Die Last der Erinnerung

Die Last der Erinnerung

Ich schlug die Augen auf und hatte das Gefühl, von innen heraus zerschmettert zu sein. Ein Traum hatte mich heimgesucht, der mich erneut gezwungen hatte, den Tod von Sherlock zu durchleben. Und das war mindestens genauso schrecklich gewesen, wie die grausame Realität.
Auch nach 2 Jahren war es immer noch so schmerzhaft wie am ersten Tag und es schien nicht so, als würde es in nächster Zeit besser werden.

Der Tod von Sherlock würde mich wohl niemals ganz loslassen und ich fragte mich, warum es mich so sehr quälte. Sicher...wir waren Freunde gewesen und ich hatte auch etwas für ihn empfunden, allerdings konnte ich noch nicht richtig einordnen, was das für Gefühle waren, die ich auch trotz seines Todes noch verspürte, wenn ich an ihn dachte. Und jeden einzelnen Tag wünschte ich mir, wir wären noch rechtzeitig gekommen, um Sherlock zu retten.

Aber dieser Wunsch würde sich nie erfüllen und ich spürte mehr und mehr, dass es Zeit für Veränderungen war. Und mit diesem Entschluss begab ich mich ins Badezimmer, wo ich es kurzer Hand in die Tat umsetzte.
Denn, als ich gut 1,5 Stunden später einen Blick in den Spiegel warf, hatten sich meine dunkelroten Haare in die totale Finsternis verwandelt. Ich hatte sie pechschwarz gefärbt...wie sie es damals vor meinem Umzug nach London gewesen waren.
Es war ungewohnt, diese Farbe auf meinem Kopf zu haben und der Anblick wirkte fast so, als wäre ich meinem alten Ich wieder ein Stück näher gekommen, aber es gab mir auch das Gefühl, dass es ein Schritt nach vorne war und das war genau das, was ich jetzt brauchte.

Ich begab mich ins Wohnzimmer und schaltete den Fernseher an, ehe ich mir eine Tasse Tee holte. Und als ich zurückkam, erregten die Nachrichten des frühen Morgens meine Aufmerksamkeit, denn die Presse sprach gerade von dem Ereignis, was uns vor 2 Jahren alle in Grund und Boden erschüttert hatte.

Es stellte sich nach intensiven Ermittlungen der Polizei heraus, dass Richard Brook tatsächlich niemand anderes als James Moriarty war. Durch nie veröffentlichte Szenen vor Gericht wurde offenkundig, dass man den Detektiv, der vor zwei Jahren zur Berühmtheit wurde, zu Unrecht des Betrugs und der Verleugnung beschuldigt hatte. Seine Rehabilitierung rettet nur seine Ehre, nicht sein Leben. Sherlock Holmes stürzte sich vom Dach des Londoner Barts Hospitals in den Tod.

Ich stellte den Fernseher wieder aus und fühlte mich, als hätte man mich wieder in die Zeit vor zwei Jahren zurück katapultiert. Wie lange sollte es eigentlich noch so weitergehen? Es hieß ja, dass Zeit angeblich alle Wunden heilen würde, aber so langsam verlor ich den Glauben an dieses Sprichwort. Und das Schlimmste an diesem Bericht eben war, dass es die Wahrheit gewesen war. Die Rehabilitierung rettete nur die Ehre von Sherlock, doch keineswegs sein Leben. Und dies war wohl mit das Schmerzhafteste, was uns jeder einzelne Bericht über seinen Selbstmord wieder ins Gedächtnis rief.

Das Klopfen an meiner Haustür lies mich zusammenzucken und ich stellte meinen Tee beiseite, ehe ich mich verwundert zur Tür begab, um sie zu öffnen. Und als ich das tat, staunte ich nicht schlecht, wer mich da unerwartet am frühen Morgen besuchte.

,,John?", brachte ich verdutzt hervor und er schenkte mir ein kaum merkliches Lächeln.

,,Hallo, Evelyn!"

