Gegen jede Regel
Gegen jede Regel
,,Evelyn...wachen Sie auf!"
Ich blinzelte verwirrt und erkannte Sherlock. Er hatte sich über mich gebeugt und musterte mich prüfend, während ich mir an den brummenden Schädel fasste. So langsam hatte ich es wirklich satt niedergeschlagen zu werden.
,,Gott...dieses Miststück. Wo ist sie?"
,,Sie ist weg!", antwortete Sherlock und sofort war ich wieder sauer.
,,Na, super! Wenn ich sie erwische, dann kann sie sich warm anziehen."
,,John prüft gerade, ob sie irgendwelche Spuren hinterlassen hat. Zumindest kann sie noch nicht weit sein, denn wir waren nur kurze Zeit ohne Bewusstsein.", erklärte er und ich fragte gar nicht erst, woher er das so genau wissen konnte.
Ich nickte stattdessen nur und ließ mich von Sherlock auf die Beine ziehen. Er schien unverletzt zu sein und abgesehen davon, dass ich noch etwas schwankte, schien ich auch ganz in Ordnung zu sein. Eine Platzwunde reichte ja auch.
,,Wie fühlen Sie sich?", hakte Sherlock nach und ich winkte auf.
,,Alles gut. Diese Irre hat nur wieder hart zugeschlagen."
,,Wir werden sie finden, Evelyn.", versicherte er mir und ich seufzte.
,,Ich hoffe, Sie haben Recht, Sherlock. Sie ist gefährlich und ich habe längst keinen Zweifel mehr daran, dass sie Greg das alles angehängt hat. Aber warum ist sie zum Tatort zurückgekehrt? Ich meine, sie muss doch wissen, dass man sie hier erwischen könnte."
,,Um das herauszufinden, müssen wir erstmal die viel wichtigere Frage klären.", setzte Sherlock an und als er meinen abwartenden Blick bemerkte, warf er mir einen vielsagenden Blick zu. ,,Wer diese Frau ist!"
Mit der Aussage hatte Sherlock eindeutig Recht und ich nickte zustimmend. Die Identität der Frau war ganz klar der Schlüssel für all das hier und je eher wir die lüfteten, desto schneller würden wir alles aufklären können. Sherlock und ich tauschten noch einen Blick, als John auf einmal wieder ins Haus kam und vielsagend nach draußen deutete.
,,Also...sie ist weg. Ich hatte keine Chance mehr, sie zu finden...aber dafür hat sie das hier verloren."
Er zog einen Zettel hervor und reichte ihn an Sherlock weiter. Dieser warf einen Blick darauf und ich erkannte, was darauf geschrieben stand. Und dies, versetzte mir eine Gänsehaut, aber es schien auch der entscheidende Hinweis zu sein. John fing meinen Blick auf und runzelte sichtlich die Stirn.
,,Evelyn...was ist denn?", fragte er und ich war sichtlich erschüttert.
,,Die Adresse...es ist die von Greg!"
***
Nachdem ich das Detail offenbart hatte, war von uns allen die Entscheidung gefällt worden, dass wir uns in Gregs Wohnung umsehen mussten. Und als wir diese erreichten, war es mittlerweile spät in der Nacht. Wir näherten uns dem Haus und als ich mich prüfend umsah, wandte ich mich an Sherlock und John.
,,Seid ihr sicher, dass das eine gute Idee ist?"
,,Wir wollen doch Antworten, oder?", erwiderte Sherlock und ich nickte.
,,Ja, natürlich."
,,Dann müssen wir in der Wohnung von Graham nach Hinweisen suchen.", schlussfolgerte unser Meisterdetektiv und John verdrehte die Augen.
,,Greg, Sherlock...er heißt Greg und das wird auch immer so sein. Sie sollten es sich langsam echt mal merken."
,,Ich merke mir nur wichtige Dinge. Namen von Polizei Detectives gehören nicht zu der Kategorie Wichtig.", raunte Sherlock uns entgegen und ich seufzte.
,,Warum wundert mich das jetzt nicht?"
,,Kommt...wir sollten keine Zeit verlieren.", drängte Sherlock, als John ihn am Arm packte und zurückhielt.
,,Und was ist mit Greg's Frau?"
,,Ja! Sie wird ganz sicher nicht begeistert sein, wenn wir mitten in der Nacht in ihre und Gregs Wohnung einsteigen und eine Mission Impossible Nummer abziehen.", fügte ich hinzu, woraufhin Sherlock uns nur ausdruckslos ansah und ich daraufhin die Stirn in Falten legte. ,,Was starren Sie so?"
