Die Gebrüder Holmes
Die Gebrüder Holmes
Erschüttert starrte ich auf Sarah Torey und rührte mich keinen Millimeter, ebenso wie David. Ich würde nicht springen...niemals! Aber ich durfte Sarah auch auf keinen Fall unterschätzen, denn einen Mord hatte sie bereits begangen. Und sie würde sicher auch nicht zögern, noch Zwei draufzulegen.
,,Miss Torey...legen Sie die Waffe weg.", erklang auf einmal eine Stimme und als Sarah sich umdrehte, staunte ich nicht schlecht.
Dort stand doch allen Ernstes dieser mysteriöse Erzfeind von Sherlock und näherte sich mit langsamen Schritten. Doch das machte ihn augenblicklich zur neuen Zielscheibe, denn Sarah richtete meine Waffe auf ihn.
,,Stehen bleiben!"
Sofort blieb der Mann stehen und hob die Hände, während er Sarah ruhig ansah. Natürlich ahnte ich, dass er die Situation entschärfen wollte und ich war erleichtert, dass er aufgetaucht war. Auch, wenn es mir ein Rätsel war, wie er uns gefunden hatte und so schnell hier sein konnte.
,,Sarah, Sie sollten das Ganze nicht schlimmer machen, als es ohnehin schon ist. Einen Mord haben Sie schon auf Ihrem Konto...wollen Sie wirklich noch Zwei hinzufügen?"
,,Wenn Sie nicht augenblicklich die Klappe halten, sind aller guten Dinge drei.", entgegnete Sarah und die Situation drohte langsam aber sicher zu eskalieren.
Der Mann sah etwas angespannt zu David und mir und obwohl ich ihm bei unserer ersten Begegnung wahrlich misstraut hatte, so sah es dieses Mal anders aus. Ich verstand, was er mir sagen wollte und gab David ein stummes Zeichen, dass wir uns vom Rande des Daches entfernen sollten. Glücklicherweise verstand er mich ohne Worte und nickte, ehe er sich langsam in Bewegung setzte. Allerdings hatten wir die Rechnung ohne unsere durchgeknallte Kidnapperin gemacht, denn diese fuhr herum und richtete die Waffe wieder auf uns.
,,Ihr geht nirgendwo hin!"
Augenblicklich erstarrten David und ich aufs Neue, während Sarah uns mit der Waffe in Schach hielt. Ich hoffte inständig, dass die ganze Sache noch gut ausgehen würde, aber im Moment sah es ziemlich düster für uns aus. Doch Sherlocks Erzfeind hatte offenbar viel Geduld, denn er begann wieder, auf Sarah einzureden.
,,Sarah, seien Sie vernünftig und geben Sie mir die Waffe. Sie wollen das nicht tun.", sagte er und Sarah fauchte.
,,Sie wissen nicht, was ich will und was nicht."
,,Mag sein, aber zwei weitere Menschen zu ermorden, das bringt Sie nicht weiter. Wir haben Beweise dafür, dass Sie Richard ermordet haben und dafür wandern Sie bereits für sehr lange Zeit ins Gefängnis. Wenn Sie diese beiden jetzt auch noch töten, dann werden sie die Freiheit nie wieder erleben.", erklärte der Mann und obwohl es unangebracht war, zerbrach ich mir den Kopf, wer dieser Typ sein konnte.
Seine Art und Weise kam mir so bekannt vor und auch seine Art zu reden. Aber mir wollte einfach nicht in den Sinn kommen, woher. Sarah verdrehte nun genervt die Augen und wandte sich dem Mann zu, ohne jedoch die Waffe von uns zu wenden.
,,Wer sind Sie? Mein Anwalt?"
,,Nein!", setzte er an und sah vielsagend zu mir. ,,Ich bin der mysteriöse Erzfeind!"
Kaum, dass er diese Worte ausgesprochen hatte, tauchte auf einmal eine ganze Horde von Polizisten auf und richteten ihre Waffe auf Sarah. Diese erstarrte und sah auf die Polizisten, die bereits in Angriffsposition gingen.
,,WAFFE RUNTER !", brüllten sie Sarah an, doch diese rührte sich nicht und ihr Blick verfinsterte sich, als sie zu dem sogenannten Erzfeind blickte.
,,Ich gehe garantiert nicht in den Knast. Eher sterbe ich. Und wenn ich sterbe,", sie drehte sich zu David und mir um und lud die Waffe durch. ,,dann sterben die Zwei mit mir!"
Was danach passierte, ging rasend schnell.
Sarah drückte ab und ich wartete bereits darauf, dass mich die tödliche Kugel meiner eigenen Dienstwaffe treffen würde. Doch stattdessen, warf sich auf einmal von der Seite jemand auf mich und ich wurde zu Boden gerissen. Der Schuss ging ins Leere und als ich aufsah, wurde Sarah bereits von den Polizisten überwältigt.
,,AUF DEN BODEN!", riefen sie und setzten Sarah kurzer Hand außer Gefecht.