Ich konnte kaum glauben, dass er wahrhaftig vor mir stand, denn ich hatte ihn das letzte Mal vor gut 3 Monaten gesehen und er hatte sich etwas verändert. Denn ein Bart zierte die Fläche zwischen seiner Nase und der Oberlippe, was ein ziemlich ungewohnter Anblick war und auch John hatte seine einstige Lebensfreude fast vollständig verloren, womit es ihm wie mir ging.

,,Tut mir leid, dass ich dich so überfalle. Ich wollte nur...", setzte er an und holte mich damit zurück in die Wirklichkeit, woraufhin ich abwinkte.

,,Schon in Ordnung. Komm doch rein."

Ich ließ ihn eintreten und schloss die Tür hinter ihm. Gemeinsam begaben wir uns in die Küche und ich machte John eine Tasse Tee, ehe wir uns an den Tisch setzten. Die ersten Minuten waren von Schweigen erfüllt, denn offenbar wusste keiner von uns beiden so richtig, was er sagen sollte. Das war ja auch kein Wunder, da wir uns die meiste Zeit aus dem Weg gegangen waren und nun saßen wir uns urplötzlich wieder direkt gegenüber. Das war nicht nur eine ziemlich verzwickte Situation, sondern auch ein mehr als komisches Gefühl.

,,Ähm...es...es ist schön, dich zu sehen, Evelyn.", brachte John schließlich hervor und ich rang mich zu einem Lächeln durch.

,,Es ist auch schön, dich wiederzusehen, John."

,,Ja...ich war vor ein paar Tagen schon einmal hier, aber du warst nicht zu Hause und da dachte ich, ich versuche nochmal mein Glück. Hast du gar keinen Fall?"

,,Hätte ich wahrscheinlich...wenn Greg mich nicht rausgeworfen hätte.", meinte ich und John sah mich perplex an.

,,Er hat was?"

,,Naja, er hat mich zu Zwangsurlaub verdonnert. Er sagt, ich brauche eine Auszeit, weil ich außer Kontrolle geraten bin.", erklärte ich, woraufhin John nickte.

,,Verstehe! Du hast in letzter Zeit ja auch ziemlich viele Fälle gelöst. Zumindest, wenn man der Presse Glauben schenkt."

,,Irgendjemand muss sich ja um die Kriminellen kümmern. Die machen leider niemals Urlaub."

Erneut schwiegen wir für ein paar Minuten und diese Situation machte mich irgendwie total verrückt, denn sie verunsicherte mich zutiefst. Früher hatten John und ich total locker miteinander reden können, denn wir waren fast zu so etwas wie Bruder und Schwester geworden, aber nun waren wir beide total angespannt. Und ich beschloss, zumindest zu versuchen, die Stimmung etwas aufzulockern.

,,Netter Bart übrigens. Ist das jetzt die neueste Mode?"

,,Nun...es ist nur ein Versuch. Ich wollte mal was Neues ausprobieren.", entgegnete John und nickte vielsagend.

,,Ah...steht...dir wirklich gut."

,,Ehrlich?", hakte John nach, doch ich schüttelte den Kopf.

,,Nein! Aber...ich werde mich schon an diesen Anblick gewöhnen. Es muss schließlich dir gefallen und nicht mir."

,,Stimmt. Deine Haare sind schwarz.", stellte er dann fest und ich strich sie mir zurück, während ich mit den Schultern zuckte.

,,Ich dachte, es ist Zeit für Veränderungen. Und schwarz ist eben das neue Rot...wenn man so will."

John lächelte ein wenig und ich entspannte mich etwas. Es würde wohl noch ein wenig dauern, bis wir wieder so unbeschwert miteinander reden konnten, wie wir es damals getan hatten, aber ich hatte das Gefühl, dass dies schon einmal ein Anfang war. Und schließlich sah John mich entschlossen an und ließ eine Bombe platzen.

,,Ich werde Mary einen Heiratsantrag machen!", sagte er und ich starrte ihn sprachlos an, ehe ich meine Stimme wiederfand.

,,Wow...John...das...das ist..."

,,Zu voreilig?", entgegnete er und klang verunsichert, weshalb ich sofort abwinkte.

