Jäger und Gejagte

Jäger und Gejagte

Zu meiner großen Überraschung führte uns der neue Fall, den Lestrade für Sherlock hatte, nicht zu einem Tatort, sondern auf das Revier. Verwirrt sah ich zu meinem Partner, der bereits auf uns wartete.

,,Greg, was ist denn los?"

,,Das wird sich zeigen.", sagte er und wandte sich an Sherlock. ,,Sie mögen doch die seltsamen Fälle, oder? Die mit den Überraschungen."

,,Natürlich!", entgegnete Sherlock und Greg führte uns kurzer Hand in sein Büro.

,,Die wird Ihnen gefallen. Diese Explosion..."

,,Ein Gasleck, ja?", hakte Sherlock nach, doch Greg schüttelte den Kopf.

,,Nein!"

,,Nicht?"

Sherlock schien ein wenig irritiert zu sein, denn er runzelte die Stirn und mit seiner Verwirrung war er nicht allein.

,,Wenn es kein Gasleck war, Greg...was war es dann?", wollte ich wissen und mein Partner ging auf seinen Schreibtisch zu.

,,Es sollte nur so aussehen. Von der Wohnung ist kaum etwas übrig, bis auf ein Safe...einen sehr stabilen Safe und der war da drin."

Vielsagend deutete Greg auf einen Umschlag, der auf seinem Schreibtisch lag. John und ich sahen uns verwirrt an und Sherlock wandte sich überrascht an meinen Partner.

,,Sie haben ihn nicht geöffnet?"

,,Nun, er ist an Sie adressiert. Wir haben ihn durchleuchtet. Keine Sprengladung.", erwiderte Greg und Sherlock schmunzelte.

,,Wie beruhigend!"

Ich wurde immer nervöser. Wer zum Geier jagte denn eine ganze Wohnung in die Luft und hinterließ als Hinweis einen einzigen Safe, wo ein Brief an Sherlock drin war? Es musste jemand Verrücktes sein, denn jeder andere normale Mensch hätte den Brief einfach in den Briefkasten geworfen.

Sherlock begutachtete den Umschlag und schien ihn ganz genau unter die Lupe zu nehmen. Er scannte ihn regelrecht mit seinen Augen und je länger er ihn betrachtete, desto ungeduldiger wurde ich, denn ich wollte endlich wissen, was in dem verdammten Brief drin stand.

,,Schöner Umschlag!", ließ Sherlock verlauten. ,,Böhmisch!"

,,Was?", hakte Greg nach und Sherlock seufzte.

,,Aus der tschechischen Republik. Keine Fingerabdrücke?"

,,Nein!", entgegnete mein Partner und ich verschränkte die Arme vor der Brust.

,,Wäre ja auch zu schön gewesen."

,,Sie hat einen Füllfederhalter benutzt...Iridium-Feder!", stellte Sherlock fest und John sah ihn überrascht an.

,,Sie?"

,,Offenkundig!"

Sherlock griff nun endlich zu einem Brieföffner und begann, den Umschlag langsam aufzuschneiden. Wir alle sahen gebannt auf den Brief und obwohl Greg uns ja bereits versichert hatte, dass keinerlei Sprengladung im Brief vorhanden war, so war ich dennoch unglaublich angespannt.
Und als der Umschlag endlich offen war, legte Sherlock den Brieföffner beiseite, ehe er hineingriff und einen Gegenstand herausholte, der John sichtlich verblüffte.

,,Das...das ist...das pinkfarbene Handy!"

,,Welches pinkfarbene Handy?", wollte ich wissen und er sah mich vielsagend an.

,,Es war Bestandteil unseres ersten gemeinsamen Falls."

,,Ah, ja!"

,,Aus Einer Studie in Pink?", hakte Greg nach und John nickte.

,,Ganz genau."

,,Es ist natürlich nicht dasselbe, aber es soll genauso aussehen wie...", setzte Sherlock an, ehe er herumfuhr und Greg ungläubig ansah. ,,Eine Studie in Pink? Sie lesen seinen Blog?"

Im Blick von Sherlock lagen Fassungslosigkeit und Entsetzen, während ich nur irritiert zwischen den Dreien hin und her starren konnte. Wobei es auch immer um den Fall Die Studie in Pink gegangen war, da waren die Drei mir weit voraus. Aber die größte Sorge von Sherlock war ganz offensichtlich, dass Greg den Blog von John las.

