Operation: ,,Die Frau"

Operation: ,,Die Frau"

Am nächsten Morgen begab ich mich noch vor Dienstantritt in die Baker Street. Denn ich wollte wenigstens nachsehen, ob Sherlock die Nacht gut überstanden hatte und wie es ihm ging. Als ich klingelte, öffnete mir natürlich Mr. Hudson die Tür und schenkte mir ein freudiges Lächeln.

,,Ach, Evelyn! Schön, Sie zu sehen. Möchten Sie auch eine Tasse Tee?"

,,Gerne, Mrs. Hudson!", sagte ich und sie winkte mich rein.

,,Na, dann kommen Sie. Die anderen sind oben."

Wir gingen die Treppe hoch und oben angekommen, ging ich ins Wohnzimmer, wo ich John und Sherlock am Tisch entdeckte und zu meiner Überraschung war Mycroft sogar anwesend, der mich als Erster entdeckte.

,,Evelyn...guten Morgen!"

,,Morgen, Mycroft! Und? Schon Anhaltspunkte?", wollte ich wissen, woraufhin er seufzte.

,,Wir sind dran. Aber danke für die Informationen gestern."

,,Keine Ursache!", erwiderte ich, woraufhin Sherlock sich umdrehte.

,,Sie haben ihm davon erzählt?"

,,Ja, das habe ich. Sie waren ja zu K.O., um etwas tun zu können. Wie gehts Ihnen denn? Offenbar haben Sie ja überlebt.", meinte ich und Sherlock drehte sich wieder um.

,,Es braucht mehr als eine Frau, um mich umzubringen, Miss Headley! Das sollten Sie mittlerweile wissen."

Ich richtete den Blick gen Zimmerdecke und John nickte mir zur Begrüßung zu, was ich erwiderte. Dann wandte sich Sherlock mit einem Mal an Mycroft, der ein wenig deprimiert wirkte.

,,Die Fotos sind vollkommen sicher.", beteuerte Sherlock, doch sein Bruder schien anderer Meinung zu sein.

,,In den Händen einer flüchtigen Sexarbeiterin?"

,,Sie hat kein Interesse an einer Erpressung. Sie will sich damit...aus irgendeinem Grund schützen."

Sherlock starrte vor sich hin und ich fragte mich, was bloß mit ihm los war. Natürlich war Sherlock noch nie normal gewesen und es gab Zeiten, wo ich ihn wirklich für irre erklärte, aber diese Irene Adler schien ihn ja völlig aus der Fassung gebracht zu haben. Was war das nur für ein Teufelsweib?!

,,Trotzdem sollten wir sie so schnell wie möglich finden!", warf ich in den Raum und Sherlock schmunzelte.

,,Viel Glück dabei!"

Ich warf ihm einen tödlichen Blick zu, doch er beachtete mich nicht, sondern wandte sich wieder an Mycroft, während er immer noch die Zeitung in den Händen hielt.

,,Ich denke, es wird wohl keine Ermittlungen geben, wegen der Schießerei in ihrem Haus?"

,,Da werden wir nichts tun können, solange sie die Fotos hat. Da sind uns einfach die Hände gebunden.", erwiderte Mycroft und warf Sherlock einen strafenden Blick zu.

Himmel! Diese beiden Brüder musste man einfach live erleben, um es wirklich glauben zu können. Ein Ego größer als das den anderen und sie beide waren wie Diven, die um den ersten Platz eines Zickenkrieges buhlten. Ich warf einen kurzen Blick zu John, der auch nur den Kopf schüttelte und offensichtlich ebenfalls kaum glauben konnte, was hier vor sich ging. Aber es ging schon in die nächste Runde.

,,Deine Wortwahl würde ihr gefallen!", bemerkte Sherlock und wirkte doch tatsächlich etwas schadenfroh. ,,Verstehst du, wie das läuft? Dieses Smartphone ist ihre Du kommst aus dem Gefängnis frei- Karte. Ihr müsst sie in Ruhe lassen. Behandelt sie wie einen der Royals, Mycroft!"

,,Sollen wir ihr vielleicht auch noch einen roten Teppich ausrollen und höflich knicksen?", gab ich meine Meinung dazu, als John sich nun ebenfalls in das Gespräch einbrachte und vielsagend an Mycroft wandte.

,,Aber nicht so, wie sie die Royals behandelt!"

Sherlock schmunzelte und Mycroft sah John perplex an, während ich den Blick wieder gen Zimmerdecke richtete. Plötzlich wurde unser morgendliches Tagesthema durch ein echohaftes erotisches Stöhnen unterbrochen, welches von Sherlocks Handy zu kommen schien.

,,Was war das?", fragte ich und all unsere Blicke richteten sich nun auf Sherlock, der von seiner Zeitung aufsah.

,,Eine Nachricht!"

Schon stand er auf, legte seine Zeitung beiseite und eilte nun zu seinem Handy, welches er nahm und einen Blick auf die empfangene Mitteilung warf.