,,Nein...nein...es kommt nur sehr...überraschend. Ich meine, wir haben uns lange nicht gesehen und dann ist das eine ziemliche Überraschung."

,,Ich weiß. Aber ich wollte es dir zuerst erzählen.", erwiderte John und brachte mich etwas zum Lächeln.

,,Danke, John. Ich freue mich für dich und ich drücke dir auf jeden Fall die Daumen. Mary und du...ihr seid geschaffen füreinander und ich wünsche euch alles Glück der Welt."

,,Vielen Dank, Evelyn. Wo wir gerade davon sprechen...wie geht es eigentlich Ezra?", fragte John und ich lehnte mich zurück.

,,Oh, es geht ihm gut. Ich habe gestern Abend noch mit ihm telefoniert. Er kommt heute Abend wieder zurück."

,,Das freut mich.", setzte John an und zögerte dann, ehe er fortfuhr und mich unsicher ansah. ,,Ähm...ehrlich gesagt habe ich noch eine Frage an dich."

,,Welche denn?"

,,Ich wollte heute mal bei Mrs. Hudson vorbeischauen und habe mich gefragt, ob du nicht vielleicht mitkommen möchtest. Denn ich finde, es ist an der Zeit, dass wir...zurückkehren. Naja, wenn du weißt, was ich meine."

Und ob ich wusste, was John meinte. Er sprach von einer Rückkehr an den Ort, den wir beide seit dem schicksalshaften Tag gemieden hatten: eine Rückkehr in die Baker Street!
Ich musste zugeben, dass es ziemlich viel auf einmal war, was ich zu verdauen hatte. Zuerst offenbarte John mir, dass er einen Heiratsantrag plante und nun wollte er auch noch dorthin zurückkehren, wo uns so ziemlich alles an unsere gemeinsame Zeit mit Sherlock erinnerte. Und obwohl ich mich bei diesem Gedanken mächtig unwohl fühlte, musste ich zugeben, dass John irgendwie Recht hatte. Es war an der Zeit, dass wir die Vergangenheit hinter uns ließen und das konnten wir nur, wenn wir uns ihr stellten und sie abschlossen.

,,Ähm...ja, warum eigentlich nicht? Mrs. Hudson wird sich sicher freuen. Ich habe erst letztens mit ihr telefoniert, weil sie sich mal wieder mit mir treffen wollte.", sagte ich schließlich und John nickte zustimmend.

,,Okay! Ich hatte gehofft, dass du das sagst. Alleine hätte ich nicht gehen wollen."

                            ***

Eine Stunde später hatten wir unseren Entschluss bereits in Angriff genommen und als wir aus dem Taxi stiegen, sahen wir sie vor uns: 221b Baker Street!
Ich starrte auf die Tür und für einen Moment dachte ich daran, dass Sherlock jeden Augenblick herauskommen könnte, um sich in einen neuen Fall zu stürzen. Aber John holte mich in die Wirklichkeit zurück, als er mit zögerlichen Schritten auf die Tür zuging und sie kurzer Hand öffnete. Auch nach zwei Jahren hatte er noch einen Schlüssel und als wir das Treppenhaus betraten, konnte ich schon fast die Stimme von Sherlock hören, die stets von oben aus der Wohnung zu hören gewesen war.

Ich unterdrückte den Anflug von Tränen, der mich drohte zu überkommen und da öffnete sich auf einmal die Tür schräg gegenüber. Mrs. Hudson, die sich nicht verändert zu haben schien, kam aus ihrer Wohnung staunte nicht schlecht, als sie John und mich im Hausflur stehen sah.

,,Evelyn! John!", brachte sie hervor und während John lediglich eine Hand zur Begrüßung erhob, schenkte ich Mrs Hudson ein mattes Lächeln.

,,Hallo, Mrs. Hudson!"

Wenige Minuten später fanden wir uns in der Küche von Mrs. Hudson wieder und ich musste schon sagen, sie machte sich keine Mühe, um ihre Enttäuschung zu verbergen. Die galt jedoch nicht mir, denn mich hatte die ehemalige Vermieterin von Sherlock und John mit einer Umarmung herzlich in Empfang genommen. John hingegen, hatte sie kaum eines Blickes gewürdigt und es stand außer Frage, dass dies daran lag, dass er sich in den vergangenen zwei Jahren nicht ein einziges Mal bei ihr gemeldet hatte.