,,Natürlich lese ich den. Wir alle tun das.", gab mein Partner zurück und ich zuckte mit den Schultern.

,,Dann sollte ich wohl besser auch damit anfangen."

,,Unterstehen Sie sich!", ermahnte mich Sherlock, doch als er sich wieder umgedreht hatte, wandte ich mich an John.

,,Ich verspreche dir, ich schau mal rein."

Er grinste und ich erwiderte es. Alleine um Sherlock damit zu ärgern, würde ich den Blog von John lesen. Aber auch, um auf dem neuesten Stand zu sein, was die Fälle der beiden anging, als ich noch nicht in London gewesen war. Irgendwie war ich neugierig, was sie bisher erlebt hatten.

,,Es ist nicht dasselbe Telefon!", rollte Sherlock das Thema wieder auf. ,,Das hier ist nagelneu. Aber es hat sich jemand viel Mühe gegeben, es so aussehen zu lassen. Was bedeutet, dass Ihr Blog...", Sherlock warf einen vielsagenden Blick in Johns Richtung ,,noch weitaus mehr Leser hat."

Es freute mich zwar sehr für John, dass er offenbar viele Leser mit seinem Blog begeistern konnte, aber ich hatte ein ungutes Gefühl bei der Sache. Sherlock zögerte kurz, ehe er plötzlich auf dem Handy herum tippte und eine Frauenstimme erklang.

,,Sie haben eine neue Nachricht!", verkündete sie und dann erklang auf einmal ein Piepen, welches ganze 5x ertönte, ehe es verstummte.

,,War das alles?", wollte John wissen, doch Sherlock schüttelte den Kopf.

,,Nein! Hier ist noch was."

Als Antwort hielt er das Handy hoch, auf dem nun ein Foto zu sehen war. Und es zeigte ganz offenbar ein verlassenes Wohnzimmer, wo ein Kamin zu sehen war. Ich runzelte die Stirn und auch Greg wirkte sichtlich irritiert.

,,Was zum Teufel sollen wir damit anfangen? Das Foto einer leer stehenden Bruchbude und das verdammte Zeitzeichen?"

,,Es ist eine Warnung!", schlussfolgerte Sherlock und John horchte auf.

,,Eine Warnung?"

,,Wofür?", brachte ich hervor und Sherlock schaute vielsagend in die Runde.

,,Jemand will uns zu verstehen geben, dass unsere Zeit abläuft...dass...uns irgendetwas bevorsteht. Es ist fünf vor zwölf! Es ist eine Warnung, dass es wieder passieren wird."

Sherlock betrachtete das Foto noch ein wenig länger und ich war nun gänzlich in Alarmbereitschaft. Eine Warnung klang überhaupt nicht gut und auch, dass es nochmal passieren würde. Egal, wer hinter dieser Drohung steckte...wir mussten ihn finden und zwar schnell.

,,Ich kenne diesen Ort irgendwoher!", meinte Sherlock mit einem Mal und ging Richtung Ausgang, als John ihn verwirrt ansah.

,,Dass, was wieder passieren wird?"

,,BUMMM!", war alles, was Sherlock ihm als Antwort gab, ehe er aus dem Revier stürmte und wir alle hinterher.

                             ***

Der Weg führte uns wieder zurück in die Baker Street, wo Sherlock zu der verschlossenen Tür einer dritten Wohnung ging. Er rief nach Mrs. Hudson, welche ihm den Schlüssel brachte und als die Tür offen war, begaben wir Vier uns gemeinsam die Treppe nach unten.
Dort gelangten wir tatsächlich in einen Raum, welcher der auf dem Foto zu sein schien. Doch alles, was wir dort vorfanden, war ein einzelnes Paar Turnschuhe.

,,Schuhe!", sprach John aus und ich schnaubte.

,,Faszinierend!"

Sherlock warf ebenfalls einen Blick auf die Schuhe, die ganz unschuldig und verlassen in der Mitte des Raumes auf dem Fußboden standen. Aber als er sich ihnen nähern wollte, hielt John ihn augenblicklich zurück.

,,Vorsicht! Er ist Bombenleger!"

Eindringlich sah er unseren Detektiv an, ehe Sherlock sich ganz langsam und wachsam den Schuhen näherte. Er legte sich geradezu vor ihnen auf den Boden, um sie genauer unter die Lupe nehmen zu können. Unsere Anspannung war so gewaltig, dass man sie regelrecht spüren konnte und als das Klingeln eines Handys ertönte, zuckten wir alle zusammen.

