Im Angesicht des Feindes

Im Angesicht des Feindes

Evelyn PoV

Als ich wieder zu mir kam, verstummte gerade der Motor eines Autos und schließlich wurden zwei Türen aufgemacht, ehe mich jemand aus dem Kofferraum zerrte.

,,Ah, du bist wach. Schön! Ich dachte schon, ich müsste dich auch noch diesen ganzen Weg lang tragen.", raunte mir Ezra zu, der nun die Türen des Vans wieder schloss und mich kurzer Hand am Arm mit sich zerrte. ,,Hier gehts lang."

Ich sah um mich und erkannte ein Gebäude, durch dessen Flure Ezra mich nun zerrte. Mit dem Bewusstsein kehrten nun auch mein Schock und mein Entsetzen zurück.
Ezra hatte mich benutzt! Er hatte mir die ganze Zeit über etwas vorgespielt und das so brillant, dass ich überhaupt nichts gemerkt hatte. Und er muss wirklich überzeugend gewesen sein, denn sonst hätte doch zumindest Sherlock etwas gemerkt. Warum war ich nur nicht aufmerksamer gewesen?

Ich hasste mich für meine Unachtsamkeit und vor allen Dingen für meine Gutgläubigkeit. Und nun waren wegen mir auch noch die drei wichtigsten Menschen meines Lebens in tödlicher Gefahr. Meine Angst um sie wuchs mit jeder Sekunde und schließlich erreichten wir eine Tür, vor der zwei Bodyguards standen und Ezra sah mich vielsagend an.

,,Showtime, Evelyn! Zeit, dass du endlich deinem Schicksal gegenüber stehst."

Mit diesen Worten nickte er den beiden Bodyguards zu und der Eine gab einen Code ein, woraufhin sich die Tür öffnete. Ich hatte gar keine andere Wahl, als Ezra zu begleiten, denn er zog mich mit sich und schließlich erreichten wir den Raum, der meinen schlimmsten Albtraum wahr werden lassen sollte.

,,Schwesterherz!", erklang eine mir nur zu sehr vertraute Stimme und ich blieb abrupt stehen, als wahrhaftig mein Bruder Vincent auf mich zukam und nun einladend die Arme ausbreitete. ,So schön, dich endlich wiederzusehen. Vielen Dank, Ezra!"

,,Sie gehört ganz dir!"

Mein Ex-Verlobter entfernte sich von mir, doch ich schenkte ihm keine weitere Beachtung. Mein Blick war nun voll und ganz auf Vincent gerichtet und von Panik erfüllt. So lange war ich vor ihm geflohen! Hatte alles versucht, um ihn um jeden Preis von mir und vor allem von meinen Freunden fernzuhalten. Doch nun stand er hier! Direkt vor mir und ich konnte nichts tun, um ihm zu entkommen.

,,Ach, Clarissa...", setzte er an und schenkte mir ein Lächeln, welches mir förmlich das Blut in den Adern gefrieren ließ. ,,Es ist wirklich lange her. Gut siehst du aus. Vielleicht ein bisschen mitgenommen, aber gut. Und zum Glück hast du deine Haare von diesem scheußlichen Rot befreit...hat dir nicht gestanden."

,,Vincent!", war alles, was ich hervorbringen konnte und er sah mich triumphierend an.

,,Ja, ich bins wirklich. Freust du dich, mich zu sehen?"

Ich konnte ihm nicht antworten, denn ich stand zu sehr unter Schock. Das schien meinen Bruder jedoch ziemlich zu amüsieren, denn er grinste breit über das ganze Gesicht und wandte sich nun an Ezra, der sich ein wenig abseits hingestellt hatte.

,,Grundgütiger, sieh dir nur mal ihr Gesicht an. Die Überraschung scheint mir ja besser gelungen zu sein, als ich dachte."

,,Tja, du hattest eben schon immer ein perfektes Timing.", erwiderte Ezra und Vincent wandte sich wieder mir zu.

,,Ich hoffe, wir haben dich nicht zu sehr schockiert, Clarissa. Aber irgendjemand musste dich ja im Auge behalten und Ezra war einfach der perfekte Kandidat."

Meine Fassung entgleiste mir noch mehr, als sie es ohnehin schon getan hatte, denn Vincent schien auch noch stolz darauf zu sein, was er mir damit angetan hatte. Nun lächelte er verschmitzt und deutete mit einem Mal auf die andere Seite des Raums.

,,Meine Ehrengäste kennst du ja!"

Ich folgte seinem Blick und erstarrte. In einem kleineren Raum, der wie ein größeres Zellenzimmer aussah, standen hinter einer Glasscheibe Sherlock, John und Alicia. Ich hatte das Gefühl, dass mein Herz für einen Moment aussetzte und ich wollte nur noch Eines: meine Freunde um jeden Preis beschützen!

,,Nein!", brachte ich hervor und wollte zu ihnen laufen, doch Vincent reagierte sofort und hielt mich an den Armen fest, um mich davon abzuhalten.

,,Oh, nein! Wir wollen hier doch keine emotionalen Ausbrüche, Clarissa. Nicht vor unserem Publikum."

,,Du hast, was du willst: mich! Jetzt lass sie gehen.", forderte ich aufgebracht, aber Vincent sah mich vielsagend an.

