Femme fatal

Femme fatal

Das erste Ziel meiner Suche nach Antworten war natürlich die Baker Street. Nachdem ich Mrs. Hudson regelrecht überfallen und ihr mein Anliegen geschildert hatte, betrat ich nun die Wohnung von Sherlock und John. Vorsichtshalber zog ich meine Waffe und ging mit äußerster Vorsicht vor. Mrs. Hudson hatte ich verordnet in ihrer Wohnung zu bleiben und unter keinen Umständen nach oben zu kommen, denn so war sie wenigstens sicher.

,,Sherlock? John?", rief ich, doch ich bekam keine Antwort.

Wachsam durchsuchte ich die ganze Wohnung, doch von den beiden fehlte jede Spur. Ich steckte meine Waffe wieder ein, nachdem ich sichergegangen war, dass keine Gefahr drohte und suchte nun nach Hinweisen. Doch finden konnte ich nur den Drohbrief, den ich ja schon kannte und natürlich das Labor in der Küche.

,,Verdammt! Wo seid ihr nur?", fluchte ich vor mich hin und zerbrach mir den Kopf, wo das Ermittlerduo sich befinden konnte.

Mir war auf jeden Fall klar, dass Sherlock und John etwas passiert sein musste, als wir allesamt ohnmächtig gewesen waren. Und ich hatte mehr und mehr das Gefühl, dass wir genau deswegen auch außer Gefecht gesetzt worden waren. Irgendjemand hatte dies ausgenutzt, um Sherlock und John möglicherweise zu entführen und es war vermutlich genau die gleiche Person, die den Drohbrief an Sherlock geschickt hatte.
Mein Handy riss mich aus den Gedanken und als ich die Nummer von meinem Partner erkannte, nahm ich augenblicklich ab.

,,Greg! Na, endlich! Ich dachte, du rufst nie wieder zurück.", rief ich regelrecht durch mein Handy und erntete genervtes Stöhnen.

,,Evelyn...bitte nicht so laut. Mein Kopf fühlt sich an, als würde ihn jemand mit einem Presslufthammer bearbeiten."

,,Sowas nennt man Kater.", gab ich zurück und sah regelrecht vor mir, wie mein Partner die Augen verdrehte.

,,Was du nichts sagst. Was gibt es denn? Muss ja wichtig sein, wenn du nach der Hammerparty schon wieder so früh auf den Beinen bist."

,,Ich habe mich ja auch nicht hemmungslos betrunken und mit Donovan eine Tanzshow hingelegt. Aber das ist jetzt nicht wichtig. Greg, der Zettel, den du gefunden hast...er kann unmöglich von Sherlock stammen. Jemand anders muss ihn verfasst und Sherlock und John entführt haben.", erklärte ich und Greg seufzte.

,,Evelyn, Sherlock Holmes ist so eine direkte und regelrecht spöttische Botschaft durchaus zuzutrauen. Außerdem tut er, was er will und es ist ihm total egal, was andere von ihm denken. Also, dochdiese Nachricht kann durchaus von ihm stammen und wer sollte bitteschön ihn und Watson ausgerechnet auf deiner Geburtstagsfeier entführen? Das ergibt keinerlei Sinn."

,,Das muss es auch nicht. Aber ich weiß, dass es so ist und du musst mir helfen, die beiden zu finden.", drängte ich, aber dieses Mal schien Greg mich nicht ernst zu nehmen.

,,Die Zwei sind auf irgendeiner neuen Mission und können wer weiß wo sein. Du verrennst dich da in etwas und bei allem, was in der letzten Zeit passiert ist, kann ich das sehr gut verstehen. Aber es bringt nichts, wenn du jetzt die Nerven verlierst und an irgendwelche Schwerverbrechen denkst. Ich bin mir sicher, Sherlock und Watson tauchen bald wieder auf. Vermutlich dann, wenn wir gar nicht damit rechnen. Und wenn du mich jetzt entschuldigen würdest...mein Schädel explodiert jeden Augenblick."

