Jim Moriarty
Jim Moriarty
Als ich wieder zu mir kam, war ich noch einen Moment lang ziemlich benommen und musste mich gedulden, bis meine Sinne wieder geschärft waren. Mir dröhnte der Kopf und noch immer hatte ich Schwindelanfälle, aber zumindest konnte ich jetzt wieder klar denken und meine Sicht war nicht länger verschwommen.
Doch als ich einen Blick auf meine Umgebung erhaschte, fuhr mir der Schreck in die Glieder. Ich befand mich nicht mehr in der Baker Street, sondern an einem unbekannten Ort. Und als ich aufstehen wollte, musste ich entsetzt feststellen, dass mein rechter Fuß mit einer Eisenkette am Boden festgekettet war.
Wo zum Teufel war ich und wie war ich hier hergekommen? Ich war wie vor den Kopf gestoßen und versuchte, meine Gedanken zu ordnen. Und da fiel es mir plötzlich wieder ein.
Jim! Er hatte mich doch vor der Wohnung von Sherlock und John abgefangen und auf mich eingeredet, bis ich von einem anderen Typen betäubt wurde und das Bewusstsein verloren hatte.
Aber warum hatte Jim das getan? Wozu entführte er mich und ließ mich hierher verschleppen? Das ergab alles keinen Sinn und ich hatte kein gutes Gefühl dabei. Wobei, ich hatte ja schon von Anfang an ein komisches Gefühl bei Jim gehabt, obwohl er auf den ersten Blick ja ziemlich unschuldig gewirkt hatte. Aber vielleicht war auch genau das seine Absicht gewesen...unschuldig wirken!
Ein leises Stöhnen riss mich aus den Gedanken um Jim und ich sah neben mich. Dort lag noch eine weitere Person, die mit einem Fuß angekettet war und ohne Bewusstsein war. Und als ich einen genaueren Blick auf die Person warf, stand mir die Erschütterung ins Gesicht geschrieben.
,,Oh, mein Gott...John!"
Ich schaffte es irgendwie, zu ihm rüber zu robben und ich war erleichtert, dass meine Fußfessel mir wenigstens das ermöglichte. John war noch bewusstlos und ich rüttelte ihn leicht an der Schulter, woraufhin er langsam wieder zu sich kam.
,,John, wach auf!", brachte ich hervor und seine Augenlider flackerten.
,,Was...was ist los..."
Er kam wieder zu sich und ich ließ von ihm ab, als er sich langsam aufsetzte. Verwirrt sah er sich um und ich musterte ihn mit besorgtem Blick. Aber abgesehen davon, dass man ihn ebenfalls betäubt hatte, schien er unverletzt zu sein.
John inspizierte nun ebenfalls unsere Umgebung und als sein Blick zu mir wanderte, sah er mich mehr als irritiert an und runzelte die Stirn.
,,Evelyn?"
,,Ja...ich bin auch hier.", erwiderte ich und John warf nun einen Blick auf unsere Fußfesseln.
,,Was zum Teufel...wo sind wir und was machen wir hier?"
,,Ich habe keine Ahnung!"
Ich zuckte mit den Schultern und warf ebenfalls nochmal einen Blick auf den Ort, an dem man uns gebracht hatte. Die Wände, die uns umgaben waren hellblau und in weiter Entfernung entdeckte ich lediglich eine Treppe. Doch es war uns wegen der Fußfesseln unmöglich, sie zu erreichen.
Schließlich wandte ich mich wieder an John, der offenbar noch mit den Nachwirkungen seiner Betäubung zu kämpfen hatte.
,,John, was ist das Letzte, woran du dich erinnerst?", wollte ich wissen und er wurde nachdenklich.
,,Ähm...ich war spazieren, weil du ja ein Gespräch mit Sherlock hattest...und plötzlich war da ein wildfremder Typ und ehe ich mich versah, habe ich das Bewusstsein verloren. Dieser Irre muss mich betäubt haben."
,,Der muss wohl auch zu Jim gehören!", meinte ich und nun war John verwirrt.
,,Jim? Etwa Mollys neuer Freund?"
,,Ja, genau der. Wenn du mich fragst, ist der keineswegs zu unschuldig, wie er getan hat. Das war alles nur Show. Er hat mich vor eurer Wohnung abgefangen und irgendwas über Sherlock gesagt und dann hat mich von hinten jemand betäubt. Aufgewacht bin ich auch erst hier."
John war sichtlich irritiert und mir ging es nicht anders. Wir hätten doch beide niemals im Traum damit gerechnet, dass Jim sich als Irrer entpuppte, der uns beiden auflauerte und uns kidnappte. Es stellte sich nur noch die Frage, wozu um alles in der Welt er uns als Geiseln brauchte. Und John schien meine Gedanken zu lesen, denn er seufzte und richtete den Blick gen Decke.
