Lieb Schwesterlein mein

Lieb Schwesterlein mein

Evelyn PoV

Zwei Stunden später befanden Sherlock und ich uns auf den Weg zur Schwester unseres Opfers. Denn Greg hatte herausgefunden, dass Meredith Newton kein Einzelkind war und deshalb hatte er uns gebeten, der Schwester von ihr auf den Zahn zu fühlen.
Und Sherlock war, was mich überrascht hatte, sofort wieder hochkonzentriert bezüglich unseres Falls und das, obwohl wir gerade mal vor zwei Stunden eine Botschaft entdeckt hatten, die allem Anschein nach Moriarty für uns hinterlassen hatte. Ob er nun tot war oder nicht...dieser Mistkerl schien selbst im Grab noch mit uns zu spielen. Und dass Sherlock das so gefasst aufnahm...das beunruhigte mich noch mehr.

,,Sherlock, warte!", sagte ich, als ich ihm durch die Straßen nacheilte, denn ich konnte kaum mit ihm Schritt halten, doch jetzt schaffte ich es, ihn einzuholen und stellte mich ihm in den Weg. ,,Stopp!"

,,Was ist? Evelyn, wir müssen die Schwester unseres Opfers befragen."

,,Die kann auch noch 5 Minuten warten. Zuerst sollten wir über das reden, was eben passiert ist.", widersprach ich, doch Sherlock machte natürlich sofort dicht.

,,Wir haben einen Zettel mit einer geheimen Botschaft gefunden. Was ist daran jetzt dramatisch?"

,,Lass mich kurz überlegen...", setzte ich an, ehe meine Fassungslosigkeit die Oberhand gewann. ,,vielleicht, weil diese Botschaft allem Anschein nach von deinem toten Erzfeind stammt und von einer mysteriösen Frau hinterlassen wurde, die offenbar mit ihm zusammengearbeitet hat."

,,Das ist noch gar nicht gesagt. Vielleicht ist es auch nur Zufall gewesen."

,,Ein Zufall? Sherlock, du hast noch nie an Zufälle geglaubt, also fang jetzt gar nicht erst damit an.", entgegnete ich und er seufzte.

,,Evelyn, wir haben einen Fall. Einen Fall, den wir aufklären müssen! Wir kümmern uns später um diesen Zettel und sollte es wirklich Moriarty sein, dann werden wir ihn aufhalten. Beim letzten Mal habe ich es auch geschafft, ihn zu bezwingen."

,,Ja und bei diesem letzten Mal, bist du vom Dach eines Hochhauses gesprungen und wir alle hielten dich 2 Jahre lang für tot. Erwarte nicht, dass ich das nochmal mitmache."

Eindringlich und ermahnend sah ich ihn an und machte meinen Standpunkt mehr als deutlich. Letztes Mal mochte Sherlock ja auf eigene Faust Moriarty gegenüber getreten sein, aber dieses Mal würde ich das garantiert nicht zulassen. Ich hatte ihn schon fast durch meinen besessenen Bruder verloren, da würde ich garantiert nicht zulassen, dass er sich allein um dieses Problem kümmerte.

,,Na, gut!", gab Sherlock nach. ,,Wir lösen diesen Fall und dann werden wir gemeinsam rausfinden, was es mit diesem Zettel auf sich hat.", versicherte er mir und ich entspannte mich daraufhin.

,,Gut!"

***

Als wir schließlich die Adresse der Schwester erreichten, klingelte ich und ertappte mich selbst dabei, wie ich immer wieder zu Sherlock neben mir sah. Ich studierte sein Gesicht und suchte nach etwas, dass mir verriet, dass er irgendwas im Schilde führte, wovon ich nichts wusste. Aber ich konnte nichts finden und natürlich entging Sherlock nicht, dass ich an seinen Worten zweifelte.

,,Wenn du dir so unsicher bist, ob du meinen Worten vertrauen kannst, solltest du mir besser Handschellen anlegen.", meinte er und ich warf ihm ein ebenso spöttisches Kommentar an den Kopf.

,,Führe mich ja nicht in Versuchung, Sherlock. Nur das kleineste Anzeichen für einen Alleingang bezüglich Moriarty und ich nehme dich beim Wort."

Sherlock verdrehte die Augen, doch ich blieb dabei. Unsere Konversation erübrigte sich, als die Tür geöffnet wurde und uns eine rothaarige Frau irritiert ansah und ich sofort Misstrauen in ihrem Blick sah.

,,Wer sind Sie und was wollen Sie?"

,,Das ist Sherlock Holmes und ich bin Sergeant Headley vom Scotland Yard. Miss Newton, wir hätten ein paar Fragen an sie.", sagte ich höflich und die Frau hätte uns augenblicklich die Tür vor der Nase zugeknallt, hätte Sherlock sie nicht daran gehindert.

