Eine schicksalshafte Begegnung

Eine schicksalshafte Begegnung

Sofort hatten wir uns auf den Weg zu Molly ins Barts gemacht, wo wir Drei uns nun im Labor befanden. Und während Sherlock die Schuhe genauestens unter die Lupe nahm und dabei hochkonzentriert wirkte, lehnte ich an der Wand und starrte an die Decke.

John hingegen, beobachtete Sherlock bei der Arbeit und ich konnte ihm die Ungeduld und Sorge ansehen. Auch er machte sich offenbar Sorgen um die vermisste Frau und natürlich auch um Sherlock. Denn, wer auch immer dieses Spiel spielte, der hatte Böses im Sinn und wollte unserem Meisterdetektiv womöglich an den Kragen.

Molly war vor ein paar Minuten verschwunden, um noch etwas zu erledigen und hatte uns allein im Labor zurückgelassen. Und heute war sie ziemlich cool drauf, fand zumindest ich. Sie war locker und mehr als fröhlich gewesen...regelrecht ausgelassen. Und das passierte ja eher selten. Schon gar nicht, wenn Sherlock mit ihr im selben Raum war.

Ich jedoch, war alles andere als fröhlich. Nachdenklich und äußerst alarmiert traf es viel eher, denn ich konnte einzig und allein an die arme Frau denken und zerbrach mir den Kopf darüber, wer zu so etwas Grausamen im Stande war.

,,Was glauben Sie, wer das war?", unterbrach John auf einmal die Stille und Sherlock sah vom Mikroskop auf. ,,Die Frau am Telefon...die weinende Frau."

,,Ach, die ist unwichtig. Sie ist nur eine Geisel. Die bringt uns nicht weiter.", sagte Sherlock kühl und riss mich damit aus meiner Starre.

,,Nur eine...Sherlock! Haben Sie denn gar kein Mitgefühl?"

Vorwurfsvoll sah ich ihn an, doch er widmete sich wieder voll und ganz dem Mikroskop und seinen Proben. Aber ich war nicht die Einzige, die sein Verhalten unmöglich fand.

,,Herrgott...das war nicht das, woran ich gedacht habe.", sagte John und Sherlock wirkte ein wenig genervt.

,,Sie hätten ihr nicht helfen können."

,,Hat...hat man denn schon versucht, den Anruf zurückzuverfolgen?", fragte John nun an mich gewandt, doch ehe ich antworten konnte, kam Sherlock mir zuvor.

,,Dafür ist er viel zu schlau! Geben Sie mir mein Telefon!"

Jenes hatte soeben einen Klingelton von sich gegeben und ich konnte nicht fassen, dass Sherlock diese ganze Situation so gleichgültig und kühl hinnahm. Er schien sich keinerlei Gedanken um die Frau oder sein eigenes Leben zu machen, was hier möglicherweise ebenfalls auf dem Spiel stand.
John brummte und sah kurz zu mir, als er unauffällig die Augen verdrehte, ehe er sich wieder an unseren Meisterdetektiv wandte.

,,Wo ist es?"

,,Jackett!", erwiderte Sherlock.

John sah ihn ungläubig an, denn besagtes Jackett trug Sherlock immerhin und war dem Handy ja somit eigentlich am Nächsten. Aber dennoch verlangte er von John, es ihm zu reichen und schließlich trat John an seine Seite, ehe er in die Innentasche griff.

,,Vorsicht!", ermahnte Sherlock John, als könnte dieser ihn durch seine bloße Berührung zerbrechen.

John richtete den Blick gen Zimmerdecke und holte schließlich das Handy raus. Weil Sherlock nach wie vor den Blick nicht von den Proben wandte, ergriff John die Initiative und las kurzer Hand vor, was das Handy zu melden hatte.

,,Nachricht von Ihrem Bruder."

,,Können Sie löschen.", ordnete Sherlock an und ich nickte anerkennend.

,,Richtig so, Sherlock. Immer gleich löschen und gar nicht erst lesen. Das zeigt von Hilfsbereitschaft!"

,,Löschen?", meinte auch John irritiert, doch Sherlock gab ihm bereits die Antwort.

,,Die Pläne sind längst außer Landes. Da können wir nichts tun."

,,Tja, Mycroft denkt offenbar doch. Er hat Ihnen eine SMS geschickt. Muss wichtig sein.", meinte John und endlich ließ Sherlock für einen Moment von seinen Proben ab.

,,Wieso sagt er dann seinen Zahnarzttermin nicht ab?"

,,Wie bitte?", entgegnete ich perplex und Sherlock sah mich vielsagend an.

,,SMS schickt er nur, wenn er nicht reden kann. Hören Sie, Andrew West stiehlt die Pläne, versucht sie zu verkaufen und bekommt dabei den Schädel eingeschlagen. Ende der Geschichte! Rätselhaft daran ist nur, wieso mein Bruder entschlossen ist, mich zu langweilen, wo doch jemand anderes gerade so herrlich interessant ist."

