Geburtstag mit Hindernissen
Geburtstag mit Hindernissen
Greg hielt sein Wort und gab mir meinen Geburtstag frei. Ich konnte noch gar nicht richtig glauben, dass Annabelle tatsächlich hier in London war, aber sie war es und sie würde für 3 Tage hier bleiben. Und nachdem ich den Schock über ihre Ankunft überwunden hatte, freute ich mich sogar, dass ich mal wieder seit langem Zeit mit meiner Cousine verbringen konnte.
Allerdings fragte ich mich schon, wie Annabelle mich hatte ausfindig machen können. Immerhin hatte ich weder sie, noch meine Tante Maggie seit Jahren gesehen und sie hatten somit auch noch gar nicht meine neue Adresse gehabt. Aber meine Cousine studierte ja im weißen Haus und nein, keineswegs Wissenschaft oder dergleichens, ondern Security oder etwas in der Art. Details ihres Studiums waren Top Secret und ich wollte auch gar nicht wissen, was meine Cousine arbeitstechnisch so trieb. Mir reichte mein eigener Job, der es immerhin auch oft genug in sich hatte.
Annabelle und ich hatten uns schließlich darauf geeinigt, dass sie sich heute noch von der langen Reise erholte und wir uns morgen stattdessen zum Frühstück bei mir treffen wollten. So lernte sie meine neue Wohnung kennen und ich musste meinen Geburtstag nicht an die große Glocke hängen, was mich ungemein beruhigte.
Den Rest des Tages verbrachte ich damit, noch etwas Bürokram zu erledigen, bis ich schließlich nach Hause fuhr und gar nicht merkte, wie schnell die Zeit verging, als es bereits spät am Abend war.
Ich legte mich in mein Bett und starrte gedankenverloren an die Decke. Es war ein komisches Gefühl, dass schon wieder ein weiteres Jahr so schnell vergangen war und manchmal kam es mir so vor, als würde die Zeit regelrecht davonlaufen. Als wäre sie vor irgendwas auf der Flucht und nichts und niemand konnte sie aufhalten. Zeit war eben wertvoller als manche dachten und mit dem Wissen, dass morgen mein neues Lebensjahr begann, fiel ich in einen tiefen traumlosen Schlaf.
,,Deine Wohnung ist echt schön, Evelyn. Ich hätte nicht gedacht, dass du so viel Stil hast.", sagte Annabelle am nächsten Morgen anerkennend und ich schüttelte lachend den Kopf.
,,Was hast du denn erwartet? Eine düstere und trostlose Gruft wie Graf Dracula sie hat?"
,,Würde ich dir zutrauen.", gab sie zurück und ich grinste, ehe ich ein ernsteres Thema anstrebte.
,,Wie läuft eigentlich dein Studium?"
,,Oh, sehr gut. Wenn alles gut läuft, dann kann ich es vorzeitig beenden und bin schon nächstes Jahr fertig.", erwiderte Annabelle und ich staunte nicht schlecht.
,,Wirklich? Das ist super, Annabelle. Ich gratuliere!"
,,Danke! Und bei dir? Wie ist es mit Sherlock Holmes zu arbeiten?", wollte sie wissen und ich musste schmunzeln.
,,Naja, ich muss zugeben...als ich ihn kennengelernt habe, da war ich überhaupt nicht von ihm begeistert. Seine Arroganz und seine Methoden waren ziemlich nervig und ich konnte damit gar nicht umgehen."
,,Und jetzt?"
,,Ich habe gelernt, ihm zu vertrauen. Auch, wenn er mich hin und wieder in den Wahnsinn treibtich glaube, ich kann uns mittlerweile als ein gutes Team bezeichnen. Es wird mit ihm zumindest niemals langweilig.", erwiderte ich und mit einem Mal wirkte Annabelle ziemlich nachdenklich und ernst.
,,Hast du ihm davon erzählt?", fragte sie und nun war ich irritiert.
,,Was meinst du?"
,,Weshalb du wirklich nach London gezogen bist. Ich meine...kennt Sherlock die Wahrheit?", wollte Annabelle wissen und ich erstarrte für einen Augenblick.
Ich hatte ganz und gar nicht damit gerechnet, dass meine Cousine ausgerechnet dieses Thema zur Ansprache brachte und war deshalb auch nicht darauf gefasst. Und alles in mir sträubte sich dagegen, darüber zu sprechen und ich bemühte mich, nicht die Fassung zu verlieren.