Sherlock erhob sich wieder, griff in seine Manteltasche und zog das pinkfarbene Handy heraus, welches er auf Lautsprecher stellte.

,,Hallo?", meldete er sich und plötzlich erklang eine verzweifelte Frauenstimme, die bitterlich weinte und ganz offenbar panische Angst hatte.

,,Hi! Sie sagten..."

,,Wer ist da?", fragte Sherlock, doch die Frau sprach bereits weiter.

,,Mit...diesem kleinen...Rätsel...will...ich mich...nur vorstellen."

,,Wer sind Sie? Wieso weinen Sie?", wagte Sherlock noch einen Versuch.

,,Ich...weine nicht. Ich tippe und...dieses dumme...Miststück...muss es vorlesen."

Ich tauschte einen Blick mit Greg und er schien das Gleiche zu denken wie ich. Die arme Frau musste zweifellos in Lebensgefahr sein und Todesängste ausstehen. Irgendjemand erlaubte sich hier einen fiesen Scherz und riskierte dabei das Leben unschuldiger Menschen.

,,Der Vorhang hebt sich!", sagte Sherlock auf einmal und John sah ihn perplex an.

,,Wie?"

,,Nichts!", sagte Sherlock schnell, aber nun war auch ich hellhörig geworden.

,,Was meinen Sie damit?"

,,Ich habe schon erwartet, dass das irgendwann passiert.", erwiderte Sherlock, woraufhin ich langsam wahnsinnig wurde.

,,Dass was passiert, Sherlock?"

Bevor er mir jedoch eine Antwort geben konnte, erklang wieder die verzweifelte Frauenstimme. Und ich verspürte in jenem Moment das dringende Bedürfnis, jenen gnadenlosen Verbrecher dafür auf ewig hinter Gitter zu bringen, der ihr das antat.

,,12 Stunden für die Lösung...meines Rätsels, Sherlock. Sonst werde ich...ziemlich unartig sein."

Danach brach das Telefonat ab und für einen Moment herrschte eiserne Stille im Raum. Wir alle waren zutiefst erschüttert über das Ereignis und ich brach als Erste das Schweigen, als ich mich Sherlock ein paar Schritte näherte.

,,Jemand spielt ein Spiel mit Ihnen und benutzt diese arme Frau als Köder. Was sollen wir also tun, Sherlock? Wir müssen diesen Wahnsinnigen schnappen und zwar bevor es zu spät ist."

,,Evelyn hat Recht! Uns bleibt nicht viel Zeit...12 Stunden, um genau zu sein.", meinte Greg und sah auf seine Armbanduhr.

,,Ich würde vorschlagen, wir fangen mit den Schuhen an.", sagte John und deutete auf die Turnschuhe, während Greg nickte.

,,Gute Idee! Kümmert ihr euch darum. Ich fahr schon mal ins Revier zurück und sehe zu, dass ich die Frau vielleicht über Funk und andere Möglichkeiten finden kann. Wir sollten es wenigstens versuchen!"

Und schon war mein Partner verschwunden. Er hatte gar nicht erst gefragt, ob ich mitkommen würde, denn er wusste anscheinend ohnehin schon, dass ich mich eher unserem Ermittlerduo anschloss. Und so war es auch! Immerhin brauchten Sherlock und John jede Hilfe, die sie kriegen konnten und irgendwo in London rannte ein Irrer frei herum, der ein fieses Spiel mit Sherlock spielen wollte. Da war es nur naheliegend, dass eine Polizistin besser in der Nähe von ihm blieb. Denn, sollten wir Hinweise finden und möglicherweise auf den mysteriösen Kerl treffen, dann konnte ich ihn immerhin gleich festnageln.

,,Gut! Gehen wir!", sagte Sherlock und griff kurzer Hand nach den Schuhen, als ich ihn fragend ansah.

,,Und wohin?"

,,Zum einzigen Ort, wo wir mehr über die hier herausfinden können.", meinte er und hielt die Schuhe vielsagend in die Luft.

Dann ging er Richtung Treppe und John sah mich verständlich an, ehe wir beide schmunzelten und uns die Antwort gleichzeitig über die Lippen kam.

,,Auf zu Molly!"

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