Ungläubig und perplex sahen John und ich Sherlock an, während ich für einen Moment nicht wusste, was ich sagen sollte. Doch dann kehrte meine Stimme zurück und ich hob eine Augenbraue.

,,Ihr Ernst, Sherlock?"

,,Aber ja.", sagte dieser und John seufzte.

,,Vergessen Sie nicht, dass eine Frau sterben könnte."

,,Warum nicht? Sterbende finden Sie auch in diesen Krankenhaus, Doctor. Wieso weinen Sie nicht mal an deren Betten und sehen, was es ihnen nützt?", gab Sherlock zurück und nun verfinsterte sich mein Blick.

,,Sherlock, bitte!"

,,Was? Das ist eine Tatsache. Kann ich jetzt weitermachen?"

,,Wenn Sie dann schweigen, ja.", sagte ich, doch da hatte sich Sherlock bereits wieder seinen Proben zugewandt.

John und ich tauschten einen genervten Blick und ich fragte mich, wie Sherlock eigentlich in den Spiegel sehen konnte. Aber er war eben so, auf seine eigene Art und Weise. Und das mussten John und ich, so ungern ich es auch zugab, eben einfach akzeptieren. Schließlich gab der Computer das erlösende Signal von sich und Sherlock schien sichtlich zufrieden.

,,Na, endlich!"

Als sich auf einmal die Tür öffnete, hoben wir die Köpfe und ich erkannte Molly, die wieder zurückgekehrt war und fröhlich in die Runde schaute.

,,Und, Glück gehabt?", fragte sie und Sherlock brachte sogar ein Lächeln zustande.

,,Oh, ja."

Mein Blick wanderte wieder zur Zimmerdecke. Diese Stimmungsschwankungen hielt man ja im Traum nicht aus. Ich hatte jedoch auch keine Zeit, mich weiter über das Verhalten von Sherlock zu ärgern, denn die Tür öffnete sich erneut und dieses Mal, betrat ein mir unbekannter junger Mann den Raum.

,,Oh, Entschuldigung...ich wusste nicht...", setzte er an, als er uns alle bemerkte, doch Molly empfing ihn freudig.

,,Jim, hi. Komm rein. Komm rein."

Er schloss die Tür und ich sah verblüfft zu Molly. Sie himmelte diesen jungen Mann ja regelrecht an und strahlte wie ein Honigkuchenpferd. Der Mann, welcher offensichtlich Jim hieß, näherte sich uns mit langsamen Schritten und Molly deutete vielsagend auf unseren Meisterdetektiv.

,,Jim, das ist Sherlock Holmes!"

,,Ah!", erwiderte er und lächelte höflich, wenn auch ziemlich verunsichert, während Molly schließlich auf John deutete.

,,Und...ähm...Entschuldigung..."

,,John Watson!", half John ihr auf die Sprünge und nickte Jim zu. ,,Hallo."

,,Hallo.", erwiderte Jim, ehe sein Blick auf einmal zu mir wanderte und er mich vielsagend ansah. ,,Und Sie müssen dann wohl Sergeant Evelyn Headley sein. Die Polizistin."

Etwas perplex schaute ich ihn an, denn es überraschte mich, dass er meinen Namen kannte. Gut, Sherlock und John waren in London ja schon glatt eine Berühmtheit, aber ich hielt mich ja nun wirklich immer im Hintergrund und konnte so eigentlich unmöglich Aufsehen erregen.

,,Ähm...ja, die bin ich."

,,Freut mich.", meinte Jim, ehe er zu Sherlock sah. ,,Sie sind also Sherlock Holmes. Molly hat mir alles über sie erzählt. Sind Sie an einem Fall dran?"

Sherlock antwortete natürlich nicht, sondern widmete seine ganze Aufmerksamkeit der Arbeit. Ich musterte Jim ein wenig irritiert, denn ich wüsste zu gerne, woher dieser Typ kam. Molly schien meinen verwirrten Blick aufzufangen, denn sie erleuchtete uns augenblicklich.

,,Jim arbeitet oben in der IT-Abteilung. So haben wir uns kennengelernt...eine Büroromanze.", erzählte sie stolz und ich warf ein höfliches Lächeln in den Raum.

,,Glückwunsch!", war meine Antwort, ehe ich viel mehr zu mir selbst sprach und murmelte ,,Faszinierend!"

Ich wusste nicht warum, aber ich hatte ein eigenartiges Gefühl bei Jim. Er schien mir ein bisschen ZU freundlich zu sein und sein Blick war die ganze Zeit auf Sherlock fixiert. Zuerst dachte ich mir nichts dabei, als Sherlock nun einen einzigen Blick auf Mollys Freund warf und lediglich ein Wort als Schlussfolgerung hervorbrachte.