,,Annabelle...du hast mir versprochen, dass wir nie wieder darüber sprechen. Niemand hier weiß davon und ich will, dass das auch so bleibt.", brachte ich hervor und stand auf, woraufhin sie mir mitfühlende Blicke zuwarf.
,,Evelyn...es ist Vergangenheit!"
,,Vielleicht für dich! Aber mich wird es verfolgen...für den Rest meines Lebens."
Annabelle widersprach mir nicht, denn mein Blick schien Bände zu sprechen. Mir war zwar nicht ganz wohl dabei, sie so anzufahren, aber nur so konnte ich ihr klarmachen, dass dieses Thema auch jetzt noch tabu war. Aber etwas beschäftigte mich noch und ich sah meine Cousine unsicher an.
,,Kann ich mich darauf verlassen, dass du niemandem etwas sagst?", hakte ich nach und schließlich nickte Annabelle.
,,Keine Sorge! Ich schweige wie ein Grab."
,,Versprich es mir, Annabelle!", fügte ich hinzu und sie hob abwehrend die Hände.
,,Ich schwöre es, Evelyn. Von mir erfährt niemand etwas. Aber eins muss dir klar sein: die Wahrheit kommt früher oder später ans Licht...immer."
Darauf gab ich keine Antwort. Stattdessen sah ich Annabelle nur verunsichert an und sie wirkte sichtlich niedergeschlagen. Für sie war die ganze Sache immerhin auch nicht leicht, aber wenigstens konnte ich mich darauf verlassen, dass sie schweigen würde.
Das Klingeln meines Handys riss uns beide aus der Starre und ich zuckte sichtlich zusammen, ehe ich zögerlich mein Handy aus der Hosentasche zog. Es war Greg und ich seufzte, ehe ich abnahm.
,,Hallo, Greg! Was gibt's?", fragte ich und schon erklang die fröhliche Stimme meines Partners.
,,Erstmal alles Gute zum Geburtstag, Evelyn. Viel Glück und Gesundheit."
,,Dankeschön, Greg. Das ist nett von dir.", erwiderte ich und vernahm, wie er nun etwas zögerlich wirkte.
,,Nun...ich weiß, dass du frei hast und ich würde dich nicht bitten, wenn es nicht wichtig wäre, aber könntest du kurz auf das Revier kommen? Ich brauche noch eine Unterschrift von dir bezüglich des letzten Falls. Sonst kann er nicht zu den Akten gelegt werden."
Ich war etwas verwirrt, denn der letzte Fall war ja nun schon zwei Wochen her, aber manchmal kam es ja vor, dass unsere Kollegen entweder langsam oder nicht gründlich beim Abschluss von Ermittlungen vorgingen und dieses Mal schienen sie mal wieder schlampig in ihrer Arbeit gewesen zu sein.
,,Sicher! Ich mache mich gleich auf dem Weg. Allerdings bringe ich meine Cousine mit. Sie ist gerade zu Besuch.", sagte ich und hörte, wie Greg sichtlich erleichtert war.
,,Danke, Evelyn. Es geht auch ganz schnell. Bis gleich!"
,,Bis gleich, Partner!", sagte ich und legte auf, ehe ich mich an Annabelle wandte, die mir einen fragenden Blick zuwarf. ,,Tja, Annabelle...sieht aus, als würdest du heute meinen Arbeitsplatz und meinen neuen Partner kennenlernen."
***
Zu meiner großen Überraschung, war Annabelle voller Vorfreude darauf, Greg und meine anderen Kollegen kennenzulernen. Als ich mich damals für meinen Beruf entschieden hatte, war sie ja wenig begeistert davon gewesen und es hatte sie auch nie interessiert. Aber heute schien sie ganz aufgeregt zu sein, was mich zwar irritierte, aber ich stellte keine Fragen. Immerhin war unsere Stimmung nicht mehr angespannt und als wir das Revier erreichten, sah Annabelle mich erfreut an.
,,Ich freue mich darauf, deinen Partner kennenzulernen. Wie ist er denn?"
,,Greg? Oh, er ist nett und sehr verantwortungsbewusst. Allerdings ist er nicht ganz so hart im Nehmen. Zumindest, was schaurige Fälle angeht. Du solltest mal sein Gesicht sehen, wenn wir es mit einer übel zugerichteten Leiche zu tun bekommen.", entgegnete ich und musste etwas grinsen, was Annabelle erwiderte, allerdings schüttelte sie auch den Kopf.
,,Deine Faszination für solche Schwerverbrechen habe ich aber auch nie verstanden und werde es wohl auch nie. Aber naja...der Eine so der andere so."