,,Sehen Sie sich um, Evelyn und dann sagen Sie mir, was Sie sehen.", forderte er mich auf und nachdem ich ihn zuerst perplex angesehen hatte, kam ich seiner Aufforderung nach.
Überall war es ruhig und alle Häuser lagen im Dunkeln. Nirgends war mehr Licht zu sehen und das bedeutete zweifellos, dass sich alle Bewohner im Land der Träume befanden. Aber etwas, was möglicherweise von besonderer Bedeutung sein könnte, konnte ich nicht ausfindig machen.
,,Ich sehe gar nichts.", erklärte ich schließlich und John stimmte mir zu.
,,Genau wie ich."
,,Ganz genau!"
Sherlock schaute John und mich abwartend an, während wir sprachlos dastanden und uns nicht äußern konnten. Stattdessen starrten wir Sherlock völlig perplex an und das ließ diesen triumphieren, denn ein Grinsen erschien auf seinem Gesicht.
,,Dachte ich mir. Also, dann...gehen wir."
Ohne einen weiteren Widerspruch oder eine andere Antwort abzuwarten, ging Sherlock nun auf die Haustür zu und ich sah, wie er etwas aus seiner Manteltasche zog, was sicherlich ein Dietrich war. Ich wandte mich an John und sah ihn nun überzeugt an.
,,Irgendwann...wird es eine Möglichkeit geben, um zu beweisen, dass Sherlock Holmes kein menschliches Wesen ist. Und wenn dieser Moment kommt...dann werde ich dabei sein."
,,Verlockender Gedanke!", stimmte John mir zu und ich deutete auf Sherlock.
,,Er kann kein Mensch sein! Selbst jemand mit einem IQ von 150 könnte doch nicht solche Schlussfolgerungen liefern und das noch mit so einer Selbstverständlichkeit, dass es jeden anderen Menschen umhauen würde."
,,Was soll ich sagen, Evelyn?", setzte John an und zuckte mit den Schultern, während er seufzte. ,,Das ist Sherlock!"
Mit dieser Antwort wandte er sich von mir ab und eilte zu seinem Mitbewohner. Zuerst war ich mal wieder wie vor den Kopf gestoßen, doch dann schloss ich mich meinen Verbündeten an und Sherlock knackte in diesem Augenblick das Schloss.
,,Hereinspaziert!"
Ich war nur einmal zuvor hier gewesen, als ich Greg abgeholt hatte. Seine Frau hatte ich aber bis heute nicht kennengelernt und ich wusste nicht einmal, ob ich diese Tatsache bedauern sollte. Allerdings hatte ich bisher gehofft, dass gerade sie uns einen wichtigen Anhaltspunkt liefern konnte, denn immerhin war es ihre verschmähte Affäre, die niedergestochen worden war.
,,Euch ist doch hoffentlich klar, dass das hier Einbruch ist.", warf ich in den Raum und Sherlock sah mich nur amüsiert an.
,,Evelyn, Sie sind auch eingebrochen...in das Haus vom Tatort. Und Sie sind vor der Polizei geflohen, gelten als Komplizin von Greg für Mord und haben diesen Einbruch hier nicht gemeldet, sondern sind dran beteiligt. Es scheint etwas spät zu sein, um sich über Regeln Gedanken zu machen. Denn von denen haben wir bis zu diesem Augenblick bereits unendliche gebrochen."
Ich erwiderte nichts, aber widersprechen tat ich auch nicht. Denn Sherlock hatte Recht, da wir heute wirklich gegen so ziemlich jede Regel verstoßen hatten. Und ich war mir ziemlich sicher, dass mich das alles hier am Ende meinen Job kosten würde. Aber wenn wir somit die Unschuld von Greg und auch von mir beweisen konnten...dann war es die ganze Sache wert.
,,Wollen wir jetzt über Regeln diskutieren oder nach Hinweisen suchen?"
Und wir suchten wirklich jeden Winkel ab. Während sich John das Wohnzimmer vornahm, hatte sich Sherlock ins Büro von Greg begeben und ich inspizierte das Schlafzimmer. Es war jedoch ein komisches Gefühl, die Wohnung des eigenen Kollegen zu durchsuchen. Irgendwie kam ich mir vor wie ein Schwerverbrecher, obwohl ich es ja nur tat, um Greg zu helfen. Und ich konnte nur beten, dass wir einen Hinweis fanden.
,,Ich glaube, ich hab hier was.", ertönte auf einmal die Stimme von John und sofort eilte ich zurück ins Wohnzimmer.
