Rettung in letzter Sekunde

Rettung in letzter Sekunde

John und ich starrten gebannt auf Sherlock, der die Waffe auf die Weste mit dem Sprengstoff richtete. Moriarty verlor kein Wort, sondern lächelte nur triumphierend und schien es geradezu herausfordern zu wollen, dass Sherlock abdrückte und uns alle in die Luft jagte.

Doch soweit kam es gar nicht, denn auf einmal ertönte der Song Stayin Alive von Bee Gees, was bei uns Dreien für irritierte Blicke sorgte. Denn ganz offensichtlich, schien der Song von Moriarty zu kommen. Jener seufzte nun und verdrehte genervt die Augen, was uns erst recht verwirrte. Er sah Sherlock kurz an und wirkte etwas zerknirscht.

,,Was dagegen, wenn ich rangehe?", fragte er und Sherlock winkte ab.

,,Nein...bitte!"

Ich verstand nun gar nichts mehr. Wir befanden uns hier in einer Situation um Leben und Tod und Sherlock hatte Moriarty gerade angedroht, eine Bombe hochgehen zu lassen. Und nun standen die beiden hier und taten gerade so, als wäre es das Normalste auf der Welt, jetzt ans Handy zu gehen. Ungläubig tauschten John und ich einen Blick, als Sherlock noch etwas Sarkasmus hinzufügte.

,,Sie haben ja Zeit...den Rest Ihres Lebens."

Moriarty schenkte ihm keine Beachtung, während er sein Handy aus der Hosentasche zog und einen Blick aufs Display warf, ehe er genervt abnahm.

,,Hallo? Natürlich, wer sonst? Was wollen Sie?", raunte er in den Hörer, als er Sherlock einen kurzen Blick zuwarf. ,,Tschuldigung!"

Dann lauschte er den Worten des mysteriösen Anrufers und wir standen da und warteten. Ich fragte gar nicht erst, warum wir das taten, denn so langsam wunderte mich gar nichts mehr und wahrscheinlich würde ich sowieso keine Antwort auf meine Frage erhalten. Doch meine Gedanken wurden Nebensache, als Moriarty plötzlich ausrastete und förmlich in den Hörer brüllte.

,,SAGEN SIE DAS NOCHMAL!"

John und ich zuckten zusammen, während Sherlock nur verwirrt aufhorchte und Moriarty keine Sekunde aus den Augen ließ. Jener wirkte nun ziemlich wütend, aber dennoch wieder gefasst.

,,Eins ist Ihnen hoffentlich klar, wenn Sie mich gerade angelogen haben...werde ich Sie finden und dann ziehe ich Ihnen die Haut ab.", drohte er seinem Anrufer und meine Augenbrauen schnellten bei der Drohung in die Höhe. ,,Warten Sie."

Moriarty hielt den Hörer nun an seinen Oberkörper und ging ein paar Schritte auf uns zu, während er nachdenklich aussah. Ganz gleich, wer da am Apparat war, in seiner Haut wollte ich nicht stecken, sollte Moriarty seine Drohung von eben wahr machen.

Sherlock rührte sich keinen Millimeter und hielt immer noch die Waffe in der Hand. Direkt vor der Weste machte Moriarty Halt und zögerte noch einen Moment, ehe er den Blick hob und vielsagend in die Runde schaute.

,,Entschuldigung...zum Sterben ist heute der falsche Tag.", sagte er und Sherlock blieb gelassen.

,,Oh, haben Sie ein besseres Angebot?"

Als Antwort sah Moriarty kurz auf sein Handy und jetzt wollte ich erst recht wissen, wen zum Teufel er da an der Strippe hatte.

,,Sie hören von mir, Sherlock.", sagte er nur noch, ehe er sich umdrehte und Richtung Ausgang ging, während er das Handy wieder an sein Ohr hielt. ,,Also wenn Sie haben, was Sie zu haben vorgeben...werde ich Sie reich machen. Wenn nicht...werde ich Schuhe aus Ihnen machen."

Moriarty schnippte einmal mit den Fingern, ehe er aus dem Schwimmbad verschwand und die roten Punkte der Scharfschützen verschwanden.
Völlig perplex standen Sherlock, John und ich da und sahen Moriarty nach. Denn offenbar konnte niemand von uns glauben, was hier eben geschehen war.

,,Was war das gerade?", brachte John hervor und Sherlock drehte sich langsam zu uns um.

,,Irgendjemand hat ihn umgestimmt. Die Frage ist...wer."