Ich nickte zustimmend und wir erklommen die Stufen des Scotland Yards. Und obwohl es sich ja lediglich um eine Unterschrift handelte, war ich aus irgendeinem Grund extrem misstrauisch.
Warum brauchte Greg meine Unterschrift ausgerechnet jetzt noch? Normalerweise hätte das doch sicherlich bis morgen warten können und er hätte mich doch niemals an meinem Geburtstag für so etwas her zitiert. Irgendetwas war hier faul und ich brannte darauf herauszufinden, was es war.
Als Annabelle und ich die Tür öffneten, erkannte ich auch den wahren Grund dafür, weshalb Greg mich angerufen hatte. Denn kaum, dass wir den Raum betreten hatten, gab es einen lauten Knall und es regnete Konfetti, während uns sämtliche Leute ÜBERRASCHUNG! entgegen brüllten. Ich war so verdutzt, dass ich erstarrte und ungläubig auf meine Kollegen starrte, als Annabelle einen Lachanfall bekam.
,,Tja, Happy Birthday, Evelyn!", trällerte sie und ich sah sie fassungslos an.
,,Du wusstest davon?"
,,Natürlich wusste sie es.", kam es auf einmal von John, der aus der Menge trat und mich breit angrinste. ,,Annabelle und ich haben gestern noch gemunkelt, wie man dich am besten überraschen kann und Greg hatte den perfekten Köder."
John und Annabelle gaben sich High-Five und ich konnte nichts anderes tun, als völlig zerdeppert aus der Wäsche zu schauen und den Kopf zu schütteln.
,,Ihr habt euch gegen mich verschworen."
,,Du verdienst eine Geburtstagsfeier.", entgegnete Greg, der auf mich zukam und mich kurzer Hand umarmte. ,,Herzlichen Glückwunsch!"
,,Dankeschön!", erwiderte ich und als Greg mich wieder freigab sah ich ihn vorwurfsvoll, aber auch leicht amüsiert an. ,,Verräter!"
,,Damit hast du wohl nicht gerechnet.", neckte John mich und ich wollte etwas erwidern, als bereits eine nur zu bekannte Stimme erklang.
,,Das ist normalerweise die Voraussetzung, wenn man eine Überraschung plant, John.", sagte Sherlock und deutete vielsagend auf mich. ,,Sonst hätten Sie sich die ganze Mühe nicht machen müssen."
,,Sherlock...auch hier?", meinte ich und sah ihn überrascht an, während er mit den Schultern zuckte.
,,John und Ihre Cousine haben mich gezwungen. Ich hatte also keine sonderlich große Wahl."
,,Vergessen Sie aber bitte nicht, dass Sie Greg den Tipp gaben, Evelyn bezüglich eines Falls herzulocken.", betonte Annabelle und Sherlock grinste etwas, während er mich vielsagend ansah.
,,Etwas anderes hätte bei Evelyn auch nicht funktioniert. Jeden anderen Trick hätte sie doch sofort durchschaut."
Ich konnte nicht anders, als Sherlock ebenfalls anzugrinsen. Mit dieser Aussage hatte er Recht und obwohl ich wirklich nicht damit gerechnet hatte, fand ich es nett von meinen Freunden, eine Party für mich zu schmeißen. Und plötzlich knallte es erneut, als mein Partner eine Sektflasche köpfte und den Korken fliegen ließ.
,,Dann lasst die Party steigen!", rief er und Anderson drehte augenblicklich die Musik auf.
John grinste breit und dann wurde ich nacheinander von allen mit Glückwünschen überfallen. Auch Sherlock gratulierte mir, womit ich allerdings nicht wirklich gerechnet hatte. Annabelle fiel mir regelrecht um den Hals und ich vergaß für diesen Augenblick sogar jegliche Gedanken, die mich sonst fast jeden Tag verfolgten.
***
Und ich musste sagen, die Party war wirklich toll. Alle hatten Spaß und für mich war es allein eine Freude, meine Kollegen und Freunde so unbeschwert feiern zu sehen. Sogar Mycroft war hier, obwohl ich mir ziemlich sicher war, dass John ihn ebenfalls in irgendeiner Art und Weise überredet hatte. Annabelle schien Mycroft regelrecht mit Fragen zu löchern, denn sie stand bei ihm und redete auf ihn ein, was ich leicht amüsiert beobachtete. Ja, meine Cousine konnte manchmal sehr anspruchsvoll sein.