Zwar hatte ich John verstehen können, dass er alles und jeden gemieden hatte, was ihn an Sherlock erinnerte, aber mir war es doch nicht anders gegangen. Und trotzdem hatte ich mich hin und wieder zumindest erkundigt, wie es Mrs. Hudson ging. Denn wir alle hatten doch etwas gemeinsam: wir vermissten Sherlock!

Nun knallte Mrs. Hudson Teekanne, Tassen und ein Teller mit Gebäck auf den Tisch, während John und ich sie dabei schweigsam beobachteten. Mir schenkte Mrs. Hudson schließlich ein Lächeln, ehe sie mir Tee einschenkte.

,,Es ist schön, Sie wiederzusehen, Liebes. Ihre neuen Haare gefallen mir, obwohl Ihnen rot auch ganz gut gestanden hat.", sagte sie und ich warf ihr einen freundlichen Blick zu.

,,Danke, Mrs. Hudson!"

Sie warf 2 Stücken Zucker in meine Teetasse und wollte es bei John ebenfalls tun, ehe sie innehielt und ihn zweifelhaft ansah.

,,Oh, kein Zucker, oder?", setzte sie an und als John kaum merklich den Kopf schüttelte, sah sie ihn vielsagend an. ,,Man vergisst solche Kleinigkeiten. Viele solcher Kleinigkeiten vergisst man...wie es scheint."

John nickte kaum merklich und ich sah unsicher zwischen ihm und Mrs, Hudson her. Im Grunde war Mrs. Hudson ein herzensguter Mensch, aber ich konnte ihre Enttäuschung verstehen. Für sie war es sicher auch nicht leicht gewesen...so allein hier in dem Haus und dann all die Erinnerungen an Sherlock, die sowohl ein Segen, als auch eine Last für uns alle waren.

,,Ich weiß nicht so recht...", meinte Mrs. Hudson und deutete auf den Bart von John. ,,Der...macht Sie älter."

,,Ist nur ein Versuch.", meinte John und sie zuckte mit den Schultern.

,,Er macht Sie jedenfalls älter."

Erneutes Schweigen lag im Raum und ich wusste, dass ich noch wahnsinnig werden würde, wenn das heute den ganzen Tag so weiterging. Aber zum Glück schien John das ebenfalls so zu sehen, denn endlich bekam er mal den Mund auf.

,,Hören Sie...", begann er, wurde aber gleich von Mrs. Hudson unterbrochen.

,,Ich bin nicht Ihre Mutter...ich habe kein Recht, das zu erwarten, aber...bloß ein Anruf, John...nur ein Anruf hätte gereicht."

,,Ich weiß!", gab er zu und Mrs, Hudson setzte sich schließlich zu uns.

,,Nach allem, was wir durchgestanden haben."

,,Ja...es tut mir leid.", gab John zu und ich konnte ihm den Schmerz regelrecht ansehen und der Blick von Mrs. Hudson wurde sanfter.

,,Hören Sie, ich verstehe...wie schwer es für Sie war, nach dem...", setzte sie an, sprach es aber nicht aus, ehe sie auf mich deutete. ,,Aber das war für Evelyn auch nicht leicht...für keinen von uns."

,,Ich weiß! Ich hab's schweifen lassen, Mrs. Hudson...alles schweifen lassen. Und es wurde immer schwerer, zum Telefon zu greifen...irgendwie. Wissen Sie, was ich meine?"

John sah Mrs, Hudson fragend an und diese legte ihm als Zeichen der Geste eine Hand auf den Arm, während sie seufzte. Sie musste nichts sagen, denn wir wussten schon, was sie zum Ausdruck bringen wollte und schließlich sah sie mich an.

,,Wie geht es Ihnen, Evelyn? Was macht Ihr...Freund?"