,,Was will dieser Verrückte nur von uns?"
,,Ich dachte, das wäre euch bereits klar!", erklang auf einmal eine männliche Stimme und wir sahen zu der Treppe.
Dort stand Jim und kam nun zu uns, während zwei Männer, die offenbar seine Lakaien waren, oben stehen blieben und uns im Auge behielten. Als ob wir mit unseren Fußfesseln viel ausrichten konnten. Jim, immer noch im edlen Anzug gekleidet, kam vor uns zum Stehen und schob die Hände in die Hosentaschen, während er uns amüsiert betrachtete.
,,Ich hoffe, ihr habt meine Gastfreundschaft bis jetzt genossen. Bei der Auswahl des Ortes habe ich mir sehr viel Mühe gegeben. Denn, für euch beide wollte ich doch nur das Beste.", sagte er und ich brachte ihm finstere Blicke entgegen.
,,Was soll das ganze hier, Jim? Warum haben Sie uns entführt und hierher verschleppt?"
,,Nanana, Evelyn! Ich finde, wir könnten doch langsam zum Du übergehen, oder? Wo wir uns doch alle schon so gut angefreundet haben.", meinte er und ich schnaubte.
,,Soweit ich das Konzept von Freundschaft bisher verstanden habe, entführt man keine Freunde. Das macht uns also wohl eher zu Feinden."
,,Was wollen Sie von uns und wer sind Sie wirklich? Ein unscheinbarer IT-Spezialist wohl kaum und schon gar nicht der nette Freund von Molly Hooper.", kam es nun von John und Jim lächelte ein wenig.
,,Ach, ja...die gute Molly. Sie scheint echt ein nettes Mädchen zu sein und sie war mir auch eine große Hilfe...aber die Richtige fürs Leben ist sie ohne Zweifel nicht. Naja, aus Liebe mache ich mir ohnehin nicht viel...viel zu langweilig und vorhersehbar, wenn ihr mich fragt."
,,Wer sind Sie?", wiederholte ich die Frage von John.
,,Ich bin Jim!", erwiderte er und als er die ernsten Blicke von John und mir bemerkte, grinste er verschlagen. ,,Jim Moriarty, wenn ihr es genau wissen wollt."
Während ich ihn verwirrt ansah, bemerkte ich, wie John die Gesichtsfarbe aus dem Gesicht wich und ich sah nun zu ihm, da ich mir ernsthaft Sorgen um ihn machte.
,,John...was ist?", wollte ich wissen, doch er konnte den Blick nicht von Jim wenden.
,,Sie...sie sind also der geheime Gegenspieler von Sherlock. Sie sind Moriarty!"
,,100 Punkte, Dr. Watson! Sie sind also gar nicht so naiv, wie ich anfangs angenommen hatte. Und ganz nebenbei bemerkt, Ihr Blog ist einfach hervorragend. Sehr informativ und äußerst hilfreich."
Moriarty grinste triumphierend und mir wurde schlecht. Ich hatte John und Sherlock war mal hin und wieder über diesen gewissen Moriarty munkeln hören, aber ein Name war bisher noch nie gefallen. Und die Tatsache, dass der mysteriöse Gegenspieler von Sherlock uns nun direkt gegenüberstand...dass versetzte mir eine Gänsehaut.
,,Sie benutzen uns als Köder, nicht wahr? Um Sherlock aus der Reserve zu locken.", sagte ich und Jim hob eine Augenbraue.
,,Hm...von deinem Scharfsinn habe ich ja schon gehört, Evelyn...aber so richtig glauben konnte ich es dennoch nicht. Aber ja, ich werde Sherlock Holmes aus der Reserve locken. Obwohl...ich bin mir ziemlich sicher, dass er den Weg von alleine hierher finden wird. Er ist doch immerhin ein Genie, so sagt man es zumindest. Wobei...auch das könnte nun falsch sein, denn wenn er so brillant wäre, wie man sagt...dann hätte er mich bereits bei unserer ersten Begegnung durchschauen können. Stattdessen aber hielt er mich für schwul."
Jim lachte und schien sich köstlich darüber zu amüsieren. Ich hingegen, sehnte mir meine Dienstwaffe und die Handschellen herbei, um diesen Wahnsinnigen hinter Gitter zu bringen. Denn, Moriarty war keineswegs ein normaler böser Widersacher...er war geradezu ein Verrückter und ein brillantes Kriminalgenie noch dazu. Und das machte ihn ja gerade so gefährlich.
,,Sie wollen Sherlock töten...ist es nicht so?", raunte John Moriarty entgegen und dessen Lachen erstarb sofort.
