Eine geheimnisvolle Botschaft
Eine geheimnisvolle Botschaft
Als wir schließlich das Barts Hospital erreichten, stiegen John und ich aus dem Taxi und nachdem wir den Fahrer bezahlt hatten, betraten wir das Gebäude. Die ganze Fahrt über hatten wir nicht viel geredet, obwohl ich den Eindruck gehabt hatte, dass John so einige Fragen auf der Zunge gelegen hatten.
Warum er sie letztendlich nicht gestellt hatte, wusste ich natürlich nicht, aber ich hatte auch nicht nachgehakt. Denn ich mochte es eigentlich auch nicht wirklich, wenn man mir zu viele Fragen über mein Leben stellte, denn ich sprach wirklich nicht gerne drüber.
Aber jeder hatte schließlich so seine Macken und ich war, was das Thema anging, eben sehr empfindlich. Und deshalb war ich John eigentlich sehr dankbar, dass er Stillschweigen bewahrt hatte. Allerdings hatte ich mich offenbar zu früh gefreut, denn während wir durch die langen Gänge gingen, brach John auf einmal das Schweigen.
,,Lestrade sagte, Sie kommen aus Amerika. Darf ich fragen woher genau?", wollte er auf einmal wissen und ich sah ihn zögernd an, ehe ich kaum merklich seufzte.
,,Aus New York City! Ich habe dort beim FBI gearbeitet, bis ich mich entschieden habe, ein neues Leben anzufangen."
,,FBI? Wow, dann haben Sie sicher schon viel erlebt.", meinte John und ich nickte.
,,Ja! Es war schon eine aufregende Zeit."
,,Und warum sind Sie nach London gezogen?"
John und ich gingen die Treppe hoch, während er mich immer wieder abwartend musterte. Ich zuckte mit den Schultern und warf ihm einen vielsagenden Blick zu.
,,Es wurde Zeit für Veränderungen. Ich wollte mal etwas anderes sehen und London hat mich schon beim ersten Besuch an fasziniert."
John nickte und beließ es dabei. Wir gingen den Rest des Weges schweigend nebenher und ich war nun froh, dass John mitgekommen war. Denn allein hätte ich mich in den vielen Gängen des Barts Hospitals sicher nicht zurechtgefunden und John wusste ja glücklicherweise, wo sich die Pathologie von Molly Hooper befand.
Als wir schließlich bei der Pathologie ankamen, öffnete John eine Tür und ich entdeckte eine kleine zierliche Frau, die einen weißen Kittel trug und sich über eine Leiche gebeugt hatte. Es musste ohne Zweifel Molly Hooper sein!
,,Hallo, Molly!", begrüßte John die Pathologin und machte somit auf uns aufmerksam, woraufhin sie den Kopf hob und nett lächelte.
,,Oh, hallo..."
Sie machte ein nachdenkliches Gesicht und ich sah irritiert zu John, der sichtlich seufzte.
,,John Watson!"
,,Ach, ja...genau!", entgegnete Molly und wirkte ziemlich peinlich berührt, als ihr Blick auf einmal auf mich fiel. ,,Und wer sind Sie?"
,,Mein Name ist Evelyn Headley! Detektive Lestrade schickt mich. Ich soll mir Ihren Bericht über die Obduktion unseres Opfers anhören.", stellte ich mich vor und Molly nickte verständlich.
,,Ich bin Molly Hooper und habe die Obduktion selbst durchgeführt."
,,Und zu welchem Ergebnis sind Sie gekommen?", fragte ich, als Molly kurzer Hand zu einem anderen Tisch ging und das weiße Laken zurückzog, unter dem unser Opfer zum Vorschein kam.
,,Das Opfer hat eine Fraktur am Hinterkopf, die sehr wahrscheinlich von einem Schlag stammt. Ich schätze, sein Mörder hat ihm hart auf den Hinterkopf geschlagen, um ihn außer Gefecht zu setzen. Dabei muss das Opfer allerdings gestürzt sein und es kam zum Genickbruch, was letztendlich die Todesursache gewesen ist."
Während Molly ihren Bericht erklärte, erkannte ich, dass ich mit meiner Vermutung also gar nicht so falsch gelegen hatte. Der Stich ins Herz war also wirklich nicht die Todesursache gewesen.
,,Dann wurde er also nach Eintritt des Todes aufgespießt?", fragte John, als hätte er meine Gedanken gelesen und Molly nickte.
,,Ja! Wer auch immer den armen Kerl so zugerichtet hat...der Tod war ihm offenbar noch nicht genug."
,,Was es zu einem äußert interessanten Fall macht!", ertönte auf einmal eine Stimme und wir fuhren herum.
Im Türrahmen stand doch allen Ernstes Sherlock Holmes und musterte uns allesamt, als wären wir lediglich Schachfiguren auf einem großen Spielbrett. Er trug natürlich wieder den langen dunklen Mantel und seinen blauen Schal, wodurch er wieder einmal mächtig geheimnisvoll wirkte. Ich fragte mich, ob er dies beabsichtigte oder es ihm gar nicht bewusst war.