,,Oh, Ezra... geht's gut. Er kommt heute Abend von seiner Geschäftsreise zurück.", erwiderte ich und sie hob eine Augenbraue.

,,Das freut mich. Und Ihnen? Wie...geht es Ihnen?"

Nun lag auch der Blick von John auf mir und ich fühlte mich ziemlich erdrückt deswegen. Es war für mich noch nie leicht gewesen über solche Dinge zu sprechen und John hatte durchaus Recht mit seiner Aussage. Je mehr Zeit verging...desto schwieriger wurde es.

,,Es geht mir gut, Mrs. Hudson...wirklich.", sagte ich, ehe mein Blick auf den Tisch fiel. ,,Es ist nur...alles nicht so einfach."

Ich starrte vor mich hin, als Mrs. Hudson ihre Hand nun auf meine Rechte legte und mich mitfühlend ansah. Und obwohl sie zuversichtlich zu sein schien, konnte sie ihre eigene Trauer nicht vollständig verbergen.

,,Ich weiß, Liebes...aber es wird besser werden.

                          ***

Nachdem wir uns noch ein wenig unterhalten hatten, beschlossen wir schließlich, uns wahrhaftig der Vergangenheit zu stellen. Und dies führte dazu, dass wir uns alle nun gemeinsam in die ehemalige Wohnung von John und Sherlock begaben. Zuerst hatte ich ja gedacht, dass Mrs, Hudson sie hätte leeräumen lassen, aber als wir die Wohnung betraten, erwartete mich ein vertrauter Anblick, denn es war alles noch genauso, wie ich es zuletzt in Erinnerung hatte.

,,Es ist noch genau wie damals.", stellte ich fest und Mrs. Hudson nickte, während sie mich traurig ansah.

,,Ja...ich hab's nicht übers Herz gebracht, es neu zu vermieten."

Ich konnte mich kaum rühren und während John sich umsah, zog Mrs, Hudson die Vorhänge auf, wodurch eine mächtige Staubwolke aufwirbelte. Die Zeit hatte eindeutig ihre Spuren hinterlassen...bei der Wohnung und uns Dreien.

,,Er wollte ja nie, dass ich Staub wische.", brachte Mrs, Hudson hustend hervor und John stimmte ihr zu.

,,Nein...ich weiß."

,,Und warum jetzt? Was hat Sie umgestimmt?", wollte Mrs. Hudson wissen und ich sah John vielsagend an, der unsicher zu mir sah und ich nickte ermutigend.

,,Tja, es...gibt Neuigkeiten."

,,Oh, Gott...ist es was Ernstes?", brachte Mrs. Hudson bestürzt hervor und John sah sie irritiert an, ehe er abwinkte.

,,Was? Nein! Ich bin nicht krank. Ich wage nur..einen neuen Schritt."

,,Ach...Sie wandern aus.", war die nächste Theorie von Mrs, Hudson und ich konnte mir ein Grinsen angesichts John Blickes einfach nicht verkneifen.

,,Timbuktu soll sehr schön sein, John."

,,Sehr witzig, Evelyn.", raunte er mir entgegen. ,,Nein...ich habe...jemand kennengelernt."

,,Wie schön!", brachte Mrs. Hudson erfreut hervor und strahlte dabei fast wie ein Honigkuchenpferd und John lächelte kaum merklich.

,,Ja! Wir werden heiraten. Zumindest, werde ich einen Antrag machen."

,,So kurz nach Sherlock!"

Ja, Mrs. Hudson hatte, ob nur aus Spaß oder wirklichen Glaubens, schon seit Ewigkeiten die Theorie, dass Sherlock und John mehr gewesen waren, als nur Mitbewohner und Freunde. Ich für meinen Teil, hatte es immer ziemlich amüsant gefunden, wenn sie solche Äußerungen gemacht hatte, aber John brachte es immer noch sofort auf die Palme und das machte es gleich noch viel witziger.

,,Wie heißt der Zukünftige?", wollte Mrs. Hudson wissen und John atmete tief ein, ehe er antwortete.

,,Es ist eine Frau!"

,,Eine Frau?", wiederholte sie und John stöhnte genervt.