,,Aber, Dr. Watson...wo denken Sie hin? Wo wäre denn da der Spaß? Sherlock Holmes zu töten...das wäre doch viel zu einfach. Nein...ich habe etwas viel Besseres vor. Ich werde ihn zerstören! Ihn geradezu vernichten und all das, was ihm wichtig ist."
Bei diesen Worten lief es mir eiskalt den Rücken runter und in jenem Augenblick hoffte ich inständig, dass Moriarty sich irrte und Sherlock nicht hier auftauchen würde. Dennganz gleich, wie Sherlock auch manchmal sein konnte und was ich über ihn gedacht hatte...der Gedanke, dass ihm etwas passieren könnte, der bereitete mir Angst und ich wollte dies keineswegs zulassen. Und die Tatsache, dass ich dann auch noch im Streit mit ihm auseinander gegangen war, machte es noch schlimmer.
,,Wo wir gerade davon sprechen...", setzte Jim an und sah auf seine Armbanduhr. ,,Wir sind schon spät dran. Und Dr. Watson muss sich ja noch in Schale werfen."
,,Wofür?", fragte John sofort und war mehr als misstrauisch, während Jim ihn vielsagend musterte.
,,Für Sherlock Holmes natürlich! Wir wollen ihn doch gebührend empfangen. Also, Steve...wenn du so nett wärst."
Nun kam ein weiterer Gehilfe von Moriarty zu uns und mir wurde schlecht, als ich erkannte, was er in seinen Händen hatte. Es war eine Weste und die war übermäßig mit Sprengstoff bestückt. Moriarty wollte John also zu einer lebendigen Zeitbombe machen.
,,Moriarty...tun Sie das nicht! Das wäre falsch und das wissen Sie.", brachte ich hervor, doch Jim sah mich ausdruckslos an.
,,Appelliere nicht an meine Menschlichkeit, Evelyn. Denn so etwas besitze ich nicht."
Der Gehilfe vom Moriarty zerrte John auf die Beine und zwang ihn mit einer Waffe, sich die Weste anzulegen. Darüber wurde John noch eine Jacke angezogen, damit der Blick auf die Bomben vorerst verwehrt blieb.
,,Dann benutzen Sie wenigstens mich als Zeitbombe und lassen Sie John da raus."
Ich wollte nicht, dass John starb und wenn es mich traf, dann wäre es immerhin kein so großer Verlust. Denn, im Gegensatz zu John, war ich Sherlock nicht so wichtig, dass mein Tod ihn aus der Fassung bringen würde. Aber John war für Sherlock ja immerhin sozusagen der beste Freund, den er hatte.
,,Wie überaus nobel von dir, Evelynaber ich muss passen. Denn du hast eine andere Aufgabe und die ist noch viel wichtiger.", entgegnete Moriarty, während er Steve ein Zeichen gab und dieser die Fußfessel von John löste.
,,Und was soll das bitte sein?"
Misstrauisch sah ich Moriarty an und dieser grinste wieder einmal verschlagen, als hätte er eben gerade einen Oskar gewonnen.
,,Ach, sagen wir einfach, du bist gewissermaßen mein Joker...der wunde Punkt, wenn man so meinen möchte."
Mehr als irritiert sah ich Moriarty an, denn aus seinen Worten wurde ich nicht schlau. Und bevor ich noch etwas sagen konnte, kam ein zweiter Gehilfe von Moriarty nun zu mir und befreite mich ebenfalls von meiner Kette. John wurde bereits weggebracht und mein Leibwächter packte mich nun am Arm und in der anderen Hand hielt er eine geladene Waffe.
Zufrieden betrachtete Jim Moriarty den Anblick und ich konnte das Leuchten in seinen Augen erkennen, da seine Leidenschaft unverkennbar für ein Kriminalverbrechen brannte.
,,Ach, ich liebe es, wenn ein Plan funktioniert. Das wird zweifellos ein Riesenspaß. Sherlock Holmes wird begeistert sein!"
Auf einmal ertönte ein kurzes Klingeln und Moriarty zog ein Handy hervor und warf einen Blick drauf, als sich ein Lächeln des Triumphes auf seinem Gesicht abzeichnete.
,,Wenn man vom Teufel spricht! Freddy, du wartest auf mein Zeichen und dann bringst du Evelyn zu mir. Aber keine Sekunde früher...wir wollen doch nicht die Überraschung verderben."
Freddy, mein Leibwächter, nickte und Moriarty entfernte sich bereits von uns. Und da ich jetzt stand, erkannte ich, dass ich mich in einem leer stehenden Schwimmbecken eines Schwimmbades befand. Entgeistert sah ich noch einmal zu Moriarty.
,,Was haben Sie vor?", rief ich ihm nach und er drehte sich zu mir um.
,,Das sagte ich dir bereits, Evelyn: das Spiel hat längst begonnen!"
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