,,Aber das kann ich nicht. Sie sind doch ein wichtiger Teil des Spiels."

Ein Spiel! Für Vincent war das alles nur ein Spiel...so, wie es das schon immer gewesen war. Er erinnerte mich an Jim Moriarty, der ebenfalls größenwahnsinnig gewesen war und in allem nur einen Riesenspaß zu sehen.

,,Was hast du mit ihnen vor?", wollte ich von ihm wissen und sah ihn panisch an, doch er zuckte nur mit den Schultern.

,,Ach, nichts Besonderes. Nur sie töten, solltest du das Spiel verlieren."

Ich stand eindeutig kurz vor einem Nervenzusammenbruch und überlegte fieberhaft, wie ich Sherlock und die anderen vor meinem wahnsinnigen Bruder retten konnte. Meine Panik um sie drohte außer Kontrolle zu geraten und ich deutete nun anklagend auf meinen hinterhältigen Ex-Verlobten.

,,Ezra hat gesagt, ich habe die Chance sie zu retten."

,,Und die bekommst du...die bekommst du. Ich bin ja kein Spielverderber!", versuchte Vincent mich zu beschwichtigen, ehe er mich entschlossen ansah und endlich meine Arme losließ. ,,Aber erst kommen wir zu den Spielregeln. Also, das Spiel des Todes läuft folgendermaßen ab: Ich werde dir eins von meinen brillanten Rätseln aufgeben. Für dies hast du dann 24 Stunden Zeit, um es zu lösen. Wenn es dir gelingt und du führst die Lösung durch...dann werden sie leben. Tust du das nicht oder schaffst es nicht rechtzeitig...nun ja, dann darfst du entscheiden, wem von ihnen ich zuerst das Herz herausschneide. Obwohl ich ja Sherlock Holmes als persönlichen Favoriten setze.", erklärte er und lachte ein wenig, doch dann wurde sein Blick ernst. ,,Und ich warne dich, Schwesterchen. Keine Tricks! Versuchst du zu verschwinden, mich reinzulegen oder sie auf nur irgendeine andere Art und Weise zu retten...dann werde ich sie töten. Ich werde sie dir nehmen...Einem nach dem anderen...bis niemand mehr übrig ist: außer uns beiden!"

Schockiert sah ich Vincent an, der sich vor mir brüstete und ich wünschte mir augenblicklich, dass das alles nur ein Albtraum war, aus dem ich gleich aufwachen würde. Aber es war kein Traum, sondern die brutale Realität. Und in dieser stellte Vincent mir ein Ultimatum, welchem ich mich fügen musste.
Ich spürte die besorgten und furchterfüllten Blicke meiner Freunde, als Vincent nun etwas näher kam und mir sein Rätsel ins Ohr flüsterte. Sofort spannte ich mich noch mehr an und bekam eine Gänsehaut, als er sich wieder etwas entfernte und mich zufrieden musterte.

,,Nun, das Rätsel kennst du jetzt. Ich würde vorschlagen, du machst dich daran die Lösung herauszufinden. Und keine Sorge...ich werde die ganze Zeit über bei dir sein. Ich beobachte dich! Du kannst dich nirgendwo verstecken...ich bin überall."

,,Vincent...das ist unmöglich. Wie soll ich das in nur 24 Stunden schaffen? Bisher konnte ich noch nie Eins von deinen wahnsinnigen Rätseln lösen. Ich bin nicht so schlau wie du.", äußerte ich und er seufzte ein wenig, als wäre er enttäuscht von mir.

,,Nein, das bist du nicht...in der Tat. Und du wirst es leider auch niemals sein."

Vincent warf mir nun einen Blick zu, der mir ganz und gar nicht gefiel. Unbewusst wich ich ein paar Schritte vor ihm zurück, doch da kam er mit einem Mal auf mich zu, umfasste meinen Hals und drückte mich harsch mit dem Rücken gegen die Wand, während er mich bedrohlich anfunkelte.

,,Allerdings, hast du genügend Zeit mit dem schlauesten Mann von ganz England verbracht. Da wirst du dir doch wohl ein paar Tricks abgeschaut haben.", zischte er, ehe er mich losließ und sich von mir entfernte und ich schockiert meinen Hals berührte. ,,Tick Tack, Clarissa...die Zeit läuft! Löse das Rätsel und rette deine Freunde. Oder sieh zu, wie sie vor deinen Augen sterben."

Vincent deutete vielsagend auf meine Freunde und ich warf einen erschütterten Blick in ihre Richtung. Alicia sah mich verzweifelt an, John wirkte vollkommen erschüttert und Sherlock war erstarrt wie eine Statue, während er mich mit einem Blick ansah, in welchem die blanke Panik stand.
Doch Vincent gab mir keine Zeit mehr, um mit ihnen zu reden oder sie nur einen Moment länger anzusehen. Denn er gab ein Handzeichen und ich wurde von einem anderen Bodyguard gepackt, der mich Richtung Tür zerrte und alles, was ich noch vernahm, war die triumphierende Stimme meines Bruders.

,,Tick Tack, Clarissa...Tick Tack! Das Spiel des Todes...fängt gerade erst an."

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