Mit diesen Worten legte mein Partner auf und mir klappte regelrecht die Kinnlade runter, während ich sprachlos auf mein Handy starrte. War Greg denn nun völlig von Sinnen?
Ich konnte ja verstehen, dass er nicht gerade begeistert war, dass ich ihn so früh aus dem Bett warf, wo er am Abend zuvor, eindeutig zu tief ins Glas geschaut hatte...aber, dass er mir nicht glaubte, das schockierte mich sichtlich. War ihm denn nicht klar, dass das Leben von John und Sherlock möglicherweise auf dem Spiel stand?

,,Evelyn, Liebes...haben Sie etwas finden können?", fragte auf einmal Mrs. Hudson und ich sah zu ihr, als sie im Türrahmen erschien.

,,Nein, leider nicht. Aber ich suche weiter. Und ich werde erst aufhören, wenn ich Sherlock und John gefunden habe, Mrs. Hudson. Das verspreche ich Ihnen."

,,Sie sind ein Engel, Evelyn.", erwiderte sie und ich lächelte leicht, als mir ein Gedanke kam, der mir die Entschlossenheit zurückbrachte.

,,Annabelle!", brachte ich hervor, woraufhin Mrs. Hudson verwirrt die Stirn runzelte.

,,Wie bitte?"

,,Meine Cousine! Wenn Greg mir nicht hilft, dann mit Sicherheit sie. Tut mir leid, Mrs. Hudson...aber ich muss los. Jede Sekunde zählt.", erklärte ich und eilte sofort aus dem Haus.

Ja, Annabelle würde mir helfen. Immerhin war sie meine Cousine und abgesehen davon, war sie sicherlich Feuer und Flamme, wenn wir Sherlock und John mal wieder den Kragen retten durften.

                           ***

Im Hotel, in dem Annabelle gastierte, fragte ich nach ihrem Zimmer und dank meiner Polizeimarke erhielt ich auch direkt eine Antwort. Meine Cousine befand sich im 3. Stock und hatte, wie sollte es auch anders sein, die Luxus-Suite gebucht. Entweder verdiente sie trotz ihres Studiums ein Vermögen oder das Weiße Haus war mal wieder sehr großzügig gewesen.

Ich erreichte dem Korridor und suchte nach Zimmer 305, welches ich zum Glück auch relativ schnell ausfindig machen konnte. Kurzer Hand klopfte ich energisch gegen die Tür und nach einer gefühlten Ewigkeit öffnete mir mit müdem Blick, zerzausten Haaren und mit nichts weiter als einem Hemd, welches wohl eher einem Mann gehörte, und Unterwäsche bekleidet, meine Cousine Annabelle die Tür. Völlig perplex sah sie mich an, als ob sie nicht glauben konnte, dass ich vor ihr stand.

,,Evie? Was machst du denn hier?", fragte sie irritiert und ich warf ihr einen ernsten Blick zu.

,,Ich muss mit dir reden. Kann ich reinkommen?"

,,Eigentlich...", setzte Annabelle an, doch da hatte ich mich schon an ihr vorbei ins Zimmer gestohlen, woraufhin sie die Tür schloss. ,,ist es gerade ungünstig. Was gibt es denn?"

,,Annabelle, das klingt jetzt vielleicht verrückt und möglicherweise wirst du glauben, dass ich irre bin, aber ich brauche deine Hilfe."

Und was ich nun sah, machte mich vollkommen sprachlos und mir fiel die Kinnlade runter. Denn aus dem Badezimmer trat doch allen Ernstes und vollkommen unvorstellbar Mycroft Holmes, der mich irritiert ansah und dann zu meiner Cousine sah.

,,Du hast mir gar nicht gesagt, dass Evelyn vorbeikommt.", sagte er und Annabelle zuckte mit den Schultern.

,,Bis vor ein paar Sekunden wusste ich selber nichts davon."

,,Mycroft...was zur Hölle tun Sie hier?", platzte es entgeistert aus mir heraus, nachdem ich meine Stimme wiedergefunden hatte und Mycroft sah mich vielsagend an.

,,Ich könnte Sie dasselbe fragen, Evelyn. Denn Sie werden wohl kaum so früh am Morgen einen Standesbesuch bei Ihrer Cousine ablegen."