,,Wahrscheinlich jemand, der mindestens genauso irre ist wie Moriarty selbst. Zumindest jemand, der verrückt genug ist, sich im Fall einer Niederlage den Zorn von ihm auf sich zu ziehen. Ich frage mich vor allem nicht nur wer dahinter steckt, sondern warum diese Person Moriarty umgestimmt hat. Wer wäre bereit, seinen Kopf zu riskieren...nur, um uns am Leben zu lassen?"

Auf diese Frage hatten weder Sherlock noch John eine Antwort und deshalb hatten wir alle den Heimweg angetreten. Ich wollte dieses Schwimmbad ohnehin nie wieder betreten, denn der Abend war zu entsetzlich gewesen, als dass ich den Ort des Geschehens noch einmal aufsuchen würde.

                             ***

Sherlock und John waren in die Baker Street zurückgekehrt und ich kam gerade zu Hause an, als mein Telefon klingelte. Da Moriarty mein Handy ohne Zweifel entsorgt hatte, würde ich mir morgen erstmal ein Neues zulegen müssen.

,,Evelyn Headley!", sagte ich, als ich den Hörer abnahm und die Stimme von Greg ertönte.

,,Evelyn, endlich! Ich versuche seit Stunden, dich zu erreichen. Wo zum Teufel hast du gesteckt?"

,,Lange Geschichte, Greg. Die Kurzfassung: der Gegenspieler von Sherlock entpuppte sich als Moriarty, John und ich waren seine Geiseln, Sherlock wollte uns befreien und hätte Moriarty fast in die Luft gejagt, wäre dem nicht ein Anruf dazwischen gekommen.", erklärte ich und lehnte mich gegen die Wand, während Greg am Telefon klang, als würde er jeden Augenblick einen Nervenzusammenbruch erleiden.

,,WAS? Moment...langsam, Evelyn. Du und John wurdet entführt? Warum hat Sherlock uns nicht eingeschaltet?"

,,Weil er nicht wusste, dass Moriarty uns gefangen genommen hat. Er wusste nicht einmal, dass er derjenige war, der hinter diesen ganzen Bombendrohungen steckte."

,,Mein Gott! Gehts dir gut? Und was ist mit Sherlock und John? Ist irgendjemand von euch verletzt?", fragte Greg nach.

,,Nein, alles in Ordnung. Es geht uns allen gut...bis auf den Schrecken. Und wenn ich ehrlich bin, will ich nur noch ins Bett. Ich erkläre dir morgen die Details."

,,Na, gut.Dann nimm dir aber morgen frei. Ich komme dann bei dir vorbei und dann kannst du mir alles erklären.", sagte er und ich stimmte zu.

,,Ist gut. Bis morgen."

,,Bis dann."

Greg legte auf und ich stellte das Telefon zurück auf die Station. Ich war unendlich erschöpft und meine Nerven lagen blank. Der Abend war einfach zu stressig gewesen und im Angesicht des Todes gestanden zu haben...das konnte man nicht so einfach wegstecken.

Zwar war es ja nicht das erste Mal, dass ich entführt und mit einer Waffe bedroht worden war, aber Moriarty war anders als alle Widersacher, denen ich bisher begegnet war. Und obwohl ich ihn mir hinter Gitter wünschte, so hoffte ich dennoch inständig, dass ich ihm nicht nochmal begegnen würde.

Nachdem ich geduscht und mich umgezogen hatte, wollte ich nur noch ins Bett. Doch als ich gerade in mein Schlafzimmer gehen wollte, klopfte es und ich hielt inne. So spät würde doch niemand aus meinem Bekanntenkreis auf die Idee kommen, mich zu besuchen. Zumindest nicht, ohne sich vorher anzukündigen.

Da meine Dienstwaffe durch die Entführung ebenfalls verschwunden war, ging ich in die Küche und griff zu einem Küchenmesser, ehe ich mich langsam Richtung Tür begab. Ich war äußerst wachsam und vor allem misstrauisch, während ich das Messer umfasste. Zu allem bereit, öffnete ich schließlich die Tür und wollte schon das Messer erheben, als ich Sherlock erkannte und ihn völlig perplex anstarrte.

,,Sherlock?"

,,Sie sollten das Messer weglegen, Evelyn. Wäre ich ein Serienkiller oder dergleichen, würde es Ihnen ohnehin nichts nützen.", meinte er nur und ich sah auf mein Messer, ehe ich den Kopf schüttelte und ihn mehr als irritiert ansah.

,,Was zum Teufel tun Sie hier? Wissen Sie, wie spät es ist? Außerdem war es doch schon genug für diesen Tag, finden Sie nicht auch?"