,,Brauchen Sie eigentlich immer den ganz großen Auftritt?", raunte ich ihm entgegen und Sherlock kam ein paar Schritte auf uns zu.
,,Er verschafft mir zumindest stets die vollkommene Aufmerksamkeit aller Anwesenden. Und Aufmerksamkeit ist wichtig, wenn wir zusammenarbeiten wollen."
,,Entschuldigung, aber wer hat bitte gesagt, dass ich mit Ihnen zusammenarbeite?", entgegnete ich und verschränkte die Arme vor der Brust, als Sherlock inne hielt und mich vielsagend ansah.
,,Lestrade! Er rief mich vorhin an und teilte mir mit, dass er kurzfristig zu einem anderen Fall gerufen wurde und er glaubt, Sie könnten meine Hilfe gebrauchen. Ich schätze, wir haben also das Vergnügen, diesen Fall gemeinsam aufzuklären. Obwohl ich eigentlich nicht gerne mit Amateuren zusammenarbeite."
,,Sherlock!", ermahnte John ihn, doch ich warf dem Detektiv einen tödlichen Blick zu.
,,Ich bin kein Amateur! Besser also, Sie achten auf Ihre Wortwahl und was den Fall angeht...Ihre Hilfe brauche ich ganz sicher nicht."
,,Sie bekommen sie dennoch!", sagte Sherlock nun und ich sah ihn fassungslos an.
Was bildete sich dieser Typ eigentlich ein? Zwar war ich ja schon vorher selbstbewussten und arroganten Machos begegnet, aber Sherlock Holmes übertraf die nun wirklich bei weitem. Jemand wie er war mir bisher noch nie untergekommen und ich wusste nicht, ob dies nun gut oder schlecht war.
,,Hab ich Sie sprachlos gemacht?", meinte er, doch ich ignorierte ihn und wandte mich stattdessen an Molly.
,,Wo waren wir, Miss Hooper?"
Molly, die Sherlock und mich gemeinsam mit John perplex beobachtet hatte, zuckte ein wenig zusammen, als ich ihren Namen aussprach und sie sah etwas unsicher zwischen mir und Sherlock her. Doch dann schüttelte sie kaum merklich den Kopf, ehe sie noch einmal auf das Opfer sah.
,,Ähm, ja...ich habe da noch etwas gefunden, was Sie interessieren dürfte."
Bevor ich fragen konnte, hob Molly bereits den rechten Arm des Opfers an und dort kam auf dem Unterarm nun ein Tattoo zum Vorschein.
,,Für immer und ewig!, las John vor und nickte anerkennend. ,,Sehr poetisch."
,,Das Tattoo ist noch nicht alt. Ich würde schätzen, dass es vor etwa 5 Wochen gestochen wurde.", erklärte Molly und Sherlock musterte sie ausdruckslos.
,,Nicht schlecht. Aber angesichts der Tatsache, dass es noch nicht vollkommen verheilt ist, würde ich eher auf 4 Wochen tippen."
Ich verdrehte leicht die Augen, denn was machte es nun schon, ob das Tattoo 4 oder 5 Wochen alt war? Molly hingegen, sah Sherlock unsicher an und wusste anscheinend nicht genau, was sie sagen sollte.
,,Okay!", sagte sie nur und Sherlock sah nun auf ihre Lippen.
,,Neuer Lippenstift, Molly?"
,,Ähm, ja...ich wollte etwas Neues ausprobieren."
,,Ich fand den anderen besser. Ihre Lippen wirken nun...etwas dünn.", sagte Sherlock, während er sich abwandte und Molly fuhr sich mit dem linken Zeigefinger kurz an ihre Lippen.
,,Okay!"
Sherlock warf nun selbst einen Blick auf das Tattoo des Opfers und ich schüttelte fassungslos den Kopf, während ich Molly ansah. Die war nun knallrot angelaufen und warf unsichere Blicke in Richtung Sherlock, als es mir dämmerte.
Das arme Ding war ohne Zweifel hoffnungslos in Sherlock verknallt und tat offenbar alles, um dessen Aufmerksamkeit zu gewinnen. Und Sherlock trat dies mit Füßen, obwohl er es mit ziemlich großer Sicherheit wusste. Zumindest konnte mir unser Meisterdetektiv nicht erzählen, dass es für ihn nicht offensichtlich war, dass Molly bis über beide Ohren in ihn verschossen war.
,,Was meinen Sie, Evelyn? Wie alt würden Sie das Tattoo schätzen?", raunte Sherlock mir auf einmal entgegen, während ich ihn nur vielsagend ansah.
,,Ich würde mich lieber darauf konzentrieren, was das Tattoo zu bedeuten hat und nicht darauf, wann es genau gestochen worden ist, Mr. Holmes."
,,Glauben Sie denn, das könnte wichtig für den Fall sein?"
John schaute etwas unsicher drein, doch ich nickte und deutete kurzer Hand auf die Inschrift vom Unterarm des Mannes.
,,Die meisten Menschen lassen sich Tattoos stechen, weil diese eine persönliche Bedeutung haben. Allerdings wundert es mich, dass unser Opfer überhaupt tätowiert ist. Auf mich macht er nicht gerade den Eindruck, als wäre er ein wilder Rebell gewesen, der ein Faible für Tattoos hatte."