,,Schwul!"

,,Wie bitte?", wandte Molly entsetzt ein und Sherlock korrigierte sich.

,,Nichts. Ähm...cool."

,,Hey!", entgegnete Jim, als er plötzlich etwas aus Versehen vom Tisch riss und sich augenblicklich danach bückte. ,,Entschuldigung!"

,,Ein bisschen durch den Wind, der Gute.", murmelte ich zu John, als ich mich ein wenig zu ihm lehnte und er zuckte mit den Schultern.

,,Naja, wenn man Sherlock gegenübersteht...da kann man schon einmal die Nerven verlieren."

Wo John Recht hatte, da hatte er eben Recht. Jim hob die Schale auf und stellte sie wieder auf den Tisch. Noch einmal entschuldigte er sich, ehe er sich an Molly wandte.

,,Ich geh dann mal wieder. Wir sehen uns dann im Fox. So gegen 6?", fragte er und sie nickte eifrig.

,,Ja!"

,,Auf Wiedersehen! Hat mich gefreut!", sagte Jim und ich hob eine Hand.

,,Wiedersehen, Jim."

Der Blick von Jim lag noch für einen Moment auf Sherlock, der sich jedoch nicht rührte und John ergriff schließlich die Initiative, als er auf Sherlock deutete und nett lächelte.

,,Ihn auch."

,,Bis dann.", rief Molly noch, ehe Jim die Tür schloss und verschwand.

Dann wanderten natürlich alle Blicke zu Sherlock, der sich jedoch nicht aus der Ruhe bringen ließ. Zwar fand ich Jim auch etwas skurril und verrückt, aber höflich konnte man doch wenigstens sein.

,,Schwul? Was soll das heißen? Wir sind zusammen.", brachte Molly schließlich hervor und Sherlock warf ihr einen prüfenden Blick zu.

,,Anscheinend bekommt Ihnen das häusliche Glück, Molly. Sie haben drei Pfund zugelegt."

,,2 ½!", widersprach sie augenblicklich, doch Sherlock fuhr bereits fort.

,,Eher 3!"

,,Sherlock!", ging John dazwischen und Molly war mal wieder völlig fertig mit den Nerven.

,,Er ist nicht schwul! Warum müssen Sie immer alles...er ist es nicht!"

,,Jemand, der so auf sein Äußeres Wert legt...", setzte Sherlock an, als John ihn unterbrach.

,,Er schmiert sich irgendwas in die Haare. Na, und? Ich schmier' mir auch irgendwas in die Haare."

,,Müssen wir das jetzt vertiefen?", entgegnete ich und konnte nicht glauben, was hier vor sich ging.

Diese Konversation nahm nun ja ganz neue Entwicklungen an und ich wollte ehrlich gesagt gar nicht so genau wissen, ob Jim nun schwul war oder nicht. Immerhin war es seine Sache und ich fand jetzt nicht, dass man da eine große Nummer draus machen musste. Nur sah Sherlock das ganz offenbar anders.

,,Sie waschen sich die Haare. Das ist was anderes. Nein! Gefärbte Augenbrauen...diese Nachtclubaugen und dann seine Unterwäsche.", sagte er an John gewandt und ich starrte Sherlock entgeistert an.

,,Wie bitte?"

,,Seine Unterwäsche?", kam es auch von Molly, woraufhin Sherlock natürlich sofort eine Erklärung an den Tag legte.

,,Über dem Hosenbund zu sehen...sehr deutlich. Ausgefallene Marke! Und dann noch der äußerst aufschlussreiche Umstand, dass er seine Nummer hier unter der Schale hinterlassen hat. Ich würde Ihnen raten gleich Schluss zu machen und sich den Schmerz zu ersparen."

,,Sherlock, das reicht jetzt!", ging ich dazwischen, doch da verließ Molly bereits fluchtartig den Raum und ich sah Sherlock vorwurfsvoll an. ,,Na, super! Eine Meisterleistung, Sherlock!"

,,Ganz reizend! Wirklich!", stimmte John mir zu, während Sherlock verständnislos dreinschaute.

,,Das spart ihr Zeit. Ist das nicht netter?"

,,Netter? Nein! Sherlock, das...war nicht nett.", widersprach John und ich schüttelte ungläubig den Kopf.

,,Ganz und gar nicht nett. Ich werde besser mal nach ihr sehen. Wir wollen ja nicht, dass Molly Ihretwegen wieder bittere Tränen vergießt."

Mit diesen Worten verließ ich das Labor und überließ es John, Sherlock weiter ins Gewissen zu reden. Ich hingegen, hielt Ausschau nach Molly und begab mich schließlich in die Pathologie, während ich das ungute Gefühl hatte, dass jemand mich beobachtete.

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