Feuer und Flamme
Feuer und Flamme
Am nächsten Morgen wachte ich auf und fühlte mich genauso, wie am Abend zuvor: vollkommen durcheinander! Also hatte auch der Schlaf mir keine Ruhe gebracht und ich wusste immer noch nicht, wie ich mich nun verhalten sollte. Zwar hatte ich nun realisiert, dass das, was gestern passiert war, auch wirklich die Wahrheit war und dennoch kam es mir immer noch vor wie ein Traum.
Sherlock war nicht tot! Er war am Leben und er war hier...zurück in London und obwohl ich gestern unendlich wütend war, so verspürte ich nun das Gefühl von unendlicher Erleichterung.
Zwar war ich immer noch wütend, weil er uns zwei Jahre lang hatte trauern lassen, aber ich war auch glücklich, dass Sherlock am Leben war. Aber auch, wenn ich diesbezüglich froh war, so beschloss ich dennoch, dass ich ihm am besten vorerst aus dem Weg gehen würde.
Nachdem ich mich angezogen hatte, begab ich mich in die Küche, wo Ezra am Tisch saß und den Kopf hob, ehe er mir ein aufmunterndes Lächeln schenkte.
,,Guten Morgen! Wie geht's dir?", fragte er und ich setzte mich neben ihn, während ich seufzte und mich mit dem Rücken gegen die Wand lehnte.
,,Ehrlich gesagt...ich bin mir nicht sicher. Ich bin immer noch wütend, aber nicht mehr so sehr wie gestern. Obwohl ich Sherlock immer noch dafür umbringen könnte, dass er zwei Jahre lang seinen Tod vorgetäuscht hat."
Ich schloss für einen Moment die Augen und hatte wieder die gestrige Situation vor Augen, als Sherlock urplötzlich vor mir gestanden hatte. Und noch immer fühlte ich mich beim Gedanken daran, wie vor den Kopf gestoßen.
,,Vielleicht solltest du nochmal mit ihm reden.", meinte Ezra und ich sah ihn vielsagend an.
,,Das hast du gestern schon gesagt."
,,Ja und ich werde es dir solange sagen, bis zu es tust.", gab er zurück, weshalb ich mit den Augen rollte.
,,Warum?"
,,Weil es das Richtige ist und wenn du es nicht tust, du es bis an dein Lebensende bereuen würdest."
Ezra warf mir eindringliche Blicke zu und für einen Moment dachte ich intensiv über seine Worte nach. Aber bevor ich eine Entscheidung diesbezüglich treffen konnte, reichte Ezra mir auf einmal einen kleinen Zettel.
,,Ach, bevor ich es vergesse...John hat angerufen. Er hat gefragt, ob du bei ihm vorbeikommen könntest, denn er möchte unbedingt mit dir reden. Der Ärmste schien völlig durch den Wind zu sein."
,,Oje...", setzte ich an und nahm den Zettel an mich. ,,Dann war ich wohl nicht die Einzige, die gestern einen Überraschungsbesuch von Sherlock bekommen hat. Ich mache mich besser gleich auf den Weg."
,,Mach das! Ich muss gleich in die Firma, aber heute Abend bin ich wieder da.", versicherte Ezra mir und ich nickte.
,,Ist gut!"
***
Als ich bei John ankam, ließ Mary mich rein, aber sie war gerade auf dem Sprung und verabschiedete sich deshalb augenblicklich. Ich begab mich auf direktem Wege ins Wohnzimmer und fand einen John vor, der sichtlich mit der Situation überfordert zu sein schien. Er starrte vor sich hin und war offenbar völlig neben der Spur, denn als ich ihn begrüßte, zuckte er regelrecht zusammen.
,,Evelyn...du bist ja schon hier."
,,Ja! Ezra hat mir gesagt, dass du angerufen hast und ich dachte, ich komme gleich vorbei.", sagte ich und setzte mich zu John an den Esstisch.
Ich musterte ihn und ich konnte mir nur zu gut vorstellen, wie er sich nun fühlen müsste. Denn nicht nur für mich war es ein Schock gewesen, dass Sherlock putzmunter aufgetaucht war und nicht wie erwartet, mausetot unter der Erde auf dem Friedhof lag.
,,Angesichts deines Gesichtsausdrucks nehme ich mal an, dass du über das Ereignis des Jahres bereits informiert bist.", brachte er auf einmal hervor und ich seufzte.
,,Wenn du mit Ereignis des Jahres die Rückkehr von Meisterego Sherlock Holmes meinst, dann ja. Ich hatte auch das Vergnügen!"
