, woraufhin Sherlock mich am Arm gepackt hatte. An mehr konnte ich mich nicht erinnern.
,,Ich kann sie nirgends finden.", entgegnete Greg und auch ich konnte weder Sherlock noch John irgendwo entdecken, weshalb ich die Stirn runzelte.
,,Wo stecken sie nur?"
,,Wir sollten das Revier nach ihnen durchsuchen. Vielleicht hat es sie an anderer Stelle umgehauen.", schlug Annabelle vor und Anderson nickte zustimmend.
,,Gute Idee! Und ich werde inzwischen schauen, ob ich die Ursache für unsere allerlei Ohnmacht finde."
Schon war er verschwunden und wir begaben uns auf die Suche nach Sherlock und John. Doch auch nachdem wir das gesamte Revier durchkämmt hatten, waren die Zwei wie vom Erdboden verschluckt und das beunruhigte mich zutiefst. Wo steckten sie denn nur?
,,Hey, ich hab was gefunden.", rief Greg uns auf einmal zu und kam mit einem Zettel auf uns zu, den er kurzer Hand vorlas.
Wenn ihr das lest, dass seid ihr wohl endlich wieder aufgewacht. Entschuldigt unsere Abwesenheit, aber es gab ein wichtiges Anliegen, dem wir unverzüglich nachgehen mussten. Und da John feststellen konnte, dass uns allen bis auf eine kurze Ohnmacht nichts fehlte, müsst ihr keinerlei Bedenken haben. Wir werden wohl ein paar Tage fort sein und sind leider nicht zu erreichen. Noch eine schöne Party, die meiner Ansicht nach ohnehin zu langweilig war.
SH
Völlig perplex starrten wir alle auf Greg, der ebenfalls mächtig irritiert zu sein schien.
,,Na, das nenne ich mal einen Abgang. Typisch Holmes!", brummte Donovan, die nur den Kopf schüttelte und Greg seufzte.
,,Tja, was auch immer den Zweien dazwischen gekommen ist...es scheint ja sehr wichtig zu sein. Nur wunderlich, dass sie nicht gewartet haben, bis wir alle aufgewacht sind."
,,Mich wundert bei diesem Freak schon gar nichts mehr. Und sein kleiner Kumpane tanzt doch eh nach seiner Pfeife. Sollen sie doch irgendwelchen Verschwörungen nachjagen...ohne mich."
Donovan suchte das Weite und Greg sah ihr sprachlos nach. Annabelle schien nur maßlos verwirrt zu sein und ich? Tja, ich stand da und wusste nicht so recht, was ich von Sherlocks Nachricht halten sollte.
Dass sie von ihm stammte, dafür war die Formulierung Beweis genug und auch die urplötzliche Flucht von der Party sprach nur für unseren Meisterdetektiv. Aber ich konnte nicht leugnen, dass ich schon ein wenig enttäuscht von Sherlock war. Immerhin hatte ich vorhin noch den Eindruck gehabt, dass er gar nicht so schlecht drauf war und sein Geschenk war immerhin auch ein Zeichen dafür, dass es ihm nicht ganz egal gewesen zu sein schien. Aber ganz offensichtlich hatte ich mich geirrt.
,,Immerhin scheint es ihnen gut zu gehen. Dann können wir ja weiterfeiern.", sagte Greg und ging kurzer Hand wieder zurück, während ich mit Annabelle zurückblieb, deren erwartungsvollen Blick ich nun auf mir spüren konnte.
,,Kommst du, Evelyn?"
,,Sicher! Gehen wir.", erwiderte ich und wir gingen zu den anderen zurück.
Anderson teilte Greg gerade mit, dass er leider keinerlei Hinweis darauf gefunden hatte, was uns alle außer Gefecht gesetzt hatte und ich glaubte inzwischen daran, dass ich mir diesen seltsamen Geruch nur eingebildet hatte. Ich hoffte nur, dass Sherlock und John nicht zu lange wegblieben, denn mich interessierte schon brennend, was so dringend ihre Aufmerksamkeit bedurfte.
***
Am späten Abend kam ich zu Hause an und schloss die Tür hinter mir. Die Party war im Großen und Ganzen gar nicht mal so schlecht gewesen und es hatte mir sogar seit langem wieder Spaß gemacht, meinen Geburtstag zu feiern. Aber ich war auch erleichtert, dass ich es hinter mir hatte und nun zu Hause sein konnte.
Allerdings war ich mir ziemlich sicher, dass ich diese Party niemals vergessen würde, denn die Ereignisse waren einfach zu göttlich gewesen.
Anderson war irgendwann so sturzbetrunken gewesen, dass er Einen auf Elvis Presley gemacht und Karaoke gesungen hatte. Wäre ja nicht so schlimm gewesen, wenn er sich dabei nicht halbnackt ausgezogen hätte und seine Singstimme einigermaßen annehmbar wäre. Immerhin hatte er uns damit allesamt zum Lachen gebracht und war zu guter Letzt prompt vom Tisch gefallen.
Mein Partner Greg war aber auch nicht viel besser gewesen. Er war als Erster vollkommen breit gewesen und hatte gemeinsam mit Donovan, die auch nicht mehr ganz nüchtern gewesen war, eine Tanzeinlage hingelegt, die sicherlich in die Geschichtsbücher eingehen würde.