,,Dürfen wir? Sehr freundlich!"

Mit diesen Worten verschaffte er sich Zutritt zu der Wohnung und schob die Frau kurzer Hand vor sich hin ins Wohnzimmer. Ich schloss die Tür hinter mir und sah, wie Sherlock die Frau in Schach hielt, die uns nun wütend ansah und die Arme vor der Brust verschränkte.

,,Was wollen Sie von mir? Ich habe nichts verbrochen.", zischte sie, woraufhin ich vielsagend auf die Tür deutete.

,,Ach, so! Dann begrüßen Sie all Ihre Gäste so, indem Sie ihnen die Tür vor der Nase zuschlagen wollen."

Mein Blick lag auf der Frau, die der Information von Greg nach zu urteilen, Amanda Newton hieß. Und sie hatte sich mit ihrem Verhalten nicht gerade unverdächtig verhalten, weshalb ich sie nun erst recht im Visier hatte. Sherlock behielt sie ebenfalls im Auge, inspizierte mit seinen unauffälligen Blicken aber natürlich genauso aufmerksam jedes einzelne Detail, welches ihre Wohnung hergab.

,,Tut mir leid! Ich dachte, Sie wären schon wieder wegen Meredith hier. Andauernd stellt sie irgendeinen Blödsinn an und ich darf es am Ende wieder ausbaden. Ich habe genug davon.", raunte uns Amanda nun entgegen, woraufhin ich einen vielsagenden Blick zu Sherlock warf, ehe ich mich wieder an sie wandte.

,,Tja, wir sind in der Tat wegen Ihrer Schwester hier, Miss Newton. Allerdings hat sie selbst diesmal nichts angestellt: sie wurde ermordet!"

Amanda Newton entgleiste jegliche Fassung aus dem Gesicht und sie starrte mich ungläubig an. Sie schien ehrlich schockiert zu sein, denn sie ließ sich langsam auf ihr Sofa nieder und ich sah, wie sich Tränen in ihren Augen wiederspiegelten.

,,Meredith ist...tot?"

,,Ja! Seit über eine Woche.", bestätigte Sherlock und nun liefen Amanda die Tränen über die Wangen.

,,Und ich habe mich schon gefragt, warum sie so lange nichts von sich hören ließ. Aber ich dachte...sie hätte wieder irgendeinen Typen am Start und sich deshalb nur nicht mehr gemeldet."

Amanda wischte sich die Tränen von den Wangen und nun empfand ich Mitgefühl für sie. Anscheinend hatte sie wirklich nichts vom Tod ihrer Schwester gewusst und obwohl ich ihr natürlich keineswegs die Trauer verwehren wollte, musste ich die Befragung fortsetzen.

,,Miss Newton, wann haben Sie Ihre Schwester zuletzt gesehen?"

,,Vor...zwei Wochen ungefähr. Die Beerdigung von unserem Vater...das war das letzte Mal, wo ich Meredith gesehen und mit ihr gesprochen habe."

,,Ihr Vater ist verstorben?", wiederholte ich und sie nickte matt.

,,Ja...ein Herzinfarkt. Er war ohnehin schwer krank, aber...wir waren trotzdem nicht darauf vorbereitet, dass es so schnell gehen würde."

,,Ist Ihnen etwas an Ihrer Schwester aufgefallen?", fragte nun Sherlock, der Amanda natürlich genauestens musterte. ,,Ungewöhnliches Verhalten, Veränderungen oder dergleichen?"

,,Nein! Sie war...verrückt und impulsiv wie immer. Hat ständig von ihrer Arbeit geredet und von ihren vielen Typen. Meredith war schon immer sehr...lebhaft auf diesem Gebiet gewesen. Ich hab ihr schon so oft gesagt, sie soll das lassen, aber sie hat noch nie auf mich gehört.", erklärte sie und ich hob prüfend eine Augenbraue.

,,Miss Newton, wie war Ihr Verhältnis zu Meredith? Gab es oft Streit?"

,,Ja, es gab oft Streit. Aber nur, weil ich mir Sorgen um sie gemacht habe. Meredith hat schon immer für Schwierigkeiten gesorgt und hat uns dann immer alle mit reingezogen. Ich habe mehrmals versucht sie zur Vernunft zu bringen, aber sie war ein ziemlicher Sturkopf."

,,Hatte Ihre Schwester Feinde?", war meine nächste Frage und nun seufzte Amanda ergebend.

,,Fragen Sie nicht ob, sondern lieber wie viele. Meredith war nicht gerade beliebt."

,,Haben Sie eine Ahnung, wer Ihrer Schwester etwas antun wollte?", hakte ich nach, doch nun schüttelte sie matt den Kopf.