John schien zwar nicht überrascht zu sein, aber sein Blick sprach dennoch Bände. Offenbar konnten wir beide noch nicht wirklich glauben, was uns gestern widerfahren war und wüsste ich nicht zu 100%, dass es die Wahrheit war, würde ich mich wahrscheinlich selbst für verrückt halten. John schüttelte schließlich fassungslos den Kopf und wirkte sichtlich mitgenommen.
,,Gestern im Restaurant habe ich gedacht, ich traue meinen Augen, als er vor mir stand."
,,Oh, nein! Sherlock ist doch hoffentlich nicht ins Abendessen von dir und Mary geplatzt.", erwiderte ich und John zuckte nur mit den Schultern.
,,Naja, du kennst ihn ja. Sherlock hatte ja schon immer ein Sinn für das perfekte Timing."
Na, ganz hervorragend! Also hatte Sherlock nicht nur meinen Abend gesprengt, sondern auch noch das Dinner von Mary und John. Unser Möchtegern-Einstein hatte eindeutig ein Gespür dafür, zur falschen Zeit am falschen Ort zu sein und dies hatte sich ganz offensichtlich auch nach zwei Jahren seiner Abwesenheit nicht geändert.
,,Ich kann das noch gar nicht glauben. Zwei Jahre lang dachten wir, er wäre tot und dann taucht er wieder auf...als wäre nichts gewesen.", brachte ich hervor und strich mir meine Haare zurück, während John sich zurücklehnte und mich nun vielsagend ansah.
,,Laut Sherlock war es ja Mycrofts Plan und er hat schließlich auch brillant funktioniert."
Mir fiel die Kinnlade runter und ich starrte John fassungslos an. Einen Moment brauchte mein Verstand, um diese Offenbarung zu verarbeiten, ehe ich John völlig entgeistert ansah und nicht glauben konnte, was er mir da eben gesagt hatte.
,,Moment mal...soll das etwa heißen, Mycroft wusste Bescheid?"
,,Ja! Die ganze Zeit! Ebenso Molly Hooper und einige von Sherlock's Obdachlosennetzwerks."
John sah mich vielsagend an und ich hatte das Gefühl, dass ich nicht mehr weit von einem Nervenzusammenbruch entfernt war. Das war langsam wirklich zu viel des Guten. Schlimm genug, dass Sherlock zwei Jahre seinen Tod vorgetäuscht hatte...sein Bruder und Molly hatten es die ganze Zeit gewusst und keinen Ton gesagt. Sie hatten uns trauern lassen...obwohl sie uns von den Schmerzen hätten erlösen können.
,,Das ist doch unglaublich! Weißt du, John...gestern...für einen Moment, nur für einen ganz kurzen Moment, da habe ich geglaubt, dass das Leben endlich wieder gut werden könnte...und dann...urplötzlich steht Sherlock Holmes vor mir.", platzte es aus mir heraus und John nickte kaum merklich.
,,Ich weiß, wie du dich fühlst. Du warst sicher sehr wütend."
,,Ich habe ihm Eine rein gehauen.", sagte ich und erntete daraufhin einen erstaunten Blick von John, der mit dieser Reaktion offenbar nicht gerechnet hatte.
,,Wow! Dann bin ich ja froh, dass ich nicht der Einzige war."
,,Du hast ihm auch Eine verpasst?", hakte ich überrascht nach und John schaute etwas zerknirscht.
,,3, um genau zu sein."
Wow! John war eigentlich unglaublich geduldig und besaß ein ziemlich ruhiges Gemüt. Nur selten teilte er Faustschläge aus, denn dafür musste man ihn wirklich schon bis zur Weißglut treiben. Aber ich konnte gut nachvollziehen, dass Sherlock gestern so Einiges hatte einstecken müssen, denn immerhin waren John und er die besten Freunde gewesen. Zumindest, bevor unser Meisterdetektiv vom Dach gesprungen war.
,,Hmmm...ich müsste lügen, wenn ich sage, dass er es nicht verdient hätte.", meinte ich und vergrub mein Gesicht schließlich in den Händen. ,,Gott, John...was sollen wir jetzt tun?"
,,Ich habe keine Ahnung! Mary meinte, ich soll mich mit ihm treffen...um der alten Zeiten Willen. Aber das ist nicht so einfach.", entgegnete er, woraufhin ich ihm zustimmte.
,,Ja, sowas hat Ezra auch gesagt. Es wundert mich, dass er nicht sauer auf Sherlock ist, nachdem er unseren Abend ruiniert hat."