Mein Blick wanderte nun neben mich und mir fiel fast die Kinnlade runter. Niemand anders als Sherlock Holmes persönlich, hatte mich aus der Schusslinie gebracht und nun stand er wieder auf, ehe er mir kurzer Hand seine rechte Hand reichte und mich auf die Beine zog.
,,Wie kommen Sie denn hierher?", brachte ich perplex hervor und er sah mich ein wenig irritiert an.
,,Ist das alles, was Ihnen dazu einfällt? Ich habe Ihnen gerade das Leben gerettet. Ein Dankeschön wäre angebracht, finden Sie nicht?"
,,Vielen Dank und jetzt: woher wussten Sie, wo ich war?", gab ich zurück und Sherlock seufzte.
,,Ich habe so meine Methoden."
,,Du wolltest wohl eher sagen, meine Überwachungsmöglichkeiten.", ertönte auf einmal die Stimme des Erzfeindes, der mittlerweile auch zu uns gestoßen war.
,,Ihre was?"
Entgeistert sah ich den Mann an und dieser musterte mich vielsagend, ehe sein Blick zu Sherlock schweifte. Der wirkte nun ziemlich genervt und hatte seine Händen in den Taschen seines Mantels verborgen, wodurch er natürlich wieder mächtig geheimnisvoll wirkte.
,,Du übertreibst, Mycroft!", sagte er und sein Erzfeind verschränkte augenblicklich die Arme vor der Brust.
,,Ach, tue ich das? Ohne mich hättest du sie niemals so schnell gefunden und die Kavallerie wäre niemals so schnell hier gewesen. Ich bin der Schlaue von uns beiden, schon vergessen?"
,,Nein! Wie denn auch? Du erwähnst es bei jeder einzigen Gelegenheit, Brüderchen.", entgegnete Sherlock genervt und nun klappte mir wirklich die Kinnlade runter.
,,Brüderchen?"
Entgeistert sah ich zwischen den beiden hin und her und auf einmal ertönte eine weitere bekannte Stimme, denn Sherlock hatte offenbar nicht nur seinen Bruder, sondern auch Dr. John Watson im Gepäck.
,,Darf ich vorstellen: die Gebrüder-Holmes!", sagte er und klopfte dann David auf die Schulter. ,,Sie scheinen mit einem Schrecken davongekommen zu sein, David. Am besten gehen Sie nach Hause und ruhen sich aus."
,,Danke, Dr. Watson!", erwiderte David und verschwand kurzer Hand, während Mycroft ein wenig schnaubte.
,,Und wir bekommen kein Dankeschön für unser Einschreiten. Ist ja mal wieder typisch. Immer diese Menschen!"
,,Okay...könnt ihr das vielleicht nochmal erklären? Er ist also demnach überhaupt nicht Ihr Erzfeind, sondern Ihr Bruder?", sagte ich an Sherlock gewandt und dieser warf Mycroft einen missbilligenden Blick zu.
,,Bedauerlicherweise!"
,,Das ist echt..."
Mir fehlten die Worte und ich versuchte gar nicht erst, den Satz zu vollenden. Während Sherlock und Mycroft sich schließlich ein paar Schritte entfernten und miteinander sprachen, gesellte sich John zu mir und tätschelte mir den rechten Arm.
,,Machen Sie sich nichts draus, Evelyn. Mit mir haben sie das auch abgezogen."
,,Warum hat Sherlock nicht gesagt, dass dieser Mycroft sein Bruder ist?", brachte ich hervor und John zuckte mit den Schultern.
,,Sherlock spricht nie von seiner Familie. Vielleicht wollte er Ihnen auch nur die Überraschung nicht verderben. Die beiden stehen sich auch nicht sonderlich nah, aber wenn es drauf ankommt, dann halten sie zusammen. Echte Brüder eben!"
Ich nickte stumm und fuhr mir durch meine langen Haare. Dieser Tag hatte mich eindeutig geschafft und Sherlock Holmes hatte eine Menge dazu beigetragen. Ich wusste auch gar nicht mehr, wo mir der Kopf stand. Nur eine Sache war mir jetzt schon klar: mein neues Leben hier in London würde ganz sicher nicht langweilig werden! Zumindest nicht, solange ich Sherlock Holmes als Partner bei Ermittlungen dabei hatte.
,,Sie wirken etwas geschafft!", stellte jener soeben fest, denn Sherlock war zu John und mir zurückgekehrt.
,,Ich werde mal sehen, ob die Polizei noch Hilfe braucht.", sagte John auf einmal und verschwand augenblicklich, während ich mich suchend umsah.
,,Wo ist Ihr Bruder?"
,,Er hat wichtige Angelegenheiten zu erledigen, wie er es nennt. Wobei ich nicht verstehen kann, was bei der Regierung so wichtig sein kann.", meinte Sherlock und klang gelangweilt.
,,Ihr Bruder ist bei der Regierung?"