,,Ja, natürlich ist es eine Frau."

,,Welche Überraschung, John! Immer gut, etwas Neues auszuprobieren.", warf ich trocken in den Raum und wenn Blicke töten könnten, dann hätte John mich sicher auf der Stelle erledigt, aber Mrs. Hudson war voll und ganz auf meiner Seite.

,,Dann wagen Sie wirklich einen neuen Schritt."

,,Mrs. Hudson, wie oft muss ich noch...", setzte John an und sein Blick war schon regelrecht verzweifelt. ,,Sherlock und ich hatten nichts miteinander."

,,Leben und leben lassen! Das ist mein Motto!", erwiderte sie ungerührt und John flippte schon fast ein wenig aus.

,,Jetzt hören Sie mal zu: ich bin NICHT schwul!"

,,Kein Grund ausfallend zu werden, John! Ist doch nichts dabei.", neckte ich ihn und erntete feindselige Blicke.

,,Halt die Klappe, Evie!"

Wow! Es war lange her, dass ich meinen Spitznamen vernommen hatte und es war ein komisches Gefühl. Wie diese ganze Situation hier. Wir Drei standen in der Wohnung und machten diese Scherze, obwohl wir doch im Grunde gerade hier vollkommen niedergeschlagen und verzweifelt wirken sollten. War es falsch, dass wir gerade hier einen Moment der Unbeschwertheit teilten? Obwohl es wahrscheinlich vollkommener Unsinn war...so fühlte ich mich irgendwie schuldig und schaute vielsagend drein, als Mrs. Hudson mir die Worte aus dem Mund nahm.

,,So etwas in der Art hätte Sherlock jetzt sicher auch gesagt."

,,Ja! Oder er hätte uns alle hochkant rausgeworfen, damit er in Ruhe denken kann.", stimmte ich zu und sah John auf einmal etwas amüsiert an. ,,Weißt du noch, als er wie ein Wahnsinniger auf die Wand geschossen hat, weil ihm langweilig war?"

,,Oh, ja! Und wie du ihn deswegen für vollkommen verrückt erklärt hast. Eure erste Begegnung werde ich niemals vergessen. Als Sherlock und ich zu Hause waren, da hat er sich pausenlos über dich aufgeregt und gemeint, dass ihm noch nie so eine vorlaute Frau wie du begegnet wäre. So hatte ich ihn noch nie zuvor erlebt und das hat mich irgendwie überrascht."

,,Weil Sherlock mich für meinen Sarkasmus verflucht hat?", meinte ich, doch er schüttelte kaum merklich den Kopf.

,,Weil er dir trotz allem, von Anfang an ganz offenbar vertraut hat. Zwar hat er das nicht gesagt, aber ich konnte es ihm ansehen. Denn Sherlock regt sich nur über Menschen auf, die ihn auch irgendwie faszinieren. Und am meisten hat ihn glaube ich fasziniert, dass er dich nicht durchschauen konnte. Deshalb meinte er wohl, dass dich das außergewöhnlich macht. Wahrscheinlich, weil das nur sehr selten vorkommt, dass er jemanden nicht durchschauen kann."

Ich sah John an und wusste gar nicht, was ich darauf erwidern sollte. Das hatte er mir niemals zuvor gesagt und es war irgendwie unglaublich, so etwas zu hören. Zwar war mir bewusst gewesen, dass Sherlock mich für ein Rätsel hielt, aber ich hätte niemals angenommen, dass mich dies in seinen Augen außergewöhnlich machen würde. Und obwohl John davon überzeugt zu sein schien, so nahm ich seine Aussage nicht allzu ernst. Niemand hatte je sagen können, was in Sherlock vor sich ging und wir hatten immer nur Vermutungen diesbezüglich äußern können.
John und Mrs. Hudson schwiegen ebenfalls und in diesem Moment holte uns alle die Last der Erinnerungen wieder ein. Und während wir alle in der Wohnung standen und niemand mehr wusste, was er noch sagen sollte, stellte ich mir nur eine Frage:

Würde es wirklich jemals besser werden?

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