,,Gefällt Ihnen Ihre Party?", fragte Sherlock, der wie aus dem Nichts neben mir aufgetaucht war und ich sah ihn vielsagend an.
,,Sie ist ziemlich überwältigend."
,,Wollten Sie deshalb geheim halten, dass Sie Geburtstag haben?", hakte Sherlock nach und ich seufzte leise.
,,Ich finde diesen ganzen Trouble immer nur ziemlich unnötig. Für mich ist mein Geburtstag nichts Besonderes. Es ist im Grunde doch ein Tag wie jeder andere."
Ich spürte, dass Sherlock mich intensiv musterte und zwang mich, den Blick von ihm abzuwenden. Er schien mir nicht wirklich zu glauben und angesichts seiner Intelligenz war das ja auch kein Wunder. Sherlock konnte ich eben nichts vormachen, aber zu meinem Glück fragte er nicht mehr nach, sondern schien es hinzunehmen. Stattdessen zog er plötzlich etwas aus der Innentasche seines Anzugs hervor und reichte mir eine dunkle Schachtel.
,,Das ist für Sie."
Völlig perplex nahm ich die Schachtel entgegen und öffnete sie. Und als ich einen Blick hineinwarf, staunte ich nicht schlecht. In ihr befand sich ein silbernes Armband und es hatte drei Anhänger: eine Lupe, einen Schlüssel und den Buchstaben E.
,,Es...es ist wunderschön.", brachte ich hervor und war regelrecht überwältigt, ehe Sherlock auf die Anhänger deutete.
,,Die Lupe symbolisiert die Suche nach der Wahrheit bei den Fällen, der Schlüssel die Antworten auf Geheimnisse und Fragen und der Buchstabe natürlich für Ihren Namen.", erklärte er und ich sah ihn sprachlos an.
Ich wusste überhaupt nicht, was ich sagen sollte. Denn ich hatte überhaupt nicht damit gerechnet, dass Sherlock mir irgendein Geschenk machte und dann auch noch so ein Persönliches. Immerhin war er ganz und gar nicht der Typ für so etwas und ich fragte mich, wie ich zu der Ehre kam.
Nach einer gefühlten Ewigkeit fand ich endlich meine Stimme wieder und sah Sherlock dankbar an, der mir einen Blick zuwarf, den ich mal wieder nicht deuten konnte.
,,Vielen Dank, Sherlock! Es ist wirklich unglaublich schön."
,,Gern geschehen!"
Ich sah wieder auf das Armband und nahm es aus der Schachtel, ehe ich es mir um das Handgelenk legen wollte. Allerdings war das allein gar nicht so leicht und schließlich deutete Sherlock vielsagend auf meine rechte Hand.
,,Darf ich?"
Ich nickte und er verschloss das Armband mit einer einzigen schnellen Bewegung. Seine kühlen Finger versetzten mir eine leichte Gänsehaut und ich ertappte mich selbst dabei, wie ich Sherlock anstarrte. Als er einen Blick auf das Armband warf, welches nun um mein Handgelenk lag, zuckten seine Mundwinkel und er schien zufrieden zu sein.
,,Passt doch ganz gut."
Wir tauschten einen kurzen Blick und für einen Moment kam es mir so vor, als wäre die Welt um uns herum eingefroren. Denn die Stimmen der anderen verstummten, die Musik schien von ganz weit weg zu kommen und wahrscheinlich hätte ich ewig so dagestanden, wenn nicht in jenem Augenblick etwas sehr Seltsames passiert wäre.
Denn mein Blick fiel nun auf meine Freunde und Kollegen, die sich allesamt merkwürdige Blicke zuwarfen und dann auf einmal das Bewusstsein verloren. Nach und nach gingen sie zu Boden und ich sah erschüttert um mich, als auch Sherlock bemerkte, was hier vor sich ging.
,,Was ist hier los?", brachte ich hervor, als auch Annabelle neben Mycroft ohnmächtig wurde.
Fassungslos sah ich mich um und auch Sherlock schien keine Erklärung dafür zu haben. Dann vernahm ich jedoch einen äußerst merkwürdigen Geruch und ich verzog das Gesicht, während mein Blick zu Sherlock wanderte.
,,Sherlock, was riecht hier so komisch?"
Seine Antwort ging an mir vorbei, denn in diesem Augenblick spürte ich, wie mir schwindelig wurde und alles begann sich zu drehen. Ich spürte noch, wie Sherlock nach meinem rechten Arm griff, doch dann überkam mich bereits unendliche Finsternis.
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