,,War es denn gut? Du magst Galas doch sonst nicht.", meinte John und ich seufzte ein wenig.
,,Daran hat sich auch nichts geändert. Aber...bevor Sherlock aufgekreuzt ist...da hat Ezra mir einen Heiratsantrag gemacht."
Nun war es John, dem die Kinnlade runterfiel und ich konnte es ihm nicht mal verübeln. Selbst ich war ja aus allen Wolken gefallen, als Ezra mir urplötzlich die Fragen aller Fragen gestellt hatte. Aber ich war glücklich mit ihm und er hatte schließlich auch nicht vor, es zu überstürzen. Also, warum hätte ich Nein sagen sollen?
,,Wirklich? Was hast du gesagt?", wollte John wissen und ich lächelte leicht.
,,Ich habe...Ja gesagt."
,,Evelyn, das freut mich. Gratuliere!", sagte John und schenkte mir ein zufriedenes Lächeln, woraufhin ich ihn dankbar ansah.
,,Danke, John! Was ist mit dir? Kann ich dir auch gratulieren?"
,,Ich kam leider nicht mehr dazu, Mary zu fragen. Denn unser Genie kam da gerade dazwischen."
,,Oh, man! Das tut mir leid.", sagte ich und könnte Sherlock in diesem Augenblick für sein Timing verfluchen, aber John zuckte mit den Schultern.
,,Ich werde schon noch den passenden Zeitpunkt finden. Aber ich glaube, jetzt haben wir erstmal andere Probleme."
***
Am Abend kehrte ich nach Hause zurück. John und ich hatten den ganzen Nachmittag geredet und als Mary wieder zu uns gestoßen war, da hatte sie auch mir ans Herz gelegt, dass ich einen Schritt auf Sherlock zugehen sollte. Nur war das alles nicht so einfach und die Diskussion hatte damit geendet, dass ich den Heimweg und John einen Spaziergang angetreten hatte. Ich wusste ja, dass Mary es nur gut meinte, genau wie Ezra, aber die beiden konnten die ganze Situation ja auch nicht so nachempfinden, wie John und ich es taten.
Sie waren nicht vor zwei Jahren am Barts gewesen und hatten den leblosen blutüberströmten Leichnam von Sherlock vorfinden müssen oder ihn beerdigen müssen. Und sie hatten auch nicht zwei Jahre in dem Glauben leben müssen, dass sie Sherlock für immer verloren hätten.
Und auch, wenn ein Teil von mir dem Vorschlag unbedingt nachkommen wollte...so wehrte ich mich dennoch dagegen, was mir jedoch nicht leicht fiel. Denn trotz der Umstände, zog mich irgendwas zu Sherlock hin und ich hatte keine Ahnung, was es war.
,,Da bist du ja wieder!", begrüßte mich Ezra und empfing mich mit einem sanften Kuss, den ich erwiderte, ehe ich ihn vielsagend ansah und nickte.
,,Ja! John und ich haben lange miteinander gesprochen und wir sind zu dem Entschluss gekommen, dass wir Sherlock erstmal aus dem Weg gehen werden."
,,Bist du dir sicher, dass es das Richtige ist, Evelyn?", sagte Ezra zweifelnd und ich seufzte.
,,Wir werden schon noch mit ihm reden, Ezra...aber nicht jetzt sofort. Wir müssen die ganze Sache erstmal verdauen und zwei Jahre sind eine lange Zeit. Es ist nicht so einfach zu vergessen was passiert ist und da können wir nicht einfach zum Alltag zurückkehren und so tun, als wäre nichts gewesen. Auch, wenn Sherlock Holmes das offensichtlich anders sieht."
Ich konnte Ezra ansehen, dass er meine Entscheidung mit Skepsis beurteilte, aber er nahm es schließlich hin. Denn auch, wenn er anderer Meinung war...er ließ mir meine eigenen Entscheidungen und das schätzte ich sehr an ihm.
,,Hmm...das verstehe ich. Ich hoffe, ihr Drei könnt das alles bald aus der Welt schaffen und wieder zusammenwachsen. Würde mich zumindest freuen.", sagte er und ich nickte kaum merklich.
,,Das hoffe ich auch!"
Das Klingeln meines Handys riss mich aus der Konversation und ich zog es aus der Jackentasche. Auf dem Display stand der Name von Mary und ich runzelte die Stirn, nahm aber dennoch ab.
,,Hey, Mary...was gibt's?", fragte ich, allerdings hatte ich nicht Mary am Apparat, denn eine deutlich tiefere Stimme erklang.