Ich konnte kaum glauben, dass er so locker mit mir sprach, als wäre es das Selbstverständlichste auf der Welt, dass ich ihn halbnackt im Hotelzimmer meiner Cousine aufgabelte. Aber dann konnte ich Eins und eins zusammenzählen und sah zwischen den beiden hin und her.

,,Moment...habt ihr beide etwa...", setzte ich an, doch ich brach ab und verzog angewidert das Gesicht. ,,Oh, mein Gott!"

,,Entspann dich, Evelyn. Es war nur Sex...kein Schwerverbrechen.", entgegnete Annabelle und ich deutete anklagend auf Mycroft.

,,Wenn Mycroft Holmes sich auf ein One Night Stand einlässt, dann kommt es dem schon sehr nahe."

Ich wandte den Blick ab, denn allein die Vorstellung, was meine Cousine und der Bruder von Sherlock in der vergangenen Nacht in diesem Raum getrieben hatten, verursachte mir Albträume. Und ich war mir ziemlich sicher, dass ich diesen Anblick nie wieder aus meinen Gedanken streichen konnte, wodurch es natürlich nicht gerade positiver wurde.

,,Weshalb bist du überhaupt hier, Evie? Ich dachte, du schläfst aus und meidest uns heute alle, weil wir dir diese Überraschungsparty beschert haben.", meinte Annabelle und musterte mich prüfend, woraufhin ich doch mit der Sprache rausrückte.

,,Es geht um John und Sherlock. Ich bin mir ziemlich sicher, dass die beiden nicht alleine gegangen sind. Alles deutet darauf hin, dass sie von irgendjemandem verschleppt worden sind."

,,Aber, Greg hat doch die Nachricht gefunden.", erinnerte Annabelle mich, aber ich schüttelte den Kopf.

,,Die kann nicht von Sherlock sein. So etwas würde er niemals schreiben. Ganz egal, wie er manchmal drauf ist."

,,Nun...mein Bruder tut häufig Dinge, die man niemals von ihm erwartet, Miss Headley. Sie wären überrascht, was Sherlock schon alles abgezogen hat. Wenn ich nicht schon so beschäftigt wäre, dann würde ich wahrscheinlich ein Buch darüber schreiben.", klinkte sich Mycroft ein und ich verschränkte die Arme vor der Brust.

,,Mag ja sein, aber ist es nicht ziemlich merkwürdig, dass die beiden ausgerechnet dann verschwinden, wenn wir alle aus heiterem Himmel und auch noch zeitgleich das Bewusstsein verlieren? Das alles ist ein abgekartetes Spiel und ich will rausfinden, wer dahinter steckt. Und das sollte auch in Ihrem Sinne sein, Mycroft. Immerhin könnte Ihr Bruder in Gefahr sein."

,,Also, wenn Sie mich fragen, dann reagieren Sie über, aber tun Sie, was Sie nicht lassen können. Ich werde sowieso niemals verstehen, was zwischen Ihnen und Sherlock vor sich geht, aber wenn ich ehrlich bin...dann will ich das auch gar nicht.", wandte Mycroft ein und ich war sogleich beleidigt.

,,Schön! Wenn Sie nicht helfen, dann können Sie ja auch gehen. Ich werde jedenfalls nicht aufhören nach Sherlock und John zu suchen, bis ich sie gefunden habe."

Ernst sah ich Mycroft an und Entschlossenheit erfüllte meinen Blick. Es ging um seinen Bruder, verdammt nochmalwie konnte Mycroft nur so stur und uneinsichtig sein? Er war doch auch schlau! Wie konnte er da nicht merken, dass das alles zum Himmel stank?
Immerhin schien Annabelle mich nicht für verrückt zu halten, denn sie wirkte ziemlich nachdenklich und hatte bis jetzt geschwiegen. Doch nun sah sie zwischen mir und Mycroft hin und her, bis sie ihr Schweigen schließlich brach.

,,Ich glaube, so abwegig ist die Theorie von Evelyn gar nicht. Wahrscheinlich wurde die Nachricht genau aus diesem Grund hinterlassen. Damit wir nicht annehmen, dass Sherlock und John nicht freiwillig verschwunden sind.", sagte sie und ich sah sie erleichtert an.

,,Danke, Annabelle!"