Auch Sherlock stieß zu uns und John präsentierte ein Fotoalbum, welches seine besten Tage eindeutig hinter sich hatte. Es wirkte abgenutzt und schien schon viele Jahre alt zu sein. John hatte eine Seite aufgeschlagen und präsentierte sie uns. Und als ich einen Blick darauf warf, erkannte ich eine Art Abschlussfoto.
,,Das muss von der Abschlussklasse seinwo Greg seine Ausbildung gemacht hat. Seht doch...er trägt eine Polizeiuniform.", sagte ich und John nickte.
,,Ganz genau! Aber das Beste kommt noch. Seht euch das hier an."
Er deutete auf eine Absolventin und als ich genauer hinsah, fühlte ich mich augenblicklich, als wäre ich vom Blitz getroffen worden.
,,Aber...das ist doch...", begann ich, doch ich brachte den Satz nicht zu Ende, weshalb Sherlock ihn vollendete.
,,Die Frau in Schwarz!"
,,Sie und Greg waren also allem Anschein nach mal Collegekollegen...gewissermaßen.", schlussfolgerte John und ich schüttelte fassungslos den Kopf.
,,Aber...was hat das dann alles zu bedeuten?"
Ich schaute zu John und Sherlock, aber auch die schienen keine Antwort darauf zu haben. Und die Frage blieb auch weiterhin offen, als auf einmal draußen Sirenen ertönten und ich vor dem Haus überall Blaulicht erkannte. John eilte augenblicklich zum Fenster und schob die Gardine zur Seite, ehe er sich zu uns wandte.
,,Sie haben uns gefunden. Wir müssen verschwinden! Jetzt!"
Er legte das Fotoalbum zurück und eilte Richtung Hinterausgang, wartete jedoch auf uns. Mein Blick fiel noch einmal auf das Album und ich hatte die schlagartige Ahnung, dass all das hier ein abgekartetes Spiel war. Ich spürte, wie Sherlock meinen rechten Arm umfasste und mich mitziehen wollte.
,,Kommen Sie, Evelyn.", forderte er mich auf, doch ich entzog ihm meinen Arm.
,,Nein...ihr geht! Ich bleibe hier!"
,,Dann werden sie dich verhaften und du landest ebenfalls hinter Gitter.", widersprach John und ich nickte.
,,Ich weiß! Aber wir haben keine andere Wahl. Sie werden erst aufhören uns zu jagen, wenn sie mich haben. Und meine Verhaftung kann uns die Zeit verschaffen, die wir brauchen."
John starrte mich sprachlos an und schien das ganz und gar nicht so zu sehen. Er wollte mir gerade widersprechen, doch soweit kam er nicht, denn Sherlock kam ihm zuvor.
,,Evelyn, im Gefängnis sind Sie machtlos. So werden Sie nie den Fall lösen und Lestrade helfen können.", redete er mir ins Gewissen und ich sah ihn zuversichtlich an.
,,Das stimmt! Und deshalb werde auch nicht ich diesen Fall lösen...Sie müssen es tun. Sie und John...ihr seid die Einzigen, die das tun können. Findet raus, wer diese Frau ist und bringt die Wahrheit ans Licht...das ist alles, was zählt."
Entschlossen sah ich Sherlock und John an, doch diese zögerten sichtlich. Mir gefiel der Gedanke ins Gefängnis zu wandern ebenfalls nicht, aber ich hatte keine Wahl. Die Polizei jagte mir nach und nicht ihnen, aber Sherlock war nun einmal das Genie unter uns und wenn er diesen Fall lösen und es mit dieser Frau in Schwarz aufnehmen wollte...dann brauchte er die Hilfe von John. Er brauchte seinen Partner, um meinen Partner und auch mich retten zu können.
,,Wir werden diesen Fall lösen...ich verspreche es Ihnen!", sagte Sherlock schließlich und ich lächelte kaum merklich.
,,Ich weiß. Ich vertraue Ihnen Sherlock. Und jetzt geht."
Ich deutete auf den Hinterausgang und Sherlock sah mich noch einmal an, ehe er sich abwandte und John mit sich zog. Und kaum, dass die Zwei die Wohnung verlassen hatten, wurde die Tür eingetreten und ein gutes Dutzend Polizisten stürmte in die Wohnung. Ich drehte mich langsam um und hob abwehrend die Hände, als ich auch schon umzingelt war und der Einsatzleiter mich vielsagend ansah.
,,Evelyn Headley...Sie sind verhaftet!"
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