,,Evelyn!"
Augenblicklich fragte ich mich, was ich dem Schicksal eigentlich getan hatte. Immer wenn ich beschlossen hatte, Sherlock Holmes aus dem Weg zu gehen, dann rief er an oder stand vor mir. Karma war ja für gewöhnlich eine nette Sache, aber im Moment konnte es zur Hölle fahren.
,,Falls du noch mehr Überraschungen auf Lager hast, Sherlock...ich verzichte. Deine Auferstehung reicht mir fürs Erste.", sagte ich tonlos und wollte schon auflegen, als Sherlock mich daran hinderte.
,,Ich brauche deine Hilfe, Evelyn. John wurde entführt."
,,WAS?", brachte ich hervor und war nun sichtlich schockiert, als Sherlock auch schon weiterredete.
,,Mary und ich wissen, wo er ist und fahren jetzt gleich hin. Ich schicke dir die Adresse."
,,Okay...ich bin unterwegs."
Ich legte auf und binnen weniger Sekunden, erhielt ich auch schon die Nachricht mit der Adresse. Sofort steckte ich mein Handy wieder ein und griff kurzer Hand nach dem Waffengurt mit meiner Dienstwaffe, als Ezra mir besorgte Blicke zuwarf.
,,Was ist denn passiert?"
,,Das war Sherlock! John wurde entführt. Er und Mary brauchen meine Hilfe, deswegen werde ich jetzt hinfahren.", erklärte ich und Ezra war sichtlich bestürzt.
,,Oh, mein Gott! Soll ich mitkommen?"
,,Nein! Ich möchte nicht, dass dir etwas passiert. Aber du kannst mir einen anderen Gefallen tun. Ruf Greg an und sag ihm, was los ist. Wenn es ernst wird, dann könnten wir Unterstützung gebrauchen. Ich leite die Adresse an ihn weiter.", erwiderte ich und mein Verlobter nickte.
,,Mach ich! Evelyn, bitte sei vorsichtig."
Er sah mich bittend an und ich nickte, ehe ich ihn flüchtig küsste und ihm einen zuversichtlichen Blick zuwarf.
,,Versprochen!"
***
Am Treffpunkt hielt ich an und sprang regelrecht aus dem Wagen. Und das gerade zum richtigen Zeitpunkt, denn ich entdeckte Sherlock und Mary, die doch allen Ernstes von einem Motorrad stiegen. Ich wollte gar nicht wissen, wo Sherlock das aufgetrieben hatte, denn es konnte keineswegs auf legale Weise passiert sein. Die Zwei eilten bereits auf mich zu und ich kam ihnen entgegen.
,,Wo ist John?", fragte ich und Sherlock sah sich um, während er besorgt, aber auch nachdenklich wirkte.
,,Er muss hier irgendwo sein."
,,Das Feuer!", brachte Mary auf einmal panisch hervor und unsere Blicke wanderten in die Richtung, in die sie zeigte.
Und tatsächlich! Nur ein paar Meter von uns entfernt, war eine Menschenmenge um einen Scheiterhaufen versammelt, der gerade von ein paar Männern angezündet wurde.
Augenblicklich setzten wir Drei uns in Bewegung und jagten regelrecht auf das Feuer zu. Wenn die Vermutung von Mary stimmte, dann zählte nun jede Sekunde und ich verschaffte uns etwas Freiraum.
,,POLIZEI! AUS DEM WEG!"
Sofort sprangen die Menschen zur Seite und wir erreichten endlich das Feuer. Sherlock stürzte sich regelrecht auf den Scheiterhaufen und fing an, in den lodernden Flammen nach John zu suchen.
,,JOHN!"
Sherlock, Mary und ich riefen gemeinsam mehrere Mal nach John und schließlich zog Sherlock seinen besten Freund aus dem Scheiterhaufen hervor. Ich half ihm und wir zogen John ein Stück weit weg, sodass er sich außer Reichweite des Feuers befand.
Mary eilte sofort an seine Seite und John hustete sich den Ruß aus den Lungen, während wir alle vor Erleichterung aufatmeten. Wir hätten keine Sekunde später hier sein dürfen, sonst wäre für John jede Hilfe zu spät gekommen. Während Mary John aufhalf und ihm erleichtert um den Hals fiel, trafen sich für einen kurzen Moment die Blicke von Sherlock und mir. Und ich stellte mir in diesem Augenblick nur eine einzige Frage: Wer hatte John das angetan?
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