Vielsagend sah ich Sherlock an, ließ das Messer jedoch natürlich sinken. Ich fragte mich, warum er zu so später Stunde noch bei mir vor der Tür stand, als Sherlock auf meine Wohnung deutete.

,,Es wäre unangebracht, im Treppenhaus darüber zu sprechen."

Ich verstand seine unausgesprochene Frage und trat zur Seite, um ihn rein zu lassen. Sherlock betrat meine Wohnung und ich schloss die Tür, ehe ich das Messer wieder in die Küche brachte. Dann folgte ich Sherlock, der in mein Wohnzimmer gegangen war und meine Wohnung inspizierte. Natürlich tat er das, denn er war ja noch nie hier gewesen.

,,Also, was führt Sie noch so spät her, Sherlock? Wenn es ein Fall ist, dann muss ich sie enttäuschen...ich habe frei.", sagte ich und er drehte sich zu mir um.

,,Keineswegs. Es geht um Moriarty."

,,Tja, der Wahnsinnige ist sicher schon über alle Berge, Sherlock. Ich schlage vor, wir nehmen das hin und versuchen, die Ereignisse einfach zu vergessen. Denn Spuren hat Moriarty ganz sicher nicht hinterlassen.", meinte ich und Sherlock sagte einen Moment nichts.

Ich konnte seinen Blick nicht genau deuten, denn er sagte mir mal wieder gar nichts. Aber Sherlock wirkte untypisch angespannt und ich wunderte mich darüber. Es kam ja fast so rüber, als wollte er noch etwas loswerden, aber wusste nicht wie. Doch ich hatte keinen Nerv mehr, mich heute noch damit auseinanderzusetzen.

,,Gut, wenn das dann alles war...ich würde echt gerne schlafen gehen, Sherlock.", sagte ich und deutete auf die Tür.

Ich wollte mich von im abwenden, um meine Meinung zu bestärken, indem ich die Tür öffnete. Doch folgende Worte von Sherlock ließen mich innehalten.

,,Ich sollte mich entschuldigen.", meinte er und ich drehte mich um, während ich ihn verblüfft ansah.

,,Wie bitte?"

,,Für mein Verhalten...ich sollte mich dafür entschuldigen und Sie hatten Recht. Ich besitze in der Tat kein Herz.", entgegnete und nun sah ich ihn reumütig an.

,,Sherlock, das habe ich doch nicht wörtlich gemeint. Es war nur...ich war so wütend über das, was Sie gesagt haben und Sie treiben mich manchmal einfach in den Wahnsinn. Ich weiß auch nicht..."

Ich fand nicht die richtigen Worte, denn diese ganze Situation war einfach zu kompliziert. Und mittlerweile tat es mir ja auch schon leid, dass ich Sherlock bei unserer Auseinandersetzung so angeschrien hatte.

,,Sie müssen sich nicht rechtfertigen, Evelyn. Sie sollen nur wissen, dass es mir leid tut und vor allem, dass Moriarty Sie meinetwegen entführt hat.", erwiderte Sherlock nun ich seufzte leise.

,,Schon gut. Es ist ja nochmal gut gegangen."

Sherlock nickte und ich war irgendwie erleichtert, dass diese Sache aus der Welt geschafft war. Aber dennoch fand ich, dass Sherlock sich merkwürdig verhielt. Ich glaubte ihm, dass es ihm wirklich leid tat, doch sonst hatte er es auch nicht so mit Entschuldigungen. Und dass er ausgerechnet bei mir jetzt anscheinend so eine große Sache draus machte, das überraschte mich wirklich.
Nun machte Sherlock Anstalten zu gehen und als er neben mir stand, wandte er sich nochmal an mich, ohne mich jedoch direkt anzusehen.

,,Hätte Moriarty Sie verletzt...wegen mir...dann..."

Sherlock sprach nicht weiter, denn er sah plötzlich so aus, als hätte man ihn bei irgendwas ertappt. Ich war aber auch zu perplex, um nachzufragen und ehe ich mich versah, ging er nun auf meine Wohnungstür zu und verschwand.

Völlig sprachlos starrte ich noch einige Minuten auf die geschlossene Tür und versuchte zu realisieren, was hier eben passiert war. Der Tag war ohnehin eine Zumutung gewesen und jetzt hatte sich Sherlock auch noch ehrlich und persönlich bei mir für sein Verhalten entschuldigt. Und ich konnte mir darauf nur eine einzige Frage stellen: was war nur mit Sherlock Holmes passiert?

Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top