,,Ja und ich wäre Ihnen dankbar, wenn Sie es ab jetzt nicht mehr erwähnen. Es reicht, dass Mycroft mir das permanent unter die Nase reibt."
Ich nickte nur und sagte nichts weiter. Denn die ganze Situation war einfach zu verrückt und für mich war es nun wirklich kein Wunder mehr, dass Sherlock und Mycroft sich offenbar als Erzfeinde betrachteten. Denn ganz offensichtlich war das Ego beider Brüder größer als alles andere.
,,Sie sagen ja gar nichts mehr!", stellte Sherlock fest und ich sah ihn vielsagend an.
,,Was soll ich denn auch sagen? Zuerst macht Ihr Bruder einen auf Mr. Geheimnisvoll, dann bezeichnet er sich als Ihr Erzfeind und jetzt tauchen sie beide hier gemeinsam auf, um die Situation zu retten. Da kann man schon mal sprachlos werden."
Und ich war sprachlos! Das war zwar eher selten der Fall, aber Sherlock Holmes hatte es tatsächlich geschafft. Und irgendwas sagte mir, dass dies nicht das letzte Mal gewesen war, dass er mich sprachlos machen würde.
,,Aber der Fall ist gelöst! Und Sie sind von ganz allein drauf gekommen, wie ich es John gesagt habe.", sagte Sherlock mit einem Mal und nun sah ich ihn irritiert an.
,,Moment, soll das etwa heißen, Sie wussten die ganze Zeit, dass Richard und David ein Paar gewesen sind?"
,,Natürlich! Das war doch wohl nicht zu übersehen. Haben Sie sich die Leiche denn nicht richtig angesehen?", bemerkte Sherlock Holmes und es klang fast schon vorwurfsvoll. ,,Gefärbte Augenbrauen...er hat offenbar viel Wert auf sein Äußeres gelegt. Und das Gleiche bei David Jenkens! Er hat diese Nachtclubaugen und er schmiert sich irgendwas in die Haare. Auch das zeigt von Wert auf äußere Attraktivität. Alles Details, die Einen darauf schließen lassen, dass diese Männer ohne Zweifel schwul sind. Und dann, als Sie David und Sarah im Theater befragt haben. David war sichtlich am Boden zerstört, als Sie die Nachricht von Richards Tod überbracht haben und die beiden kannten sich...der Rest war naheliegend. Aber natürlich konnten Sie das nicht wissen, denn Sie haben das gleiche Problem wie John, Evelyn.", fasste er zusammen und ich sah ihn verdutzt an.
,,Und welches bitteschön?"
,,Sie sehen zwar, aber Sie nehmen nicht wahr. Aber keine Sorge...ich denke das nächste Mal einfach wieder für uns Drei.", meinte Sherlock und hob eine Augenbraue.
,,Das nächste Mal?"
,,Ach, kommen Sie schon, Evelyn! Sie müssen zugeben, wir waren ein gutes Team."
Sherlock sah mich vielsagend an und konnte sich ein kleines Grinsen nicht verkneifen. Zuerst wollte ich ihm widersprechen, aber ich musste leider zugeben, dass er Recht hatte. Zwar war der Fall nicht besonders schwer gewesen, aber ohne Sherlocks Hilfe hätte ich immerhin Felipe nicht zu fassen gekriegt.
,,Ich kann nicht glauben, dass ich das sage, aber Sie haben Recht!", gab ich schließlich zu und Sherlock sah mich triumphierend an.
,,Na, sehen Sie! War doch gar nicht so schwer."
,,Sie haben mir das Leben gerettet, Sherlock Holmes. Und dadurch haben Sie mein Vertrauen gewonnen. Aber Eins versichere ich Ihnen: wenn Sie mich noch einmal so auflaufen lassen, wie mit Ihrem Bruder...dann werde ich Sie dafür eigenhändig in den Knast werfen.", erwiderte ich und Sherlock grinste.
,,Reizvoller Gedanke! Aber da bevorzuge ich doch eher die Baker Street."
,,Gut!"
Ich wandte mich von Sherlock ab und wollte schon den Heimweg antreten, als mir noch ein Gedanke kam und mich umdrehte.
,,Eine Sache noch, Sherlock.", setzte ich an und er sah mich erwartungsvoll an. ,,Woher wussten Sie, dass ich in Gefahr schwebe?"
,,Ich wusste es einfach!"
,,Woher?", hakte ich nach und Sherlock warf mir nun einen vielsagenden Blick zu.
,,Sie lieben Herausforderungen, Evelyn und Sie scheuen keine Gefahren. Mir war klar, dass Sie den Fall lösen würden, aber ich wusste auch, dass Ihre Entschlossenheit die Mörderin aus der Reserve locken würde. Und, was soll ich sagen...ich lag wie immer genau richtig!"
Für einen Moment sagte niemand von uns beiden etwas und ich war ehrlich gesagt fasziniert von dieser Erklärung. Sherlock schien wahrlich ein Genie zu sein und ich war ungeheuer gespannt, was unsere Zusammenarbeit noch so zu bieten haben würde.
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