,,Nein! Ich kannte die Leute nie, mit denen sie sich rumgetrieben hat. Aber vielleicht sollten Sie sich auf die vielen Männer konzentrieren, mit denen sie ihre Zeit verbracht hat. Ich glaube, wenn jemand Meredith hätte umbringen wollen...dann Einer von ihnen."

***

Nachdem ich Amanda meine Karte gegeben und ihr das Versprechen abgenommen hatte, sich zu melden, sollte ihr noch etwas Wichtiges einfallen, verließen Sherlock und ich die Wohnung. Draußen verinnerlichte ich die Worte von ihr noch einmal, ehe ich Sherlock mit gemischten Gefühlen ansah.

,,Und, was denkst du?"

,,Sie verschweigt uns etwas.", erwiderte Sherlock, woraufhin ich kaum merklich nickte.

,,Ja, den Eindruck hatte ich auch. Aber sie war ziemlich geschockt, als sie von dem Tod ihrer Schwester erfahren hat. Vielleicht ist sie bezüglich des Mordes wirklich unschuldig."

,,Entweder das oder sie ist eine exzellente Schauspielerin.", bemerkte Sherlock und ich seufzte.

,,Oder das!"

Mein Handy klingelte, weshalb ich es kurzer Hand aus der Jackentasche zog. Auf dem Display leuchtete der Name meines Partners auf und ich nahm ab, als die Stimme von Greg auch schon am anderen Ende erklang.

,,Evelyn! Gut, dass ich dich gleich erreiche. Ich brauche deine Hilfe."

,,Was ist denn los?", meinte ich irritiert und Greg klang regelrecht verzweifelt.

,,Diese ganzen Akten hier machen mich noch wahnsinnig. Anderson und sein Team haben die Wohnung unseres Opfers auf den Kopf gestellt und dabei ein ziemlich dickes Adressbuch gefunden. Anscheinend hatte unser Opfer einen riesigen Bekanntenkreis."

,,Das müssen wohl die zahlreichen Männerbekanntschaften sein, von der ihre Schwester uns erzählt hat.", pflichtete ich bei und er seufzte.

,,Ist mir egal, wer die sind, aber ich kann unmöglich alle alleine durchleuchten. Bitte komm her und zwar sofort."

Ehe ich etwas erwidern konnte, hatte Greg aufgelegt und ich starrte perplex auf mein Handy. Meinem Partner schienen die Ermittlungen wirklich etwas zu Kopf zu steigen und da ich nicht riskieren wollte, dass er komplett den Verstand verlor, steckte ich mein Handy zurück und fügte mich meinem Schicksal.

,,Das war Greg! Er braucht mich auf dem Revier, willst du mitkommen?", fragte ich an Sherlock gewandt, doch der schüttelte den Kopf.

,,Nein, ich muss nach Hause. Ich muss nachdenken."

,,Sherlock...", setzte ich ermahnend an, aber er beschwichtigte mich sofort.

,,Über den Fall! Nicht über den Zettel, Evelyn."

,,Gut! Denn vergiss bitte nicht, was wir besprochen haben. Wir werden uns..."

,,Gemeinsam darum kümmern. Ja, ich weiß!", entgegnete er und Sherlock klang deshalb schon etwas gereizt, aber das nahm ich in Kauf.

,,Ganz genau."

Ich sah Sherlock an und dieser starrte in die Ferne. Natürlich wusste ich, dass ich womöglich etwas überreagierte, aber es war einfach schon zu viel passiert, als dass ich riskieren würde, dass Einer von uns wieder ins Kreuzfeuer geriet und möglicherweise für längere Zeit spurlos verschwand. Noch einen leeren Sarg konnten wir echt nicht gebrauchen.

,,Bitte, Sherlock...ich mache mir nur Sorgen.", brach ich die erdrückende Stille zwischen uns und endlich sah er mich an. ,,Ich will nur nicht...dass wir wieder vor einem leeren Grab stehen müssen. Die Vergangenheit hat uns schon viel zu viel genommen."

Mein Blick wanderte zu Boden und zum ersten Mal seit Monaten, ließ ich wieder zu, dass die vergangenen Ereignisse mich einholten. Sonst schob ich sie meist ganz weit von mir, aber der Zettel hatte alles irgendwie wieder aufgerollt und ich fürchtete, dass alles wieder in eine Katastrophe enden würde.
Mit einem Mal spürte, ich, wie Sherlock meine rechte Hand ergriff und ich sah zu ihm auf, wo er sich bemühte, einen möglichst überzeugten zuversichtlichen Blick aufzusetzen.

,,Werden wir nicht! Dieses Mal...wird es keinen leeren Sarg geben.", versicherte er mir und ich rang mich zu einem Lächeln durch.

,,Das hoffe ich."