Mit skeptischen Blicken betrachtete ich unser Opfer und überlegte, was das Tattoo für eine Bedeutung haben könnte. Für immer und ewig klang wahrhaftig poetisch und ich wollte gerade etwas anmerken, als Sherlock Holmes meine Gedanken gelesen zu haben schien.
,,Sie glauben, es betrifft nicht ihn sondern jemand anderen.", schlussfolgerte er und ich nickte.
,,So ist es! Zumindest wäre das für mich am logischsten. Wenn sich jemand diesen Schriftzug verewigen lässt, warum dann nicht für jemanden, der ihm wichtig ist?"
,,Interessant!"
Sherlock sah mich nachdenklich an, doch ich achtete nicht länger auf ihn. Aus seinen Blicken würde ich ohnehin nicht schlau werden und ich wollt nicht meine Zeit damit verschwenden, auf sein geheimnisvolles Gefasel einzugehen. John schien, auch wenn er es zu verbergen versuchte, ein wenig amüsiert zu sein und ich wüsste nur zu gerne, was er denn so amüsant fand.
,,Tja, ich mische mich nur ungern in eure höchst interessante Diskussion ein, aber sollten wir dann nicht vielleicht die Person finden, für die sich das Opfer offenbar einer Tätowiernadel unterworfen hat?", schlug John vor und ich stimmte ihm zu.
,,Ausgezeichnete Idee, John!"
,,Ja. Gehen wir."
Sherlock verließ den Raum und John folgte ihm natürlich. Ich wollte ihnen auch schon nach, als ich noch einmal innehielt und zu Molly sah, die nun wieder das Laken über die Leiche legte und haderte einen Moment mit mir, ehe ich sie schließlich doch ansprach.
,,Molly, darf ich Sie etwas fragen?"
,,Sicher.", erwiderte sie und sah mich erwartungsvoll an.
,,Warum machen Sie sich so viel Mühe, um Sherlock Holmes zu beeindrucken? Ich meine, Sie scheinen ein so netter und gütiger Mensch zu sein...so ein Idiot wie Sherlock hat Sie doch gar nicht verdient."
Molly sah mich perplex an, ehe sich ihr Blick in leichtes Entsetzen verwandelte.
,,Ist es denn so offensichtlich?", brachte sie unsicher hervor und ich zuckte mit den Schultern.
,,Nun, vielleicht nicht für jeden, aber für mich schon."
Ich warf Molly einen vielsagenden Blick zu und sie schaute leicht beschämt zur Seite. Sie tat mir irgendwie leid, denn unerwiderte Gefühle konnten ziemliche schmerzhaft und quälend sein. Und Molly war in meinen Augen eine gütige und liebenswerte Person, die so etwas ganz sicher nicht verdient hatte.
,,Keine Sorge, von mir erfährt es niemand.", sagte ich und Molly lächelte nun dankbar. ,,Und auch, wenn wir uns noch nicht richtig kennen, Molly...wenn Sie reden wollen, dann können Sie mich jederzeit anrufen."
,,Danke, Evelyn! Sie scheinen ein netter Mensch zu sein.", erwiderte Molly und ich lächelte leicht.
,,Vielleicht nicht der Netteste, aber auf jeden Fall netter als Sherlock Holmes."
Nun musste auch Molly lächeln, womit mein Ziel der Aufmunterung erreicht war. Molly war ohne Zweifel eine treue Seele und immerhin mussten Frauen ja immer zusammenhalten.
,,Dann gehe ich mal besser auf Mördersuche.", sagte ich, als Molly mich noch einmal zurückhielt.
,,Evelyn, bitte warten Sie. Ich hab da vielleicht etwas, das Ihnen bei der Suche helfen könnte."
Molly ging zu einer Tüte und holte etwas heraus, als sie zu mir zurückkam und mir kurzer Hand einen Gegenstand in die Hand drückte. Ich nahm ihn entgegen und betrachtete ihn.
,,Sieht aus wie eine Brosche. Was ist das für ein Symbol?"
,,Ich habe es in den persönlichen Sachen des Opfers gefunden. Es gehört zum Stadttheater von London. Vielleicht ist es ja ein Anhaltspunkt.", erklärte Molly und ich sah sie dankbar an.
,,Ja, das kann sein. Vielen Dank, Molly."
,,Gerne!"
Ich wandte mich ab und hatte die Tür fast erreicht, als ich noch einmal stehen blieb, mich umdrehte und Molly skeptisch ansah.
,,Warum geben Sie es mir? Sie hätten es auch Sherlock Holmes geben können.", fragte ich und Molly zuckte mit den Schultern.
,,Ich glaube, das ist Ihr Fall, Evelyn. Und wie Sie es schon sagten...Sie sind netter als Sherlock."
Molly lächelte und ich grinste in wenig. Dann nickte ich ihr noch einmal zu und verschwand schließlich aus der Pathologie. Molly hatte Recht! Das war mein Fall und ich würde den Mörder finden.
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