,,Du glaubst also auch, dass mein Bruder und Dr. Watson entführt wurden?", hakte Mycroft nach und Annabelle nickte.

,,Möglich ist es! Zwar kenne ich die beiden erst seit zwei Tagen, aber irgendwas sagt mir, dass Evelyn Recht hat. Und ich vertraue ihr! Sie täuscht sich selten und wenn sie sagt, dass die beiden möglicherweise in Gefahr schweben, dann wird es so sein."

Selten war ich meiner Cousine so dankbar gewesen, wie in diesem Augenblick. Sie glaubte mir und das bedeutete, sie würde mir auch helfen. Und sogar Mycroft schien nun nachdenklich zu sein, denn er grübelte und nach einem kurzen Augenblick, seufzte er.

,,Also, gut! Ich kehre in mein Anwesen zurück und werde meine Beziehungen spielen lassen. Und ihr beide versucht am besten, sie auf die altmodische Art und Weise zu finden. Immerhin stecken Dr. Watson und mein werter Bruder nicht zum ersten Mal in Schwierigkeiten. So sind wir immerhin schon geübt darin, ihnen den Hals zu retten."

,,Dann sollte ich dir wohl besser dein Hemd zurückgeben."

Und ich schaute nicht hin, als Annabelle sich direkt vor Mycroft dessen Hemd auszog und nun lediglich in Unterwäsche vor ihm stand, ehe sie es ihm zurückgab. Mycroft nahm es entgegen und zog es sich über, was Annabelle amüsiert beobachtete.

Warum?! Warum nur, war meine Cousine ausgerechnet Mycroft Holmes verfallen? Oder war es eher umgekehrt gewesen? Es war auf jeden Fall die näherliegende Theorie, da Mycroft mit Beziehungen oder romantischen Eskapaden genauso wenig am Hut hatte, wie Sherlock. Aber Annabelle war eben Annabelle und bisher hatte ihr noch kein Mann widerstehen können. Wieso sollte Mycroft also aus der Reihe tanzen?

,,Dann gehe ich jetzt besser. Wir sollten aber in Kontakt bleiben, falls ihr etwas findet.", sagte Mycroft und Annabelle grinste noch breiter.

,,Ist das ein Versuch, meine Handynummer zu ergattern?"

,,Nicht nötig. Miss Headley hat meine Nummer und ich ihre. Aber danke für das Angebot.", erwiderte Mycroft, ehe er sich aus dem Staub machte.

Annabelle huschte ins Badezimmer und kam dann angezogen wieder heraus, was mich aufatmen ließ. Dieser Tag würde mir ohnehin schon Kopfkino bescheren, wenn ich Annabelle und Mycroft künftig gegenüberstand...da musste ich meine Cousine nicht auch noch halbnackt vor der Nase stehen haben.
Als sie meinen angewiderten Gesichtsausdruck und meine angespannte Haltung bemerkte, kicherte Annabelle und schüttelte lachend den Kopf.

,,Evie, du solltest dringend etwas lockerer werden. Wobei...der Typ für flüchtige Affären warst du ja noch nie.", meinte sie und ich warf ihr einen missbilligenden Blick zu.

,,Es reicht ja auch, wenn Eine von uns leicht zu haben ist."

,,Hey! Ich hab eben nichts gegen ein bisschen Spaß. Und angesichts der vergangenen Nacht, Mycroft sicher auch nicht.", sagte sie und ich hob abwehrend die Hände.

,,Bitte, Annabelle! Keine Details!"

,,Dein Blick war jedenfalls göttlich. Und immerhin war es ja nicht Sherlock...sondern nur sein Bruder. Also kein Grund eifersüchtig zu sein.", neckte sie mich und ich verdrehte genervt die Augen.

,,Jetzt geht das wieder los."

,,Ja! Und es wird solange weitergehen, bis ich Blumen auf eurer Hochzeit streue.", brachte Annabelle amüsiert hervor und ich sah sie vielsagend an.

,,Da wirst du leider bis zum nächsten Leben warten müssen. Jetzt müssen wir Sherlock und John erstmal finden, bevor sie möglicherweise das Atmen einstellen. Also, komm. Gehen wir unsere Detektive retten!"

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