,,Ja, aber dieses Geräusch!", bemerkte John und Mycroft sah seinen jüngeren Bruder fassungslos an, da ihm dieser Klingelton ganz offensichtlich zuwider war.

Aber Sherlock schien das gar nicht wahrzunehmen oder es interessierte ihn einfach nur nicht, denn er las die Nachricht und sah dann seinen Bruder an, ehe er einfach das Thema wieder aufnahm.

,,Wusstest du, dass noch andere hinter ihr her waren, Mycroft? Bevor du uns dorthin geschickt hast? Wahrscheinlich von der CIA ausgebildete Killer.", warf Sherlock ihm vor, ehe er sich wieder auf seinen Platz setzte und auch John warf Mycroft einen vorwurfsvollen Blick zu.

,,Ja! Vielen Dank auch, Mycroft!"

,,Bitte! Ich hatte schon mit dutzend Auftragskillern zu tun. Das waren Amateure. Wären es Profis gewesendann würden wir Drei jetzt nicht in diesem Raum sein.", meinte ich, woraufhin Sherlock mir einen ausdruckslosen Blick zuwarf, doch ich zuckte nur mit den Schultern.

Das war eben eine Tatsache. Ich hatte es wirklich schon mit vielen Auftragskillern zu tun gehabt, als ich noch in Amerika gewohnt hatte. Und Einige von ihnen waren wirklich harte Herausforderungen gewesen, aber noch nie hatte es jemand von denen geschafft, mich umzubringen. Und das wollte schon etwas heißen. Da konnte Sherlock die Bande aus dem Haus von Irene Adler nun wirklich nicht als ausgebildete Killer bezeichnen.

,,Es ist eine Schande, Ihren kleinen Bruder so in Gefahr zu bringen.", ertönte nun die Stimme von Mrs. Hudson, die an den Tisch trat und einen Teller vor Sherlock abstellte. ,,Am Ende ist doch die Familie alles, was wir haben, Mycroft Holmes!"

,,Ach, halten Sie die Klappe, Mrs. Hudson!", entgegnete dieser, woraufhin wir ihn alle erschüttert ansahen.

,,MYCROFT!"

Fast gleichzeitig, sprachen Sherlock, John und ich seinen Namen aus und warfen ihm ermahnende Blicke zu. Daraufhin starrte er uns perplex und entgeistert an, ehe er sich wieder fing und einen reumütigen Blick Richtung Mrs. Hudson warf.

,,Bitte verzeihen Sie!"

,,Tue ich!", sagte Mrs. Hudson nach einer kurzen Zögerung und entfernte sich wieder Richtung Küche, während Sherlock sie vielsagend ansah.

,,Besser, Sie halten wirklich die Klappe!"

,,Sherlock!"

Ich schüttelte den Kopf und fragte mich, was bloß in den Köpfen der Holmes-Brüder vor sich ging. Aber das wurde Nebensache, denn erneut gab das Handy von Sherlock ein Stöhnen von sich, als er offenbar wieder eine Nachricht erhielt.

,,Oh, ein bisschen anzüglich dieses Geräusch. Finden Sie nicht?", meinte Mrs. Hudson, doch Sherlock las unbeirrt seine neue Nachricht.

,,So, wie ich das sehe, kannst du nichts tun und sie wird auch nichts tun."

Aha! Also war es ganz offensichtlich Irene Adler, die Sherlock diese ominösen Nachrichten schickte und ich fragte mich, warum ich nicht gleich darauf gekommen war. NATÜRLICH musste es ja ausgerechnet Irene Adler sein. Diejenige, die ich nur zu gerne hinter Gittern sehen würde. Immerhin hatte sie mich geradezu beleidigt und uns fast umgebrachtdafür verdiente sie den Knast.

,,Ich kann sie rund um die Uhr bewachen lassen!", widersprach Mycroft nun den Worten seines Bruders, doch der blieb davon unbeeindruckt.

,,Wozu die Mühe? Du kannst ihr doch auf Twitter folgen."

,,Twitter?", wiederholte ich und Sherlock nickte.

,,Ganz recht! Ich glaube, ihr Benutzername ist Die Peitschenhand."

,,Also, bitte..."

Ich hatte allmählich genug von diesem Thema und konnte diesen Kindergarten einfach nicht mehr ertragen. Mycroft schien ebenfalls genervt zu sein, da er Sherlock missbilligende Blicke zuwarf und schauspielerisch grinste.

,,Ja...wirklich amüsant!"

Dann klingelte auf einmal sein Handy und Mycroft nahm ab. Ich seufzte und John wandte sich an Sherlock, ehe er auf dessen Handy deutete und ihn abwartend ansah.

,,Was ist das für ein Ton da auf Ihrem Handy?"

,,Welcher Ton?", erwiderte Sherlock und spielte den Unwissenden.

,,Der Ton, den es gerade gemacht hat."

,,Das heißt, dass ich eine SMS empfangen habe.", erklärte Sherlock ungerührt und ich nickte sarkastisch.