Sherlock zögerte, doch dann zog er mich leicht an sich und ich leistete keinen Widerstand. Er legte seine Arme um mich und ich verbarg mein Gesicht für einen Moment an seiner Schulter. Doch dann zwang ich mich, die Umarmung zu beenden und sah Sherlock vielsagend an.

,,Ich muss los. Sonst schickt Greg noch eine Einheit raus, um mich persönlich zum Revier schleifen zu lassen. Melde dich einfach, wenn du noch etwas rausfindest, ja?"

,,Ist gut!", erwiderte Sherlock und ich wandte mich dann von ihm ab, um mir ein Taxi zu rufen.

Und obwohl ich Sherlock vertraute, dass er dieses Mal nicht im Alleingang handeln würde, so hatte ich dennoch ein eigenartiges Gefühl. Ein Gefühl, dass wir gerade erst am Anfang standen.

***

Alicia PoV

Als ich die Adresse von Johns Therapeutin erreichte, wunderte ich mich, dass er noch nicht draußen stand. Ich hatte mir extra Zeit gelassen, damit ich nicht zu früh da war, aber John wusste schließlich auch, dass ich ihn abholte, da wir gleich noch zusammen essen gehen wollten.

Zuerst wollte ich noch draußen auf ihn warten, doch dann stach mir etwas ins Auge, was mich irritierte. Die Haustür war nur angelehnt und ich runzelte die Stirn, da ich das mehr als ungewöhnlich fand. Langsam öffnete ich die Tür etwas weiter, ehe ich das Haus der Therapeutin betrat und mich unsicher umsah.

,,John?"

Es herrschte absolute Stille im Haus und das verstärkte mein ohnehin schon ungutes Gefühl und ich spürte instinktiv, dass etwas nicht in Ordnung war. Mit wachsamen und langsamen Schritten ging ich nun Richtung Wohnzimmer und als ich es erreichte, fuhr mir der Schreck in die Glieder.

,,JOHN!"

Mein Freund lag reglos auf dem Boden und ich eilte zu ihm, ehe ich neben ihm auf die Knie ging. Erleichtert stellte ich fest, dass er noch atmete, aber John hatte das Bewusstsein verloren, weshalb ich versuchte, ihn wieder wachzurütteln.

,,John, bitte wach auf. Ich bins...Alicia!"

Es dauerte ein paar Sekunden, doch dann flackerten endlich seine Augenlider und John blinzelte irritiert, während mir ein Stein vom Herzen fiel. Langsam richtete John sich auf, sah sich benommen um und als er mich erkannte, schien er ebenfalls unendlich erleichtert zu sein.

,,Alicia!"

,,Ja. Mein Gott, Johnwas ist denn passiert? Die Tür war offen und du warst bewusstlos.", brachte ich hervor und John berührte seinen Kopf, ehe er ein wenig das Gesicht verzog.

,,Gott, mein Kopf! Diese Wahnsinnige muss mich betäubt haben."

,,Was? Wer? John, was ist hier los?"

Er machte Anstalten aufzustehen und ich half ihn, während ich mich selbst wieder aufrappelte. Mein Freund wirkte eindeutig noch mitgenommen und schien etwas neben der Spur zu sein, aber er konnte sich allem Anschein nach, wenigstens noch an alles ganz genau erinnern.

,,Sie hat auf mich geschossen...mit einem Betäubungsmittel, wie es scheint.", sagte er schließlich und nun weiteten sich meine Augen vor Entsetzen.

,,Wer hat auf dich geschossen?"

,,Eurus!", erwiderte John, was mich nur noch mehr verwirrte.

,,Eurus? Wer ist das?"

John rieb sich die Schläfen und obwohl ich ihm natürlich Zeit geben wollte, wieder voll und ganz zu sich zu kommen, so wurde ich von meiner Verunsicherung und dem Schock fast überwältigt. Mein Freund war eben von irgendjemandem niedergeschossen worden und ich wollte wissen, wer das gewesen war.
Auf dem Gesicht von John, spiegelte sich nun ebenfalls Entsetzen wieder, allerdings schien es weniger ihn selbst zu betreffen, denn er wirkte nun regelrecht aufgewühlt.

,,Oh, nein! Ich muss Sherlock anrufen! Ich muss ihm sagen, was passiert ist."

,,Vielleicht könntest du mich vorher auch mal aufklären, John.", entgegnete ich und fasste ihn bei den Armen, während ich ihn eindringlich ansah. ,,Wer ist Eurus, John?"

Er hielt inne und sah mich mit einem Blick an, der mich noch mehr verunsicherte, als vorher. Wer auch immer diese Eurus war, mit ihr schien man jedenfalls nicht zu spaßen zu sein und die Antwort von John erschütterte mich bis ins Mark.

,,Die Schwester von Sherlock!"

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