Und meine werte Cousine Annabelle...tja, die hatte ich irgendwann aus den Augen verloren, nachdem sie es sogar geschafft hatte, dass Mycroft sich ein wenig amüsiert hatte. Wobei ich zu gerne wüsste, wie sie dieses Wunder zustande gebracht hatte. Diesbezüglich würde ich sie wohl noch ausquetschen müssen.
Nachdem ich geduscht und mich umgezogen hatte, fiel ich regelrecht ins Bett, denn der ganze Tag hatte mich geschafft. Und ich schlief sofort ein, nachdem ich meine Augen geschlossen hatte. Doch ich glitt keineswegs in einen traumlosen Schlaf hineinsondern vielmehr in einen Traum, der nichts als Verwirrung und Irritation mit sich brachte.
Ich fand mich an einem fremden und düsteren Ort wieder. Weder wusste ich, wo ich warnoch, was ich hier machte. Verwirrt sah ich mich um. Suchend nach dem Grund dafür, weshalb ich hier war.
,,Sie sehen hin...aber Sie nehmen nicht wahr.", erklang eine Stimme hinter mir und als ich mich umdrehte, sah ich direkt in die Augen von Sherlock.
,,Sherlock!"
,,Unverkennbar!", entgegnete er und ich sah ihn verwirrt an.
,,Was tue ich hier? Und warum sind Sie hier?"
,,Ausgezeichnete Frage! Allerdings kann ich Ihnen die Antwort nicht verraten. Sie müssen sie selbst herausfinden, Evelyn."
Sherlock sah mich ernst an und ich hatte nicht die geringste Ahnung, worauf er hinaus wollte. Was sollte dieses ganze Theater? Und warum musste ich schon wieder von Sherlock träumen? Das alles ergab keinen Sinn und ich wusste nicht, was Sherlock mit seiner Aussage meinte. Doch bevor ich weitere Fragen stellen konnte, redete er bereits weiter auf mich ein.
,,Evelyn, seien Sie nicht naiv. Denken Sie nach. Schein und Sein...es sind zwei verschiedene Dinge. Die Frage ist nur...erkennen Sie die Wahrheit, wo sie doch direkt vor Ihnen liegt?"
Zwar war der Gesichtsausdruck von Sherlock immer noch streng, aber er wirkte auch irgendwie hoffnungsvoll und deprimiert zugleich. Noch immer hatte ich keine Ahnung, was er mir vermitteln wollte und fuhr mir durch die Haare.
,,Sherlock, wovon reden Sie da bitte? Was für eine Wahrheit meinen Sie?"
,,Benutzen Sie Ihren Verstand, Evelyn...und vertrauen Sie auf Ihr Gefühl. Es wird Sie nicht täuschendas hat es noch nie getan. Und lassen Sie sich nicht zu lange Zeit mit der Suche nach der Antwort...wir werden nicht mehr viel Zeit haben."
Und dann war Sherlock mit einem Mal plötzlich verschwunden. Völlig perplex sah ich mich um und suchte nach ihm, doch von dem Meisterdetektiv war nichts mehr zu sehen.
,,Sherlock? SHERLOCK! Ich brauche Ihre Hilfe! Sie müssen mir sagen, was ich tun soll! Was meinen Sie mit Zeit? Wo sind Sie? SHERLOCK!!!"
Ruckartig fuhr ich aus dem Schlaf hoch und für einen Moment war ich wie erstarrt. Mein Herz raste und ich hatte das Gefühl, als würde mir ein eiskalter Schauer über den Rücken laufen.
Was war das gewesen? Dass es ein Traum war, das war unverkennbar...jedoch hatte es sich unglaublich real angefühlt und noch immer konnte ich den Klang von Sherlocks Stimme nahezu hören und nur langsam fand ich wieder in die Realität zurück.
Für einige Minuten war mir immer noch nicht klar, was Sherlock mit seinen merkwürdigen Aussagen und Anspielungen gemeint hatte und ich zerbrach mir den Kopf darüber, bis es mich wie ein Blitz traf. Denn ich konnte nun regelrecht den Zettel vor mir sehen, den Greg gefunden hatte und den Sherlock hinterlassen haben sollte.
Natürlich! Das musste es sein. Warum nur hatte ich mich täuschen lassen?! Ganz gleich, wie verrückt und unergründlich Sherlock Holmes auch sein mochtees gab eine Sache, die er niemals tun würde: er würde niemals seine Freunde/ Verbündeten im Stich lassen. Und was für ein Fall auch dazwischen kommen würde...Sherlock und vor allem John, hätten uns nie so wehrlos im Revier zurückgelassen, wo wir alle ohne Bewusstsein gewesen waren. Und auch die Tatsache, dass ich vor meiner Ohnmacht diesen merkwürdigen Geruch vernommen hatte...es war also doch keine Einbildung gewesen.
Ich sprang nun regelrecht aus meinem Bett und ein einziger Blick auf den Wecker verriet mir, dass es erst 7 Uhr morgens war, doch das war mir vollkommen gleich. Augenblicklich spannte ich mich an und obwohl ich wusste, dass mir niemand antwortete, offenbarte ich meinen Entschluss, den ich soeben gefasst hatte.
,,Sie sind nicht verschwunden! Ihnen ist etwas passiert und ich werde herausfinden was."
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