,,Darauf wären wir jetzt wirklich nicht gekommen."

,,Hmm..bisher ist das ein anderer Ton gewesen.", meinte John und Sherlock zuckte mit den Schultern.

,,Nun, da hat anscheinend jemand das Telefon in den Fingern gehabt und den SMS-Ton personalisiert. Ein kleiner Scherz!"

John und ich schauten skeptisch drein und ich wusste natürlich, WER da den Ton personalisiert hatte. Auch, wenn es mir im Grunde egal war, wie und mit wem Sherlock sich seine Zeit vertrieb, musste es denn ausgerechnet eine knallharte Verbrecherlady sein? Allein ihr vollkommen nackter Auftritt war schon skandalös gewesen und von ihrer Art und Weise wollte ich gar nicht erst anfangen. Aber, wie hieß es so schön...wo die Liebe nun mal hinfiel.

,,Also jedes Mal, wenn derjenige Ihnen...", setzte John an, als erneut ein Stöhnen ertönte und Mrs. Hudson gab einen vorwurfsvollen Ton von sich, während Sherlock vielsagend dreinschaute.

,,Offenbar ja!"

,,Könnten Sie das Telefon nicht ein bisschen leiser stellen? Wenn man in meinem Alter ist, dann..."

Mrs. Hudson gab es auf mit Sherlock zu diskutieren und das war auch besser. Es würde ohnehin nur ihre kostbaren Nerven in Anspruch nehmen und die sollte sie lieber noch schonen. Sherlock würde sicher noch viele andere Gelegenheiten finden, um sie und uns alle in den Wahnsinn zu treiben. Aber auch mir wurde das ganze Schauspiel jetzt zuwider und ich zog es vor, mich diesem Theater zu entziehen.

,,Also...ich gehe dann mal. Besser, ich halte weiter Ausschau nach...Der Frau. Meldet euch, wenn es was Neues gibt.", meinte ich und John nickte.

,,Machen wir!"

Gerade wollte ich noch Tschüss sagen, als schon wieder das Handy von Sherlock ein Stöhnen von sich gab, was ich mit einem angewiderten Blick quittierte. Das war nun eindeutig mein Stichwort.

,,Oh, Gott!"

Ich wandte mich ab, doch ich sah noch, wie Sherlock's Mundwinkel zuckten und er in sich hinein grinste, aber ich ergriff bereits die Flucht.

Kaum, dass ich das Haus verlassen hatte, schüttelte ich ungläubig den Kopf und machte mich auf den Weg zur Dienststelle.
Ich fragte mich, weshalb Sherlock von dieser Irene Adler anscheinend so fasziniert war. Sonst sah er keine Frau an und hatte mit Gefühlen oder dergleichen, rein gar nichts am Hut. Aber diese Frau schien es ihm offensichtlich wirklich angetan zu haben, wovon ich hoffte, dass ihm klar war, worauf er sich einließ. Gerade wollte ich mir ein Taxi rufen, als Mycroft auf einmal auftauchte und mich zurückhielt.

,,Evelyn, einen Augenblick bitte!", sagte er und ich sah ihn erwartungsvoll an.

,,Was ist, Mycroft?"

,,Diese Frau...sie scheint meinen Bruder aus der Fassung gebracht zu haben.", meinte er und ich zuckte mit den Schultern.

,,Das gibt sich sicher wieder, Mycroft."

,,Da bin ich mir nicht so sicher. Ich wage es ja kaum auszusprechen, aber er scheint regelrecht fasziniert von ihr zu sein. Dabei dachte ich die ganze Zeit..."

Mycroft beendete seinen Satz nicht, sah mich aber irgendwie komisch an. Was war denn mit dem los? Dass Mycroft auch hin und wieder ziemlich seltsam sein konnte, das wusste ich ja, aber seinen jetzigen Blick hatte ich noch nie zuvor gesehen.
Irritiert hob ich eine Augenbraue und legte den Kopf etwas schräg.

,,Sie dachten...was? Was wollten Sie sagen, Mycroft?"

,,Ach, nicht so wichtig. Könnten Sie mir nur bitte einen Gefallen tun und ein Auge auf Sherlock haben?", fragte er und ich seufzte, ehe ich nickte.

,,Das kriege ich hin. Ich bin ja ohnehin oft genug hier. Dürfte mir also nicht schwer fallen."

,,Danke, Evelyn! Und wenn Sie neue Informationen bezüglich Miss Adler haben..."

,,Werde ich Sie umgehend informieren, Mycroft!", vollendete ich seinen Satz und er lächelte dankbar.

,,Sehr gut! Dann schönen Tag noch, Evelyn."

,,Gleichfalls, Mycroft!"

Er nickte mir zu und verschwand dann schließlich. Ich sah Mycroft noch einen Moment nach, ehe ich mir dann ein Taxi rief und zur Arbeit fuhr. Tja, ich war mit meiner Skepsis gegenüber Irene Adler nicht allein und das bedeutete wohl, dass ich sie schneller finden musste, als gedacht.

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